Suche löschen...
Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.10.1902
- Erscheinungsdatum
- 1902-10-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190210051
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19021005
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19021005
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- unvollständig: S. 6883-6890 (3./4. Beilage) fehlen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-10
- Tag1902-10-05
- Monat1902-10
- Jahr1902
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.10.1902
- Autor
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs »Preis der Hauptexpedition oder- den im Stadt- bezirk und den Bororteu errichtete» Aus gabestellen abgeholt: vierteljährlich^ 4.K0, — zweimaliger täglicher Zustellung ins Haus.Sl 8.50. Durch die Post bezogen für Deutschland u. Oesterreich vierteljährlich6, für die übrigen Länder laut Zeitungspreisliste. — Redaktion und Expedition: Johannt-gaff« 8. Fernsprecher 153 und 2L2. FUiat-»P,Nitto««r: Alfred Hahn, Vuchhandlg., UniversitätSstr.S, L. Lösche, Katharinenstr. 14, u. KönigSpl. 7. »- Haupt-Filiale Dresden: Strehlener Straße 6. Fernsprecher Amt I Nr. 1713. Haupt-Filiale Berlin: Küniggrätzer Straße 118. Fernsprecher Amt VI Nr. 3393. MMer Tageblatt Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- nnd -es Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Mates «nd des Molizei-Ämtes -er Ltadt Leipzig. Anzeige«'Pre1O die 6 gespaltene Petitzeile 25 H. Reklamen unter dem RedaktionSstrich (4 gespalten) 7K H, vor den Familiennach. richten (6 gespalten) SO L,. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Lffertenannahme 25 H (excl. Porto). Ertra-Beilage» (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesärderung 60.—, mit Postbefärderuug ^l 70.—. Iinnahmeschlnß für Jinzeizen: Ab end-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Anzeigen sind stets an di« Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Sir. 507 Tonntag den 5. Oktober 1902. OK. Jahrgang. Aus -er Woche. Die Franzosen führen einen heftigen politischen Streit an der Bahre eines Landsmannes, dessen Bedeutung dock ganz überwiegend aus literarischem Gebiete rubte und ruht: Emile ZolaS. UnS in Deutschland gebt der bürgerliche Zwist nichts an, wir hätten vielleicht gut getban, un« um dessen Grundursache weniger zu kümmern, als seinerzeit geschehen. Da» Pariser Ereignis ist aber auch diesseits der Vogesen von Interesse, denn der so plötzlich aus dem Leben geschiedene Schrift steller hat auf daS deutsche Geistesleben einen starken, bei seinem Hintritt noch nicht verwischten Einfluß ausgeübt. Ob einen woblihätigen, diese Frage ist Gegenstand tiefgebender Mei nungsverschiedenheit. Die von ihm mit Vorliebe geschilderten Personen und Verbältnisse und seine Darstellungsweise haben in unserem Vaterlande und nicht bei dessen schlechtesten Söhnen mächtigen, oft biS zum Abscheu gesteigerten Widerwillen her vorgerufen, und es ist verständlich, daß sein .Verismus vielfach al» daS Zerrbild der Wahrheit ausgejaßt wurde. Die moralische Verurteilung, der Emile Zola oft anbeimfiel, wird aber von dem Berufungsgericht einer unbefangenen Lite ratur» und Sittengeschichte nicht bestätigt werden. Denn diese, Franzose war ein Moralist und wollte es sein, ein Tendenzschriftsteller, und stets vor allem ein patrio tischer. Er