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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.08.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-08-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020821022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902082102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902082102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-08
- Tag1902-08-21
- Monat1902-08
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Es ist nur ein schwacher Trost, daß die cndgiltigen Defieitozahlen hinter den schätzungsweisen Annahmen, welche die Reichsfinanzverwaltuug im Fe bruar d. I. nach den Deecmberabschlüsscn bekannt gab, um ein paar Millionen zurückgeblieben sind. Auf noch schwächeren Füßen steht der theoretisch allerdings infolge der verzwrcktcn Gestaltung der Rcichssinanzcn im Allge meinen unanfechtbar kluge Hinweis, daß es im Reiche ein eigentliches Defieir nicht giebt und nicht geben kann, da die Maschinerie der Matricularbeiträge ohne Weiteres in Thätigkcit tritt, sobald und soweit eine Differenz zwischen den Einnahmen und Ausgaben sich herausstellt. Tie Theorie kann aber nicht über die eminent praktische That- sache hinwcghclfen, daß nicht nur die dem Reiche ver bleibenden ordentlichen Einnahmen, sondern auch die den Einzelstaaten zufallendcn Ueberweisungssleuern um einen bedenklich hohen Betrag hinter dem Voranschlag für das abgelaufene Finanzjahr zurückgeblieben sind. Stei ge n d e A u s g a b e n u n d s i n k c n d e E i n n a h m c n, das ist die Signatur der derzeitigen Finanzlage des Reiches. Dieses Gesammtbild wird auch durch die bei den Zöllen und der Tabaksteuer und einigen anderen Steuern gegenüber dem Etatssvll erzielte Mehreinnahme und das Mehrertrügniß einer einzigen Betriebsverwaltung, der Reichsdruckerei, sowie durch die Miudcrausgabeu einzel ner Verwaltungen nicht wesentlich verschoben. Gekenn zeichnet wird die Situation durch den Einnahme-Ausfall bei den Stempelabgaben im Betrage von 29,5 Millionen Mark, bei der Post- und Telegraphcnverwaltung im Be trage von 6,5 Millionen Mark lgegenüber einer Riehraus gabe von 9,8 Millionen Mark), bei der Verwaltung der Reichs-Eisenbahnen im Betrage von 9,5 Millionen Mark «gegenüber einer Mehrausgabe von 1,4 Millionen Mark), und bei der Zuckerstencr im Betrage von 5z? Millionen Mark. Trotz des Mehraufkommcns aus den Zollen und der Tabaksteuer in Höhe von 15,8 Millionen Mark bleiben die den Einzclstaaten zustehendcn Ucberweisungen um 15,2 Millionen Mark hinter dem im Etat vorgesehenen Be trage zurück, während der Fehlbetrag im eigenen Reichs haushalt sich auf 27,4 Millionen Mark beziffert. Ta die Mehrausgaben die Summe von 21,0 Millionen Mark erreichen, so ergiebt sich ein Fehlbetrag von 48,4 Millionen Mark. Das ist indessen „euphemistisch" gerechnet; denn mit Fug und Recht ist auch das Manco der Ucberweisungen in Betracht zu ziehen, und dann ergiebt sich ein ReichSdcficit in Höhe von 63,6 Mill. Mark oder von rund 64 Mill. Mark. Daß Angesichts einer solchen Finanzlage des Reiches ern st e Besorgnisse für die Zukunft wach werden müssen, ist selbstverständlich. Wie mögen die jetzt feststehen den Tbatsachen die Politiker des Freisinns und des Cen- irnms anmuthen, die, wie die Abgeordneten Richter und Müller lFulda), noch im März vorigen