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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.10.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-10-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19021022019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902102201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902102201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-10
- Tag1902-10-22
- Monat1902-10
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Bezug-»Preis der Hauptexpeditton oder den tm Stadt- bezirk und de» Vorort,« errichtet«, Au», gabrstellen abgeholt: vierteljährlich 4.50, — zweimaliger tügltcher Zustellung in« Hau- b.LO. Durch die Post bezogen für Deutschland u. Oesterreich vierteljährlich 6, für die übrigen Länder laut Zeitung-preiSliste. Ne-aktion und Lrvedition: Johanntsgasit 8. Fernsprecher 153 und L2L. FittaleopedMouen, Alfred Hahn, Buchhandlg., Universttät-str.8, L. Lösche, Katharinenstr. 14, u. KöntgSpl. 7. Hauvt-Filiale Vresdeu: Etrehlener Straße S. Fernsprecher Amt I Nr. 171S. Haupt-Filiale Serlin: Königgrätzer Straße 116. Femsprecher Amt VI Nr. 33SS. Morgen-Ausgabe. KiWgcr TageblaN Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Rates und des Rolizei-Amtes der Stadt Leipzig. Anzeigen-Prei- die 6 gespaltene Petitzeile SS H. Reklamen unter dem Rrdaktiou-strich (4 gespalten) 75 vor den Famtltennach- richtrn (6 gespalten) 50 Tabellarischer und Ztssernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offrrtenannahmr LS H (excl. Porto). (?rtra-Beilagen lgefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne PostbefSrdrrung ^ll SV.—, mit Postbesörderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Ab end »Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgab«: Nachmittags 4 Uhr. Anzeigen find stet- an di, Expedition zu richten. Di» Srpedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag v-n E. Polz i» Leipzig. Sir. 538. Mittwoch den 22. Oktober 1902. 98. Jahrgang. Eine amerikanische Namenstage. SS Grausamkeiten, die in letzter Zeit in den Ver einigten Staaten gegen Neger begangen worden sind, haben die Aufmerksamkeit auf die in der Union bestehende Rassenfrage gelenkt. Welche Bedeutung dieser Krage schon aus rein äußerlichen Gründen inncwohnt, erkennt man rasch aus einigen statistischen Angaben. Nach dem Zensus von 1890 gab es in den Vereinigten Staaten 7 470 010 Farbige. Im gleichen Jahre waren in Süd-Carolina 60 Prozent, in Missisippi 58 Prozent, in Louisiana 50 Pro zent, in Georgia 47 Prozent, in Alabama 44 Prozent, in Florida 42 Prozent, in Virginia 39 Prozent, in Nord- Carolina 35 Prozent, im Distrikt of Columbia 33 Prozent, in Arkansas 27 Prozent, in Tennessee 24 Prozent, in Texas 22 Prozent, in Maryland 21 Prozent, in Delaware 17 Prozent und in Kentucky 15 Prozent aller Einwohner Farbige. Die inneren Gründe, aus denen die Negerfrage in der Union eine der wichtigsten Rollen spielt, sind jüngst auf der 5. Jahresversammlung der amerikanischen Akademie für Politik- und Gesellschaftswissenschaft zur Sprache ge kommen. Man hielt dort eine Reihe von Vorträgen, die mit den Rassen Amerikas nach ethnographischen, sozialen und politischen Gesichtspunkten sich beschäftigten. Drei dieser Vorträge galten den Negern, und cs ist dankens wert, daß der Berliner Privatdvzent vr. Bierkandt in Wolfs „Zeitschrift für Sozialwissenschast" über den Inhalt der Vorträge eingehend berichtet. Will man die Haupt gedanken der in Rede stehenden Vorträge kennen lernen, so ergibt sich bei einem zusammcnfassenden Ueberblick das