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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.08.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-08-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020826028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902082602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902082602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-08
- Tag1902-08-26
- Monat1902-08
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Nuzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 Reklamen unter dem Nedactionsstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach« richten (0 gespalten) 50 Tabellarischer nnd Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenaunahme 25 H (excl. Porto). Ertra Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Ztr. 433. Dienstag den 26. August 1902. W. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 26. August. Die „Krcnzzeitnng" hatte bekanntlich dem Centrum ein Wahlbündniß für Bayern angetragen und sich dabet nicht nur auf die nächsten Retchstagswahlen, bei denen sie auf diesem Wege insbesondere den Wahlkreis Ansbach- Schwabach zu erobern hoffte, beschränkt, sondern sofort für jetzt schon die Unterstützung des Centrumscandidaten in Forchheim-Kulmbach anempfohlen, mit dem Bemerken, daß sie darin einen „Act politischer Klugheit" sehen würde. Wie kühl dieser Borschlag im Centn,mslager ausgenommen worden ist, mag man schon daraus ersehen, daß die „Köln. Volksztg." ihn zum Abdruck brachte, ohne auch nur ein Wort der Zustimmung dafür zu finden. Das rheinische Organ mochte sich mit Recht sagen, daß die bayerischen Conservativen doch wohl etwas weniger ultramontan ge färbt seien, als das konservative Hauptorgan Preußens. In der That haben denn auch die bayerischen Cvnser- vativen die „politische Klugheit" so außer Acht gelassen, daß das bayerische konservative Organ, die „Süddeutsche Land post", anfforderle, Mann fürMann für den nativ- nalliberalen Candidaten zu sliinmen. Das baye rische Organ hob dabei hervor, daß eine Partei nicht ge stärkt werden dürfe, die das Interesse des Papst- t h u m s z n m S ch a ü e n der e v a n g e l i s ch e n K t r ch e stets wahrnehme — eine bittere, aber wohlverdiente Lection für die fromme „Kreuzztg.". Thatsächlich haben ja denn auch die bayerischen Bündler dem bayerischen konser vativen Organe mehr Gehör geschenkt, als dein preußischen. Auch bei den nächsten allgemeinen Wahlen dürfte es mit einem Bündnisse zwischen Conservativen und Centrum in Bayern um so mehr gute Wege haben, als die Conservativen im Ganzen nur in 4 bayerischen Wahl kreisen mehr als 1000 Stimmen erhalten haben. Unter diesen Wahlkreisen befindet sich zunächst Nürnberg, wo ein Bündnis; zwischen Conservativen und Centrum sachlich absolut gegenstandslos ist, da dieser Kreis einer der sichersten socialdemokratischen Sitze ist. Dann kommt Dinkelsbühl, wo dir Conservativen auch ohne die Hilfe des Ccntrums ihrer Sache so gut wie sicher sind; cs folgt Cich städt, wo umgekehrt das Centrum die Cvnser- vativen nicht braucht, um den Sitz zu behaupten, und es kommt schließlich der Wahlkreis A n s b a ch - « ch w a b a ch, den die „Kreuzztg." ganz besonders hervorgehoben hat. In diesem Wahlkreise ist allerdings bei den vorigen Wahlen der konservative Bewerber mit einem Demokraten in die Stichwahl gekommen, aber die 8 7 