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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.09.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-09-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020912023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902091202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902091202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-09
- Tag1902-09-12
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Da das Landtagswahlrecht ihnen vorerst geringe Aussicht bietet, für sich allein eine Anzahl von Wahlkreisen zu er obern, stellen sie sich den Freisinnigen unter der Bedingung gegenseitiger Hilfe zur Verfügung. Um den Freisinnigen diese Unterstützung in verlockendstem Lichte erscheinen zu lassen, wird von socialdemokratischer Seite eine Statistik ausgemacht, nach der in 47 Reichs tagswahlkreisen die Stimmen der Freisinnigen nnd der Socialdemokraten im Jahre 1898 die absolute Mehrheit gegenüber denjenigen der anderen Parteien ausinachten. Decken sich nun auch diese Neichstagswahlkrcise nicht völlig mit den preußischen Landtagswahlkreisen, so bietet diese Statistik doch immerhin einen Anhaltspunkt, wo die vereinigten Kräfte der Freisinnigen und der Socialdemokraten einzusetzen haben, um vier Dutzend LandtagSmandate unter sich zu vertheilen. Wo eS sich um national liberale Wahlkreise handelt, gestatten die Socialdemo kraten den Freisinnigen großmüthiger Weise, zuerst mit den Nationalliberalen zu pactiren, dergestalt, daß die Letzteren sich mit den Freisinnigen über etwa 20 bisher im Besitze der Nationalliberalen befindlichen Mandate zu einigen hätten; wäre dies erfolglos, dann würde auch für diese Wahl kreise das freisinnig-socialdemokratische Bündniß in Kraft treten. Alles unter Voraussetzung, daß schon jetzt die Freisinnigen sofort die Socialdemokraten als bündnißfähige politische Partei erklären und danach ihr Verhallen und ihre Agitation einrichten. In den nächsten Tagen findet in Hamburg der freisinnige Dele- girtentag statt und hier wird es sich entscheiden müssen, ob die Freisinnigen unter das ihnen von der Socialdemokratie ausgestellte caudinische Joch kriechen werden. Für die national liberale Partei kommen solgende Wahlkreise, deren Mandate die Socialdemokraten schon jetzt so wohlgemuth unter sich nnd die Freisinnigen vertheilen, in Betracht: Guben-Sorau, Hirschberz-Schönau, Magdeburg, OscherSleben- Halb erst adt-Wer nigerode/H all e-Saalkr eiS, Naum burg - Weißenfels - Zeitz, Norder -Dithmarschen, Süder-Dithmarschen, Altona,Hannover, Lennep- Remscheid-Solingen, Mettmann und Elberfeld- Barmen. Falls die Freisinnigen auf daS ihnen jetzt von den Socialdemokraten aufgezwungene Bündniß nicht eingehen, so machen sie vielleicht die Drohung wahr, welche Genosse Or. Arons auf dem Brandenburgischen Provinzialparteitage ansstieß: sie lassen die Freisinnigen in den Wahlkreisen, die sie jetzt in Besitz haben, bei den künftigen Landtagswahlen „unbarmherzig durchfallen". Wenn nun auch vr. Arons mit dieser Androhung den Mund recht voll genommen hat nnd die Socialdemokratie bei den Landtazöwablcn nur in wenigen Fällen in die Lage kommt, wie in Breslau, daS Zünglein an der Waage zu bilden, so ist der den Freisinnigen bingeworfene Lockköder: einige zwanzig Mandate bei den LandtagSwahlen mühelos erobern zu können, doch so ver führerisch und zugleich für