Nachstehende: Alle drei Redner äußern sich für die Gegenwart mehr oder weniger pessimistisch, stehen im Gegensätze zu der Anschauung, die in der Abschaffung der Sklaverei einen unbedingten Fortschritt erblickt, und singen das Lob der vergangenen Zeit. Beide Rassen führen hentc ein ge sondertes Leben, während sic zur Zeit der Sklaverei enger mit einander verknüpft waren als jetzt. Verhältnisse der Sympathie und Freundschaft, die in zwei Jahrhunderten der Sklaverei entstanden waren, schwinden heute schnell dahin, ein einziges Geschlecht tm Zeitalter der Emanzi pation hat sic fast alle vernichtet. Tritt nicht eine Acndc- rung ein, so werden künftige Generationen durch Haß und Feindseligkeiten getrennt sein. Der Zustand der Ncgerbevölkerung ist Mitleid er regend, die Aussicht für die Zukunft ist trübe. Die einzige Rettung besteht darin, einen großen Teil der Freiheit, die inan den Schwarzen geschenkt hat, wieder zurückzunehmen. Eine Nasse von großen Kindern, die Jahrhunderte lang unter der Vormundschaft der Sklaverei lebte, ist für die politische Freiheit nicht reif. Daher fordert der Ver fasser des einen Vortrages, daß dem Neger die politischen Rechte entzogen werden, nnd daß man den Neger wirt schaftlich mehr erziehe. Im zweiten Vortrage wird der gegenwärtige Zustand als ebenso trübe geschildert. Schon äußerlich, so heißt cs, sind beide Rassen in allen Städten durch eine scharfe Linie von einander getrennnt, Be rührungen erfolgen längs der Trennungslinie gerade »durch die schlechtesten Bestandteile aus beiden Lagern. Tie wirtschaftlichen Verhältnisse der Neger sind deshalb so un günstig, weil ihnen die Kraft fehlt, sich gegen die Gefahr der Aussaugung durch Koalition zu schützen, und weil es im Süden an einer sozialen Gesetzgebung und an sozialer Gesinnung der Gesellschaft fehlt. Das Ergebnis ist Hobe Arbeitszeit, niedrige Löhne, Kinderarbeit und Mangel an Schutz gegen wucherische Ausbeutung. Dazu kommt die Rechtsunkenntnis der Schwarzen und die Abneigung der Weißen, die Neger gegen ihnen erwiesenes Unrecht in Schlitz zu nehmen. Neber die politische Befähigung der Neger äußert sich auch dieser Vortrag sehr ungünstig. Die von der Ein räumung -es allgemeinen Stimmrechtes erhoffte er zieherische Wirkung ist ausgcblieben. Die politischen Zu stände gestalteten sich so bösartig, daß die besseren Bestand teile unter den Schwarzen sich von politischer Betätigung immer mehr zurückzogen und die Ausübung des Stimm rechts ihren niedrigsten Elementen überließen. Die Folge dieser Zustände ist das allgemeine Bestreben des Südens, den Negern das Stimmrecht wieder ganz zu entziehen. Das aber würde die Auslieferung der Schwarzen an die Londerinteressen der herrschenden Klassen bedeuten. Im Zusammenhänge mit der Frage des allgemeinen Stimm rechts der Neger steht die Zunahme der Verbrechen von Schwarzen in den letzten Jahrzehnten. Einerseits ist diese Zunahme eine Folge der plötzlichen Emanzipation, anderseits der parteiischen Handhabung von Polizei und Recht. Die unwürdigen sozialen Verhältnisse der Schwarzen werden in dem dritten Bortrage besonders anschaulich ge schildert. Die Sieger leben in eigenen Stadtteilen, haben eigene Kirchen, reisen für sich und werden zu den meisten Bibliotheken, Museen nnd Konzerten entweder gar nicht oder nur in beschränkter Weise zugclassen. Auch bei huma nen Bestrebungen bleibt die Scheidewand aufgerichtet. Das aber ist zumal im Süden, wo das Bestehen von Staat und Gesellschaft so sehr auf persönlichen Beziehungen ruht, von vernichtender Bedeutung. AnS deu vorstehenden Angaben