Stimmen, die für das Ccntrum abgegeben wurden, hätten ihm auch nicht zum Siege verhelfen können. Nun könnten ja allerdings die 14 Procent katholischer Wähler, die der Wahlkreis hat, erheblich mehr Stimmen aufbringen, aber wenn in diesem zu 85 Procent evangelischen Wahlkreise die Conservativen sich officiell mit dem Centrum verbinden wollten, so würden die anderen Parteien Mann für Mann znsammengehen, und diese anderen Parteien haben bet den letzten Wahlen genau doppelt so viel Stimmen aufgebracht, als die Con- servativen. Die Desavouirung durch die bayerischen Con servativen nnd die mehr als kühle Haltung der Ccntrums- presse hindert die „Kreuzztg." übrigens nicht, auch weiter hin zarte Rücksicht auf das Centrum zu nehmen. To er gießt sie in ihrer „Wochenschau" die Schale ihres Zornes über dieFveisinnigen und dieSocialdemvlraten, die denFall Löhning und den Telegrannnwechsel ausbeuteten; bei einer Besprechung dieser Dinge im Reichstage dürfte sich „die Linke" in zwecklose Unkosten stürzen. Bon dem Centrum sagt das konservative Organ kein Wort, und doch hat die Centrumspresse zuerst kundgethan, daß diese Angelegeu- hciten auch den Grund parlamentarischer Erörterungen bilden würden. Beiläufig bemerkt, hat auch die „Kreuzztg." anfänglich die Veröffentlichung des Telegramm wechsels bedauert. Jetzt scheint sie anderen Sinnes ge worden zu sein. Wünscht jetzt vielleicht das preußische kon servative Blatt, es möge üblich werden, daß zwischen dem Kaiser und nichtpreußischen Bundesfürsten gewechselte Telegramme o h n e und gegen den Willen dieser Fürsten zur Veröffentlichung gelangen? ES wäre interessant und lehrreich, wenn man darüber Genaueres erführe. lieber -en Wechsel im bayerischen Cultusministerium und seine Bedeutung für die Prvt e st anten in Bayern schreibt das „Cvrrejpvndenzblatt für die ev.-luth. Geistl." in seiner letzten Nummer: „Ter mit Spannung erwartete Wechsel im Cultusministerinm hat sich vollzogen. Auch vom evangelisch-kirchlichen Standpunkte aus wird seine Be deutung nicht unterschätzt werden dürfen. Oesters war ja in den letzten Jahren gleichsam wie auf ein öffentliches Ge- heimniß in der Presse darauf hingewicsen worden, daß die Beziehungen zwischen unserer Kirche und dem Cullns- ministerium nicht ganz in erwünschten Bahnen sich be wegen. Zutreffend sprach kürzlich die „Fränkische Morgen zeitung" von der Empfindung, daß in den letzten Jahren im Gegensatz zu früheren Zeiten die Anträge nnd Anregungen der evangelischen kirchlichen Behörden und Vertretungen nicht den Grad persönlichen Interesses und ernster Be achtung bei den nächstbcrufcnen Regierungsfactvren fänden, ans den sie Anspruch machen können, nnd daß auch das bescheidene Maß persönlichen Wohlwollens dort zu vermissen sei, das sich ausgleichend und beruhigend auch über sachliche Differenzen zu legen geeignet ist. Auch da, wo man keinen näheren Einblick hat, konnte man es doch fühlen, daß in der Vertretung der durch Verfassung und Gesetz berechtigten Interessen der evangelischen Kirche gegen Uebergriffe seitens der katholischen Cvnsession, wie man sie sich z. B. in Nnterfranke» sogar bis in die höchsten kirchlichen Kreise hinein gestattet, das Cultusministerinm nicht die Thatkrast an den Tag legte, die mit Fug und Recht von einer über den Parteien stehenden Behörde er wartet werden konnte. Andrerseits mußte des öfteren er lebt werden, daß innere