beleuchtete Krankbeiten der französischen Volksseele in der — vielfach in der Thal nicht unwirksam ver folgten — Absicht, zur Heilung beizutragen, und da so manche der von ihm aufgedecklen Gebresten nicht Frankreich allein eigentümliche Nationalühel sind, so können auch andere Völker und kann inöbeiondere das vielfach m der Abweichung von guten, soliden Überlieferungen begriffene zeitgenössische Deutschland von dem sozialpathologischen Anatomen, dessen Leiche heute zur Erde bestattet wird, noch vieles lernen. Zu den französischen Volkskrankdeiten gehört trotz der ewigen Zänkereien unter dieser Nation die Uneinigkeit bei der Beurteilung und Lösung nationaler DasemSsragen nicht. Und au.ch sonst in der Well hat kaum ein Volk so viel von diesem Üebel abbekommen wie das deutsche. Eben jetzt, wo die Zollkommission deS Reichstages ihre Arbeiten beendet hat, muß e» un» mit Trauer und Beschämung eijüllen, daß in her Schweiz, einem Lande, das eine sehr zahlreiche Bauern schaft und gleichfalls eine starke Sozialdemokratie ausweist, fast spielend von den gesetzgebenden Körperschaften ein Zoll tarif erledigt worden ist, der nicht minder einschneidet, als der in Deutschland zur Berathung stehende, und, beiläufig bemerkt, hinter diesem an Zahl der Positionen nur wenig zurückbleibt. Wir aber, die wir früber, wenigstens mit der Diskuision im Lande und in der Presse, begonnen haben, stehen beute im Grunde genommen noch vor dem Antang. Die Beendigung der zweiten Lesung in der Tarifkommission bedeutet kaum mehr als das Niedergeben des Vorhanges »ach einem Akte, der in der Oekonomie deSSchauspiels sehr gut balle entbehrt werben können. Die zweite Lesung ist zwar da und dort entgegen den früheren Beschlüssen auf die Regierungsvorlage zurückgegangen, sie bat sich ihr rn anderen Fällen mehr genähert, als bre erste Be ratung, aber das Ganze stellt praktisch keinen Fortschritt gegen den Zeitpunkt vor, in dem der Zolltarif der Oesfent- lichkeit übergeben wurde, also gegen einen Zeitpunkt, der ein und ein viertel Iabr hinter u»S liegt. Ist auch der Pessimismus, ter in der konserva iven und der klerikalen Presse augenblicklich in verstärktem Maße zur Schau getragen wird, auf Einschüchterung der Gegner berechnet: zu einer rosigen Anschauung der nächsten Zukunft hat auch der Unbefangene keinen Anlaß. Die Situation ist, in Preußen wenigstens, außerordentlich kompliziert und die Mel dung von dem Rücktritte des Obcrpräs identen ter Provinz Hannover lenkt den Bt.ck aus eine der tiefsten Ursachen der Wirrnis. Wenn Graf Stolberg bis zu den nächsten Reickstagswahlen noch Ebes der Provinz geblieben wäre und diese Wahlen, was nun sehr möglich ist, sich um die Tarifgesetze drehen würden, so hätten wir die Erscheinung er lebt, daß von der obersten Behörde dieser wichtigen Gebietsteile die Wabl von Bewerbern begünstigt worden wäie, die tie Zollvorlagen des Bundesrathes, die zugleich von der preußi schen Regierung vertreten werden, zu bekämpfen entschlossen sind. Und bei den LandtagSwahlen, tie bekanntlich auch im nächsten Zadre statlsinden müssen, hätten auf Förderung von derselben Seite Kandidattn rechnen dürfen, die der Kanal vorlage, für die sich neben der preußischen Regierung der König von Preußen eingesetzt hat, entgegenireten wollen. Und drittens wäre bei der eine» wie bei der anderen Wahl vorauSzusehen gewesen, baß sie sich unter