ist zu ersehen, welche Wichtigkeit dem Rasscnkampf in der Union aus inneren Gründen zukvmmt. Die Frage, wie die Kluft zwischen beiden Nassen überbrückt werden soll, ohne das eine davon Schaden nimmt, und die weitere Frage, wie die Verhält nisse sich znspitzcn können, falls die Kluft bestehen bleibt, gehört zu den liefstgreifendcn sozialen Problemen in den Vereinigten Staaten. Die eingangs erwähnten Grau samkeiten, die von Weißen gegen Schwarze verübt wurden, sind ein Sympton der bestehenden schroffen Gegensätze zwischen beiden Nassen. Werden die Bereinigten Staaten noch lange ohne einschneidende Maßnahmen in der 'Neger frage auskommcn? Deutsches Reich. 6. 8. Berlin, 2l. Oktober. (Die französischen streikenden Bergleute unv ihre deutschen Kame raden.) In den leitenden Kreisen der deutschen Bergarbeiter hält man den Generalstreik der französischen Kameraden für vollständig aussichtslos und verloren. Zwar bat das Nalional- comils aus Saint-Enenne durch den Zeutralsekretär Lotte einen Ausruf an den Führer der deutschen Bergleute gesandt, in dem eS heißt: »Es ist wobl überflüssig, Euch zu sagen, wie wir in gleicher Lage uns gegen Euch verhalten würden; wir sind überzeugt, daß Ihr unsere Lage vollständig begreift. Wir hoffen, daß Ihr Eure internationale Solidarität bewähren werdet, und übersenden Euch unsere brüderlichen Grüße." Aber die Adiessaien w ssen, daß sie machtlos sind. Ihr Aufruf, angesichts deS fianzösi- schen Streiks keine Ueberstunden zu machen, ist vollkommen wukungSlos geblieben und das Ocgan des VerbandcS gibt dies unumwunden zu, indem eü schreibt: „Wie jetzt die Orga nisation belassen ist, kann sie nicht verhindern, baß größere Posten Kohlen wie in ruhiger Zeit von England, Belgien und Deutschland nach Frankreich aeworsen werden. Gan; be stimmt haben sich große französische Abnehmer schon längst die Zufuhr ausländischer Kohle gesichert sür den nun ein getretenen Fall des Streits. Lagen doch viele hundect- tauscnv Tonnen unverkäuflich in den englischen, belgischen und deutschen Lagern. Sie werden geleert, wenn der Streik lange anhält. Auf unserer jüngsten Reise durch Nordfrankretch sahen wir auch, daß dort große Kohlenhausen aufgeftapelt waren. Man muß ehrlich anötprechen, daß der Zeitpunkt zu dem Generalstreik nicht günstig gewählt ist. Wir haben das auch uniern französischen Freunden mündlich erklärt." Wenn der deutsche Verband nun a ich wirklich 5000 .« nach Saint-Etienne sendet, so bedeutet dies doch nur einen Tropfen auf einen beißen Stein. Die Jnternationalität, die sich auf dem Papiere so schön auS- nimmt, besteht eben in Wirklichkeit nicht ober ist vbne jeben praklychen Wert. Je deutlicher bieS ver französische General streik lehrt, um so besser sür die brutschen Arbeiter, die schon Unsummen zur Unterstützung fremder Strecker zum Fenster hinaus geworfen haben. --- Berlin, 21. Oktober. (Eine NeichstagSkandi- datur Bassermann in Karlsruhe-Bruchsal.) Inder Presse taucht die Nachricht auf, daß der RcichStagsabgcoldnete Bassermann nicht mehr in seinem jetzigen Wahlkreise Jena-Neustadt, sondern in Karlöruhe-Bruchsal kandidieren werde. Die Richtigkeit dieser Nachricht kann im Augen blicke nicht kontrolliert werden. Mag sie nun zutreffend oder falsch sein: die g rund sätzlicbeBedeutungderStellung, die aus diesem Anlaß von extrem agrarischer Seite eingenommen wird, bleibt davon unberührt. Es wird nämlich von ter gedachten Seite dem Abgeordneten Basser- manu zu Gemüte geführt, daß in diesem Wahlkreise kein Kandidat zum Siege gelangen könne, der nicht die Unter- nützung des