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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.10.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-10-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19021011016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902101101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902101101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-10
- Tag1902-10-11
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Die von recht- traten durchweg mit offenem Visier auf, sie „firmierten reell-, den Herren von links aber ist eS hier und dort gelungen, hinter nationalliberalem Schilde, als ob sie „dazu gehörten", ihre Stimme zu erheben. Dies« Täuschung hat nicht verfangen und wenn sich, was ja möglich ist, in Eisenach Reflexe bemerkbar machen sollte«, so werd«« sie dort im Hellen Lichte der von selbst gegebenen Hauptziele einer nationalen Mittelpartri sehr bald sich verflüchtigen. Die gute Absicht war und ist, den Parteitag zu verleiten, sich als Vertretung einer reinen „WirthschaftSpartei" aufzuspieleu, und zwar einer freihändlerischen. Es ist da angerateu, dort gefordert worden, die auf die Tages- orduung gesetzten Gegenstände, die nicht zollpolitischer und verwandter Natur sind, bei Seite zu schieben und nur von dem zu rrdey, war „unS", d. h. dem Freihandel, allein am Herzen liegt. Ein« nach diesen Wünschen besetzte Tafel würde wohl jede andere deutsche Partei — außer dem Frei- inn — als zu dürftig befinden; für die Partei aber, die in pät, aber nicht zu spät erfolgter Erkenntnis ihrer Leben«» »edingungen und Aufgaben den handelspolitischen Fragen ausdrücklich den Charakter eines Schibboleth« für ihre An- gehörigeu aberkannt bat, würde die Erklärung, daß sie jenseits deS zollpolitischen Gebiete« und noch etwa des der Börsengesrtz- gebung nichts zu suchen und zu finden hätte, die Abdankung be deuten. Wenu mau, wie vorgeschlagen wird, da« Nurwirt schaftliche mit etwa- nationaler und konservativer Politik und mit Zunkerhetze verbrämte, so vermöchte ver Aufputz die Freunde im Lande keineswegs zu beruhigen. Die« umsoweniger, als man die Nachbarn, die den reinen Freihandel in politisch-liberaler Emballage in der Kiste «inschmuggelu möchten, sehr gut daraufhin kennen gelernt hat, daß sie für die freibeitSfeindlichste Richtung in Deutsch land, den UltramontaniSmuS, ein großes Maß von Schonung in Bereitschaft haben; ein um so größere«, als die Herren, die nicht so sehr von der eigenen Kraft als vom Berliner Hofe die Verwirklichung der Zdeale deS deutschen CobdeniSmuS erhoffen, recht gut wisse», daß in Berlin Klerikal „Trumpf" ist. Die Tatsache, daß man von dort aus den Großherzoz von Baden in der Klostersrage zu Gunsten deS IesuitiSmus zu beeinflussen unternommen hat, bestätigt diese übrigens längst un bezweifelte Wahrnehmung. Die einwandfreie Feststellung dieses Faktums kommt sehr gelegen zum Delegiertentage. Wenn auch dort von dieser Merkwürdigkeit nicht geredet werden sollte, die Stimmung wird sie doch insoweit beeinflußt haben, daß etwaige Versuche, die Reaktion nur bei den ost elbischen Junkern zu finden und den AntiklerikaliSmuS al- bornierte Pfaffenfresserei hinzustellen, erschwert worden sind. Bei den Bemühungen, den Eisenacher Parteitag lediglich auf die Gegnerschaft gegen den „Agrar-KonservatiSmuS" zu verweisen — das Agrariertum der Herren Herold, Speck und vr. Heim ist in linksliberalen Augen nur eine Tonnabend den 11. Oktober 1902. 