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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.08.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-08-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020826015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902082601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902082601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-08
- Tag1902-08-26
- Monat1902-08
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Das ist ebenso begreiflich wie unvermeidlich; denn ein solches Conipromißverhältniß bringt stets sür alle Betheiligten den Zwang mit sich, während seiner Dauer einen oder den anderen politischen Glaubenssatz weniger scharf zu betonen und mehr die einigenden als die trennenden Momente bei der Agitation hervorzuheben. Wer nun nicht so viel Selbstzucht und politische Schulung besitzt, um auf diesen oder jenen Wunsch verzichten zu können, wenn eS sich um die Erreichung eines großen Zieles handelt, der ist stets versucht, aus den Folgen und Begleit erscheinungen die Unmöglichkeit und Verwerflichkeit einer der artigen Parteivereinigung zu erweisen. So lange es in dem guten Glauben geschieht, daß die Nachtbeile des Cartells die Vortheile überwiegen, und so lange die Gegnerschaft sich m den Grenzen einer maßvollen Agitation bewegt, wird es Niemandem verwehrt werden können, seine abweichende Meinung auszusprechen. Anders aber ist es, wenn die Kritik auf völliger Unkenntniß der Verhältnisse beruht, und in gehässiger und persönlich beleidigender Form von einer Seite geführt wird, die mit den Angegriffenen durch Parteizugehörig keit verbunden sein will. Da wird die Abwehr zur Pflicht. Dieser Fall ist für unS gegeben durch einen aus Sachsen, höchstwahrscheinlich sogar auS Leipzig, stammende» Leitartikel der „National-Zeitung" vom 23. August, welcher „Der NationallideraliSmuS in Sachsen" überschrieben ist. Bekanntlich nimmt ja diese Berliner Zeitung schon seil dem Jahre 1894 eine von der Parteileitung in wirtbschasl- lichen Fragen ganz abweichende Stellung ein. Dieser Gegner schaft hat sie eS offenbar zu verdanken, wenn sie jetzt zur Ablagerung sächsischer Unzufriedenheit ausgenützt worden ist, die im Wesentlichen aus unbefriedigten Ehrgeiz des Verfassers zurückzusühren sein dürfte. Das konnte freilich die „National-Zeitung- nicht wissen, als sie dieser langen Zuschrift ihre Spalten öffnete, und deshalb soll es ihr gegenüber den zahlreichen Unwahrheiten und Verdrehungen des Inhalts zur Entschuldigung gesagt werden. Freilich, den Vorwurf, bei der Ausnahme des Artikels zu leichtgläubig gewesen zu sein, können wir ihr trotzdem nicht ersparen; denn die Fehler des Berichtes sind auffallend genug. Ist eS etwa zu viel verlangt, zu wissen, daß bei den letzten allgemeinen Reichstagswahlen vier nationalliberale Vertreter aus Sachsen in den Reichstag geschickt wurden und daß auch nach dem Tode vr. Lehr's und dem Verluste IDöbelns in diesem Jahre noch heute drei von ihnen dort I Mitglieder sind? Jedes Fractionsoerzeichniß oder politisches ! Handbuch hätte der irrigen Behauptung des Verfassers von drei bezw. zwei Abgeordneten ein schnelles Ende bereitet. Wie wenig dieser auch in dem Parlamente seines eigenen Staates Bescheid weiß, kennzeichnet die weitere Meldung, vaß „Chemnitz der conservativen Partei im