die Zukunft der freisinnigen Partei so entscheidend, daß dieses Fangspiel daS größte politische Interesse zu erregen geeignet ist. Die nationalliberale Partei aber hat gegründete Ursache, in den bedrohten Wahl kreisen vor dem von den Socialdemokraten beabsichtigten Bündnisse mit den Freisinnigen sich auf sorgsame Wacht zu stellen. In der letzten Session der bayerischen Kammer hat daS Centrum bewegliche Klagen darüber erhoben, daß die öster reichische Los von Nom-Vewegung nun auch nach Bayern übertragen worden sei. Und obgleich man keinen anderen „Beweis" dafür erbringen konnte, als die Gründung der „Wartburg" — eines völlig privaten Unternehmens —, so wird doch das Vorhandensein einer solchen Bewegung fort und fort als unbestreitbare Thatsache von der ultramontanen Presse behauptet und den bayerischen Protestanten in die Schuhe geschoben, um die Katholiken gegen diese zu erbittern und um mit den Klagen über Bedrängung eigene Vorstöße zu maSkiren und zu verhüllen. Denn daß mau in dieser Hin sicht selbst nicht sauber hinter dem Brustlatz ist, beweisen die auf dem Mannheimer „Katholikentage" gefallenen Aeuße- rungen über die römische Propaganda in den nordischen protestantischen Ländern, sowie für Bayern speciell manche Erscheinung der letzten Zeit. Es sei nur an den Versuch erinnert, protestantischen Städten die öffentliche Fronleick- namsprocession aufzudrängen, oder an die große „Papstseier", die jüngst in der alt-protestantischen Con- sistorial-Stadt Ansbach veranstaltet wurde. Zu ihr war der fanatische CentrumSsührer Or. Schaedler erschienen. Auch „Andersgläubige" waren zu der glänzenden Veranstaltung eingeladen worden und durfte» die Stimmen des Triumphs über die „Entfaltung" des KatholicismuS im Ganzen und in Anöbacb im Besonderen vernehmen. Mit Recht macht die pro testantische Presse daraus aufmerksam, welche Rücksicht im Gegen satz hierzu von den Protestanten in katholischen Städten nach dieser Richtung hin geübt werde — eine Rücksicht, die sich freilich auch noch aus anderen Gründen als auS denen des Tact- und Feingefühls empfiehlt, wie daS durch die in der Presse wieder aufgefrischte Geschichte einer vor etlichen Jahren abgebaltenen intern-protestantischen Gustav Adolf-Feier mit Gustav Adolf-Festspiel in der Stadt Bamberg bewiesen wird. Diese Veranstaltung brachte dem Vorstande des dortigen evangelischen Vereins eine Reihe von An griffen ein, deren er sich kaum erwehren konnte; sie wurde vor das Collegium der Gemeindebevollmächtigten gezogen und dort als eine Vermessenheit bezeichnet, die „nicht scharf genug verurtheilt werden kann"; ja man sah in ihr ein Ver brechen, zu dessen Bestrafung man die Negierung aufrief. Vor der eigenen Tbüre zu kehren, wäre also für den bayerischen Ultramontanismus passender, als über eine pro testantische Los von Rom - Hetze innerhalb der blau weißen Grenzpfähle zu klagen. Im Uebrigen sorgt wie in Oesterreick so auch in Bayern der UttramontaniSmuS selbst dafür, daß eine Los von Nom-Bewegung in Fluß kommt. Müssen doch schließlich alle vornehmer denkenden Katholiken durch das wüste Treiben der bayerischen Klerikalen sich abgestoßen fühlen und auch dem religiösen KatholicismuS um so mehr entfremdet werden, je kühner die Klerikalen die Forderung stellen, daß der JesuitismuS als die allein berechtigte Form des KatholicismuS angesehen werde. Als Frucht dieses Treibens sollten die