96. Jahrgang. liebenswürdige Schwäche —, bei diesen Bemühungen hat auch dir „gesamtliberale Weltanschauung" eine Rolle gespielt. Nun, diese Anschauung haben wir kennen gelernt, zu der Zeit namentlich, als die liberale Gruppe, die den NationalUberalen jetzt als richtunggebend empsohleu wird, in der auS abgefallearn uationallioeralrn Freihändlern und Fortschrittsleuten „fusionierten" freisinnigenVolkspartri vereinigt war. Damals wurde dem Zentrum der Weg zu der be herrschenden Stellung gebahnt, die «S heute eianimmt. Der Delegirrtentag wird sich Wohl nicht di« — wenn auch nur stillschweigende — Anerkennung abringe« lassen, daß der Cardinal Rampolla und seine Agenten in Deutschland un behelligt bleiben müssen, weil man sonst mit den „Junkern" nicht fertig würde. Im anderenFalle und wenn, worauf doch alle diese Umtriebe abzielen, die bisher in unseren Reihen betätigte Fürsorge für die Landwirtschaft verleugnet werden sollte, könnte die nationalliberale Partei in Eisenach der Trauer kundgebung für Herrn v. Bennigsen unmittelbar die — eigene Begräbnisfeier folgen lassen. DaS, wie gesagt, ist nicht zu besorgen. Damit könnte sich ein sonderbarer Rathgeber trösten, der in den „Leipz. Neurst. Nachr." unter der Ueberschrift „Die national- ltberale Zukunft" die Eisenacher Delegierten beschwört, sich vom Linken nicht umgarnen zu lasse» und nicht der „Nationalzeilung" zu folgen, die den oben gekennzeichneten freihändlerischen Lockungen nur allzuwilligeS Ohr leiht. Aber der seltsame Warner, der seiner Stimme ein besonderes Gewicht dadurch verleihen zu können meint, daß er erklärt, der Nationalliberalismus sei unserem Parteileben so nötig, wie das Salz zum Brote, begnügt sich nicht nur mit dem Verlangen nach Zurückweisung jener Lockungen, sondern fordert eine reinliche Scheidung der in der nationalliberalen wie in jeder anderen Partei auf sozial politischem und wirtschaftlichem Gebiete zutage tretenden Gegensätze. Er wünscht also, wenn er eS unS auch nicht aus drücklich sagte, eine Absprengung der in ver „Nat.-Ztg." zu Worte kommenden Elemente. Selbstverständlich wird man in Eisenach nicht halten wollen und können, was sich nicht halten lassen will; aber mit der Absicht, einzelner Differenzen halber «ne Trennung zu erzwingen, wird man auf dem Delegiertentage von keiner Seite an die Verhandlungen heran treten. Die Befolgung jenes Rates würde die Bereiche- rung unseres ohnehin durch und durch zerklüfteten poli- tischen Lebens durch eine neue Partei sein; denn zwischen der „Nat.-Ztg." und den freisinnigen Gruppen klaffen immerhin tiefe Risse, die kaum zu überbrücken sind. Und aus die neue Partei hätte die geschwächte nationalliberalr Partei gar keinen Einfluß mehr. Sie stünde isolierter als jetzt und könnte die vermittelnde Einwirkung, der zur Zeit die ihr nahe stehenden Mitglieder deS Bundes der Landwirte sich ebensowenig entziehen können, wie die Freunde der „Nat.