Angelegenheiten der evangelischen Kirche dilatorisch behandelt oder ohne Bemühung um tieferes Eingehen ans die Bedürfnisse einer kirchlichen Ge meinschaft abgcthan wurden. Es ist freilich auch das ein öffentliches Geheim«iß, daß der eigentliche Quellort dieser Mißstände nicht das Bureau des Ministers selbst, sondern das des Referats für p r v t e st a n t i s ch e CultuS- a n g e l e g e n h c i t e n ist; von den Traditionen freund licher nnd aufmerksamer Beziehung zu den kirchlichen Be hörden, wie sie hier von Anfang des bayerischen Ver- fassungslebens bestanden, scheint man dort in bedauerlicher Weise abgeschweukt zu sein, sodaß in jenem Artikel geradezu gesagt werden kann, auch ein Ministerwechsel werde zur Besserung vorhandener Mißstände wenig aus tragen, falls nicht hier ein Wandel cintrcte. Angesichts dessen wird man verstehen, wie der Eintritt des Frhrn. v. Podewilö in die Leitung des Cnltusministeriums in evangelisch-kirchlichen Kreisen vor allem mit dem Wunsche begleitet wird, daß es ihm am Herzen gelegen sei, in den besprochenen Verhältnissen thatkrüftig Wandel zu schaffen." Die „Köln. Volksztg." enthält in einer Zuschrift aus Böhmen eine Reihe interessanter Betrachtungen und Zu geständnisse über die Los-vvn-Rom-Bewegnng in Böhmen. Bezüglich des Entstehens nnd der bisherigen Erfolge dieser Bewegung stellt die Zuschrift fest, daß cs sich zwar objectiv um eme religiöse Bewegung, subjektiv aber um eine nationale und politische Bewegung handle. „Solche, die nicht nach Preußen hin neigen, und dies ist die weitaus größte Mehrheit des deutschen BöhmervvlkeS, halten auf die katholische Vvlkspartei einen Groll, weil sie so lange mit den Tschechen die Mehrheit gebildet. Diese Politiker verwechselten die katholische Religion und die Priester überhaupt mit der katholischen Volkspartei nnd jenen Priestern, welche hinter dieser Partei standen. Sv übertrugen sic den Haß gegen die Partei auf die katholische Religion überhaupt, sie fielen von der Religion ab . . ." Das sind ja ungeheuer werthvvlle Zuge st ä ndni s s e. Nun muß doch endlich die immer wiederkehrcnde Behauptung der Klerikalen aufhören, daß es sich bei der Los-vvn-Rvm-Bewegung um eine vom österreichischen Standpunkte aus v a t c r l a n d s v e r- rüth erische Action handle, denn es wird ja fest gestellt, daß Männer übergetreten sind und sich dieser Be wegung ««geschlossen haben, die in ihrer größten Mehr heit n i ch knachPrenße n hinneigen. Es wird ferner zugestanden, daß die Bewegung einen solchen Umfang nur anncstmcn konnte, weil die Deutsch-Böhmen darüber er bittert waren, daß die katholische Vvlkspartei mit den Tschechen zusammenging; damit wird nur gesagt, was wir immer den Klerikalen gegenüber verfochten haben, daß nämlich ohne das verrätherische Gebühren der katholischen Volkspartei eine evangelisch - religiöse Bewegung in Böhmen nie einen solchen Umfang hätte annehmen können. Nun wirft freilich der Artikel den Deutsch- Böhmen vor, sie Hütten die katholischen Priester über haupt mit den hinter der katholischen Volkspartei stehenden Priestern verwechselt. War dies wirklich eine Ver wechselung? Was wäre denn die katholische Vvlkspartei in Oesterreich, beispielsweise in den Alpenländern, wenn sie nicht von den Priestern gestützt würde? Und wie viele katholische Priester giebt es wohl, die es gewagt hätten, dem von der katholischen Volkspartei geübten