Landtage überlassen worden ist". Wenn dies dem sächsischen Landesverein als „ein Beweis unsagbar geringer Umsicht und Thätigkcit" zu Last gelegt wird, dann wird doch der Vor wurf wohl auf den zurückfallen, der so haltlose Behauptungen in die Welt setzt. Chemnitz ist in Wirklichkeit theils national liberal, theils konservativ in der ll. Ständekammer vertreten, da die Stadt in zwei Wahlkreise getheilt ist. Der sächsische „Nationalliberale" irrt also gründlich von der Wahrheit ab, wenn er von einer Ueberlassung Chemnitz'S an die konservative Partei redet. Er scheint aber das Radikalmittel zu kennen, welches jede Industrie- und Handelsstadt vor nicht nationalliberalen Abgeordneten be wahren muß; schade, daß er diese Entdeckung so spät machte, es wäre sonst vielleicht möglich gewesen, Herrn Enke aus dem dritten städtischen Wahlkreise in Leipzig zu verdrängen, um nur auf dies nächstliegende Beispiel hinzuweisen. Vielleicht dient gerade dieser Hinweis dazu, ihm zum Bewußtsein zu bringen, daß man Personen und Dinge kennen muß, ehe man über sie schreiben will. Jedenfalls ist ihm auch die Dresdener Parteilage gänzlich unbekannt, was wir nicht blos aus der hier beliebten Einschränkung, „so weit wir unter richtet sind" rc. folgern. Der Verfasser bedenkt sich keinen Augenblick, wenn er die Nationalliberalen in Dresden- Altstadt bezichtet, dadurch, daß sie, um einen Sitz im Landtage zu gewinnen, den Antisemiten Zugeständnisse sür die NeichstagSwabl machten, zuerst gegen die grundsätzliche Trennung der Wahlen gesündigt zu haben. Richtig ist: „die Dresdener beliebten diese Taktik der Äquivalente" zuletzt und zwar im Herbst 190l, als sie an Stellen schon gebräuchlich war, die zu nennen nicht in unserer Absicht liegt. Wir können ferner dem so „gut unterrichteten" Politiker verratben, daß nicht blos die Altslädter, sondern alle Dresdener Parteifreunde diese Sünde auf sich geladen haben, indem sie mit den Antisemiten und den Conservativen ein locales Cartell schloffen, nach dem Dresden-Neustadt (4. Kreis) einem Conser vativen, DreSden-Altstadt einem Reformer sür die ReichStagSwabl gegen daö nationalliberale Landlagömandat in DreSden-Friedrichstadt überlassen wurde. Wenn der Ein sender der „National-Zeitung" von all diesen Abmachungen nichts wußte, dann hätte er seiner Unwissenheit nicht noch die für seine Partei beleidigende Andeutung binzufügcn dürfen, als ob sie den antisemitischen Caudidaten im Stiche lassen würde. Die Dresdener Nationalliberalen, „die nicht mit der Cartell-Politik des Leipziger LandeSveieins ein verstanden sind", wie der Schreiber behauptet, werben sich alle gegen den ihnen angedichteten Wortbruch entschieden verwahren, dessen sind wir gewiß. Aber gerade solche Zwei deutigkeiten in dem Artikel beweisen, daß sein Verfasser durch oberflächliche Muthmaßunzen und Combinationen das lücken hafte Material, das ihm zu Gebote stand, künstlich verdecken wollte. ES ist desbalb mehr lächerlich als tragisch aufzufassen, wenn er auch auf Verhandlungen im Centralvorstand und den Antheil der sächsischen Vertreter an denselben Bezug nimmt. Wer kann sich denn außer den Mitgliedern des Landes ausschusses rühmen, überhaupt hiervon etwas in Erfahrung gebracht zu haben? Sind doch die Besprechungen meist ver traulich. Es ist deshalb wohl zu versieben, daß Herr X. niemals davon gehört hat, wie