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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.09.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-09-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020929029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902092902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902092902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-09
- Tag1902-09-29
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Anzeigerr-Pret- die Sgespaltene Petitzeile 25 Reclameu uuter dem Redaetiontstrich (4 gespalte«) 7S vor de« FamUtrnnach- richte« (S gespalten) SO Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren sür Nachweisungen und Offerteuannahmr LS H (excl. Porto). Grtra-Beilagen (gefalzt), »ar mit der Morgea-Ansgabe, ohne Postbeförderung SO.—, mit Postbrsörderung 70.—. Ännahmeschlnß für Aiyeizen: Abend-Ausgabe: Vormittag« lO Uhr. Morgen-An»gabe: Nachmittag» 4 Uhr. Anzeige» st»d stet» an du Expedttivn zu richte». Die Expedition ist Wochentag» ««unterbrochen geöffnet voa früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. Str. M Montag den 29. September 1902 88. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 29. September. Die nach der »Freis. Ztg." in parlamentarischen Kreisen geäußerte Ansicht, daß der Nctchskauzier Graf Bülow per» jönlich den Agrariern eine Erhöhung der Getride- zölle um 50 über die Regierungsvorlage hinaus zugesagt habe, ist bekanntlich von der „Nordd. Allgem. Ztg." als »müßiges Gerede" bezeichnet worden. Daß die Ansicht überhaupt geäußert werden konnte, hat seinen Grund jeden falls darin, daß man da und dort für die Zähigkeit, mit der die Conservativen an der Forderung einer Erhöhung der Mindestsätze für die vier wichtigsten Getreidearten fest halte», keioe andere Erklärung findet, al« die, die Conser- vative« seien von der Nachgiebigkeit d«S Reichskanzlers über zeugt. Und in der That scheint man in konservativen Kreisen dieser Ansicht zu sein. Andererseits begegnet man i« solchen Blättern, die für die Mindestsätze der Regierung-Vorlage eiutreten, vielfach der Meinung, Graf Bülow zaudere viel zu sehr, em entscheidende« Wort zu sagen, als daß man sich un bedingt auf fein Festbalten an den RegierungSsorderungen verlassen könne. Diese Blätter wie jene Kreise scheinen sich über da« Maß des Einflusses nicht klar zu sein, da« der Reichskanzler auf die Haltung des BundeSralbeS überhaupt und io diesem concreten Falle im Besonderen besitzt. Der Reichskanzler hat im BundeSrathe den Vorsitz und führt als preußischer Ministerpräsident die preußischen Stimmen, die ein heitlich abgegeben werden muffen. Mehr als diese Stimmen hat er nicht io die Waagschale zu Wersen, wenn er nicht, wie einst Fürst BiSmarck, noch über ein hohe« Maß persönlichen Einflusses verfügt. Daß Graf Bülow eines solchen sich er freue, ist bisher noch nickt bervorgetreten. So ist eS ihm, nachdem im preußischen Ministerium Einigkeit über die Sätze de» Tarifs erzielt worden war, sicherlich schwer genug gefallen, auch die Regierungen der übrigen deutschen Staaten für diese Sätze zu gewinnen. Auch ist ja ost genug von berufener Seite auf die langwierigen und mühseligen Verhand lungen hingewiesen worden, die einer Einigung vorausgingen. Scho» unter gewöhnlichen Umständen würde eS ihm daher überaus schwer fallen, die nichtpreußischen Regierungen zu einem Abgehen von dem RegierungScompromiß zu veran lassen, wenn »r vd seine preußischen Mmistercollegen geneigt sein sollten, sich von diesem Eompiomiß abdräugen zu lassen. I» unsere», Falle handelt eS sich aber nicht um gewöhnliche Umstände, sondern um ganz ungewöhnliche. Graf Bülow wurde bekanntlich gedrängt', klipp und klar zu erklären, ob sich bezüglich der Minimaisätze für Getreide nicht ein Mehr erreichen lasse. Er Hal diesem Drängen nackgegeben und auf Grund der zwischen den verbündeten Negierungen getroffenen Vereinbarung jede Ueberschreitung jener Sätze al« unannehmbar bezeichnet. Ob das nicht besser unterblieben wäre, braucht jetzt nicht untersucht zu werden. Genug, es ist geschehen; ja, eS ist noch mehr geschehen: gleich dem Grafen Bülow haben sich in allen Mittel- und in einigen Kleinstaaten die Minister im gleichen Sinne geäußert. Ob das auf besonderen Wunsch des Reichskanzler geschehen ist oder nicht, kommt nicht in Betracht; jedenfalls ist eS ia Uebereinslirnmung mit ihm geschehe». Die Sache liegt also so, daß außer dem die preußischen Stimmen führenden Grasen Bülow auch die Regierungen der Mittel» und einiger Kleinstaaten an die Minimal sätze für Getreide sich gebunden haben. Daß dies« Regierungen nun auch ihrerseits „umfallen" sollten, wenn Preußen sich „pflaumenweich" gegen den conservativ-aararischen Druck zeige» sollte, ist nicht anzunehmen. Jedenfalls steht dem Reichskanzler al« solchem kein Mittel zu Gebote, die übrigen Regierungen ebenso pflaumenweich zu macken und sie unter da« caudinische Joch der Agrarier zu führen. Schoa deshalb glauben wir nicht, daß Graf Bülow sich zu einem Versucke drängen lasten werde, den BundeSrath in Sachen der Minimalfätze für Getreide um- zustimmen ; denn eine Niederlage in dieser hoben Körperschaft wäre empfindlicher, als erne solche im ReickStage. Diesel kann ausgelöst werden, der BundeSrath nicht. Mit dem BundeSrathe aber, nicht mit dem in ihm höchstens der preußischen Stimmen sicheren Reichskanzler hat man eS jetzt zu lbun. Es verräth daher eine vollkommene Veikeunung drS Einflusses deS Grafen Bülow, wenn mit gespannter Auf merksamkeit auf sein „entscheidendes" Wort gewartet oder ein solches von ibm gefordert wird. „Studirt die Verfassung", hat Prinz Ludwig von Bayern vor einiger Zeit mit nur allzuviel Recht gemahnt.Unseres Erinnerns geschabdieS,alswieder einmal, die Ansicht laut wurde, der Kaiser brauche nur zu winken, um nicht nur den Reichskanzler und preußischen Ministerpräsidenten, sondern auch die BundeSregiernngeu zu Allem bereitwillig zu machen. Vielleicht ist auch jetzt die scheinbare Ueberschätzung der reichskanzlerischen Machtvollkommenheit im Grunde nur eine Unterschätzung des Einflusses, den der BundeSrath und mit ibm sein an bundesräthliche Entschlüsse gebundener Vor sitzender besitzt. Aber auch in diesem Falle ist es angebracht, sich daran zu erinnern, welche Reckte die Neichsversassunz rem BundeSrathe zutbeilt, und sich klar darüber zu werden, daß in NeickSangelegenheiten ein kaiserliches Wort und ein williger Reichskanzler keineswegs genüge», Len BundeSrath zur Verleugnung seiner selbst zu nöihigen. Tie Hauptaufgabe der großpolnischen Propaganda bildet bekanntlich, auch wenn die Fübrer der Bewegung und die Vertreter der polnischen Sache im Reichstage eS nicht wabr haben wollen, die Erkaltung deS GeiüblS der Zusammen- gebörigkrit aller Nationalitäten polnischer Zunge mit dem un- zweiselbaften Endziel, die am die Wicderaufrchtung eine« selbst ständige» PolenretcheS abzielenden Bestrebungen der Verwirk lichung näher zu führen. In Weicker Weise die großpolnische Presse sich in den Dienst dieser politischen Aufgabe stellt und w e sie, äußerlich den legitimen Charakter ibrer Taktik wahrend, r« versiebt, die Vorstellung von der Größe und Zukunft des polnischen Volkes wach zu erhalten und so in Wabrbeit eine wirkiame Propaganda der Tbat zu liefern, zeigt eine vom „Orndownik" übernommene Ausführung des „Kuryer Por- nanSki", in der eS beißt: „Ter Verlauf der letzten dreißig Jahre hat bewiesen, daß die polnische Nationalität sich in Lberschlesten, Ermland, Masuren und in der Fremde verbreitet; deS Weiteren, daß in den preußischen LandeStheilen die Vermehrung deS polnischen Volkes in großem Umfange vor sich geh», sogar da, wo das- selbe vor kurzer Zeit noch schlief und eine leichte Beute des Deutschthums wurde. Daß diese unerwartete Erscheinung die Ver hältnisse deS polnischen Elementes zur preußischen Herrickast und »um benachbarten Rußland gänzlich ändert, baden wir s. Z. ausführlich beiprochen Im preußischen LandeSlheile tritt dir Thatsache hervor, welche sich nicht au« der Welt schaffen läßt, daß wir Polen hier nur ein Theil und zwar da» geringste Theilchen deS zahlreichen großen polnischen Volkes sind, daS hauptsächlich außerhalb der Grenzen Preußens, aber in un mittelbarer ausgedehnter Berührung mit uns lebt. Sowohl die Geschichte deS ganzen polnischen Volkes, die doch gewiß ruhmvoll und nicht ohne Verdienst sür Europa war, wie auch die allgemeine Cultur, die allmählich in daS gesammle polnische Volk hineinsickert, sind die Veranlassung, daß sich ein immer stärkeres, der natio nalen Zusammengehörigkeit bewußtes Empfinden der Ge- sammtnation entwickelt." Das Blatt verwahrt sich schließlich dagegen, daß diese „öffentlichen und legalen Proteste der Zusammengehörigkeit Versuche deS Landesverrats»« gegen die drei Monarchien" seien, die sich früher »n Polen getheilt haben, und der „Or^downik" secundirt mit der Bemerkung: „Es ist nicht zu be»Weiseln, daß jeglicher Proceß der Wieder geburt de- polnischen Volkes in allen LandeStheilen keine Erscheinung deS LandesverratheS im Sinne der Teutichen ist, vielmehr eine eth no» graphiich« Bewegung, die sich auch dort vollzieht, wohin das politische Polen in den letzten Jahrhunderten nicht reichte, so in Schlesien, Pommern und Masuren. ES ist nicht zu bezweifeln, daß diese Be wegung, dir von unserer großen Lebenskraft zeugt, im Zusammen- Hang mit der großen slawischen Bewegung in Europa steht." ES muß den genannten großpolnischen Organen allervingS zugegeben werden, daß die gewählte Form der öffentlichen Behandlung der Frage nicht ausreicht, um ras Moment des LandesverratheS zu staluiren. Trvtzrem liegt die eigentliche Absicht Vieser „ethnographischen" EssaiS sür den, der zu lesen versteht, deutlich zu Tage, und die in Lemberg beabsichtigte Veranstaltung eines sogenannten allpolnischen Congresses giebl. Lenen Recht, die den politischen Bestrebungen der großpolnischen Propaganda einen durchaus hochverrätderischen Charakter zuerkennen zu müssen glauben. Ueber die bevorstehende Reform des höheren Schulwesens in Frankreich macht Or. H. Schoen, Prvf.ssor an der Universität Aix-Marseille, im Oetvberhcjte der „Deutschen Nnndschau" eingehende Mittheilungen, denen wir zusammenfassend die wesentlichsten Punctc entnehmen. Die französischen Staatsgymnasien, städtischen und Pro Gymnasien werden — voraussichtlich schon vom Lctober ab — statt des jetzigen „classischcn Unterrichtes" und statt des jetzigen „modernen Unterrichtes" einen doppelten Unterricht haben, der, jeder ein Ganzes, vier Jahre, also von Sexta bis Tertia, dauern soll. In der ersten Abthei- lung wird von Sexta an in wöchcnt.ich sieben Stunden Latein gelehrt, von Quarta an in drei sacultativen Stunden Griechisch. In der zweiten Abtheilung wird statt deS Lateins mehr Französisch, mehr Mathematik und Physik getrieben, dazu von Sexta an Naturgeschichte. In beiden Abtheilnugcn sollen die neueren Sprachen be sonders gepflegt werden, nämlich in fünf Stunden wöchent lich; die bisher so vernachlässigten Fächer der Geschichte und lvcographie sollen drei Stunden erhalten. Der Gnm- nasiast also, der ans der Tertia abgeht, hat Französisch, Geschichte und Geographie, etwas Mathematik und Natur wissenschaft, Deutsch oder Englisch, Gesang und Zeichnen gelernt, oie Einen werden außer dem Latein, vielleicht auch etwas Griechisch können, die Anderen dafür mehr exacte Wissen schaft verstehen. Noch mannigfacher wird der G»m- nasialuntcrricht im zweiten CyclnS sein, der von der Se- cunda bis zur Ober-Prima drei Jahre umfaßt. Da näm lich sollen vier verschiedene Abthcilungen eingerichtet werden. Von ihnen ist die erste für die bestimmt, die in Quarta und Tertia Griechisch gelernt haben. In Te- cunda und Unter-Prima kommen fünf Stunden auf die griechische, vier auf die lateinische Sprache. In beiden Elasten wird Geschichte und Geographie in fünf Stunden gelehrt. In der Ober-Prima dieser Abtheilung wird theo retische und historische Philosophie gelehrt; das Studium der beiden clasfischen Sprachen und der nensprachttche Unterricht bleibt facultativ; auf Mathematik und Natur wissenschaften entfallen je drei Stunden. In der zweiten Abtheilung wird besonders Latein gepflegt. Statt des Griechischen lernen die Schüler eine moderne Sprache mehr; während in der ersten Abtheilung statt Deutsch oder Englisch auch Italienisch oder Spanisch. gelernt werden kann, ist hier Deutsch oder Englisch obligatorisch; die zweite Sprache ist nach Belieben Deutsch, Englisch, Italienisch oder Spanisch. (Russisch, das vor zehn Jahren in Frankreich Mode geworben, wird im neuen Lehrprogramm nicht mehr erwähnt.) Für Mathe matik und Physik, Geschichte un- Geographie ist die Stun denzahl dieselbe, wie in der ersten Abtheilung. Ebenso sind in der Ober-Prima der zweiten Abtheilung die ver schiedenen Disciplinen in beiden Abtheilungen gleich ver treten. Die dritte Abtheilung macht den Versuch, daS Griechische durch eine lebende Sprache zu ersetzen, ohne das Latein zu vernachlässigen. Schoen hält diese Abtheilung sür besonders geeignet, künftige Medictner, Juristen, Mathematiker und Naturforscher auszubilden. Denjenigen Schüler, der Officier, Baumeister, Techniker, Industrieller, Post, oder Eiscnbahndirector, Bergrath u. ä. werden will, wird die vierte Abtheilung nach Tchoen's Ansicht bester vorbereitcn. In ihr sind die classischcn Sprachen ganz geopfert, dafür sollen Ncuphilologie (sieben Stunden) und Mathematik (sieben Stunden) gründlich gelehrt werden. Eine der beiden modernen Sprachen wird Deutsch oder Englisch sein; auf Französisch, Ge schichte und Geographie kommen drei, auf Zeichnen vier Stunden. Ter philosophischen Ober-Prima entspricht sür die dritte und vierte Abtheilung eine mathematische, deren Schüler nur in der Ncuphilologie getrennt werden sollen. Den vier Abthcilungen werden vier besondere Prüfungen entsprechen. Alle Candidaten werden einen französischen Aufsatz und, mit Ausnahme der vierten Abtheilung, eine Ucbersetzung aus dem Lateinischen ins Französische liefern müssen, die Altphilologen außerdem eine Ucbersetzung aus dem Griechischen, die Neuphilologen der zweiten und vierten Abtheilung einen leichten Aussatz in einer neueren Sprache, die Candidaten der vierten Ab- theiliing eine mathematische Arbeit. Welche Berechti gungen das Bestehen der verschiedenen Prüfungen ge währen soll, ist noch nicht festgestellt. — Professor vi-. Schoen ist im Allgemeinen mit dieser Reform einver standen. Als ihren Hauptfehler aber tadelt er, daß die Schüler den wichtigsten Entschluß ihres Lebens viel zu früh fassen müssen. Von der Unterzeichnung des Friedensvertragcs in Ver» ceniging entwerfen die beiden Söhne des Staats sekretärs Reitz eine interessante Darstellung. Sie lautet nach der „Täglichen Rundschau" ausführlicher: „Wir haben alle Beide den Feldzug mitgemacht un- waren auch bei der Unterzeichnung des Friedcnsvertrages von Vereeniging zugegen. Ich kann bekunden, daß Lord Kitchener uns im Lause der Verhandlungen eine Reihe von mündlichen Versprechungen gab, die später nicht gehalten wurden. Bon diesen hatte eine aus die holländischen Rebellen vom Cap Loo Bezug. Lord Kitchener hatte sich verpflichtet, daß alle Aufständischen, die Feuilleton. Das Testament. Eine obervstcrreichischc Erzählung v. Fan«y Kaltenhauser. (Nachdruck ohm Honorirun? auch in Amerika vcrdoirii.) Elftes Capitel. Tage vergingen. Auf dem Hochgstcttnergute herrschte eine Stille, wie nie sonst. Man sah einen umherwanderu da innncn, ob man die Augen geschlossen oder offen hielt, — einen, der kein lautes Wort redete und doch eine deut liche Sprache hatte, die jeder verstand, die aber keiner mit reden konnte, — einen, der ohne Augen war und doch eins anstierte mit grausem Blick, — einen der nirgends zu greifen war und der doch aus allen Winkel» hervorzn- schauen schien, zum Entsetzen Aller, — einen, der keinen Athem in der Brust hatte, von dem dennoch ein gewaltiger Hauch auszugehcn schien: athemraubend, eisig, alles aus löschend, waS in seinen Bereich kam, vernichtend, wie nichts sonst. Der Tod stand am Bette des Hochgstettnerö, wanderte auf Stunden hinweg und ließ daS Leben wieder ein wenig aufflackern, erschien aber jäh, urplötzlich wieder und starrte schauerlich grinsend auf sein Opfer nieder, das sich nur schwach wehrte gegen den drohenden Hieb mit der Sense. DicFranzi ließ dcnPriester holen, aber der konnte nichts machen mit dem Kranken, der in den wildesten Fieber phantasien lag. Stundenlang wartete der Priester; als aber die Phantasien endlich wichen, da lag der Kranke in solcher Betäubung und Ermattung, als wäre seine Seele schon mehr im Jenseits wie hicnicdc». Da gab ihm der Pfarrer die letzte Oclung und ging endlich. Auf seinem Wege stand vlötzlich die Scphi vor ihm. Sic grüßte und fragte dann hastig, unruhig: ,Hochwürden, wie geht'ö dem Hochgstcttncr? Mein Dirndl hat's vernommen, daß Hochwürde» g'rusen worden sind." „Schlecht, mein lieb'S Weib!" versetzte der Pfarrer. „I mein', er ermacht's nimmer lang'." Und mit dem Kopf be dauernd nickend, fügte er hinzu: „Schad' um den braven Mann! Hat sich halt z'viel g'schundcn sein Lebtag!" „Meint'S, Hochwürden ?" fragte das Weib noch. „Ja, ja. Hat Schulden am Haus g'habt und hat s' schwer ab'tragen, weil er nie ein recht'S Glück g'habt hat auf seinem Gut." Da senkte die Sephi den Kopf und ging hastig, grußlos weiter mit so weiten Schritten gegen das Hochgstettner- gut hin, als könnte sic etwas versäumen bei ihrem Gang. Ganz sachte wollte sie den eisernen Klopfer auf die Thür falle» lasten, da sah sie, daß der umwickelt war, um keinen Ton zu geben. Die Klinke gab nach, als sie dieselbe pro- birte. Im Flur war Niemand, jedoch hinter der ange- lchnte» Küchenthür hörte sic sprechen. Da sah sie hinein. „Ist d' Bäuerin nct da oder der Sohn vom Haus?" fragte sic die drinnen schier geräuschlos hernmhantircnde» Mägde. „WaS willst denn?" fragte die eine. ,,D' Bäu'rin kann schier net vom kranken Bauern. Der stirbt uns. Wirst schier nichts so B'svnder's haben; mußt'ö halt aufschiebcn, bis sich'ö g'ändert hat bei uns. Der Franz ist ja auch schier net zu haben vom Vatern fort. Kaum, daß er an- schafft, was zu thuu ist." Der halb abweisende Ton der Dirne reizte die Sephi. Sic, die da schalten und walten konnte, heute schon, wenn sie mochte, sie brauchte sich von der Dirne da nicht über die Achsel anschaucn zu lassen. Sie richtete sich stolz auf. „Hol' den Franz heraus", sagte sie herrisch, „t muß heut' noch mit ihm reden — waS B'svnder's!" Die letzten Worte fügte sie mit Nachdruck hinzu. Da ging die Magd nach kurzem Zaudern und nachdem sic einen flüchtigen Blick in das Gesicht der Sephi gethan. Die Bäuerin selber trat aus der Kammer. Sic sah bleich und verweint aus. Einen flüchtigen Augenblick hing ihr Blick ängstlich forschend an dem Gesicht der Verwandten, die sie in ihrer Jugendzeit gekannt hatte; dann sahen ihre Augen schier glcichgiltig zu Boden. Mochte der da ihre Botschaft so oder so auSfallen, eS war Alle» eins; denn dem armen Manne dort drinnen nützte eine gute Botschaft nichts mehr, das schien ihr gewiß zu sein; und für sie selber war Alles gleichgiltig. Sic hatte ja nirgends mehr eine gute Stätte, wenn der Vinzenz von ihr gegangen war. Sie streckte der Sephi die Hand hin. „Grüß Gott, Schwägerin!" sagte sie. „Esth, komm' herein in d' Stuben." Sie schritt schwankenden «langes voran. In der Stube setzte sic sich auf einen Stuhl, nachdem sie vorher der Lcptü einen hingcschoben. „I bin mild ", sagte sie. ,Jkann'S Stehen frei nimmer aushalten. Wir können ihn schier nct allein lassen. B'sonderS, wenn er pbantasirt, da darf der Franz nei aus der Kammer; sonst könnt' er aus'm Bett springen in seinen Phantasien. Sonst wär' der Franz her aus zu Dir. Willst »in» halt sagen, daß wir gehen müssen. 'bald's mit dem Vinzenz —" die Stimme brach ihr, der Franzi, und in den Augen stand das Helle Master. Die Sephi schüttelte den Kopf. „Na. Net so. I hab' mir's gut überlegt mit der Sach'. Wär dumm, wenn i Euch vertreiben »hüt' von da. Bis ich mich da dreinfänd' in die Vewirtbschaftung, hätt' i ein' Schaden dabei. Und wenn 's Unglück ein paarmal dazwischen käm', dürst' i auf zuletzt selber laufen vom Hof. Na. So ist's nichts. Und nachher — mein Mau», der helfet fleißig mit, daß i bald loö würd' von meinem Geld. Gäb' ich ihm nichts, er schlaget er mich oder d' Kinder halb's. Na, wir machen die Sach' anders. Ihr stellt s mir einen Schuldschein aus, den i vor acht oder zehn Jahren nct einfvrdern darf, uni bleibt's da auf'm Hof. I aber hol' mir meine Zinsen. Die brauchen ja nct groß zu sein, daß sie Euch nct crdrnckcn. Und nachher möcht' ich's vorerst nct im Geld haben, d' Zinsen, sondern als Eßsach', waS da auf'm Hof habt'ö — Milch, Eier, Butter, Brod. Daß i mich leichter haus' da heim, verstehst? I brauch' meine Kinder net Noch leiden lasten, und der Manu kaun mir die Zinsen nct vertrinken. Er thät'S, ja, ja! Schau mich nur an! 's letzte Stückl Brod nähm' er sein' Kindern vom Mund weg — so einer ist er! Jesus, mein Gott, wo hab' i denn hing'schaut, wie i den Mann g'nommcn hab'?! Blind und toll muß i g'wescn sein! Aber Dn hast ihn ja kennt, Hochgstettncrin, in seiner Jugend; bildsanber ist er halt g'wescn, und das hat mich an'zogcn. In sein schlecht - Herz hab i net hineinschaucn können; das hab' i eilt kennen g'lcrnt, wie i mit ihm davon g'rcnnt g'wesen bin und mei' Sauberkeit durch d' Noch ver loren g'habt hab'. Ja, da erst. Gern 'trunken hat er ja früher schon, da schon, wie ich ihn kennen g'lcrnt hab'; nach, her ist er gar ein SansanS 'worden. D' Müller, bei denen er nacheinander cing'standcn ist, haben ihn allemal wieder davong'jagt; er war net viel zu brauchen mit seine Rausch'. Da hat er sich nachher einen Faulenzerstand ansg'sucht, 's Hadernsammeln; und d' Noth hat mich und d' Kinder auch 'zwungen dazu. Zuerst hab' i allwcil kranke Kinder g'habt, die nach einander g'storben sind, ein jcd's zwei- oder drei jährig; da hab' i mir net Helsen können, hab' die paar Brocken ang'nommcn, die uns der Mann bing'worsen hat; nachher, wie t den Lenzl und die Jula alscr g'sunde bei einander g'habt hab', hat ihn sogar 's Hadernsammeln ver drossen, und da hab' i gehen müssen. Und nm der Kinder willen bin i 'gange, nct wegen seine Schläg'. Hätt' i kein Kind g'habt, wär' ich in einen Dienst 'gangen. So hab' ich ü auSg halten. Und nachher gar, wie mir der Lenzl zu kränkln ang'fangen hat, zu nichts mehr g'wesen ist — wo wollt' i denn da hin? O Herr, mein Gott, was i aus- g'haltcn hab', ist g'nug g'wesen!" Die Sprecherin schln,', die Hände ineinander, mit schmerzlicher Gebärde, und ein finsterer, haßvollcr Blick schoß aus ihren Augen. „Und jetzt — jetzt vergönn' ich ihm nichts, dem Lumpen, — er soll nichts haben und nichts wissen von dem Geld. Sonst hätten meine Kinder erst nichts, 'bald ich einmal nimmer bin, Ta hab' i mir's auf die Weis' zurcchtg'lcgt, daß i sag', cs wär' eine gute Gab' von Euch, waS i mir heim trag'; weil wir halt doch in der Freundschaft sind, so wollt ihr mich nct verlassen. Ta hat er nachher kein Recht, von Euch was zu fordern. Gelt, so machen wir's?" Die Franzi nickte leise. „Mir ist's schon recht. Mil m Franz miißt's erst später ausmachcn; mit'm Vinzenz wird s eh nct notlnvendig sein." Da legte die andere dem weinenden Weib die Hand aus die Schulter. „Schau', i hab' ein' kranken Buben daheim, schon sieben Jahr, und bin net verzagt' worden, hab' g'mcint, er müßt' mir wieder g'iund werden, bis vor zwei Wochen der Bader g'sagt hat, es wär' alle Hilfe umsonst; eilt halb's Jahrl höchstens könnt' er's noch machen." „Mein Vinzenz ist nimmer jung und er hat schwer 'tragen au der Lünd' an Dir", meinte die Franzi schweren Herzens. „I kenn's aus sein' siebrischen Reden —" Die Zwei wurden unterbrochen. Die Klcindirn stieß die Thür auf. ,,D' Bäuerin soll g'schwind kommen, der Bauer ist wieder wie wild!" rief sic. Da stürzte die Franzi aus der Stube. Langsam folgte ihr die Sephi. Im Flur verhielt sie sich einen Augenblick lang. Sic wußte, daß ihr eine Pein verursachen würde, ihren Stiefbruder anzuschen. aller innerlich trieb sic etwas, den, der so litt, zum letzten Male anzuschen, in das lebende Gesicht dessen, der ihr doch ver wandt war, zu schauen, da sie eS vielleicht morgen schon nur mehr im Tode würde sehen können. Von der etwas offen gebliebenen Thür her erklangen heisere Lante; dazwischen hinein erklangen die mit sanfter Stimme gesprochenen Worte der Franzi. Die Scphi hob die Füße und ging sachte hinein. Drinnen suchten der Franz und seine Mutter den Kranken im Bette zu erhalten und die Letztere redete gut, liebevoll beschwichtigend, aus ihn ein. Der hörte aber nicht auf sie; wilde Ficbcrreden ausstoßend, wollte er aus dem Bette springen. „Na, na, geht'S —" stieß er hervor — „i muß hinan» — laßt'S mich, i mnß d' Sephi suchen! Hab'S dem Vater
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