bayeriscken Klerikalen die von einer Reihe von Blättern bezeugte Tbatsache würdigen, daß allein dem katholischen Pfarramt St. Ludwig zu München in einer Woche nicht weniger als sieben Auötrittserklärungen auS der römisch-katholischen Kirche vorgelegt wurden. Eine Prüfung der Ursachen dieser Thalsache wäre heilsamer, als die ungerechtfertigte Klage über protestantische Propaganda. Die französische Presse verfolgt den auch in deutschen Blättern gepflogenen Meinungswechsel über eine deutsch holländische Annäherung mit besorgter Spannung, so hat der ,-Figaro", den Ministerpräsidenten Kuyper, der „Tempö" den Kammerabgeordnetcn Fokker interviewen lasse». Beide Unterhaltungen, mehr auf journalistischen Aufputz berechnet, berühren den Kern der Frage nicht. Ohne Zweifel ist zur Zeit die öffentliche Meinung in Hol land einem politischen Bündnisse mit Deutschland nicht geneigt. Die Gründe liegen auf der Hand. Klein- Holland ist für Groß-Deutschland kein gleichberechtigter Bundesgenosse, das Bündniß würde für Holland eben eine Unterordnung unter Deutschland bedeuten. Populär ist in Holland die politische Ungebundenhcit, welche, ohne Opfer anfzucrlegen, den Schutz aus der Eifersucht der Großmächte erwartet. Der Glaube an die Sicherheit dieses Schaukelsystems ist zwar durch den spanisch-amerikanischen und den südafrikanischen Krieg erschüttert, doch vorläufig sucht man sich dahin zu beruhigen, daß England in abseh barer Zeit nicht wieder an kostspielige kriegerische Aben teuer denkt und Australien, sowie Japan im Zügel halten werde. Or. Fokker hat als Grund für die Abneigung gegen einen deutsch-holländischen Zusammenschluß die Phrase benutzt, daß Holland dadurch seine freiheitliche Ge setzgebung gefährde. Herr Fokker wird sehr wohl wissen, daß das Schlagwort Freiheit in Holland sehr beliebt ist, um dem kleinen Mann zu schmeicheln, daß cs aber sehr die Frage ist, ob Holland, das im t7. Jahrhundert in der Aus bildung freiheitlicher Staateinstitutionen der ganzen Welt weit voraus war, in deren Fortentwickelung auch gleichen Schritt gehalten hat, schon weil Holland noch für leine der gesetzgebenden nnd verwaltenden Körperschaften zum all gemeinen Wahlrecht gelangt ist. Daß Frankreich als Station in Holland keine vorzugsweisen Sympathien mehr besitzt, hat die Haltung der holländischen Presse in den Zeiten der Dreysus-Affäre verdeutlicht. Kein einsichts voller holländischer Staatsmann wird Frankreich als po litische Stütze ins Auge fassen, von jeher war Frankreich Hollands Gegner, in den Kriegen Ludwig's XIV., in den Napoleonischen Kriegen, zur Zeit des belgischen Auf standes und noch zur Zeit des dritten Napoleon, als dieser gegen Belgien Holland an Preußen zn überliefern sich er bot. Wenn Herr Fokker weiter behauptet, das Ziel seiner lübrigens mikroskopisch kleinen) freisinnig-demokratischen Partei ginge dahin, die Bcrthcidigung der holländischen Herrschaft in Indien in die Hände der eingeborenen Be völkerung selbst zu legen, so vergißt er wohlweislich, die Mittel der Ausführbarkeit anzugeben. Unbedingte Herr schaft übt Holland nur auf Java aus, im übrigen Archipel sind im Wesentlichen nur die Küstenlandschaften thatsächlich unterworfen, eine große Anzahl der Stammesfürsten im Innern von Sumatra, Eclebes, Borneo und Guinea er kennen die holländische Oberhoheit nur dem Namen nach an oder sind völlig unabhängig. Daß die holländische