unsere sächsischen Vertreter sich bei den Berliner Beralbungen über das Agrarierthum geäußert haben. Ebensowenig sind ihm die Arbeiten der sächsischen Parteileitung bekannt; denn sonst würbe er nicht mit Beschuldigungen gegen Liese hervortreten, die in ihrem Unwcrthe leicht zu er kennen sind. Wie kann er sich als gänzlich fern Stehender ein öffentliches Urtbeil darüber anmaßen wollen, Laß „eine kraftvolle, planmäßige Agitation, die das ganze Land umspannt", auch jetzt fehle, ja baß man „über haupt keinerlei Spur von einer solchen" merke? Diese An klage ist offenbar ebenso willkürlich erfunden, wie diejenige, daß eine solche Agitation im vorigen Jahre bei der Nach wahl im Döbelner Wahlkreise gefehlt habe. Da hat die Parteileitung mehr als ihre Schuldigkeit gethan; drei Generalsekretäre bat sie aufgebotcn, die in Organisation und Agitation ihre Schuldigkeit thatcn und mit dem unver wüstlich thäligen Caudidaten und hilfebereiten Abgeordneten einige zwanzig Wahlversammlungen abhielten. Hat denn Herr X., der die Wahl merkwürdigerweise nicht in diesem Jahre stattsinden läßt, obwohl das doch so schnell nickt vergessen werden kann, nichts auö dem Ver folg der letzten Nachwahlen im Reiche ersehen können, worauf der Verlust des Döbelner Mandats zurückgeführl werden muß? Wer diese Zeichen nickt zn deuten versteht, ter kann als Politiker doch nicht ernst genommen werden! Der gerechten Würdigung wegen mag aber ausdrücklich die Erhöhung der nationalliberalen Stimmenziffer bei der 'Nach wahl erwähnt werden, damit die Unschuld der Parlelieitung an dem endgiltigen Ausfall im 10. Wahlkreise erwiesen tckird. Ter Berichterstatter der „National-Zeitung" über- bieiet bei diesem speciellcn Vorwürfe noch Herrn Liebermann v. Sonnenberg, der vor einigen Wochen von einer „un rühmlichen" Niederlage der Nationalliberalen sprach, aber die Schuld nicht der Leitung, sondern der ganzen Partei aushalste. Die übrigen Anklagen gegen den Vorstand des LandeL- vereinü sind nicht besser begründet: die sächsische Parteileitung der Nationalliberalen ist daran mit schuldig, daß die agrarisch - conservalive Partei im Landtage die Zweidrittel-Mehrbeil erlangt hat; der Leitung dcö national ¬ liberalen Landeövereins fehlt eS an der Entschlossen heit, dem conservativen Vordringen durch eine das ganze Land umfassende planmäßige Agitation entgegenzutrelcn; mau läßt sich von lauter „Taltik" leiten, aber bei aller „Takiil", mi: der man glaubt, Erfolge erzielen zu können, werden dock taktische Fehler gemacht u. s. w. DaS alles wird, ohne auch nur den Versuch zu einem Beweisantritt zu machen, keck und lühn bingeredet, ganz unbekümmert nm die Schadenfreude, die alle anderen Parteien dabei empfinden müssen. Hätte wirklich die Parteileitung so viel gesündigt, wir müßten doch das Waschen der schmutzigen Wäsche in der Presse verurtheilcn. Dazu hätte Demjenigen, der Recht zn Vorwürfen hatte, die Generalversammlung am 4. Mai Gelegenheit geboten. Auch sonst giebt cs in ter Parteiorganisation Ventile, seiner Unzufriedenbeit Luft zn machen. In souveräner Verachtung aller dieser Mittel und Wege erfolgt die Flucht in die Oesfenk- lichkeil, nur um von sich reden zu machen. Sollte sich der Schreiber nicht klar darüber gewesen sein, daß sein Artikel, der in den elementarsten politischen Dingen seines Vater landes so gründlich irrt, bei