dem Zeichen obrigkeitlich bekundeter Gleichgültigkeit gegen die welfische Gefahr vollzogen hätte. Nun geht Graf Stolberg. Aber die Erwartung bezw. Befürchtung, daß trotzdem in Hannover so verfahren werde, wie unter dem bisherigen Provinzialchef anzunehmen war, ist in der Provinz und sonst i» Preußen so weit verbreitet und lies gewurzelt, daß man sie >ür begründet halten muß. Es steht in der Tat zu besorgen, daß die Regierung ihre Gegner in der z. Z. wichtigsten Reicksfrage und in einer von ihr für hochwichtig gebaltenen Landesfrage zu veistärken suchen wird und zwar zu Ungunsten von Bewerbern, die hier wie dort für die Regierungspläne eintreten. „Sinnig" ist ein Zustand, der solches befürchten läßt, ge wiß nickt. Die Regierung sollte ihre Politik der Konnivenz gegen die Verhinderer ihrer Absichten ernstlich revidieren und die konservativen Agrarier haben gleichfalls Ursache, sich daS Verhallen, da» einzuschlagen sie wenigstens versuchen wollen, reiflich zu überlegen. Regierung und konservative Agrarier, beide im Hinblick aus die Sozialdemokratie und den bürgerlichen Radikalismus, also eine gleichfalls reichs politisch unbrauchbare Richtung. Tie Dinge liegen fast iin ganzen Reicke anders und ungünstiger als in» Königreich Sachsen. Wir im Lande habe» zwar Ansätze einer bös artigen ultramontancn Agitation, ader doch kein Zentrum. Vom PartikularlSmu», der gerade bei uns einmal so lebendig gewesen, ist nur selten noch ein kleines Ueberbleibsel zu spüren, so daß von einem bürgerlichen Welfcntnm im weiteren Sinne nickt die Rede sein kann. In Sachsen ist die Sozialdemokratie l'onnomie, der Feind, und hier ist die« auch klar erkennbar. Anderwärts aber verhindern andere Konstellationen und bewirkt da- herausfordernde Überspannen der agrarischen Fragen, daß die richtige Schätzung der sozial demokratischen Gefahr schwindet und die Möglichkeit einer Gruppierung, deren Rückgrat dieSozialdcmokratie bilden würde, näher rückt. Ganz unverkennbar ist schon jetzt, daß unter dem Eindruck extremer agrarischer Unterjochung-- absickten in den gemäßigt gerichteten Bolkskreisen der Gegensatz zu der bürgerlichen Demokratie sich abschwächt, ein Prozeß, der, wenn weiter gefördert, die deutsche Wehr- Hastigkeit einmal schwer benachteiligen kann. Wie sehr anders als früher vielfach aus den linken Freisinn geblickt wird, bat sich gerade dieser Tage gezeigt. Die freisinnige Volkspartei Hal in Hamburg einen Parteitag veranstaltet. ES ging da zu, wie immer. Die Partei bewies wiederum, daß sie nichts gelernt uud nichts vergessen; die „Verhandlung" wenn dieser Ausdruck erlaubt ist, bot das Bild einer politischen Wüstenei, nur belebt von einem Haufen Staare, die einige- sprechen gelernt, und jeder dasselbe. Die Veranstaltung fordert die Kritik und den Spott ebensosehr heraus, wie nur irgend eine ihrer Vorgängerinnen, denen mit beidem reichlich gedient worden war. Aber die Presse, die sonst so scharf geurteilt hatte, legt sich diesmal die größte Zurückhaltung auf, offenbar aus keinem anderen Grunde, als weil das Gejübl ausgelcbt ist, daß es sich bei dem linken Freisinn um eine Richtung zu handeln beginnt, nut der sich zu verbinden früher oder später ein Gebot der Selbsterhaltung werben kann. Deutsches Reich. * Leipzig, 4. Oktober. Der „Kladderadatsch" hatte bekanntlich unlängst behauptet, Rudolf v. Bennigsen habe im Jahre 1r,82 zum