Jahres sich über die „Verwendung der für das Finanzjahr 190l zu er wartenden Ucbcrschüssc" die Köpfe zerbrachen! Die vom Reichstage nicht mehr vorgcnommenc Verabschiedung der lax Lieber für 1901 ist jetzt dnrch den Lauf der Dinge in einer Weise erfolgt, welche das Wicdcrauftanchen dieser lox für die nächste Zukunft wohl hintanhaltcn dürfte. Die erste Mahnung, welche sich ans der derzeitigen Sachlage ergiebt, ist die zu einer strengen Sparsamkeit. Roch sind die Schwierigkeiten, welche sich der Kinancirnng des Etats für das laufende Finanzjahr cntgegenstellten, in frischer Erinnerung. Die Ausgleichung des Etats ohne Zuschuß anleihe wurde bekanntlich schließlich nnr dadurch ermög licht, daß die Einzclstaaten, ungeachtet ihrer eigenen be drängten Lage, sich freiwillig zur Uebernahme von 24 Millionen ungedeckter Matricularbeiträge erboten, und auch das reichte noch nicht. Es mußte noch hinsichtlich der Veranschlagung, der Einnahmen ans den Zöllen zu einem höchst gewagten Experimente gegriffen werden, indem eine Erhöhung des Ansatzes um 12 Mill. Mart vvrgenvmmen wurde. Wie wenig die letztere der Wirtlichkeit entspricht, lehrt die Thatsache, daß schon das Ergebnis; der ersten drei Monate des Finanzjahres auf ein Zurückbleiben der Ueber- weisungsstcuern um 7)-. Mill. Mark hinter dem Etats ansatze schließen läßt. Aus den Aenßernngen der Regie- rungsvcrtrctcr in der Zolltarifevinmissivn ist überdies bekannt, daß die Aufstellung und Finauciruug des n ä ch st- jährigen Etats „n vch größerc Sorg e" bereitet und daß dieser Etat „voraussichtlich einen nu r mit den allergrößten Schwierigkeiten zu deckenden Fehlbetrag ergeben wird." Es liegt uns fern, grau in grau zu malen, aber wir meinen doch, daß gespart werden muß, wo immer gespart werden kan n. Daß dadurch das Gleichgewicht in den RcichSfiuanzcn er zielt wird, halten wir natürlich für ausgeschlossen. Ohne Erschließung neuer E i n n a h m e g n e l l e n für das Reich wird das Deficit nicht zu beseitigen sein. Tie proble matischen Ergebnisse des neuen Zolltarifes schon jetzt in Rechnung zu stellen, ist ans verschiedenen Gründen nicht angängig. Andererseits können wir cs nicht als nufere Aufgabe betrachten, der Regierung neue Steucränelleu uachzuwciscu; wir zweifeln nicht daran, daß in dieser Rich tung von der Neichssiuanzverwaltung nichts versäumt ist oder versäumt wird, nm im gegebenen Augenblicke positive und festgegründctc Vorschläge machen zu können. Rur Eines möchten wir betonen: eine Sanirnng der Reichs finanzen kamt und darf nicht erfolgen ohne eine feste Regelung der finanziellen Beziehungen zwischen dem Reiche und den Einzclstaaten, mit einem Worte, nicht ohne die N c i ch s f i n a n z re f o r m! Mögen die Ansichten über die Mittel und Wege, wie eine solche Reform durchzuführen ist, heute noch weil auseinander gehen, der Grundgedanke drängt sich nachgerade allen politischen Richtungen, die an einem gedeihlichen Verhältnisse zwischen Reich und Einzclstaaten ein Interesse haben, mit zwingender Rothwcndigkeit ans. Auch das ist eine Cousc- qucnz, die sich ans dem jetzigen Finanzabschluß der Reichs- hauptcasse ergiebt. In München hat „man" es bekanntlich abgelehnt, die zwischen dem Kaiser und dem Prinr-Negenten Luit pold gewechselten Depeschen zu veröffentlichen.' Warum, das wird heute von der Münchener „Allgem. Ztg." in einer augenscheinlich inspirirten und mit einer scharf geschliffenen, nach Berlin gerichteten Spitze versehenen Aus- iaffung dargelegt: „Auf Ansuchen in gleicher Dienstescigenschast wurde, wie wir den heute eingelansenen amtlichen Nachrichten entnehmen, versetzt: Gymnasialrector Vr. Georg Ritter v. Lrterer, Mitglied des Obersten Schulrathes, vom humanistischen Gymnasium in Eich- slätt an das Luitpold - Gymnasium in München. Diese Versetzung ist, wie unsere Leser wissen, bereits vor einem halben Jahre beabsichtigt gewesen: und zwar darum, weil Herr vr. v. Orterer ein tüchtiger Schulmann ist. Trotzdem ist sie nicht ohne politische Bedeutung. Die Versetzung ist vollzogen worden, nachdemdieKammergeschlossen warund der Rachefeldzug des CentrumS gegen das Ministerium Crailsheim proclamirt worden ist. Auf die Eventualität hin, aus der durch das Auftreten des Kammer- centrums hervorgerufenen Verbitterung möglicherweise der Schwäche geziehen zu werden, hat die also vom Centrum angegriffene Regierung ohne Zögern die von ihr früher schon in Aussicht genommene Versetzung, die zweifellos eine Anerkennung und Auszeichnung für Herrn vr. v. Lrterer involvirt, in Ueber- einstimmung mit den Intentionen der Allerhöchsten Stelle vollzogen. Dieser Act bekundet eine staatsmännische Vornehmheit der Behandlung der persönlichen Mo mente in politischen Differenzen, die geeignet sein sollte, auf die Häupter der dunklen Inspiratoren, die jetzt in einer so maßlosen und untergeordneten Art gegen die Mitglieder deS Staatsministeriums in der klerikalen Presse Hetzen lassen, feurige Kohlen zu sammeln." In München war also die Negierung „in Ueberein- stimmung mit der Allerhöchsten Stelle" entschlossen, in „staats männischer Vornehmheit" bei der Behandlung der persön lichen Momente in politischen Differenzen auf die Häupter der klerikalen Kammermaforilät „feurige Kohlen zu sammeln". In dieses Programm paßte natürlich die Veröffentlichung des Kaisertelcgramms mit seiner Note für die Herren Orterer, -Lchädler, Heim und Consorten wie die Faust aufs Auge. Wie diese Veröffentlichung auf die klerikale Presse gewirkt, hat man bereits gesehen und erfährt es täglich aufs Neue. So schreibt das officielle Organ des bayerischen Centrumö in seiner letzten Nummer: „Das Ceutrum ist von dem Alb der Verbindung mit der Re- gierung gänzlich befreit. Seine Wähler begrüßen es mit Freuden; eine Wiederanknüpsung an Liese Regicrungspolitik ist zur Unmög lichkeit geworden. Nachdem noch das Kaijertelegramm mit seiner Kritik bayerischer Verhältnisse und des bayerischen Landtags bekannt geworden ist, ist jede Verhandlung aus dem Boden der bisherigen Regierungspolitik ausgeschlossen. Da§ Kastertelegramm hat auch dem politisch Blinden die Augen geöffnet, um sehen zu können, daß Bayern mit einer Fortsetzung dieser Re gierungspolitik an den Abgrund geräth." Wird nun die „Anerkennung und Auszeichnung" für Herrn vr. v. Orterer, daS Sammeln feuriger Kohlen auf die übrigen klerikalen Häupter, die weitere Bekundung „staats männischer Vornehmheit" bei Behandlung der persönlichen Momente in politischen Differenzen und das demonstrative Zurschautragen dieser Vornehmheit die kampsbegierigen Kleri kalen entwaffnen und sie empfänglich machen für „vornehme" Behandlung? Wir bezweifeln cs um so mehr, als die klerikale