Buntes der Landwirte und der konservativen Partei erb Ule; letztere habe aber bereits öffentlich erklärt, nur den Kandidaten zu unterstützen, der sich zu den Forde rungen des Bundes bekenne. „Taö wird der Abgeordnete Bassermann", so ruft man ihm kategorisch zu, „gebührend zu berücksichtigen haben." — Von diesem Standpunkte aus ist offenbar übersehen worden, daß in Karls ruhe-Bruchsal der sozialdemolratische Kandidat mit l2 82l Stimmen in der Stichwahl ceS Jahres 1898 das Mandat erlangte. Will man etwa behaupten, ihm feien damals die bünllerischeu und die konseivaliven Stimmen des Wahlkreises zugcfalle»'?! Wenn aber agrarischerjeits lediglich an bürger liche Kandidaten gedacht worden ist, so ist bas an den Ab geordneten Bassermann gestellte Ansinnen, bezw. die bedingte Absage an eine Kandidatur Basse,mann, für die bündle- riscke Wahltaltik ungemein kennzeichnend. Im Reichstags wahlkreise Karlsruhe-Bruchsal haben seit dem Bestehen des Reiches die Konservativen ein einziges Mal, vor einem Vierteljahrhundert, das Mandat besessen, und zwar im Jahre 1878 durch den Ausfall ter Stichwahl. Seitdem ist die Anzahl der konservativen Stimmen von 5050 im Jahre l88l aus 1601 im Jahre 1898 zurückgegangen. Trotzdem will man auf exlrem-agrarischer Seile die Unter stützung eines nationalen Kandidaten von der Anerkennung der bündlerischen Forderungen in einem Wahlkreise abhängig machen, der nur durch die Einmütig keit der nationalen Parteien der Sozialdemokratie ent- riff-'N werden kann. Fielen doch bei der letzten Hauptwahl auf deu Nationalliberalen 7607, auf den deutschen Volksparteiler 6370, auf den Sozialdemokraten 9031, auf den Konservativen, wie schon erwähnt, 1604 Stimmen. Machen die Deutsch-Konservativen in KarlSruhe-Bruchsal die Unterstützung eines nationalen Kandidaten von dem Ari er kennen der Bundcssorderungen abhängig, dann bleibt daS Mandat in sozialdemokratischen Händen. Ob die Interessen der deuischen Landwirtschaft durch einen sozialdemokratischen NeichötagSabgeordneten besser wahrgenommen werden als durch den Abgeordneten Bassermann — diese Frage kümmert eie Bundcsazitatoien nicht! (-) Berlin, 21. Oktober. (Telegramm.) Der Kaiser börtc heule Morgen von 8 Ubr ab im Neuen Palais bei Potsdam die Vorträge deS EhcfS des MilitärkabinetS, des Ebess des Admiralstabcs der Marine und des Cbefs des Marinekabinets. Von 10Vr Ubr vormittags fand in Gegenwart des K a i s e r S unv der K a i s e r i n in Berlin die Einweihung deS neuerrichteten Gebäudes der Kaiserin Augusta-Stiftung statt. Tie Minister vr. Studt, Frhr. v. Hammerstein, v. Wedel, der Präsident des evan gelischen OberkirchenratS Barkbausen, Oberpräsivent v. Bet h m ann-Hollweg und Vertreter zahlreicher Behörden nahmen an der Feier teil. General z. D. Strubberg begcüßte das Kaiserpaar namens deS Kuratoriums, darauf fand in der Kapelle ein Gottesdienst statt. Generalsuper intendent I>r. Dry and er hielt eine Ansprache und vollzog den Weihealt. Schließlich besichtigte das Kaiserpaar die Anstalt eingehend unter Führung des Geheimen BauratS Krüger. (7) Berlin, 21. Oktober. (Telegramm.) Die „Nordd. Allg. Zlg." meldet: Die Frage der Räumung Shanghais wurde in Anbetrackt der im Aangtsebecken jetzt herrichen- den Ruhe neuerdings unter den beteiligten Mächten erwogen. Von einer Seite ist vorgeschlazen worben, daß die Räumung mit der Maßgabe erfolgen soll, 1) daß sie gleichzeitig und gleichmäßig seilens aller Beteiligten auf Grund vorheriger Vereinbarung sich voll zieht, 2) daß eine spätere W ie de rb e setzung Shanghais du,ch eine Macht auch den