Scheitern des Z c d l i tz s ch e n S ch u l g e s c y e n t w u r f e s auch da durch beigetragcn, daß er eine Audienz beim Kaiser nachgesucht habe. In seiner letzten Nummer hält das Witz blatt diese Behauptung mehrfachen Anzweiflungen gegen über aufrecht und fügt hinzu, sein Gewährsmann sei „eines der ältesten und angesehensten Mitglieder der nationallibcralen Partei in Hannover", dem Bennigsen selbst die Sache erzählt habe. Wir trauen dem „Kladdera datsch" nicht zu, daß er eine so bestimmte Versicherung ab geben würde, wenn er dazu nicht im Rechte wäre, und nehmen nunmehr an, daß Herr v. Bennigsen sein Aus treten im Reichstage gegen die Zcdlitzsche Vorlage und seine während eines parlamentarischen Abends beim damaligen Reichskanzler mit dem Kaiser über dieses Thema gepflogene Unterhaltung noch nicht für genügend erachtet habe, um die Zurückziehung der Borlage zu erreichen. Daß er über die beim Kaiser nachgesuchte Audienz nur zu einem einzigen seiner alten Parteifreunde gesprochen, wird keinen be fremden, der das Glück hatte, dem seltenen Manne näher zu treten. Es war nicht seine Art, seine Taten selbst aus- zuvvsaunen nnd seiner Erfolge sich zu rühmen; es kam ihm lediglich aus diese selbst an. Das wußten namentlich seine alten Freunde in Hannover, die oft genug erfuhren, daß er die Verwertung vertraulicher Mitteilungen zu Verherr lichungen nicht liebte. Übrigens wußten gerade sie gut genug, daß das ganze liberale Bürgertum seinem par a- mentarischen Auftreten und seiner persönlichen Einwirkung das Fallenlassen des Entwurfes zuschrieb und dankte. Sv ist cs denn auch leicht zu erklären, daß die Behauptung des „Kladderadatsch" nicht die Wirkung hatte, die er erwartet haben mochte; daß die erste, auf keinen auch nur ange- deutcten Gewährsmann sich stützende Behauptung unbe achtet blieb und die zweite, mit Vorwürfen gegen die natio nalliberale Partei verbrämte da und dort die Vermutung erweckte, der „Kladderadatsch" habe eine Audienz mit einem gelegentlichen Gespräche in den Räumen des Reichskanzler palais verwechselt. Um so ungehöriger ist cs, daß der „Kladderadatsch" den geringen Erfolg seiner Meldung auf eine Weise sich zu erklären sucht, die eine grobe Ver blich t i g u n g der alten Parteifreunde des großen Staats mannes und der nationallibcralen Presse in sich schließt. Tas Blatt schreibt nämlich: „Der Kaiser Hal sich während der letzten Fahre Ben nigsen gegenüber auffallend kühl verhalten. Als der Land rat v. Bennigsen in so ergreifender Weise plötzlich aus dein Leben geschieden war, kam kein Kaisertelegramm an den so schwer getroffenen Vater, obgleich doch diese Tele gramme jährlich zu vielen Dutzenden in die Welt gehen. Dem Sarge des grimmigsten Rcichsfcindcs, des unversöhnlichen Welfen Windthorst, Ivar ein Kranz voraufgctragen wor den, dessen Schleife die kaiserlichen Initialen zeigte; bei der Bestattung Rudolf v. Bennigsens wurde keinsolcherKranz gesehen. Daraus haben nun unseres Erachtens die jetzigen Parteiführer geschlossen, dem Kaiser sei sein rasches Eingehen auf die eindringlichen Vorstellungen Bennigsens nachher leid geworden, er möge nicht gern daran erinnert werden und deshalb sei es diplomati scher gehandelt, die Sache nicht noch nachträglich zur Sprache zu bringen. Wir brauchten das ja gar nicht so offen zu sagen und könnten in der beliebten Weise das Stillschweigen als