schnöden Verrathe an den eigenen Stammesgenvsscn entgcgen- zntreten? — Tie Zukunst der Lvs-vvn-Roln-Bewegnng sieht die Zuschrift in sehr optimistischem Lichte, natürlich vom klerikalen Standpunkte aus. Die Lvs-vvn-Rom-Be- wegung würde scheitern, 1) an der religiösen In dolenz, 2) am Geldmangel nnd 8) an der Socialdcmokratie. „Breite Massen in Nord böhmen sind gegen alles Religiöse viel zn indolent, als daß sic sich zum Abfalle entschlössen." Die katholische Kirche behandelt ja sonst die indolenten „sluchkatholiken" als beinahe ebenso schlimme Verbrecher, wie die protestantischen Ketzer; wie schlecht muß es da um die katholische Sache in Nordböhmen bestellt sein, wenn man auf die religiöse Indolenz rechnet! Ein nicht geringeres Armuthszengniß ist die Hoffnung auf die Socialdemokratie. „Tie gcsammte Arbeiterbevölkernng ist zum größten Tyeile in den Händen der Svcialdemv- krateu.«" Wir denken, die katholische Kirche ist ein so sicherer Schutzwall gegen die Socialdcmokratie — wie kommt es dann wohl, daß bei einer zu über M Proccnt katholischen Bevölkerung die überwiegende Mehrheit der Arbeiterschaft der Socialdemvkratie angehört? Statt daß die kaM'lische Kirche ein Tamm gegen die Socialdemo kratie ist, wird hier die Socialdcmokratie als Schutz dämm für die katholische Kirche an gesprochen. Tas letzte Hoffnungsmoment ist aber das allerklägiichste: „An das Geben für kirchliche Zwecke ist der Tentsch-Böhme nicht gewöhnt." Die Deutschen, die sich zum Uebertritt entschlossen haben, werden nicht an den Katholicismns znrücksallcn, weil er „billiger" ist. Eine bemerkenswerthc boerische Kundgebung hat ans dem niederländischen VvlkScongreß in Brüssel statt gefunden, auf welchem der frühere Staatssekretär des Transvaal, Reitz, die Unversöhnlichkeit der Bveren Eng land gegenüber prvclamirte. Die Londoner Presse be handelt die unversöhnliche Gruppe der Bveren, welche sich um Expräsident Krüger gebildet hat, sehr von oben her unter und sucht ihr jede Bedeutung für die Beeinflussung der in Südafrika verbliebenen Boeren abznsprcchen. Ob aber die englische Presse selbst so sehr von dem überzeugt ist, was sie behauptet, möchten wir bezweifeln. Zweifellos ist eö nicht gerade klug und jedenfalls im Interesse der in Südafrika verbleibenden Bveren nicht wünschens- wcrth, wenn solche Kundgebungen, wie sie nachstehend ans Brüssel gemeldet werden, jetzt veranstaltet werden, wo den Boeren vor allen Dingen noth thut, daß sie sich in wirthschaftlicher Beziehung von den Folgen des Krieges erholen, wozu sie der Beihilfe und des guten Willens Englands bedürfen. Aber im Zusammenhalt mit Kund gebungen von anderer Seite mögen solche Anzeichen der in boerischen Kreisen herrschenden Stimmung den Eng ländern doch zu denken geben. Der österreichisch-unga rische Generalkonsul in Pretoria hat dieser Tage, wie Wiener Blätter melden, eine Darstellung der unter den Boeren herrschenden Stimmung veröffentlicht, welche darin gipfelt, daß England Frieden mit den Boeren nur dann haben werde, wenn diese alle ihre Forderungen durchgesetzt haben und daß nach dem Kriege der Eng- ländcrhaß der Bveren noch ebenso stark ist, wie vorher. Tas kluge Benehmen der Boercngeneralc in England widerspricht dem durchaus nicht. Ihre Zurückhaltung gegenüber den tactlosen englischen Verbrüdernngsver- suchcn spricht deutlich genug. Aber diese Generale fühlen eben die auf ihnen lastende