den Gegnern trotz aller Schaden freude nur Unglauben und Mißtrauen, bei den eigenen Partei freunden nur Widerwillen erwecken kann, so mag er sich die „Deutsche Tageszeitung" und die „Leipziger Neuesten Nach richten" mit ihrer Sonntagsnummer anschen, wo er nach beiden Seiten hin Belehrung findet! Wir nebmen zu seinem Vortheile an, daß er in dem Drange, sich politisch und agita torisch zn bethätigen, sich bei der Wahl dcö Mittels vergriffen hat, und schreiben ihm ferner auf seinem Schultconto zu Gute, daß er ein grundsätzlicher Gegner des Cartells sei. Dies allein kann uns veranlassen, ihm auch hierüber, soweit die nationalliberale Partei in Frage kommt, Rede und Ant wort zu stehen. (Schluß folgt.) Deutsches Reich. O. II. Berlin, 25. August. «Das Fiasco d e r I n t c r- Nationalität.) Der i n t e r n a t i v u a l e So- e i a l i st e n c v n g r e ß, der im August 1903 abgchalteu .verdeu soll, beschäftigt schou ieyr die Sveialdemotraüe aller Lauder und wird auch in München auf dem Parteitage einen Theil der Debatte beherrschen. Im Großen und Ganzen sind die Genossen aller Länder mit dem inter nationalen Parteitage sehr unzufrieden; den schönen Reden find keine Thaten gefolgt, mit der Anberaumung der internationalen Maifeier hat man sich blamirt, bei den großen Lvhnkämpfen hat die Internativnalität ebenfalls nur auf dem Papiere gestanden, namentlich die Herren Engländer haben mit allen ihren Versprechungen nicht Wort gehalten, sie haben bei allen Streiks in Deutschland tnamcntlich beim Flaschenarbeiterstreikl enorme Summen als Unterstütznngsgelder angekündigt, gekommen sind aber nur wenige Pfund Sterling, häufig aber dafür sogenannte Feuilleton. Körner's Tod. Zur Erinnerung an seinen Todestag (20. August 1813). Bon Felix Germer-Erfurt. Äialdvruck verboten. Es sind nun 89 Jahre dahingegangen seit dem Tage — 26. August 1813 —, an dem der Dichter- und Helden jüngling Karl Theodor Körner den Tod fürs Vaterland erlitt, getroffen vom feindlichen Blei, das mit Korner s Tode dem deutschen Bvlke einen unermeßlichen und zu gleich unersetzlichen Verlust bereitete. Mit tiefem Weh denken wir daran, daß dieses heiße, junge Blut schon so bald erkalten mußte; wir beweinen bas harte Schicksal, das dem Liebling seiner Zeitgenossen beschiederr war, und wir fragen trauernd, warum dieser Mund, der so viele begeisterte Vaterlands- und Schlachten lieder gesungen, dessen feurige, patriotische Worte so oft den Muth und die Todesverachtung in der Brust seiner Waffengefährten entflammt haben, der sie immer wieder darauf htngewiesen, welcher hohen, heiligen Lache ihr Kampf gelte, so bald verstummen, warum dieses Leben, das für sein Volk so werthvoll war, so bald verlöschen mutzte. Die Erinnerung an seinen Tod ruft daö Gedächtnis) in uns wach au eine bewegte Zeit, in der im deutschen Volke der Aufschrei: „Befreiung" wie ein schwerer, ver zweifelter Seufzer erschallte. Mitten in jene Epoche der sür uns Deutsche unvergeßlichen Befreiungskämpfe fällt der schmerzliche Gedenktag des Todes unseres Körner. Die letzten Augenblicke seines Erdendaseins sehen wir ihn im Geiste verleben mit dem Degen in der Faust auf schlankem Schimmel. Wir hören Krtegslärm, das Ge trappel der schnaubenden Pferde, laute Hurrahrufc, hören Flintenschüsse, sehen die Klingen bliyen und einen Retter schwer aus dem Sattel sinken, der