- Zeitung", noch viel weniger auf die rechts und links von rhr stehenden Parteien auSüben. Und gerade diese Einwirkung, die ihr nur möglich ist, weil sie von einer di« inneren Gegensätze von Fall zu Fall überwindenden Partei auSgeht, ist in unsrem politischen Leben gerade jetzt „so nötig wie das Salz zum Brote." Wird man sich daher in Eisenach bestreben, nicht eine reinliche Scheidung, sondern eine Überwindung der inneren Gegensätze herbeizusühren, so wird man noch weniger dem ferneren Rate der „L. N. N." folgen, der darauf hinauSlaufen zu wollen scheint — ganz klar sich auS- zudrücken, scheint der Ratgeber absichtlich zu vermeiden dem nach Abstoßung des linken Flügel« ver ¬ bleibenden Reste der nationalliberalen Partei das unentwegte Wandeln in den Spuren des Alldeutschen Verbände« anzuempfeblen. Am wenigsten wird der Leiter dieses Verbandes, Herr Professor vr. Hasse, diesen Rat zu befolgen mahnen. Er weiß genau, daß der Verband seine Ziele nur erreichen kann, wenn er Mitglieder aller staats erhaltenden Parteien umfaßt und sich deshalb fern von Bestrebungen hält, dir eine dieser Parteien abstoßen müßten. Und er weiß ebenso gut, daß die Parteien so enthaltsam nicht sein können und dürfen, wenn sie ibre besonderen Aufgaben lösen wollen. Er ergänzt sein Wirken als Führer des Verbandes durch sein Wirken in der nationalliberalen Partei und erkennt dadurch an, daß diese in ihrer Selb- ständigkeit und Unabbängigkeit eine Berechtigung nicht nur, sondern auch eine wichtige Aufgabe hat, und zwar »n ihrem jetzigen Bestanve. Er wird sich nicht darüber täuschen, daß die Unterwerfung der ganzen rrationalliberalen Partei unter alldeutsche Führung andere Elemente mißtrauisch gegen den Verband machen konnte und seinen Bestanv gefährden dürfte. Nun verhehlen wir allerdings nicht, daß wir Herrn Pros, vr. Haffe bei mancher Gelegenheit, besonders bei offener und rückhaltloser Aussprache über gewisse Züge unsrer auswärtigen Politik, eine kräftigere Unterstützung durch seine engeren Parteigenossen gewünscht hätten und ferner wünschen; er selbst aber wird nicht im Zweifel darüber sein, daß ihm dieser Mangel nicht so peinlich gewesen ist, wie manche Unter stützung von einer Seite, der die von nationalliberaler Seite geübte „staatsmännische Rücksichtnahme" ebenso wider den Mann geht, wie den „L. N. N." Besonders peinlich aber dürste Herr Prof. vr. Hasse davon überrascht sein, daß der Ratgeber der „L.N.N." einer ihm gewid meten Lobrede eine besondere Folie dadurch zu geben sucht, vaß er von der nationalliberalen Partei im allgemeinen sagt, sie habe sich seit der Heidelberger Tagung „mit der Tätigkeit eines FakirS begnügt, der gedankenvoll auf den eignen Nabel schaut", und daß er sein Urteil über den Abg. Bassermann in die Worte zusammen- saßt: „Weder eine schöne, glatte Frisur, der Verbrauch von Pomade — wie lieblich duften die Haare des Grafen Bülow, wie lieblich die Haare deS Herrn Bassermann — .... werden imstande sein, der nationalliberalen Partei jene intensive Volkstümlichkeit wiederzugewinnen, die sie einst be- saß." Herr Prof. vr. Haffe stebt zu hoch, als daß er seiner Partei und insbesondere Herrn Bassermann gegenüber nölig hätte, sich vor dem Verdachte zu schützen, er stände einer Verherrlichung seiner Person und seiner parlamentarischen Wirksamkeit mit solchen Mitteln nicht völlig fern. Sämtliche Eisenacher Delegierte aber, selbst die alldeutschen, werden schweigend zur Tagesordnung übergehen über Ratschläge, deren Urheber, wahrscheinlich um Len Gegnern der als „Salz zum Brote" bezeichneten Nationalliberalen etwas Angenehmes zu sagen, vielleicht auch um volkstümlich und geistvoll zu er scheinen, der Partei auf den Rock und einem ihrer vertienst- vollsten Führer auf die Stieseln spuckt. Deutsches Reich. -r- Berlin, 10. Oktober. (Wilhelm I., Bismarck und der