bayerische Presse schon vor der Veröffentlichung des Depeschen wechsels ihre Unversöhnlichkeit bekundete. Wesentlich verschlech tert Hal also diese Veröffentlichung die Lage der bayerischen Negierung nur insofern, als sie den bayerischen Klerikalen einen neuen und willkommenen Vorwand zum Angriffe giebt. Aber das fft schon bellagenSwerth genug, ganz abgesehen da von, daß cs für jeden NeichSfreund peinlich sein und in Berlin peinlich berühren muß, in einem der bayerischen Negierung so nahe stehenden Blatte wie die Münchener „Allgem. Ztg." gerade jetzt die mit den Intentionen der allerhöchsten Stelle übereinstimmende staatsmännische Vor nehmheit der bayerischen Regierung demonstrativ gerühmt zu sehen. Zn den mannigfachen Verkehrsprojectcn für Südafrika, die noch während der Dauer des südafrikanischen Krieges in britischen Finanz- und Handclskreisen lebhaft erörtert worden sind, ist der Plan einer Eisenbahnverbindung hin zugetreten, die, wenn ne zur Ausführung gelangt, eine beträchtliche Verkürzung des Seeweges nach Südafrika mit sich bringen und die neugewonnenen britischen Cvlv- uicn Transvaal und Oraujcstaat unter wesentlich ver besserten Zeit- und Transportverhältnissen an den atlan tischen Seeverkehr anschließen würde. Nachdem die ur sprüngliche Absicht, als Ausgangspunct der projcctirten Bahnstrecke die britische Walfisch-Bai anzunehmen und die Linie in nordöstlicher Richtung über Omarunu und Oku- pnta nach Tsumeb und von da bis Pretoria zu führen, sich in Folge der benachbarten deutschen Bahn Swakoprnund- Wiudhoek als unzweckmäßig erwiesen zu haben scheint, haben sich die britischen Interessenten für Port Alexandra, in der portugiesischen Colonie Angola, als Küstenstation der projectirteu Bahn entschieden, die dann in südlicher Richtung verlaufen und nach Ueberschrei- tung des Kuneue, theilwcise deutsches Gebiet be rührend, in noch zu bestimmcuder Trace gleichfalls bis Tsumeb geführt werden soll. Die dadurch erreichbare Wegkürzung für Pretoria erscheint, da Port Alexandra um circa 2000 Kilometer Seeweg England näher liegt, als Eapstadt, und annähernd gleich groß die Entfernung Port Alexandra-Pretoria auf der projcctirten Bahnstrecke ist, immerhin beträchtlich, wenn man nicht nur die Ersparnis von 315 Kilometern Eisenbahn von Capstadt bis Pretoria, sondern auch oie schnellere Beförderung auf dem Ueber- landwcge iu Rechnung zieht. Jedenfalls würde nach Ver wirklichung des P o r t A l e x a n d ra - Ts um e b - P re- t o r i a - Prvjcctes die Hauptstadt des Transvaal von Eng land ans auf schnellerem und näherem Wege zu erreichen sein, als Capstadt, während gegenwärtig die Verhältnisse umgekehrt liegen. Sprechen diese Erwägungen für die Zweckmäßigkeit der geplanten Anlagen, so besteht anderer seits eine Reihe von erheblichen Bedenken, unter denen die ttostenfrage noch als die geringste Schwierigkeit bezeichnet werden darf. Zunächst sind die Verhandlungen zwischen der britischen und der deutschen Negierung, betreffend die Conccssionirung der projcctirten Route auf deutschem Ge biete, ivie englische Blätter berichten, zwar in vollem Gange, aber noch nicht zum Abschlüsse gelangt. Es ist deshalb nicht wahrscheinlich, daß das Unternehmen in An griff genommen wird, bevor diese Seite der Sache völlig geklärt ist. Andererseits ist zu bedenken, daß der euro päische