sein Blut versteht für sein heißgeliebtes Vaterland. DaS ist Körner, das ist Lüyow's wilde, verwegene Jagd, der er als Lüyow's Adjutant angehörte. So lebt er in unserem Gedächtnitz als ein jugcndschöner, ritterlicher Jüngling. Aber gleichzeitig tauchen neben der Frage: „Mußte es sein, baß dieses gottbegnadete Talent so bald vergehen mutzte?" noch eine andere auf: „Wurde das wcrthvvlle Leben nicht auch zu leicht aufs Spiel gesetzt? Wog der Erfolg des Treffens auch nur einigermaßen den uner setzlichen Verlust auf, der seiner Familie, seinen Kame raden, seinem Volke und der deutschen Literatur durch seinen Tod entstanden ist?" Es ist kein nennenswcrthcS Gefecht, keine Schlacht im eigentlichen Sinne, in der Körner dahinsank. In dem Vcrzeichnth deutscher Waffenthaten ist das Scharmützel bet Gadebusch nicht verzeichnet, denn cs war nichts weiter, als ein Ueberfall, den ein Theil der Lützvwcr ausführen wollte, als ihnen gemeldet wurde, bah eine französische Kroviant-Eolonne herannahe. Bevor cs zum Angriff kam, schrieb Körner sein als letzte Dichtung bekanntes „Lchwertlied", dessen Form und Inhalt auf Todesahnen schließen läßt. Er notirte eS in seine Brieftasche und las eS seinen Kriegögeführtcu noch kurz vor Beginn der Plänkelei vor. lieber die näheren Umstände bei dem Tode Körner s sind die verschiedenartigsten Schilderungen gegeben wor den. In den meisten ist angegeben, Körner sei — mehr mutlng als umsichtig — als einer der Vordersten, der französischen BegleitnngSmannschaft, die sich vor den Lützvwern in ein Gebüsch von Unterholz geflüchtet hatte, nachgesprengt und habe hierbei von einem in Deckung stehenden Franzosen die tödtliche Kugel erhalten. Dieses Vorgehen wäre selbst zu damaliger Zeit für einen Eaval- leristen sehr gewagt gewesen, und man hat angenommen, daß Körner im ungestümen Jngendmuth die nöthige Uebcrlegung vergessen habe, weil es ja für ihn galt, den gehaßten Feind zu vernichten. Gleichzeitig mit ihm soll auch sein treuer Schimmel getroffen worden sein. Bei den verschiedenartig lautenden Schilderungen über Körner's Tod sei auch einer weniger bekannt gewordenen, aber recht glanbhaft klingenden Mittheilung Raum ge geben, die im August 1852 der Redaktion der „Erfurter Zeitung" zuging und folgendermaßen lautet (wir 'assen sie ungeachtet der stilistischen Unebenheiten im Wortlaut folgen): „Herr Nedacteur! Soeben lese ich in Meyer's Groschen- Bibliothek Theodor Körner's Biographie und auch die näheren Angaben über seinen Tod. Körner's Tod ist aber hier, sowie in allen darüber vorhandenen Be schreibungen, so falsch erzählt, daß man denselben schon den gänzlichen Mangel an Sachkcnntniß ansieht. Ich er laube mir, Ihnen die näheren Umstände und den Hergang bei der Sache bei dem Tode des Dichters mitznlhcilen, nnd kann ich für die Wahrheit der Angaben einstchen: „Am 25. August >1813) erhielt der Major von Lützow durch eine» seiner Spione Nachricht von einem heran nahenden Train von 50 Wagen mit etwa 100 Mann Be deckung. Sogleich wurde beschlossen, diesen Zug auf- znheben. Am Morgen dcö 26. Augusts wurde die aus 100 Maun Jägern und 200 Kosaken bestehende Schaar vcrtheilt. Der Ort war eine in den Wald hineinschtcbende Ackerfläche, welche die Wagen passiren mutzten. Der Bruder des Majors von Lützow sollte mit der ihm zuertheiltcn Mann schaft den Zug von vorn angrcifcn, ein