Verantwortlichkeit und tragen ihr Rechnung, während Exstaatssekretär Reitz, der seinen Wohnsitz in Europa aufschlagen will, sich nicht für ver- pflichtet hält, seine wahre Herzensmeinung hinter einer diplomatischen Haltung zu verbergen. Jedenfalls wird cS großer Klugheit der Engländer bedürfen, wenn sie ver hindern wollen, daß diese die Unversöhnlichkeit offen predigenden Europa-Boeren allmählich auch wieder einen größeren Einfluß auf die Haltung der Boeren in Süd afrika bekommen, den sie jetzt so ziemlich zu Gunsten der den thatsüchlichcn Verhältnissen mit Klugheit Rechnung tragenden Botha's, De Wet's und Delarey's verloren Frriilleton. Das Fräulein von Saint-Zauveur. 20j Roman von Gr 6 ville. <!l!a»tr»ck verboten.) „Davon bin ich überzeugt", erwiderte sie mit ihrem gewohnten zweideutigen Lächeln. „Sie verlassen uns also, Undankbarer? Nach alledem, was man hier für Sie ge- than hat!" „Ich will gern anerkennen, daß man sich hier sehr wohl wollend gegen mich benommen hat, und ich werde dafür auch immer sehr dankbar sein." „Was Sie aber nicht hindert, zu gehen, um nicht mehr wiedcrznkehren?" „(Ri i<> -m?" fragte Jehan, indem er auch auf die Straße hiuausblickte. „Zudem wüßte ich — Ihr Eniver- ständniß vorausgesetzt — ein Mittel, nm Bourges verlassen zu können, ohne Sie verlassen zu müssen." Die Augen des jungen Mädchens richteten sich mit schrankenloser Verwunderung auf ihn. „Wenngleich ich berühmt, reich, vielleicht auch mit einem Orden ausgezeichnet sein werde, wird mir noch immer etwas fehlen . . . ." „Was denn?" fragte das Fräulein kindlich nnschnldig. „Eine verständige, gebildete Frau, die mich verstehen und würdige» könnte. Wollen Sie diese Fran sein?" Im Getäfel ließ sich ein leises Knistern, wie von einer Maus vernehmen; vielleicht war Fran von TournelleS nicht sehr weit. „Weshalb nicht?" fragte Aolande, sich erhebend. „Ich glaube, daß wir nns verstehen würden." „Ich bin sogar überzeugt davon", fuhr Jehan fort. „Doch ivcnn Sie erlauben, so «vollen wir ganz offen und rückhaltlos mit einander sprechen. Ich besitze kein großes Vermögen, obschon es genügen würde, um unsere beider seitigen bescheidenen Bedürfnisse zu bestreiten. Dagegen habe ich eine schöne Zukunft vor mir, die so manche Rerch- thümcr aufwicgt." Rolande nickte zustimmend mit dem Kopfe. Die schöne Zukunft wog thatsächlich so manche Reichthümer auf; cs fragte sich nur noch, wie hoch dieselben veranschlagt werden konnten. „Dann ist noch ein Umstand vorhanden", nahm Jehan von Neuem auf. „Ihr Adel ist sehr neuen Datums . . Er lächelte unbefangen bet diesen Worten, während Uolandc eine unzufriedene Miene annahm. „Und der meinige ist auch nicht älter", ergänzte er. „Das heißt, Sie sind überhaupt nicht von Adel?" fragte Fräulein von Tournelles höchst geärgert. „Aber Ihr Wappen, dieser Olivenzweig auf azurblauem Felde . . . ." „Sehr sinnreich erdacht, nicht wahr? Aber jedenfalls nicht sinnreicher als der Wiederaufbau des Schlosses Tournelles, der Ihrer Frau Mutter zur größten Ehre ge reicht." Eine tiefe Stille war in dem mit antiken oder nur an geblich antiken Geräthschaften und modernem Prunk über ladenen Salon eingctreten. „Ich war fest überzeugt, daß Sic in der Provence ein Lehnsgut besäßen!" bemerkte Zjvlandc nach einer langen Weile nicht ohne innerlichen Gram, den sic nicht zu ver bergen vermochte. „Das ist auch der Fall. Ich besitze eine