Herrschaft der inländischen Bevölkerung auf Java Wohl fahrt verschafft und sie dadurch zur Anhänglichkeir erzogen hat, kann nicht behauptet werden, da Hungcrsnoth nnd Epidemien die Insel in häufigem Wechsel heimsuchcn. Zu dem ist der Wohlstand auf Java im Wesentlichen von Eng land und Deutschland abhängig. England kauft größten- thcils den Zucker, Javas Hauptproduct; Deutschland ist der wichtigste Abnehmer für Tabak, Reis, Chinarinde, Kaffee, Thec, Zinn, Häute u. s. w. Wenn nun England sich mit seinen Colonien über einen engeren Zollverband verständigt und wenn Deutschland durch Erhöhung seines Zolltarifes die Einfuhr erschwert, wird Holland nvth- gedrungen bei Deutschland wirthschaftlich Anlehnung suchen müssen. Diese Nvthwendigkeit muß aber erst der öffentlichen Meinung in Holland zum Berständniß kommen. Es ist deshalb auch ein Fehler, daß deutsche Zeitungen den Holländern den. Gedanken einer engeren Verbindung ent gegentragen, gewissermaßen aufzudrängen trachten. Dies Verhalten erweckt Argwohn nnd führt in Holland zur Uebcrschützung des eigenen wirthschaftlichen und po litischen Wcrthcs. Tie Mission der Bocrengenerale in England muß als gescheitert gelten. Der von Mr. Chamberlain ver öffentlichte Bericht über die von ihm mit Botha, De Wet und Delarey gepflogenen Verhandlungen enthält wenigstens keinerlei Lluslassung des Colonialminisrers, die als Zugestärrüniß gedeutet werden könnte. Tie „Schles. Ztg." bemerkt dazu: Der amtliche Bericht zerfällt in zwei Theile, die Vorverhandlungen und die eigentliche» Berathnttgen. In den Vorverhandlungen legten die Bocrengenerale dar, auf welche Puncte sie die Aufmerk samkeit des Ministers zu lenken beabsichtigten. Es war dies ein überasts langes Register, und man kann das Er staunen Chamberlain's darüber nicht verwunderlich finden — vorausgesetzt natürlich, daß ihm thatsächlich von den Versprechungen nichts bekannt gewesen sein sollte, mit denen Lord Milner und Lord Kitchener die Boeren in Vcreeniging zur schleunigen Annahme der Friedens bedingungen bewogen hatten. In Wirklichkeit handelt es sich dabei aber nicht um ein „völlig neues Ueberein- kommcn", wie Chamberlain behauptete, sondern um Aus- führungsbestiinmungen zu dem Wortlaute des Friedens vertrages. Im großen Ganzen sind die Wünsche der Boeren in zwei Kategorien zu sondern: die Amnestiefrage und die Frage der gerechten Entschädigung und Wieder herstellung des vernichteten Bocrenbefitzes. Was die Amnestiefrage betrifft, so hatte der betreffende Passus des Friedensvertrages allgemein Befremden erregt, weil es nach ihm scheinen konnte, als hätten die Boerenführer ihre im Kaplande ansässigen Volksgenossen, die sich ihnen im Kampfe angcschlvssen hatten, schnöde im Stich gelassen und nur für sich selbst gesorgt. Botha erklärte nun in den VcrhandlnNgen, daß Lord Kitchener sich verpflichtet habe, die Amnestie aus Anlaß der Krönungsfeier zu erwirken, da ein anderer Modus, jene britischen Unterthanen vor den Folgen ihrer Erhebung gegen die britische Herrschaft zu bewahren, nicht angängig war. Chamberlain's Ant wort bestand einfach in der Constatirung, daß in den, „ihn, zur Verfügung stehenden Material," nichts darauf Bezügliches enthalten sei. Immerhin darf anerkannt werden, daß er mit seiner weiteren Auslassung, die Re gierung wolle „irgend welchen edlen Absichten der Re gierungen der Kapcolonie und Natals nicht entgegen