anderer Theil im Rücken, und im Ecntrum selbst leitete von Lützow selbst den Angriff. Der Bruder des von Lützow hatte sich aber verirrt und konnte daher nicht den Feind zuerst angrcifen, vielmehr mußte der Major von Lützow den Angriff beginnen. Die beiden äußersten Wagen hatten aber schon den Wald er reicht, und flüchteten beim ersten Hurrahrufen sich mit etwa 50 Mann von der Besatzung derselben. Beim ersten Ansprengen wurde der Graf von Harden berg von vier Kugeln durchbohrt rückwärts aus dem Sattel geworfen. Nachdem die Wagen von den Franzosen gesäubert waren, ließ Major von Lützow zum Appell blasen, um Kriegsrath zn halte». Eben wollte auch der Jäger Busse und der Oberiäger Schulz diesem Folge leisten, als ihnen Körner znricf: „Jäger, nnd Oberjäger Schulz, helfen Sie Zentern retten!" Zentern war das Pferd von den Franzosen erschossen worden, und er lag nun unter demselben, während zwei Franzosen herbei kamen, nm ihn gefangen zu nehmen. Dies zn verhindern, ritten nun alle Drei Kreis nm Zenkern, bis er sich hervvrgearbeitet hatte. Zenker faßte sich nun an den Steigbügel von Schulz, während Körner zwischen Schulz und Busse ritt. Da man nun nicht schneller reiten als Zenter lausen konnte, so mußten diese Vier das ganze Feuer der 50 Franzosen anshalten, da sic die Letzte» ans dem Platze waren. Schon singen die Kugeln an seltener zwischen ihnen hindurch zn Pfeisen, als Körner mit einem Male anfsuhr »nd sagte: „Jetzt habe ich 'was gekriegt!" Dan» bengtc er sich nach vor» über und sank ans der linken Seite vom Pferde. Zenker sprang sogleich hinzu und schnitt den Steigriemen durch, in den Körner sich verwickelt hatte. Körner machte auch noch Miene, auszustehen, aber m dem selben Augenblicke, als er sich nmdrehte nnd sich ans den Händen stützte, starb er. Bestürzt wollten ihm Zenker und Schulz noch zu Hilfe eilen, aber der laute Zuruf deS Majors von Lützow rief alle Drei schleunig in Reih' nnd Glied, und mußten sie den Kameraden augenblicklich verlassen. Sv krumm, wie er im Augenblicke war, als er starb, ist er auch geblieben. Dies ist der sachgetrenc Hergang der ganzen Begeben heit, die so vielerlei verkehrte und ganz unrichtige Er zählungen zur Folge gehabt. Der ehemalige freiwillige Jäger Heinrich Busse ist heut Ehanssecgelderhebcr iu dem Chansseehause Dabenoorf bei Zossen, und ist Körner dicht neben ihm vom Pferde ge sunken. Dabendorf, den 14. August 1852. F. Buss e." Nach dieser Darstellung erscheint der Tod Körner's doch in einem ganz anderen Lichte. Sonach hat Körner sein Leben geopfert, »m einen Kameraden vor Tod und Ge fangenschaft zu schützen. Sein Muth und seine Todesver achtung paarten sich also noch mit echter Kameradschaft, die durch seinen Tod sich uns in verklärendem Glanze zeigt und uns sein Andenken noch viel werthvollcr macht. Möchte bei der Erinnerung an Körner stets daran gedacht werden,daß die schönste Tugend,die cinenKricgcr schmücken kann, die Ursache seines zn srühcn Todes ward, daß der Tod Körner's ein Heldentod war in des Wortes edelster Bedeutung. Möchte das Gedenken an den als Dichter un sterblichen jungen Helden, der dort bei dem Dorfe Wöbbelin unter dem Schatten einer alten ehrwürdigen Eicke im ewigen Schlummer ruht im Kreise seiner Lieben, an seinem Todestage sich auss Nene beleben und seine letzte Hcldenthat ebenso gewürdigt werden, wie