Oclpflanzung, die die schönsten Oliven weit und breit liefert; dies ist sogar die sicherste meiner Einnahmequellen. Ich heiße ganz einfach Johann Olivet; diesen Namen trug auch mein Vater, der ein sehr rechtschaffener Mann mar, wenn gleich er nur dem Bürgerstande ««gehörte. Doch für die Welt heiße ich Jehan von Olivettes, und meine Frau wird Fran Jehan von Olivettes heißen." Die frühere Stille trat wieder ein. „Wenn ich nun nicht das Glück haben sollte, Ihren Beifall zu finden", schloß der Dichter, intern er sich erhob, „so will ich wenigstens hoffen, daß Sic ritterlich genug sein werden, um über die Mitthcilungen, die ich Ihnen so eben gemacht habe, tiefes Stillschweigen zn bewahren." „Mir ist die Sache schließlich ganz egal", sagte Jolande endlich. „Enttäuscht wird nur Mama sein. Bet ihr wird die Sache nicht so glatt ablaufen, und ich fürchte, daß sie uns Schwierigkeiten machen wird." „Reden Sie doch nicht solche Dinge!" versetzte Jehan wenig höflich. „Ich weiß sehr gut Bescheid, wo es sich um alte Möbel, alte Tapeten .... und kleine Weiber kniffe handelt", fügte er mit einem recht hochmüthigen Lächeln hinzu. Rolande blickte ihn an. Voll Stolz über seine litte- rarischen Erfolge, die ihm erst die Zukunft bringen sollte, deren er sich aber schon jetzt rühmte, war fein ganzes Ans- lrctcn ein so festes und selbstbewußtes, daß feine sonstige Keckheit sich wie eine Copie von Ritterlichkeit ansnahm. Wenn er auch kein richtiger Edelmann war, so gehörte er wenigstens mit zu Denen, welche die Rolle eines solchen auf der Bühne darstellen können. Außerdem war er heute seines Erfolges sicher, und dieser Umstand verlieh ihm eine gewiße Unwiderstehlichkeit. „Lassen Tie un« Freunde sein", sprach Rolande, auf ihn z»,tretend. „Das genügt mir nicht", erklärte er, sich ikk gleichfalls nähernd und die Stimme rin wenig dämpfend. „Also Ehegatten, wenn Sie wollen." „Sie machen mich zum Glücklichsten der Sterblichen!" bethcuerte Jehan und neigte sich über die Hand, die sie ihm cntgegcnstreckte und die er an die Lippen zog. „Antoinette wird wüthen!" dachte sich Zolande, ihren zukünftigen Herrn und Gebieter musternd. „lieber die Mitgift haben wir nicht gesprochen", sagte sich der Verlobte im Stillen. „Doch werde ich mich schon mit dem Notar verständigen. Sie kann doch ihr Gei'd nicht den Krankenhäusern vermachen! Auch besäße sie gewiß keinerlei Neigung dazu." „Mama!" rief Ijvlande und ging hin, um die Thür zu öffnen. Kran von Tournelles ließ eine Weile auf sich warten, obschon sic ganz in der Nähe war. „Ich werde die Fran des Herrn von Olivettes", er klärte ihre Tochter ohne alle Umschweife, als sie ein getreten war. „Verehrte Frau", begann der zukünftige Schwieger sohn, „ich schätze mich thatsächlich sehr glücklich ..." „Das will ich 'glauben!" murmelte die alte Dame. „Grund genug ist vorhanden. Wir müssen trachten, mög lichst großen Vortheil aus der Sache zu ziehen . . ." Jehan blickte sie von vorn, von der Seite, von rück wärts aufmerksam an; allein cs gelang ihm weder heute, noch an den folgenden Tagen, die Bedeutung dieser eine Drohung in sich schließenden Worte zn ergründen. Nachdem er die Erlaubniß erbeten nnd erhalten hatte, am Abend wieder zn erscheinen, nm seinen Pflichten als Verlobter nachzukvmmen, nahm der junge Mann Abschied. Unter einem großen Regenschirm, denn der Nebel hatte sich in einen starken Regen umgewandclt, schritt