unbegreiflich bezeichnen, aber wir sehen nicht ein, tocshalb wir nicht unsere aufrichtige Uebcrzeugung frei aussprechen sollen. Haben die Herren andere Gründe für ihr Schweigen gehabt, so können sie jetzt ja damit hcrausrückcn." Wir, die wir Herrn v. Bennigsen lange Jahre bis zu seinem Tode jedenfalls weit näher gestanden haben, als der „Kladderadatsch", geben diesem aus vollster Uebcrzeugung die Versicherung, daß der große Mann, wenn er diese Verdächtigung seiner Parteigenossen lesen könnte, dem Ur heber eine Antwort erteilen würde, die Hörner und Zähne hätte. Wir für unseren Teil weisen mit Ent - rüstnng die Unterstellung ab, wir hätten jemals aus diplomatischen Rücksichten eine» der hohen Verdienste Bennigsens verkleinert, verschwiegen oder auch nur in den Schatten gestellt. Und mit derselben Entrüstung nehmen wir die alten hannoverschen Freunde gegen diese Ver dächtigung in Schutz. Wir kennen sic samt nnd sonders aus langjährigem Verkehr als Männer, die gleich uns jede beglaubigte Mitteilung über eine noch unbekannte Tat des verewigten Freundes nnd Führers zum Wohle des liberalen deutschen Bürgertums mit Freude begrüßen und weiter verbreiten, unbekümmert darum, daß diese Be grüßung und Verbreitung ihnen verübelt werden könnte. Sic stehen wahrlich an Wahrheitsliebe, Rückgrat und Ver ehrung Bennigsens dem „Kladderadatsch" nicht nach und haben diese Verehrung durch treues Fortwirken im Sinne des Verewigten jedenfalls schlagender bewiesen, als ein Blatt, das die Politik des lebenden Bennigsen oft genug bespöttelt hat und ihre Fortführung durch seine alten Parteifreunde mit Vorliebe zum Gegenstände billiger Witzeleien macht. 6. II. Berlin, 4. Oktober. Ein glänzendes Zeugnis für die deutsche Lchiffsbaukunst bildet der große Panzer „Wettin", über dessen Über führung und Abnahme folgender offizielle Bericht erstattet wird: Am 8. und 10. August d. I. fand die Überführung des neuen Linienschiffes „Wcttiu" von Neufahrmasier nach Kiel statt, während welcher die offizielle Abnahme-Probe fahrt vorgenvmmcn wurde. Tas Schiff war von seiner Vauwerft — F. Schichau in Danzig — aus die Reede von Neufahrwasser geschlept worden, wo cs ankerte, als am 0. August Mittags die Abnahmekommission der Marine an Bord kam. Nachdem der Anker gelichtet war, dampfte das Schiff aus -er Danziger Bucht mit langsamer Fahrt, die nach und nach gesteigert wurde. Nach der Umschifsung der Halbinsel Hela begann die Forcierung der Maschinen, und als die der Firma kontraktlich vorgcschriebene Leistung von 15000 Pferdestärken erreicht mar, wurde in die Ab nahme-Probefahrt cingetrctcu. Während derselben konn ten die 15 000 Pferdestärken mit der geringen Luftpressung von 11 Millimeter Wassersäule in den Eylinüerkcsseln nnd 25 Millimeter Wassersäule in den Wasserrohrkesseln leicht gehalten werden. Jede einzelne der drei Maschinen er reichte zeitweise bis 6000 Pferdestärken, so daß man später, wenn es nötig sein sollte. 