treten", in Anbetracht der augenblicklichen parlamenta rischen Lage im Kapland wenigstens ein gewisses Entgegen kommen zeigt. Was die verheißene Rückkehr der Ge fangenen nach den früheren Republiken betrifft, so fand Chamberlain mir nichtssagende Redensarten. Er sagte, cs werde sich keine Schwierigkeit gegen die Rückkehr der jenigen Gefangenen erheben, die „ehrenhaft und ehrlich" seien; Niemand dieser Art würde unfreundlich behandelt und an der Rückkehr verhindert werden. Von einer Zu rücknahme der Ausweisungsbefehle gegen die ausländischen Boerenkämpfcr ist darin kein Wort enthalten. Alle Wünsche und Bitten der Generale betreffs einer Erhöhung Feuilleton. in Der Liebeshandcl. Roman von Rudolf Hirsch bcrg-Jura. Nachdruck »erdeten. Achtes Capitel. Das Hochzcitsfcst im „Kaiserhof" verlief glänzend. Es fehlte weder an prächtigen Toiletten und den», wie üblich, in Strömen fließenden Champagner, noch an den unvermeidlichen, endlosen Reden. Einige mit den Ge brüdern Simrvck befreundete Familien hatten sür ein paar verlegene Kinder gesorgt, die den: jungen Ehepaare gcheimnißvvllc Gegenstände überreichten, dabei un verständliche, wahrscheinlich gereimte und witzige Sprüch lein aussagtcn und von der jungen Frau schließlich geküßt wurden, wofür sic stürmischen Beifall ernteten. Beiderseits waren allerdings keine Brautcltern vor handen. Aber der Rechtsanwalt und Schwester Emilie batten schon seit Wochen von den jungen Leuten nicht anders, als von „den Kindern" gesprochen, und sie sahen beute so glücklich und wohlwollend aus und schienen so be friedigt von dem feierlich besiegelten Licbcsbunde, daß in der Tafelrunde auch der Gesichtsausdrnck schwicgcrelter- lichcn Wohlbehagens nicht vermißt wurde. Robert s und Emiliens Ange« strahlten vor Stolz, und da auch die Speisenfolge fachmännisch durchdacht war, so hätte selbst der gewissenhafteste Kenner an der vollständigen und vor schriftsmäßigen Schönheit dieser Hochzeit kaum etwas zu tadeln gefunden. Das Einzige, was dem guten Brauche vielleicht nicht ganz entsprach, war die Haltung des jungen Ehemannes. Nicht, daß er es an Heiterkeit und glückseligem Mienen spiel hätte fehlen lassen. Im Gcgcnthcil, er vergaß bis weilen alle vornehme Zurückhaltung und zeigte seine Em pfindungen fast zil deutlich. Er blickte sein schönes junges Weibchen verliebter und glücklicher an, als cs der gute Ton an der Hochzeitstafel eigentlich gestattet. Doch er regte das selbst bei den ältesten Herrschaften keinen Un willen, sondern nur ein verständnißinniges Schmunzeln. Käthe hatte gar nichts von der leisen Wehmuth an sich, von der ein geringes Maß unter dem bräutlichen Schleier so gut zu Gesichte steht. Sie war bei guter Eßl,ist, lobte ihren Schwager, der neben ihr saß, wegen bcS vorzüglichen Mosels, den er gewählt hatte, und lachte vor Vergnügen über die glänzende Gesellschaft, die ihr und ihrem Ernst zu Ehren in dem prächtigen Saale versammelt war. Fröhlich trank sie Fran Lotten zu, die sie trotz ihrer Verstimmung und trotz Ernst s anfänglichen Widerspruchs zur Theilnahme an ihrer Hochzeit bewogen hatte. „Schmeckt Dir'S auch so gut?" rief sie der schrägüber Sitzenden zu. „Mir großartig. Ich verstehe noch gar nicht, alle die Sachen zu kochen, die wir heute schlecken. Du mußt mir versprechen, daß Tu mir das Alles zeigst, so wie wir von der Hochzeitsreise zurück sind. Ich muß es unbedingt lernen." Ernst zog