er, von Stolz und Freude erfüllt, durch die Straßen, während sich Mutter und Tochter schweigend musterten. „Du hast es gewollt!" sprach die Erstere endlich. „Ich wasche meine Hände!" „Sag' das nicht, Mama! Als ich ihn zu uns cinlnd, machtest Du keine so griesgrämige Miene; ja, Du.hast ihn sogar recht freundlich behandelt." „Damals allerdings! Konnte ich denn daran denken, daß Du ihn heirathen würdest?" „Was hätte ick) denn sonst mit ihm ansangey sollen?" pfauchte Aolande, sich mit der Behendigkeit einer er grimmten Katze umdrehcnd. „Als Lockspeise für die Leute benutzen! Als Kuriosität hättest Du ihn Deinen Neiderinnen zeigen sollen!" „Die hatten sich vünctlich cingefunden »nd mit ihnen eine Menge junger Männer, die aber nicht im Traume daran dachten, mich zu heirathen", bemerkte Yolande mit einer gewissen Bitterkeit. „Und das virle Geld, da- wir auSg,geben haben, Du lieber Gott! Mit diesem Theater und den übrigen dummen Sachen " „Mama, Dn vergißt allzu häufig, daß dieses Geld eigentlich mein Geld ist; cs hat also nur mich allein zv kümmern, wenn ich cs ausgebe . . . ." „Und wenn cs von gewissen Dichtern für eine will kommene Beute angesehen wird!" warf die Dkrttea: verächt lich hin. „Nicht so sehr, wie Du glaubst. Weißt Du vielleicht einen anderen, entsprechenderen Gatten für mich?" Im Geiste sah Frau von Tournelles wie auf dunklem Grunde die Schatten einer Anzahl Männer vorüber ziehen, denen sie in dieser Stunde hundert Mal den Vorzug vor diesem unglückseligen Jehan gegeben Hütte. Doch hatte sic von der Werbung derselben ihrer Tochter keine Silbe mitgetheilt, und der Augenblick wäre wahrlich schief gewählt gewesen, um ihr diese Unterlassungssünde zu ein hüllen. Sie machte eine unmuthige Gcbcrde. Der Un mut!) ist mitunter eine nicht hoch genug zu veranschlagende Sache. Wenn man sich seiner mit entsprechender Geschick lichkeit zu bedienen versteht, so rettet er so manche ver zweifelte Position, bewahrt er vor mancher gefährlichen Antwort! Allerdings muß man dieses Werkzeug durch einen häufigen Gebrauch in fleckenloser Reinheit erhalten; wer sich seiner nur unter besonders schwierigen Umstanden bedient, sicht sich alsbald entlarvt und entwaffnet. „Hoffentlich wirst Du ihm doch die Hälfte Deines Ver mögens zur freien Verfügung stellen?" nahm die Mutter von Neuem auf. „Eigentlich ist das aber überflüssig; denn wenn Du früher stirbst als er, so fällt ihm ohnehin Alles zu." „Deine weise Voraussicht wirkt wirklich hcrzcrhebeud, tbcuerste Mama!" entgegnete Aolande ohne sichtliche Er regung. „Das verfügt das Gesetz so, und daS Gesetz habe nicht ick' gemacht!" zürnte Frau von Tournelles. „Suche Tick, allein zurechtzufindcn; was hat es schließlich mich zu kümmern?" „Ja, das möchte ich selbst auch wissen. Doch höre mal, Mama, cs hat doch keinen Zweck, wenn wir streiten, nicht wahr? Ick, will Dich gewiß nicht ärgern, und anderer seits kannst Du Dir sagen, daß ick, mich nur unter Beob achtung des Dotalsystems, das heißt, unter Aufrecht- erhaltung meiner ganzen Mitgift, verbeiratbe, und das freie Versügungsrccht über Alle- beibchalte, was irgend wie mir gehört." „DaS will ich auch hoffen!" „Weshalb zankst Du alfo?" Die NotarSwittwe konnte ihrer Tochter freilich nicht sagen, wie widerwärtig ihr der Gedanke war, daß ein Schwiegersohn feine Nase in da» ,on threm seligen Latten
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