17—18 000 Pferdestärken erzielen könnte. Bon einer solchen Steigerung während der Ab nahmefahrt nahm man aber schon aus dem Grunde Ab stand, weil die mittlere Höchstleistung der Maschinen für einzelne Schiffe dieser Klasse auf 14 000 Pferdestärken fest gesetzt ist. Während der forcierten Abnahmesahrt arbeite ten sowohl die Wasserrohr- wie die Enlinderkessel als auch die drei Hauptmaschinen nebst allen Hülssmaschinen durch aus zusricdenstellcnd, der Dampf wurde mit Leichtigkeit gehalten. Die Verbrennung war gut und nahezu rauch frei, wobei der Kohlcnvcrbrauch unter dem kontraktlichen verblieb. Trotz der großen Maschinenkraft wurden in» Schiffe keine merklichen Erschütterungen verspürt, ein Zeichen für die gute Ausbalancierung der einzelnen Maschinen. „Wcttiu" lief darauf mit verminderter Fahrt nach Lwinemündc, um dort den Kaiser auf seiner Heim reise von Reval zu erwarten. Nachdem das Schiff am 10. Anglist um 7 Uhr Morgens auf der Reede von Swine- münde geankert hatte, traf gegen 8 Uhr „Hohenzvllcrn", gefolgt von den Begleitschiffen „Prinz Heinrich", „Nnmpbe" nnd „Sleipncr" ein. Der Kaiser stand auf der Kommando brücke und ließ „Hohenzollern" nm die verankerte „Wettin" hcrumfahren, augenscheinlich befriedigt von dem Anblick, den das neue Linienschiff gewährte. Der Vorsitzende der Abnahmekommission mußte hierauf noch das höchst be friedigende Ergebnis der Abnahmesahrt melden, worauf „Wettin" die Weiterreise nach Kiel antrat. In Kiel über nahm die Abnahmekommission das Schiff von der Firma F. Schichau in den Besitzstand der Kaiserlichen Marine. Die Schlachtschiffe der Kaisertlasse sind in folgenden Zeit räumen erbaut: „Kaiser Wilhelm II." von der Kaiserlichen Werft in Wilhelmshaven in 41 Monaten, „Kaiser Wilhelm der Große" von der Gcnnaniawcrft in Kiel in 30 Monaten, „Kaiser Karl der Große" von Blohm k Voß in Hamburg in 30 Monaten, „Kaiser Barbarossa" von F. Schichau in 33 Monaten. Hatte die Firma F. Schichau schon bei dem letzteren Schisse die größte Schnelligkeit der Bauausführung erreicht, so hat sie diesen Ruhm bei „Wettin" gewahrt, indem sie dies nm etwa 700 Tonnen größere Schiff mit einer um 2000 Pferdestärken höheren Maschinenleistuna in nur 34 Monaten herstellte. Das Schiff war am 10. Oktober 1800 auf Stapel gesetzt und machte am 0. August 1002 seine Abnahmesahrt. -4- Berlin, 4. Oktober. (Die französischen und die englischen Flottenübungen in deutscher fach männischer Beurteilung.) Die französischen und die englischen Flottenübungen diese- Iabres werden, soweit cs auf Grund de- zugänglichen Materials möglich ist, im neuesten Hefte der vom Nachrichtenburea» des Reichsmarincamtes herauögegebenen „Ma rin e - Nnndscha u" einer ein gehenden Erörterung nnterzogen. Das Urteil unserer be rufensten Fachmänner über das Ergebnis jener Flottenmanöver ist von so allaemeinem Inte-esse, daß daS Wesentlichste daraus im Nachstehenden wiedergegeben wird. Die beiden heimischen Geschwader der französischen Flotte, da- Nordgeschwader und das Mittelmeergeschwader, waren auch in diesem Iakne zu gemeinsamen Hebungen ini west lichen Becken des Mittelmeere« ve,einigt. Die Manöver sind, so schreibt die „Marine-Rundschau", nach großen Ge sichtspunkten angelegt gewesen und wurden sachgemäß durch geführt. Die teilweise sehr große Hitze stellte starke Anforderungen an da- Personal, namentlich der Maschinen und Heizräume Besonders beivorzubeben ist, daß wäbrend ter 33tägigen Übungen keinerlei nennenswerte Havarien ror- gekommen sind und daß da- Material vollständig den gestellten Erwartungen entsprochen bat, wozu die allerdings aus ErsparniSriicksichten gebotene Verwendung geringer Geschwindigkeiten nicht unwesentlich beigetragen bat. Auch die Ausbildung im Evolutionieren der Ge schwader ist hervorzuheben. Die Leitung der ganzen Flotte beanspruchte