Annexionsgedanke von 1866.) Die Kritik, die an Fürst Bismarcks „Gedanken und Erinnerungen" an knüpfte, bat sich besonders der Darstellung Bismarcks über die Genesis der Gebietserwerbungen Preußens im Jahre 1866 zugewandt. Bekanntlich schildert Bismarck die Sache so, als habe er dabei mindestens in der letzten Phase ganz unter dem Gesichtspunkte der nationalen Entwickelung, der Einigung Deutschlands unter Preußens Acgide, und unter dem eines künftigen Freundschaftsbündnisses mit Oesterreich ge handelt, als babe er an sich auf die Ausgestaltung einer dauerhaften Bundesverfassung mehr Wert gelegt, als auf Annexionen, und als habe er letztere überhaupt nicht, jeden falls nicht in dem Maße für erforderlich gehalten wie König Wilhelm. Die Rücksichtnahme auf Frankreich und dessen Einmischung tritt in den „Gedanken und Erinnerungen" ganz zurück; der Mittelpunkt, um den sich hier alle« dreht, ist der König mit seinen Annexionsgelüsten. Diese Auf fassung bat bei Kritikern wie MarckS, Lenz und Meinecke Widerspruch gefunden. Dagegen ist Friedrich Thimme in einer eingehenden Untersuchung, die er soeben in der „Historischen Zeitschrift" über das Thema „Wilhelm I., Bismarck und der Ursprung des AnnexionSgedankenS" veröffentlicht, zu dem Ergebnis ge kommen, daß die Darstellung der „Gedanken und Erinnerungen" den Keru der Ereignisse weit mehr treffen, als die Kritik angenommen hat. Vor allem ist das nach Thimme in der doppelten Richtung der Fall, daß die Rücksichtnahme aus Frankreich, in der man den Angel punkt der BiSmarckschen Politik bat sehen wollen, in den Hinter- gründ, die Persönlichkeit deS Königs dagegen, sein Wollen wie sein Nichtwollen, ganz in den Vordergrund tritt. Nicht die Einmischung Frankreichs, nicht die Besorgnis vor Frankreich sind es gewesen, die Bismarck veranlaßten, für den Augenblick von der Ausdehnung der preußischen Vormachtstellung auf ganz Deutschland abzusehen und einen Ersatz dafür in der Er weiterung der preußischen HauSmacht zu suchen. Vielmehr ist eS, wenn Thimme recht urteilt, in beiden Fällen vor wiegend der Wille deS Königs und sein Drang gewesen, einen den Erfolge» der preußischen Waffen und den preußischen Opfern voll entsprechenden realen Gewinn als Sieges preis heimzutragen, wodurch BiSmarck in die Richtung der Annexionen hinein und vorwärts getrieben wurde. Tbimme scheint dieser Punkt auch für die Gesamt würdigung des Königs stark inS Gewicht zu fallen. Wenn MarckS die Auffassung vertritt, der Nord deutsch« Bund sei von Brsmarck, nicht von Wilhelm geschaffen worden, wenngleich er von dessen historischer Wirkung auch tief durchtränkt gewesen sei, so erleidet diese Auffassung durch das Ergebnis der Tbimme'schen Unter suchung in einem wesentlichen Punkte eine Modifikation. „Gewiß sink," schreibt Thimme, „Art und Umfang der neuen territorialen Erwerbungen, mit denen Preußen in das neue Bundesver- hällnis eintrat, von BiSmarck in einer von den ursprünglichen Absichten des Königs weit abweichenden Weise burchgesetzt worden. Das eigentlich Entscheidende ist aber doch Wohl, daß die Richtung auf Annexionen überhaupt von Wilhelm gewiesen worden ist. Und darum muß, wenn man nach dem Ursprünge des Annexionsgedankens fragt oder wenn man, Feuilleton. Lechs Monate unter Rändern. Nunmehr ist im Oktobcrhcfte von „Maclures Maga zine" derSchluß der Aufzeichnungen der Miß Stone über ihre Gefangenschaft bei den makedonischen Räubern