anderen Mächten die gleiche Befugnis geben würde. Um der letzteren immerhin bedenklichen Eventualität nach Möglichkeit vorzubeugen, machte die deutsche Regierung zu Punkt 2 den Ergänzungs vorschlag, daß Ebina sich ausdrücklich verpflichte, am Jangtse keiner Macht militärische oder sonstige gegen den Grundsatz der offenen Tür verstoßende Sondervorteile linzuiäumen. Die chinesische Regierung hat bereits ihre Bereitwilligkeit erklärt, auf diese Bedingung cinzugehen. — In der gestrigen Rcichstagssitzung sagte der bayerische ZentrumSmann vr. Heim im Verlaufe seiner Polemik gegen den Bund der Landwirte: „Schriftlich ist auf mich eingewirkt worden, daß doch diese elende Flottenpolitik zum Scheitern käme." Ein interessantes Gesuch. Das Wort deS Herrn vr. Diederich Hahn von der „gräßlichen Flolte" hat danach ein Seitenstück erhallen. — Tie „Schles. Ztg." redet nochmals den Agrariern gut zu und schließt heute ihren Leitartikel, wie folgt: „Es bleibt schwer denkbar, daß Konservative und Zen- trum bei der endgültigen Entscheidung der Landwirtschaft die ihr in der Regierungsvorlage gebotenen Vorteile vorenthalten sollten". Feuilleton. Der Kampf nm Südafrika. ii. Eine der interessantesten Partien in Ben Viljoenö Buch „Die Transvaaler im Krieg mit England" ist die dramatische Schilderung seiner ersten Flucht. DaS Gefecht bei ElandS- laagte, wo auch das deutsche Kommando eine große Rolle spielte, Oberst Schiel verwundet und gefangen wurde und Graf Zeppelin fiel, war — gleich im Anfang veS Krieges — ungünnig sür die Boeren ausgefallen, die sich in wilder Flucht Zurückziehen müß en. Mit seinem Adjutanten Fourie und seinem farbigen Reit knechte jagte Viljoen davon. Hinter ihm brüllte eS: „Stopp, stopp! Halt, du verfl... Boer!" und einige Lee-Metford- kugeln flogen hinterdrein, von denen aber keine einzige traf. Die Dämmerung half den Flüchtigen, zu entschlüpfen. Plötz lich aber stießen sie auf einen Trupp englischer Ulanen, die sich an ihre Fersen befielen. Hier und da hörten sie deutlich das Geschrei und Flehen von Bürgern, welche durch die Ulanen erstochen worden, sehen konnten sie bei der Dunkel heit nichts. Piet Fourie wurde eingeholt und gefangen genommen. Fortwährend wurde mit Revolvern auf die Fliehenden geschaffen und einigemale wurde der Abstand zwischen ihnen und den Verfolgern so klein, daß Viljoen deutlich verstehen konnte, wie sie hinter ihm berriefen: „Halt, verd ... Boer, oder ich jage dir meine Lanze in die Rippen!" u. a. m. Viljoens ganze Hoffnung war sein starker, äußerst flinker Boerenpony „BleSman". Bis zu seiner Gefangennahme blieb er sein treuer Freund, wo er erschossen wurde. Gar oft hat er ihm daS Leben gerettet. Nach einer wilden Jagd von etwa einer halben Meile stießen die Fliehenden auf die hohen Ufer des Zondagfluffes. Sie waren derart im vollen Jagen, daß sie fast die Böschung hinabrollten. Plötzlich lag Viljoen mit seinem Pferd im Wasser. DaS brave Tier saß mit allen Bieren im Schlamme fest. Nach vielen Mühen und Strampeln bekam er e- end lich los, und nun ging es weiter in den Fluß hinein, der ungefähr vier Fuß tief war. Deutlich Hoden sich die Ge stalten der Feinde auf dem hohen Ufer von dem nächtlichen Himmel ab. JedeSmal, wenn sie etwas im Wasser sich rühren körten, schaffen sie nach der Richtung, aus welcher das Ge räusch kam. Als Viljoen sein Pferd glücklich so weit batte, daß eS mit den Vorderfüßen auf dem jenseitigen Uferrande stand, rutschte eS auf einmal mit den Hinterbeinen im Schlamme ans, cs machte einen fürchterlichen Satz, überschlug sich und siel rück lings