nur sehr wenig Signale. Besondere Anerkennung verdient die Neservedivision des Mittelmecrgeschwaders, deren Leistungen mit Reservisten und nach deren Abgabe mit verringerter Besatzung nickt dinier den üdiigen Geschwadern zurückblieben. Die Ausbildung beS MittelmeergrsckrvaderS im Gebrauch der Funken- telegraphie, die im vorigen Iabre viel zu wünschen übrig ließ, ist vervollkommnet, sodaß beide Geschwader auch hierin auf gleicher Höbe stehen. Ein eigenes Personal ist für die Bedienung der Apparate auSgebildct, die Apparate, System Rochefort, haben sich gut bewährt. Die Verstän digung ist auf 25 bis 30 Seemeilen gesichert, darüber hinaus nicht immer zuverlässig. Die Verwendbarkeit der Funken telegraphie im großen Maßstabe zu strategischen Zwecken bat ihre Probe bestanden. Die strategische Wichtigkeit von Mers el Kebir ist außer Zweifel gestellt; die Ver- leidigungsanlagen Bisertas sind genügend befunden. In der Geickwaberlaktik scheinen besondere Fortschritte nicht gemacht zu sein. Die Ausbildung der Kreuzer im Fühlunghalten zeigte grundsätzliche Mängel, die Tor- pedohoole waren ihrer Ausgabe nicht gewachsen. Die Küste uw acht statt onen scheinen bei der Blockade der Hyeren ihre Aufgabe nicht ganz erfüllt zu haben. — Die englische Flotte hat dieses Jahr von dem üblichen, mit einer MobilmachungSübung verbundenen strategischen Manöver Alstano genommen und an ihre Stelle gemeinsame taktische Übungen der uu Dienste befindlichen heimischen Geschwaber- uiib Flollillenoerbäiide im Kanal, sowie des Mntetmeer-, Kanal- und heimischen KrenzergesckwaderS im östlichen Becken des Millelmeere« treten lasten. Die ersteren fanden uu Juli dieses IabreS im westlichen Eingang zum Kanal statt, die letzteren, seit dem N. September zwischen Sicilirn und Kreta begonnen, waren beim Abschluß der vorliegenden Bericht erstattung ncch nicht beendet. Die Teilnahme an den Zuli- übuugcn wurde den Vertretern der Presse ebenso versagt, wie uu vorigen Jahre die an den Seplemdermanövern. Da die ipärlichen Berichte der Flottenlrüung über die Durch führung ter Gesecktöbilder nur ungefähr die AufangSstellung ter Gegner erwähnen, von den Endresultaten aber schweigen, io zieht die „Marine-Rundschau" keine praktischen Lehren für die angewandte Taktik au« den Manöver», sondern begnügt sich „mu ter an sich auch schon sehr wichtigen Er kenntnis", daß die englische Flotte „informal-taktischer Hinsicht gut geschult ist". A Berlin, 4. Oktober. lDi e n st r e g e l u n g für die weiblichen Schalterbeamten.) Die jüngst vvn dem Minister der öffentlichen Arbeiten erlassene Ver fügung betreffs der weiblichen Angestellten im Schalter dienst ordnet Erhebungen über die Arbeitszeit und die Länge des Dienstes dieser Personen an. Der Grund der Anordnung aber ist folgender: Das weibliche Personal im Schalterdienst ist in seinem eigenen Interesse und in durchaus wohlwollender und roohlbegründeter Absicht vom Nachtdienst frei. Dagegen werden diese weiblichen An gestellten zum Früh- und Spätdienst voll herangezogen. Nnu aber beginnt der Frühdienst zeitweise mn 2 oder 3 Uhr Morgens und der Spätdienst erstreckt sich an manchen Orten nicht selten über Mitternacht hinaus. Es ist daher die Befürchtung nicht abzuweisen, daß durch die bisherige Art der Beschäftigung weiblicher Personen im Schalterdienste die Absicht, ihnen die volle Nachtruhe zu lassen, tatsächlich