erschienen. Die Veröffentlichung dieses Tagebuches hat fast ebenso lange gedauert, wie die Gefangenschaft der beiden Frauen, denn der erste Abschnitt dieses Tagebuches ist im Maihefte des genannten Magazins veröffentlicht worden. Nachdem wir unseren Lesern den Inhalt dieser höchst spannenden Aufzeichnungen von Anfang an regel mäßig mitgetcilt haben, lassen wir nachstehend die Dar stellung der Befreiung der Miß Stone und ihrer Gefährtin ans der Gefangenschaft folgen. Nachdem die Unterhand lungen über das Löscgeld durch die Aengstiichkeit der Herren House und Peet unnötig lange hinansgezogen worden waren, kamen endlich in einer finsteren Winternacht zwei Räuber und händigten ihre Ledertasche dem Anführer ein. Den Frauen wurde ei» Brief überreicht, in welchem sich die Unterhändler wegen der Verzögerung entschuldigten und die Schuld auf die Schwierigkeiten schoben, die ihnen die türkische Negierung bereitet hatte. Sie kündigten an, daß sie das Löscgeld von 14 600 türkischen Pfund den Boten der Räuber eingchändigt hatten, für welche Summe man ihnen die Empfangsbestätigung der Miß Stone gegeben. In SerreS wollten sie die Befreiten erwarten. Die Freude über diese Botschaft machte die Frauen sprachlos, und sic schien von den Räubern vollauf geteilt zu werden. Str gestanden jetzt, daß cs ihnen in letzter Zeit sehr schwer gefallen, für die 2 icherhett und für dieBedür f- nissc dcrGcfangencn zu sorgen. Miß Stone schlief in dieser glücklichen Nacht zum ersten Male ruhig, wie gar nie zuvor während der langen Monate der Gc- sangenschaft. Aber in Geduld »rußten sich Gefangene und Wächter doch noch fassen. ES kam die Nachricht, daß trotz aller Zusagen, die Verfolgung der Räuber so lange einzu stellen, bis die Gefangenen befreit wären, die türkischen Truppen ihnen auf Schritt und Tritt nachstellten. Deshalb zogen die Räuber mit ihren Gefangenen ebenso, wie früher, in der finstersten Nacht auf ungebahnten Wegen umher. Miß Stone sagte aber endlich dem Anführer der Bande: „Unsere Freunde werden mißtrauisch fein und sagen: Die Räuber haben das Geld genommcn und die Gefangenen doch getötet; sie werden nun vom Sultan ver. langen, daß er alle» aufbietc, um euch -u fangen, und dann sind wir verloren.» Sendet doch einen Boten au«, der den Grund der Verzögerung anzeige und unsere Befreiung bestimmt zusage!" Der Räuber erwiderte nicht«; spater erfuhr Miß Stone jedoch, daß er sofort die Absendung deS Boten veranlaßt, der die Unterhändler gerade in dem Augenblicke erreichte, als beschlossen worden war, die scharfe Verfolgung der Räuber auszunehmcn. Die Frauen litten allmählich schwer unter der immer wieder getäuschten Hoffnung. Erst nach mehr als einer Woche, an einem Sonnabend, wurde Ernst gemacht. Die Bande erreichte mit den Frauen nach langer nächtlicher Wanderung beim Morgengrauen eine zerfallene Hütte ohne Tür, deren Mauer» die Gefangenen weder vor Schnee noch Frost schützen konnten. Aus weiter Ferne wurde Wasser in einer Flasche herbeigebracht. Frau Zilka jammerte, daß sie ihr Kind nicht baden könne, und bat, wenigstens die KindSwäsche dort waschen zu dürfen, wo die Räuber da« Wasser geholt hatten. Dies wurde ihr nicht gestattet, aber ein junger Räuber, welcher stets die größte Zuneigung für die kleine Elcntschi gezeigt hatte, sagte zu Frau Zilka: „Es ist besser, Sie warten mit der Wäsche bis morgen; da findet sich vielleicht bessere Gelegenheit dazu." Die Frauen waren in höchster Aufregung. Wollte ihnen -er junge Räuber eine Andeutung machen, daß sie befreit würden? Sie baten ihre Wächter, mit dem Kinde ein wenig ins Freie gehen zu dürfen. Man ließ sie hinter das HauS unter die Bäume gehen. Sie waren samt dem Kinde so sehr des Tageslichtes entwöhnt, daß sie eS nicht ertragen konnten. Miß Stone war überzeugt, daß, wenn ihr Leben nächtlicher Wanderungen und täglicher Einsperrung im dunklen Raume noch «ine Weile gebauert hätte, sie alle drei blind geworden wären. Entzündet waren ihre Augen ohnedies durch den dichten Ranch, dessen sie sich nicht erwehren konnten. An jenem Tage fanden sie unter den winterlichen Bäumen kleine, frische Pflänzchen, und zu ihrer höchsten Freude drei gelbe Crocusse. Sie wußten nun, daß der Frühling im Anzüge sei. Bevor noch am selben Taae die Nacht anbrach, inußten die Frauen ihre Sachen packen, und die zwei Pferde wurden vor die Tür der Hütte geführt. Die drei Räuber, welche stet« die Verhandlungen geführt hatten, setzten sich vor den Frauen auf den Boden zum Feu«r. Einer, den sie niemals für den Häuptling der Bande gehalten hätten, gab sich nun al« solcher zu er- kennen nnd teilte ihnen mit, daß sie heute nacht in Frei heit gesetzt werben sollen. Er fügte bei, die Frauen könnten die Kleider behalten, die sie sich selbst angefcrttgt hatten, und dazu zwei der Mäntel, die man ihnen geborgt. Auch zwei Satteltaschen, die sic als Polster verwendeten, dürften sie mitnehmen. Man habe ursprünglich jeder von ihnen zehn Pfund als Reisegeld mitgeben wollen, aber eS ließ sich über diesen Punkt keine Einigung unter den Räubern er zielen, und so müßten sic zufrieden sein, wenn jede ein Pfund auf den Weg erhalte. Mit nervöser Hast trieben nun alle Räuber zum Aufbruch. Bon etwa dreißig Räubern begleitet, traten endlich die zwei Pferde, auf denen die Frauen ritten, die nächtliche Reise an. Nach etwa einer Stunde war man auf einem Plateau angelangt. Einige Räuber legten sich flach aus die Erde, andere entfernten sich in Gruppen, nur zwei blieben zurück und hielten die Pferde am Zügel. Es gab eine lange, ängstliche Pause; endlich kam das Signal zum Ausbruche, und ohne ein Wort des Abschiedes ließen die Räuber die Frauen ziehen. Sic wurden erst nach geraumer Weile gewahr, daß sie nur mehr zwei Wächter hatten — zum ersten Male seit sechs Monaten, die sic ununterbrochen mitten unter den wilden Männern verlebt hatten. Es mar dies in der Nacht vom 22. auf den 28. Februar, und sie mußten noch sechs Stunden auf den Pferden aushaltcn, welche ihre zwei Begleiter un aufhörlich autriebcn. Um 4 Uhr früh trabten sic über den letzten Abhang hinab, ritten durch den letzten tiefen Bach und befanden sich auf einer Ebene. Unter einem Birn bäume halfen die zwei Räuber deu Frauen von ihren Pferde» und sagten ihnen, sie sollten bis Tagesanbruch da sitzen bleiben, cs würde dann schon jemand vorüber kommen, der ihnen helfen würde, ihr Gepäck ins Dorf zu tragen. „Wo ist ein Dorf? Wir sehen kein Dorf!" Die Räuber zeigten ihnen einen dunklen Strich am Horizont und sagten das sei ein Dorf, das nur zehn Minuten weit entfernt liege. Die Lichter, die weiten in der Kerne glitzerten, seien die Lichter von Strumnitza. Die Räuber ergriffen dann die Zügel der Pferde und ver schwanden tm Dickicht. Die Gewohnheit des Gehorsams war so groß bei den Frauen, daß sic bewegungslos auf der kalten Erde sitzen