Handelsverkehr nach Südafrika sich mehr und mehr dem kürzeren Transportwege zuwenden und so Capstadt zu Gunsten von Port Alexandra schädigen würde. Ob diese unerfreuliche Aussicht dem Unternehmen förderlich sein wird, ist sicherlich zweifelhaft; jedenfalls würden die Bewohner der Capcolonie mit einer solchen Durchkreuzung ihrer Interessen kaum einverstanden sein, und cs darf daher angenommen werden, daß der Wunsch, die eben erst neu bekräftigte Einigkeit zwischen den Colonien und dem Mutterlande aufrecht zu erhalten, die vorläufige Zurück stellung des zweifellos bedeutsamen Projectcs veranlassen wird. Deutsches Reich. G Berlin, 20. August. Die königlichen Eisen bahn d i r e c t i o n e n sind wiederholt angewiesen worden, die Bahnwirthe anzuhalten, daß sie auf den Bahnsteigen, wo nicht etwa Betriebsintercsscn es aus schließen, während der wärmeren Jahreszeit Er- Feuilleton. Das Fraulein von Laint-Sauveur. 16s Roman von Gröville. (Nachdruck verboten). „Ich wollte, cs wäre so", erwiderte Antoinette langsam und mit so ernstem Blick, daß ihr Vater darob ganz er staunt war. „Aber bedenke nur, Papa, die arme Frau Regnier! Sie muß sich in einer recht peinlichen Lage be finden, daß sie Landrn auf der Stelle zu sich beruft! Die Depesche laugte heute Morgen an und wurde ihm während des ganzen Tages nachgcschickt. Er erhielt sic in dem Moment, da er vom Pferde stieg, und da ich mich in seiner Nähe befand, so beauftragte er mich damit, Dich von seiner Abreise in Kcnntniß zu setzen." Der Marquis war nachdenklich geworden. „Ich ginge auch hin", sagte er, „allein sie bedarf gewiß nicht unser Beider. Außerdem ist Landry ein erfahrener und geschickter Junge. Er ist also abgcrcist?" „Noch dazu auf der Stelle, so daß er noch vor Anbruch des Tages anzulangcn hofft, wenn er den Zug nicht versäumt." „Arme Frau!" murmelte der Marquis, die Treppe vollends hinabstcigcnd. „Sie ist für einen Guerillakrieg nicht geschaffen." Während dieses Zwiegespräches hatte sich Jehan gesagt: „Du hast einen Unsinn begangen, mein Freund; Du mußt jetzt trachten, Dich mit Tvurncllcs wieder aus ver trauten Fuß zu setzen; denn sonst hast Du in diesem Lande keine Aussichten mehr." Das Tiner nahm einen glänzenden Verlauf, die darauf folgende Ballunterhaltung noch mehr; denn wenn die Iagdthcilnchmcr auch ziemlich ermüdet waren und zum größten Thcile den Whist dem Tanze Vorzügen, so wurden sie von einem Schwarm junger Leute ersetzt, die bereit waren, zu flirten, zn tanzen und Rundtänze zu leiten. Gegen zehn Uhr erschien Rolande in einer malven farbenen Toilette. Ihr einstiger Verehrer betrachtete sie aufmerksam, worauf sich sein Blick Antvinettcu znwcndctc, die weiß und elegant war wie eine Lilie. Nein, nein, zwischen diesen zwei Frauen bestand ein unüberbrückbarer Abgrund. Todcsmuthig, und auch um der Grausamen zu beweisen, daß er ob ihrer Kälte mit Nichten verzweifelt sei. beschäftigte sich der Poet fast ausschließlich mit Fräulein von Tournclles. Die plötzliche Abreise Laudry's hatte das Programm des Abends verdorben; denn er hätte den Cvtillon leiten sollen. Da Frau vou OrnyS unter den Junggesellen keinen sah, der ihn würdig hätte vertreten können, wendete sic sich mit einer bezüglichen Bitte au Herrn von Landois. „Meinen Sic das im Ernst, verehrte Frau?" fragte dieser lachend. „Bedenken Sic doch, ein vcrhciratheter Mann und angehender Papa!" „DaS ist wahr! Wo ist denn Ihre Frau?" „Sic befindet sich in Gesellschaft der verschiedenen Mutter, um sich rechtzeitig eine gewisse Hebung anzu eignen", gab er mit so herzlichem Lachen zur Antwort, daß Antoinette, die sich in der Nähe befand, nicht umhin konnte, gleichfalls zu lachen, obwohl sie seit ihrem Ge spräch mit Jehan ihre Unbefangenheit noch nicht zurück erlangt hatte. Sic legte ihre Hand in die des Herrn von Landois und leitete mit ihm den Cotillon ein, die eigentliche Würze des Abends, wie er sich auödriickte. In einer der Figuren sah sic sich Jolande gegenüber. Gleich allen Tänzerinnen hielten sic einen mit Rosen ge schmückten Bogen in der Hand, nntcr welchem die Tänzer der Reihe nach durchschreiten mußten. Auf ein Zeichen, welches Landois gab, wurden die Bogen gesenkt und zwei Tänzer von denselben fcstgchalten. „Malvenfarbcu oder weiß?" fragte Jolande ge bieterischen Tones zu Jehan gewendet, der durch einen boshaften Zufall als einer der Ersten von dem blumen geschmückten Ring gefangen worden war. „Malvensarbcn!" erwiderte er ohne Zögern und mit jenem verwegenen Ausdruck in den Augen, der Fräulein von Saint-Sanvcnr so tief verletzte. Jolande bemächtigte sich ihrer Beute und entführte sic in stürmischem Walzcrtempo, das gar nicht vvrgeschricben war. Antoinette dagegen drehte sich der Form wegen drei- oder viermal mit Herrn von Landois im Kreise. Noch eine volle Stunde sah Jehan sic inmitten von Büimcn, Glöckchen, Bändern, Schleifen und anderen sinn- reßchcn Dingen, die die unentbehrlichen Begleiter der Cotillontänzc sind; wie überall, entwickelte sic auch hierin eine außerordentliche Aumuth. und lächelnd, mit lieveu-.-- würdigcr Miene, kam sie ihren Pflichten nach, als wären cs lauter geheiligte Cstbräuchc. Kein unmuthigcr Zug verdüsterte die strahlende Schönheit ihres Gesichts. Jehan hatte cs ganz richtig erkannt: sic Beide gehörten nicht den gleichen Gesellschaftskreisen an. Als sich die Paare in den Speiscsaal begaben, um das Souper eittznuchmeu, sagte Laudvis zu Antoinette, die er am Arme führte: „Sie weiden mir doch verzeihen, wenn ich Sic für einen Moment verlasse, um nach meiner Frau zu schauen? Ein Anderer, BcneidenSwerther, wird Ihnen inzwischen Gesellschaft leisten." „Gehen Sie nur", erwiderte die junge Dame, „hoffent lich hat sie sich noch nicht in ihr Zimmer zurückgezogen." Landois blickte suchend nm sich, um einen würdigen Stellvertreter zu finden, und dabei begegnete er dem bittenden Blick Raoul Növin'S. Es war das gerade kein hervorragender Tänzer, aber ein ritterlicher Manu und guter Gesellschafter, der nichts sehnlicher zu wünschen schien, als mit Antoinette zu spreche». Ein Zeichen mit dem Kopf, ein kurzer Gruß, eine höfliche Handbewegnng, und der Tausch hatte sich vollzogen. Nnr Jolande, die ihren Poeten triumhirend hinter sich Herzog, schien den selben wahrgenommcii zn haben. „Mein Fräulein", hob Növin zn sprechen an, nachdem er Antoinette zu Tische geführt und sie mit Speise und Trank versehen hatte, während seine College» den übrigen Damen gegenüber ein Gleiches zu thun im Begriffe waren. „Sic werden vielleicht erstaunt darob sein, daß ich so sichtlich danach strebte, heute Abend mit Ihnen sprechen zu können. Ich habe lange gezögert, und erst, als ich hörte, daß Villorä