in den Fluß. Viljoen dachte nickt anders, als daß eine der aufs Gcradcwohl abgesandten Kugeln eS doch noch ge troffen habe, und machte sich traurig daran, seine Flucht zu Fuße fortzusetzen. Denn vor sich hörte er nun auch schießen unv Reiter am Flusse entlang herangaloppieren, sodaß er, um ihnen nicht in die Hände zu fallen, sich un hoben Grase ver stecken und darin weiter kriechen mußte, bis er nichts mehr von seinen Verfolgern hörte. ViljoenS Diener war eine Strecke weit unterhalb eben falls in den Fluß gesprengt. Es gelang ibm um Mitter nacht, als die Engländer die Verfolgung aufgegeben hatten, sich selbst und Viljoens Pferd, den treuen BleSman, zu retten. Gegen Mitternacht langte der Kommandant an einem Kaffernkraal an, kroch durch den Stacheldrahtzaun nnd zerfetzte sich dabei die Kleider gründlichst. Bald war der Kraal mobil, schimpfend und fluchend erschien der Häuptling, der „Bürger meister" mit einem Dutzend Kaffern, die alle mit Assegaispeeien bewaffnet waren. Viljoen hielt seinen Revolver schußbereit, da ibm die Haltung der Kaffern doch verdächtig vorkam. Sie sahen den Ankömmling erst ganz genau an, dann rief der Aelteste: „Du bist auch einer von den Boeren, die flüchtig geworden sind! Wir haben heute da« Gefecht gesehen und wohl bemerkt, daß ihr gehörige Prügel gekriegt habt. Wir müssen dich festhalten und zu unserem Magistrat bringen!" Viljoen erwiderte gelassen: „Ich bin im Anmarsch mit meinem Kommando von 500 Mann, Späber sind rings um diese Stadt gestellt. Ich wollte nun gern, daß ihr mir einen Kaffernjungen mitgebt, der mir und meinem Kommando den Weg nach den BiggarSbergen zeigt. Ich bezahle dafür fünf Schilling im Voraus." Der Herr Kaffer stieg nun etwas von seinem hohen Pferd herunter und erfüllte endlich den Wunsch. Ein junger Zulu ging mit, aber er merkte bald, daß Viljoen kein Kommando bei sich hatte und wollte »mkebren; erst der dicht unter seine Nase gehaltene Revolver machte ihn anderen Sinnes. Plötzlich aber sprang er mit einem gewaltigen Satz auf die Seite und verschwand in der Finsternis. In tiefen Gedanken sckritt Viljoen weiter und kam endlich an die Eisenbahn, die von Glencoe nack ElandSlaagte führt. Lange batte er dort bei einem Uebergang in der Nähe einer Station nicht gestanden, als drei Personen auf ibn zukamen: zwei Engländer, wahrscheinlich Bahnbeamte, und der ent wichene Fühl er. Es war klar, daß er den Flüchtling den Engländern verraten batte: diese trugen aber zum Glück keine Waffen. Sie forderten Viljoen auf, ihnen als Gefangener nach Ladysmith zu folgen, und als dieser erwiderte, er danke schön sür die Begleitung und wolle seine Reise lieber fort- sepen, sprang der eine auf ihn los und faßte ihn am Arme, während der andere versuchte, ihm den Revolver zu entreißen. Viljoen riß sich los und schoß auf ibn: er fiel, jedenfalls nickt tödlich verwundet. Der unverwundete Engländer ver schwand sofort, wäbrend der Kaffer sich schon gedrückt hatte, als er den Revolver im Anschlag sah. Ungefähr eine Stunde vor Tagesanbruch sah Viljoen in der Ferne ein paar Gebäude liegen, es war ein Postbureau und eine Sparkasse. Der große Neufundländer, der die G - Höste bewachte, zeigte sich sehr freundlich und ließ schweif wedelnd den späten Ankömmling passieren, der nun zuerst nack dem Stalle sab, denn um alles in der Welt hätte er gern wieder ein Pferd gehabt, weil er nach und nach zu er matten ansing. Tie S'alltür war durch ein großes Vor hängeschloß versperrt. Drinnen stampfte wirklich ein Tier den Boden. ViljoenS Herz schlug laut vor Freude: das konnte nur