unwillig die Augenbrauen in die Höhe und sah sic strafend an. Aber sie entwaffnete ihn mit einem leisen, Hellen Lachen, drückte unter -cm Tisch seine Hand und sagte zärtlich: „Ich weiß ja doch, daß Du ein kleiner! Feinschmecker bist. Du sollst cs gnt bei mir haben. Du sollst es nicht bereuen, daß ich Deine Frau geworden bin. Darum werde ich stets den ganzen Tag für Dich sorgen, Dir Alles zu Liebe thun und Dir immerfort Deine Leibgerichte kochen, sowie ich sie alle in meinem Kochkunst-Repertoire habe. Du wirst sehr zufrieden mit Deiner Köchin sein." „Ich werde es doch vorziehcn, mir eine bezahlte Köchin zu halten", antwortete er, indem er ihren Händedruck innig erwiderte. „Deine zarten Fingerchen sollen sich nicht an rußigen Töpfen beschmutzen. Es wäre schade drum." „Nein, nein", erwiderte sie lebhaft; „des Mannes Liebe geht durch den Magen. Ich würde es meiner Köchin nie mals gönnen, Dir so viel Freude zu machen, wie Einem doch nun einmal das Essen macht, wenn man gesund ist. So lange wir auf der Hochzeitsreise sind, rühre ich selbst verständlich keinen Kochlöffel an. Da spiele ich nur die vornehme Dame. Du wirst Dich wundern, wie vornehm ich fein kann! Aber wenn wir dann bet uns zu Hause sind und Du ganz in meine Hand gegeben bist, dann muß ich doch auch etwas für Dich thun und arbeiten zum Dank für Alles, waS Du mir giebit! — Nicht wahr, Emilie? Bei Dir kann ich ja auch eine Menge lernen von dem, was für eine Hausfrau gehört. Oh, es wird hübsch werden bei uns nnd wird Euch sicher gefallen. Du mußt natürlich mit Robert sehr oft zu uns kommen. Ich freue mich so sehr darauf, wie sehr wir vier uns dann immer zusammen freuen werden." Robert nickte, Emilie stieß gerührt mit ihr an, und Ernst sagte lächelnd: „ES wird sich schon Alles finden." Immer fröhlicher wurde Käthe. Da» Herz schlug ihr in ungeduldiger Erwartung der Hochzeitsreise. Diese Lustbarkeit war ihr durch die romantischen Schilderungen iir Lustspielen und Romanen mit so zauberischem Reize verklärt morden, daß es ihr augenblicklich als das Wichtigste an ihrer ganzen Heirath erschien und selbst die Hoffnungen ihrer Kochkunst verdunkelte. Wiederholt mußte Ernst nach der Uhr sehen und seiner vom Reisefieber gepackten jungen Frau die Versicherung geben, daß sie noch reichlich Zeit hatten. Unmittelbar nach Schluß der Tafel mußten sie allerdings ausbrcchcn, um den Hamburger Schnellzug zu erreichen. Aber Käthe verzichtete gern auf die Betheiligung am Tanz. Sic dachte nur daran, daß sie morgen früh, ehe sie nach Sylt weiter reisten, mit ihrem Ernst in Hamburg bei Pfordte früh stücken würde. Den Namen „Pfordte" hatte sie von Robert oft mit Ehrfurcht auSsprcchcn hören, und sie war stolz darauf, durch dieses Frühstück nun bald in die Reihen der wirklichen erprobten Feinschmeckerinnen einzntrcten. Dann war sie sogar ihrem überlegenen Schwager eben bürtig. Die Frende weilte länger unter der Hochzeitsgesell schaft, als das plötzlich verschwundene junge Paar. So gar Robert, der sich ursprünglich gegen die große Zahl der Einladungen nnd gegen den ausgedehnten Prunk -er Feier gesträubt hatte, mischte sich fröhlich unter die Tanzenden nnd drehte außer Schwester Emilie auch die angenehmsten der jüngeren Damen eifrig im Kreise. Das Erwachen und Aufstehen am anderen Morgen verspätete sich beträchtlich, und der Rechtsanwalt hatte große Eile, um noch rechtzeitig in seine Kanzlet zu kommen. Nicht einmal die cingelaufcncn Briese konnte er nach seiner Gewohnheit während des Frühstücks lesen. Er steckte sie ein und laß sic erst im Laufe des Vormittags. Es befanden sich drei Rechnungen darunter, mit deren Bezahlung der leichtsinnige Ernst seine Gläubiger bis «ach der Hochzeit vertröstet und dann an den gutmüthigen reichen Bruder gewiesen hatte. Es verdroß diesen, daß cs Ernst nicht einmal für nöthig gehalten hatte, ihm vorher davon Mitthcilung zn machen. Vielleicht hatte er sich ge schämt und es in der erwarrnngövvllen Aufregung der letzten Tage schließlich vergessen. Robert hatte jetzt keine Zeit, sich weiter darüber zu ärgern; es waren vor Tisch noch zwei Termine wahrzunchmen. Emilie war indessen in der für die jungen Leute neu cinzurichtenden Wohnung mit der Beaufsichtigung der Maler und Tapezierer beschäftigt. Sie freute sich, ihrer Schwägerin in ihrer Abwesenheit Alles recht bequem, traulich und geschmackvoll Herrichten zu können, und trieb gleich am ersten Tage die Handwerker zur Eile an. Bei Tisch sprach sie ebensowenig, wie Robert, und Beide gestanden es sich schließlich ein, daß sie sehnsüchtig an die „Kinder" dachten uiid ihre muntere Gegenwart schmerz lich entbehrten. Während des Kaffeetrinkens liefen wieder mehrere Briese ein, deren einer den Rechtsanwalt sichtlich überraschte. Er wechselte die Farbe und das Papier zitterte in seiner Hand. „Eine unangenehme Nachricht?" fragte Emilie be sorgt. „Aeußerst unangenehm! Empörend!" „Etwas Geschäftliches? Oder ....?" Der Rechtsanwalt knurrte etwas Unverständliches, knitterte den Brief zusammen, schob ihn in die Tasche nnd ging, ohne weiter ein Wort zn sagen, ja selbst ohne seinen Kaffee auszutrinkcn, in sein Zimmer. Tort zog er den Brief wieder hervor nnd las ihn noch einmal. Er enthielt die Rechnung eines ebenso eleganten, wie verrufenen Weinrestaurants über mehrere kleine Abend essen zu Zweien, die Ernst erst in letzter Zeit dort ab gehalten hatte, und eine andere Rechnung schickte der Ju welier über allerhand Kleinigkeiten an Damenschmuck- sachen. Robert konnte sich nicht entsinnen, eine davon an Käthe bemerkt zu haben. Auf eine stürmische Empörung folgte bald tiefe Nieder geschlagenheit. Dahin also hatte er es mit all' seiner Klugheit gebracht! Er hatte gehofft, das liebe, vertrauende Mädchen glücklich zu macken und ihr einen treuen Gatten zn geben. Statt dessen hatte cr sic wahrscheinlich einem Wüstling ausgelicfert. Wäre es da nicht besser gewesen, die Dinge ruhig ihren eigenen Lauf nehmen zu lassen? Hätte cr nickt klüger gehandelt, ihnen Beiden die Freiheit zu lassen, statt sie in einen feierlich beschworenen LicbeS- l'nnd zu locken, dem ans der einen Seite vielleicht das echte Gefühl fehlte? Wenn Käthe jetzt zu dieser furchtbaren Erkcnntniß gelangte, war cs durch seine Schuld bereits zu spät. Jetzt war ihre Wicdcrbcfrciung nur unter Scham und Schande möglich. Er wußte ja aus hundertfacher Er- fahrung, wie theuer die Welt einer geschiedenen Frau die Freiheit anrccknct! Wie war cr im Stande, dem armen, bei aller Liebenswürdigkeit so unglücklichen Geschöpf den zerstörten Herzensfrieden wieder aufzubauen oder doch zu ersetzen? Aber für ein so schönes, so liebes Weib war eS ja gar nicht möglich, unglücklich zu werden! Ernst war leichtsinnig gewesen, wie tausend andere junge Männer
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