einige Tage abwesend sein würde, wagte ich . . ." Antoinette crröthete. Was bedeutete diese Einleitung? Növin wurde sich seiner Ungeschicklichkeit bewußt und fuhr fort: „Schon vor einigen Monaten habe ich im Gespräch mit Landr» einen Gegenstand berührt, der mir immer mehr am Herzen liegt, und da wollte ich seinen Rath ein holen ... Ich dachte nun, daß Sie in seiner Ab wesenheit . . ." Sie blickte ihn immer mehr erstaunt, ja sogar ein wenig erzürnt an. „Ich verwickele mich in meinen eigenen Worten", sprach er nun lächelnd. „Es wird besser sein, wenn ich mich keinerlei Umschreibungen bediene; denn ich bin kein Redner. Die Sache ist einfach die: Ich bedarf eines guten Ratstcs, «vage ihn aber nicht von älteren Leuten zu ver langen; denn deren Antwort könnte vielleicht mit meinen Wünschen nicht im Einklänge sein . . ." „Man sott Ihnen also rathcn, was Sic selbst zu thun wünschen?" fragte Antoinette mit einem feinen Lächeln. „Ganz natürlich! Man fragt ja nur aus dem Grunde um Rath, nm die eigene Meinung bestätigt zu hören", er widerte Növin, der sich behaglicher zn fühlen begann. „Glauben Sie . . . glauben Sic, daß ich eine sehr große Thorheit begehen würde, wenn ich Fräulein Gallois hcirathen wollte?" Antoinette, die nur mit halbem Ohre zuhörte, horchte mit einem Male auf und sprach: „Eine sonderbare Frage das! Wie könnte ich Ihnen rathcn und unter welchem Rechtstitcl?" „Du lieber Gott, verehrtes Fräulein, wenn Villvrö da wäre, so hätte ich gewiß nicht im Traume darau gedacht, Sie mit meinen Plänen und Absichten zu behelligen . . . Und dessenungeachtet würde die Meinung einer Fran, eines vernünftigen, taetvollcn, jungen Mädchens, gleich Ihnen, sehr schwer in die Waagschale fallen . . . Landrn ist nicht hier; ich aber weiß, welchen Werth er ans Ihre Meinung legt, welche Verehrung er für Sie hegt . . . und deshalb habe auch ich mir die Freiheit genommen . . . Sprechen Sie, mein Fräulein, wäre die Sache gar io schlimm? Sie dürfen sich nicht vor Augen halten, daß die junge Dame völlig mittellos, daß sic kaum jünger ist als ich; vergessen Sie mit einem Worte Alles, was eine ans rein gesellschaftlichen Rücksichten urtbeilende Frau an Einwänden ersinnen könnte, und sagen Sic mir rück haltlos, vb Ihnen eine Verbindung zwischen Fräulein Gallois und mir im beiderseitigen Interesse als ivünichens- iverth und ratbsain erscheint!" Der junge Mann hatte den rechtschaffenen Blick auf Antoinette geheftet. Sie fühlte vlötzlich, zum ersten Male im Leben, die Last der gesellschaftlichen Verantwortung, die Nothwendigkcit der weiblichen Zusammengehörigkeit und einer Menge anderer, recht verwickelter Dinge auf sich ruhen, die mit der glanzvollen Umgebung, in der sie sich befanden, sehr wenig im Eiullauge standen. In stinktiv suchte sic mit deu Blicken das Wesen, dessen Schick sal in diesem flüchtigen Augenblick vielleicht in ihren Händen ruhte. In einiger Entfernung vou ihr entdeckte sie Fräulein Gallois, die in einer silnvarzcn Tülltoilctte, die ihre herr lichen Schultern und tadellos geformten Arme ein wcpig erkennen ließ, bescheiden, wie cs sich für eine berufsmäßige Beschützerin geziemt, und würdevoll wie ein junges, aii- mnthigcs Mädchen, das sic eigentlich war, das lebhafte Treiben um sich her beobachtete, ohne Neid, ohne Be«
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