die dichterischen Schöpfungen, die uns der selten begabte Jüngling geschenkt hat. Es ist, als habe Körner schon immer Todesahnungen gehabt. Tas geht aus seinen Gedichten hervor, nnd das läßt sich aus einigen seiner Briese entnehmen. So schriev er von Gitschin aus am 18. Juli 1813 au seine Beschützerin, die Baronin Therese von Pereira in Wien: „lieber die Ahnungen hab' ich jetzt recht tüchtige Ersahrnngcn gemacht. Vor der unglücklichen Asfaire bei Kitzen Iwo er von Fran zvsen durch drei Säbelhiebe verwundet wurde» wies mir der Major L. von Weitem ein Grab, deren es dort feil der Lützener Schlacht zahllose giebt. Ich sprengte daraus zn, und als ich näher heranritt, sank mein Pferd mit den Vvrderhufen hinein. Es war mir eine unangenehme Empfindung, nnd etwas verstimmt kam ich zum Major zu rück. Ich sagte ihm, mir wäre zn Mnthe, als ging S uns heut noch schleckt — die französischen Vorposten batten wir schon von Weitem gesehen — er lachte mich ans, uns bat mich, die Poesie ans dem Leben zn verzagen. Kurz darauf, als ich mit zum Parlamentiren vorritt, stürzte sein Pferd, der beste Springer im ganzen Eorps, als er über einen kleinen Graben setzte. Mühsam arbeitete sich L. unter ihm hervor, nnd ich hatte das unangenehme peinliche Gefühl eines nahen Unglücks zum zweiten Male. Fünf Minuten später darauf sank ich, von drei Hieben zerfleischt, aus den Hals meines Pferdes, und nur seinem Sprunge verdanke ich mein Leben, sonst hätte mich der vierte Hieb, der mir den Mantel zerhaute, vollends abgcfertigt." — Und schon in einem Briese, den er an dieselbe Dame von Perle berg auS am 15. Mai sandte, heißt cs: „Ebe am 12. die Kanonen zn donnern anfingcn, schlief ich ein hatbes Stündchen an einem Wachtfeuer. Da halt' ich einen Sravm, den ich ewig verschweigen werde, der aber der fürchter lichste nnd lebhafteste meines ganzen Lebens ist. Sie und Marianne waren bedeutend mit im Spiele, nnd sonder barer Weise sah ich Marianne in altdeutschen bürgerlichen Trancrklcidcrn, mit langen schwarzen Locken. —" Körner's letzte Ruhestätte, der die alte Eiche bei Wöbbelin umgebende Platz, schenkte der Großhcrzog Fr:. > rich Franz von Mecklenburg Körner's Vater. Die Eicke wurde später cingcsriedigt, und als Schmuck der Grab siättc ein eisernes Denkmal errichtet, das Lener und Schwert, umschlungen von einem Eichenlranzc, dar stellt. Neben Körner wurde seine einzige Schwester Emma bestattet, die im März 1815 ans Gram über den Verlust ihres Bruders gestorben ist. Im Jahre l^ il iaud auch Körner's Vater an der Seite seines Sohnes die legte Ruhestätte, im Jahre 1832 ward Theodor s Tante Dora Stock dort begraben, nnd auch seine galicbte Mutter hat seit 1843 bei ihrem Sohne Erlösung von des irdischen Lebens Schmerz und Kümmernissen gefunden Da ruht nun Körner fern seiner Hcimatb, aber doch inmitten seiner Liebelt in einsamer Landschaft Und wenn Herbststürme die Eiche, die sein Grab beschattet, ent blättern, wenn zerfetzte Wvlkengebilde am Himmel entlang treiben und die Acstc ächzen und knarren, dann klingt cs fast, als nahe mit Donnern und Brausen Lüyow's wilde verwegene Jagd. Möge die Eiche noch lange über seinem Grabe grünen! Möge das deutsche Volk ihn nie vergessen! „Dem Sänger Heil, erkämpft er mit dem Schwerte Sich nur ein Grab in einer freien Erde."
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