ein Pferd sein. Mit einer Eisenstange sprengte er daS Schloß und trat in den Stall. Es war pechfinster. Er hielt den Atbem an und zitterte vor Aufregung. Er hörte daS Tier schnauben und dachte: „Und wenn eS noch so wild ist, ick reite es doch!" Er versuchte Lickt zu macken, allein seine Streickbölzer waren naß und wollten nickt brennen. Viljoen tastete sich die Futterkrippe entlang, bis er den Riemen fand, mit welchem das Tier angebunden war. Er schnitt ihn ab und zog den Vierfüßler daran iuS Freie. Schon wunderte er sich, wie langsam daS ging, er mußte daS Tier fast schleppen. Unv waS wurde er draußen ge wahr? Nickt ein stolzes Roß hatte er erbeutet, sondern einen — uralten Esel! Tief niedergedrückt stand er neben dem allen Grantier, das geduldig der Tinge harrte, die da kommen sollten. Doch der arg Enttäuschte batte keine Zeit, Freund Langohr um Entschuldigung zu bitten, und da dieser ihn doch nicht schneller sortgebracht hätte als seine eigenen Beine, ließ er ihn in Ruhe und setzte seine Wanderung zu Fuß fort. Als die Sonne mit ihren ersten Strahlen die gewaltigen Kuppen der Biggarsberge vergoldete und die ganze romantische Wildnis der Felsen ins Licht trat, wußte Viljoen zum ersten Male, in welcher Gegend er sich befand: gut zwölf Meilen nördlich von Elandslaagie. Ermattet und halb verhungert setzte er sich auf einen Ameisenhaufen, der am Wege lag. Es waren aerade 21 Stunden vergangen, seil er den letzten Bissen gegessen hatte, so daß er körperlich völlig erschöpft oder auf afiikandlsch gesagt „Klaar" (einfach fertig) war. Immer trauriger wurde ibm zu Mute. Da plötzlich sah er in der Ferne einige 30 Reiter an kommen. Sie kamen denselben Weg, den er gegangen, von ElandSlaagte. Wenn eS die Engländer wären! Schnell warf Viljoen sich hinter den Ameisenhaufen auf die Erde, ent schlossen, sein Leben so teuer als möglich zu verkaufen. So bald man ihn bemerkte, kielt der Trupp an, und einer von den Reitern näherte sich langsam und vorsichtig. Sehr bald merkte Viljoen an allerhand kleinen Merkmalen, wie dem langen Schwanz des Pferdes u. a., daß er einen Boeren auf dem KriegSpfade vor sich batte. Voller Freude sprang er auf, um dem Kommenden die Hand zu drücken. Es war einer der Bürger, die bei ElandSlaagte gefochten batten und glücklich entkommen waren. Einer von seinen Kameraden halte ein überzähliges Handpferd, das er ibm abließ. „Wer war srober als ich, schließt Viljoen seine Erzählung, als ich wiener ein Pferd unter mir halte!" Am folgenden Morgen meldete er sich bei dem Höchst kommandierenden Sr. Excellenz Joubert. Dieser empfing ibn sehr kühl und machte ihm Vorwürfe wegen der verlorenen Schlackt, obwohl er hätte wissen muffen, daß nicht Viljoen die Schuld trug, sondern General Kock, der den verhängnis vollen Befehl gegeben batte: „Nur immer vorwärts", obwohl Viljoen ihn darauf aufmerksam gemacht halte, daß er sich isoliere und der feindlichen Urbermackt gerade in die Lanzenspitzen laufe. Jouberr war indessen nicht zu überzeugen und schimpfte auch weidlich auf bas deutsche und holländische Korps. Er hat Viljoen den Tag von ElandSlaagte lange nackgelragen, dieser aber bat die Scharte hundertmal wieder wett gemacht, und der Höchstkommandierende hat denn auck bei erster Gelegenheit nickt verfehlt, ibm wegen seiner prächtigen Leistungen zu gratulieren. (ViljoenS Buch erscheint, was wir nicht zu bemerken unteilassen wollen, im Verlag von I. F. Lehmann-München in 14 Lieferungen zu je 50 und kostet broschiert nur 7 ^k, gebunden 8 ^k) <,».
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