blieben und sich langsam an das Bewußt- fein gewöhnten, in der Tat frei zu sein. Krau Zilka raffte sich zuerst auf und schlug vor, zu versuchen, das Dorf zu erreichen. Miß Stone hatte ein verletztes Knie; sie war auch in dieser Nacht vom Pferde gefallen, noch dazu mit dem Kinde tm Arme. Sic kam nur schwer vorwärts und mußte dazu das Kind tragen, während Frau Zilka sich mit allem Gepäck belud. Aber die Dorfhunde schlugen so wild an, daß Miß Stone es vorzog, mit dem Kinde und dein Gepäck zurückzubleiben, und Frau Zilka allein inS Dorf ging. Sic kam bald mit einem Mohammedaner von riesigem Wuchs zurück, der die Frauen in sein Haus führte, wo die ganze Familie sie liebevoll aufnahm, sie zum Feuer setzte und ihnen Kaffee kochte. Er suchte dann das Haupt der christ lichen Bevölkerung auf, einen griechisch-katholischen Priester, der zwei Pferde satteln und die Frauen mit dem Kinde von seinem Knechte nach Strumnitza führen ließ. In der Nähe der Stadt erregte die kleine Kavalkade Aus sehen. Die Leute, die sic vorüberziehen sahen, begriffen rasch, wer die zwei vermummten, rauchgeschwärzten Frauen mit dem in weiße Hüllen gewickelten Kinde seien. Baid folgte ihnen ein langer Zug von Menschen. Auch aus den Häusern liefen die Leute herbei, und die Frauen ivarcn froh, als sie das Haus des Predigers, welches sich am An fang des Dorfes befand, erreichten. Der Prediger befand sich bereits in der Kirche beim Gottesdienste. Er äußerte seinen Univillen darüber, als die Gemeinde plötzlich unauf merksam und unruhig zu werden begann und ein Flüstern durch die Kirche ging. Als aber eine Frau laut rief: „Die gefangenen Frauen sind angckommcn und befinden sich in Ihrem Hause!", da ließ der Prediger die Predigt im Stich und lief, von der ganzen Gemeinde gefolgt, nach Hause. Noch stand aber den Frauen eine peinliche Gcduldprvbe be vor. Ein türkischer Polizei-Kommissär stellte sich alSbald ein und nahm mit ihnen ein Verhör vor, das den ganzen Tag dauerte, weil alles, was die Frauen sagten, höchst nm- stündlich zu Protokoll gebracht wurde. Miß Stone hätte sich diesem Verhöre als amerikanische Untertanin nicht unterwerfen müssen, aber sie wollte ihre Freundin, mit der sic sechs Monate jedes Leid geteilt, am ersten Tage der Freiheit nicht im Stiche lassen. Draußen »'arteten Männer, Frauen und Kinder und wollten die befreiten Gefangenen sehen und sprechen. Als sic der erste Vertreter der Zivili sation, mit dem sic in Berührung gekommen, endlich frei gab, war cs bereits Abene geworden. Miß Stone schilderte in lebhaften Farben die Empfindungen, welche sie erfüllten, als ihre Gaslfrcunde sic in ein sauberes ocltes Schlaf zimmer führten, wo es Waschbecken, schneeweiße Handlücher und sogar Seife gab. Die größte Freude war es für die Frauen, die kleine Elcntschi reinzuwaschen und weiß zu kleiden, wodurch sic selbst erst der Schönheit ihrer schwarzen Augen und ihres reichen Haarschmuckes gewahr wurden. Und die Wonne, auf Stühlen um einen einfachen, aber nett ausgcstattcten Abendbrottisch zu sitzen! Das kleine Kind kam den ganzen Abend nicht zur Ruhe — eS mußte immer wieder von Hand zu Hand wandern, befand sich aber in der neuen Welt, die eS umgab, so wohl, daß eS sich alles ge duldig gefallen ließ. Erst spät konnten die Frauen di: Betten aufsuchen, die sic sechs endlose Monate lang hatten entbehren müssen. IN. Fr. Pr.)
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