vereitelt wirP. Die statistischen Er hebungen bezwecken nun, genau festzustellen, ob und ge gebenenfalls in welchem Umfange diese Befürchtung sich bestätigt. Insoweit dies nach den Ergebnissen der Er Hebung der Fall sein sollte, soll das zu erhebende Material zugleich eine sichere Unterlage für diejenigen Anordnungen bieten, welche zu erlassen sein werden, mn die Be freiung der weiblichen Angestellten vom 'Nachtdienste zur vollen Wahrheit zu in a ch e n. — Die Unfehlbarkeit des Papstes soll nach der steten Versickerung sieS KlcrikaliSmuS nur für Aeußerungen vx catlieckra., die mit der vollen amtlichen ponlisikalen Auloritäl statuiert werden, vorhanden sein und protestantische oeer liberale Blätter, die von dem unfehlbaren Papste auch einmal in anderen Beziehungen sprechen, werden von ultra- iiioiitalier Seite stets hart angefahren. Nun tbeilt aber die „Köln. Volksztg." selbst eine Ansprache mit, in der Kardinal ViveS, ter in beständigem Verkehr mit Rampolla steht, an eine Grurpe französischer Pilger folgende Worte gerichtet bat: „Nichts ist unricktiqer, als die vom Papst erteilte Weisung (der Republik beizutrrten) als erste Ursache der von den französischen Katholiken eclitteiien Niederlagen auszugeben. E» wäre den Katho liken sicher gelungen, den ihrem Lande so nötigen Frieden und die Freiheiten zu crrmgeii, wenn nicht viele von ihnen sich vermessen hätten, den ebenso klugen als notwendigen Weisungen de» Papstes zu widerstehen. Es ist eine Gotteslästerung, zu sagen, der Papst habe sich in seinen Weisungen geirrt. Seien Sie ruhig, Sie werden bald gewahren, daß die kluge Haltung dcS Papstes sur Ihr Land gute Früchte tragen wird." Hier wird also, bemerkt hierzu mit Recht der „Rejchsb." von einem mit dem Staatssekretär in Verbindung stehenden Kardinal die Unfehlbarkeit des Papstes auch für politische Fragen in der stärksten Weise in Anspruch genommen, und ihre Bezweiflung geradezu als Gotteslästerung bezeichnet, woraus sich ergibt, daß man von den Katholiken verlangt, auch die politiichen Kundgebungen dcS PapsleS als Kund gebungen Gottes anzusehen. — Gestern fand eine große Vers ammlung der Ber liner Rollkutscher, Mitfahrer und Bodenarbeiter statt, in der folgende Resolution angenommen wurde: Die Versammlung iprickt ihr Bedauern über daS geringe Ent gegenkommen der Betriebsleitung des TranSport-EomptoirS Anbaltcr Bahnhof aus. Die Versammelten erklären, nun mehr die Sache der Kollegen vom Anhalter Bahn hof vollständig zu der ihrigen zu macken und be schließen, um den Kollegen in ihrem gerechten Kampfe zum Siege zu verhelfen, vor dem äußersten Mittel der allge meinen Arbeitseinstellung nicht zurückzuschrrcken. Üm jedoch nichts unversucht zu lassen, beauftragen die Ver sammelten die Kommission resp. die BerbandSleitung, noch einmal Verhandlungen zwecks friedlicher Beilegung der Differenz herbeizusühren. * Posen, 3. Oktober. Der Posener Provinzial-Lebrer- verein hatte «ine außerordentliche Vertrrterversammlung nach Posen einberufen, die sich unter anderem mit der in Aussicht gestellten Ostmarken-Zulage beschäftigte. Es wurde folgende Resolution einstimmig angenommen: ..In Rücksicht auf die besonderen Schwierigkeiten, welche sich der Schularbeit im Osten entgegenslellen, rrachtet die Plvvinziallehrervrrsammlung die Gewährung einer deson-
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite