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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.12.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-12-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19021204020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902120402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902120402
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- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
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Die unerhörten Vorgänge in den letzten Sitzungen deS Reichstaas haben wemgilenS da- Gute gehabt, daß sie auch den größeren Teil der „Schwänzer" von der Notwendigkeit überzeugt haben, Hasen und Fasanen von anderen Leuten schießen zu lassen und endlich die Pflicht zu ersiillen, welche jeder auf sich nimmt, der sich mit Erfolg um ein Reichsta S- rnandal bewirbt. So waren denn gestern die Mebi beitSparleien so stark vertreten, daß sie für sich die Mehrheit bildeten. Wäre da- früher geschehen, so hätte mancher „Gewaltakt" unter bleiben können, den nun der Radikalismus zur Schürung der Leidenschaften auSbeulet. Emschüclttern ließen sich freilich die Obiiiuktionsparleien auch gestern nicht. Wie unaeicheul sie ihre BerfchleppungSmanöoer betreiben, ergibt sich am klarsten darau-, daß dretelden Herren, die wiederholt erlläri baden, daß sie sich durch keine Gründe von der Noiweudi,teit u> d Nützlichkeit der Tarifreform überzeugen lassen winden, gestern nach dem Eintritt des gesamten Zolltarifs nach dem Anträge Kardvrsf die ausführlichen Berichte der 23 Bericht erstatter der Kommission verlangten. Diesem Verlangen mußte nun allerdings entsprochen werden, aber die Mehr heit war wenigstens in der Lage, weitere Antiäge der Minorität aus Zurückverweisung emrelner oder mebreier TallfileUen an die Kominttsion durch Uebergang zur Tages ordnung zu erledigen. Die ausreichende Präsenz der Mit glieder der Mekrbeitoparteien gab auch den Präsidenten die Sicherheit wieder, die sie in den vorigenSitzungen mehrfach hatten vermissen lassen, und so verlief die Debatte ohne allzugroße Sivrungen. Daraus, daß Graf Ballestrem weurgstens zu Anfang der Sitzung seines Amtes waltete, läßt sich erfreulicher Weise schließen, daß er, wenn auch begreiflicherweise sehr angegriffen, doch an einen Rück tritt nicht denkt. Ob eS bei dem Verfahren, zu dem die Minderheit das HauS zwingt, möglich sein wird, den Schluß der zweiten Lesung des TarisgesetzeS am Sonnabend herbeizuführen und dann am Dienstag mit der dritten Lesung zu beginnen, ist freilich auch dann noch fraglich, wenn das Haus so gut betucht bleibt wie gestern. Zinnie, hin ist die Hoffnung aus einen ruhigeren Verlauf der Debatten und ein günstiges Schlußergebnis wesentlich gestiegen. Einiger maßen trägt dazu auch eine kleine Ueberraschunz bei, die gestern der süddeutsche Abg. Haußmann dem Hause bereitete. Nach einem Rcicraie deS Abg. Blankenborn wollte nämlich Herr Haußmann die Positionen des TarisS, auf welche dieses Referat sich bezog (44—59), an die Kommission zuiückoerweisen; als aber Abg. Bas sei mann den Antrag aus Uebergang zur Tagesordnung gestellt und begründet batte, zog Abg. Haußmann seinen Antrag zurück ein Zeichen, daß die iüddeunche VollSpartei die Versätleppungs- und Obstrullions- Politik der Sozialdemokiaien nicht nntmacken will. — W->S die Stellung des Bundesrats zu dem Äntiage Kardo.ff betrifft, so erfuhr man gestern durch den Staatssekretär Gras Posadowsky, daß der Bundesrat, sich korrekter Weise nicht in die eigenen Angelegenheiten des Reichstags misaien und daher vorläufig zu dem Anträge sich nicht äußern werde. AuS der Schlußwenvung der kurzen Rede des Siaalsickrcläiö kann man jedoch schließen, daß der BuuveSral gegen den Antrag nichts einzuwenden Hal. Sozialdemokratischer Parlamentarismus. AuS den Kreisen oe, nationalliberalen Partei wird dem „Schwäb. Merkur" geschrieben: Wenn eS im Deutschen Reiche eine Partei gäbe, die so sehr von reaktio nären Ideen erfüllt wäre, daß sie eine Beseitigung des repräsentativen Regierun^SsystemS und die Rückkehr zur abso lutistischen Staaieform wünschen könnte, so müßte diewlbe über die Vorgänge, dre sich in den letzten Wochen und Tagen im Deulichen Reichstag abgespielt haken, die lebhafteste Genug tuung empfinden. Denn diese Vorgänge haben die Schwächen des reinen Parlamentarismus mit einer Deutlichkeit zu Tage treten lasten, die weder für die Freunde noch sür die Gegner desselben zu wünschen übrig läßt. Um was handelte eS sich eigentlich in den letzten Wochen? Um nichts Geringeres als um den Versuch einer sozialdemokratischen Minceibeit, raS Zustandekommen eines Ge etzeS, vaS die Mehibe>t will, um jeden Preis zu verhindern. Wenn ihr dies etwa mit Hilfe ihrer guten Freunde von der freisinnigen Ver einigung gelingen sollte, so würde dies, darüber ist wobl niemand im Zweifel, nichts mehr und nichts weniger be deuten, als den Bankrott des deutschen Parlamentarismus selbst. Denn eS ist nicht einzuieben, daß das, was der jetzigen Minderheit mit Hülfe einer Pöbelhafligkeit und eines TerroriSmuS, die dis jetzt in der deutschen Volks vertretung nicht ihres gleichen halten, beute gelungen waie, morgen nicht auch tuich dieselben Mittel von einer anders getärbten Minder beit burchgesetzt werden könnte. Die ganze konstiiutionelle G setzgebungsmaschine wäre dann einfach du>ch die rohe Gewalttätigkeit der Minderheiten mall geletzt; der Parlamentalisnins wäre durch sich selber all nbsuntum geführt; die Komödie hätte ein unrühm liches Ende gesunden und die Regierung könnte getrost die Bure schließen. Die zwecklosen Daucrreben vor leeren Bänken mögen vielleicht der Minderheit gefallen, weil es ihrem Machibewußisein schmeichelt, dem deutschen Volk gesällt es nicht. Dieses fühlt sich längst in seiner übergroßen Mehrheit durch dieses Spiel mit feinen heiligsten Jnler-ssen angeödet; es hat diele Ausdeutung de« ParlamentaiismuS durch die Machigelüste der Sozialdemokratie satt DaS deuliche Volk möchte endlich ein Ende der langen, mühsamen und hingebenden Arbeit sehen. Es möchte seden, daß endlich die Idee des Konsliiuiioi alismuS: daS Recht der Mehrvett, ibrea Willen durchzusetzen, zum Siege gelangt gegenüber dem Teriorismus der radikalen Minderheit. Wenn die Geschäft.ordnung des Hauses, die der Minderheit den ihr gebührenden Schutz ge währen soll» der letzteren nur dazu dient, Vie Geschälte des HaujeS lahm zu legen und die Mehrheit, die doch auch Rechte bat, unter ihren Terrorismus zu beugen, so bedarf sie eben der Verbesserung. Tas parlamentaiitche Leben in Deutich- land d.siudel sich gegenwärtig in einer schweren Krisis, bei der Nicht nur der Zolltarif, sonvein auch der deut>chePailamentarie- muS lelbst und sein Anieben im Zn- und Ausland aus dem Lpiel steht. Taiüber vennögen uns die Spöttereien der tvzial- demokralischen Piesse nicht hinwegzutäuichcn. Damit er viese schwere Probe besteht, ist aber vor allem nötig, daß die Mehrheitspartelen stets vollzählig m Berlin anwesend teien. Wenn jeder Abgeordnete ohne Ausnahme gewissenhaft die Pfl.cht eriüllt, die er bei seiner Wabl übernommen bat, rann muffen alle Obstiukiionsgelüste an tem stramme,! Willen der M hrdeit scheitern. Das Volk wäult 'eine Abgevi rne en nicht dazu, daß sie rn den enlscheidungsoolliten Augenblicken vei tagen, «ondern daß sie Mann sür Mann, unbeirrt du,ch das Zetern deS Radikalismus oder bas Kammern der Doktrinäre, ihre Ueberzeugung vertreten und ihre Rechte verteidigen, auch wenn es Ausgaben zu lösen gibt, die nicht ausdiücklich in der Ge- 'ckättSordnung vorgeieben sind. W e aber auch die gegen wärtigen Wirren zur Löiuug gelangen, ErneS hat daS deutsche Volk jedenfalls aus ihnen lernen können: wie die Sozial demokratie mit dem Parlamentarismus und den Rechten der Andersdenkenden umtpringt, was die „Freibeil" im sozial- demokiattschen Sinn bedeutet und von welcher Art die uns in Aussicht gestellte „Diktatur deS Proletariats" eigentlich ist. Hoffentlich merken siv dies besonders diejenigen, die seither, obne überzeugte Sozialdemokraten zu sein, auS bloßer Oppo- sitionSlvst die Rolle der Mitläufer gespielt und dadurch die Macht des Radikalismus im Reichstag gestärkt haben. Tie französischen UnlerwaffcrbootSmauövcr von Cherbourg. Auf Gründ der vorliegenden sranzösischcn Berichte be schäftigt sich im neuesten Hefte der „Marine-Rund- schau" ein Kapitän z. S. mit den fianzöfttchen Unter wasser bo o ts m a n övern, die zwischen dem 15. September und dem 15. Oktober vor Cherbourg zum ersten Male in einem glößeren Verbände gegenüber einer geschlossenen Streitmacht statigcfunden haben. Beteiligt waren an ihnen die Linienschiffe und Küstenpanzer des Nord- geichwaders einerseits, drei Unierwassirboole und vier Versenk boote anverieitS. Zieht man das Fazit der Uebungen, jo eigibt sich, daß von 6 Unlerwasserboolen, die geaen 3 mit bekannter Geichwlndigkeit auf bekannter Strecke fahrende Sckiff operierten, 1 auf beinahe Torpedoichußweiie beran- gekommen ist, während die andern nur bis aus eine Seemeile Entfernung an den Feind gelangten; daß bei unbekannter Fahrt und unbekanntem Kurs eins der 6 Boote ein Schiff ver nichtete, dessen Nabe eS durch einen Zufall, nicht duich sein Sehinstrumeni erkannt batte; daß es während dreier Tage vier Versenkbooten nicht gelang, auch nur 1 von 6 in Be wegung befindlichen Schiffen zu treffen, daß die vor Anker liegenden Schiffe den Angnffen der Versenkboote zum Opfer sielen, nachdem schlechtes Wetter fast Ißz Wochen lang die Operationen unterbrochen balle, und daß ichlußlich von 3 Booten keins zum Angriff kam gegen einen Feind, der mit zwölf Seemeilen Fahrt eine bekannte Durchfahrt passierte. Nack dielen Ergebnissen gewinnt eö den Anschein, als sei das Unterwanerboot zur Zeit noch eine Zufalls wasfe. Was die U Hungen selbst anbelangt, so zeigte ibre Anlage drei verschiedene Alten der Verwendung rer Unlerwaffci boote: Angr ff auf einen den Hasen blockierenden Feind, Verteidigung der Hafeneinfahrt gegen Forcierung und schließlich angriffsweises Vor gehen innerhalb des VerwendungSbeieich^s der Boote. Zhre Durchführung off »barte Vie Mängel der Unter wasser boote, vor allen Dingen ihre große Abhängig keit vom Wetter und die Unmöglichkeit ständiger Ver wendung wegen der Ueberanstrengung ver Besatzungen; nach dreitägiger Uebung folgten fünf Ruhetage, dann wurden die Uebungen des Wetters wegen mehrmals tagelang unterbrochen Bei der dritten Uebung sollen die Boote wiederholt zwö f Stunden himereinander untergetaucht gewesen sein. Hier bei zeigte sich die Uubrauchbark.it des Sehinstruments bei ge ingem Seegang Die Bvolskomrnanoanten kamen nicht zum Schuß, weil sie Vie feindlichen Schiffe nicht sehen konnten. Von flüchiiger Ausbildung des Personals zeugt eS, daß 4 und 6 Boote, Vie sich gegenseitig nicht sehen, gemeinsam operieren, ohne sich gegenseitig an.usahren. Fü, die von den Untelwafferbooten bedrohicn Schiffe be stätigen die Uebungen die Annahme, daß in ihrer Bewegung und Geschwindigkeit der einzige und wirksame Schutz gegen die Unieiwasserboote liegt, und daß die Gefahr sür ein in Bewegung befindliches Schiff, von einem Unlerwassei- boot durch einen Tvlpero getroffen zu werden, kaum givßer ist als die, auf eine Seemine zu stoßen. Zn Gewässern, die den Booten bekannt sinv, erscheinen vor Anker liegende Schiffe unter günstigen Wetlerbedingungen und bei leichtem Seegänge gefährdet. Kabinettskrise in Spanien DaS liberale Ministerium Sagasta ist schon wieder am Umfallen. Mit Hülse des Königs bares eben erst eine Krisis überwunden, die ihm aus den Verhältnissen im Parlamente eiwachsen war. Die EikenntniS, über keine Mehrheit im Kongresse mehr zu venügen, hatte den allen Sagasta zur Einreichung des EntlasfungSgesuches bestimmt. Tiotzdem sand er, da der König ihn von neuem mit der Kabinetts bildung beiraute, den Mut, nach einigen unwesentlichen Personalveränderungen im Kabinett wieder vor das Parla ment zu treten, das ihm, wie zu erwarten war, einen sehr unsreunvlichen Empfang bereitete. Zn den Lärmscenen, die gegen ihn aufgeführt wurden, schonten verschiedene Abge- o, Miele auch den König nicht. Nun bat die Kammer eme neue Gelegenheit hervorgesucht, um dem Mini sterium ein Bem zu stellen. Der Marinemiiuster Heizog von Veragua hat, obne kaö Parlament zu befrage», zwei Schiffe bei einer Privaiwerst bestellt. Man braucht dabei nicht gleich an unerlaubte Machenschaften zu denken, obwohl gerade der Marmevcrwaltung der Vorwurf gemacht wird, Mil den Staatsgeldern nicht einwanvsfiei zu wirtschaften. Ebe die Bestellung erging, batte sich der Ministerrat mit der Angelegenheit beschäftigt unv dem Marinemiiuster die Er mächtigung hierzu erteilt. Das Mißtrauensvotum, daö die Kammer dem Marineminister in dieser Frage ausgesprochen hat, trifft somit daS ganze Kabinett. Auf diese Weise ist die neue Kabinettskrise entstanden, über die noch folgende Meldungen voiliegen: * Madrid, 3. Dezember. Ter Ministerpräsident Sagasta bat dem König ein unwiderrufliches Enilassunqsgejuch zugestcllt mir der Begründung, Laß die Mitglieder der Opposirionspaiteien ihn mit Mißtrauen und Unhöflichkeit behandelten, was er nicht verdiene. Ter König verlangte 24 Stunden Bedenkzeit. (Wiederholt.) * Madrid, 3. Dezember. In der Kammer wurde die Mit teilung des Ministerpräsidenten Sagasta verlesen, nach welcher das Äesamtkablnett seine Entlassung eingereicht hat. Die Sitzung wurde darauf aufgehoben. Eine zweite ernste Schwierigkeit war der Regierung er standen durch den Widerstand der Universität Barcelona gegen die Verfügung des UnkerrichtSminlsters, wonach der KaiechismuL-Ultterrichl in Ven Schulen Katalonien« fortan nicht mehr in ver katalanischen Sprache, sondern >n kastilia- nischcm Spanisch zu erteilen sei. Die Unwersiiäl von Baicelona ist von jeher ein Agltationsmittelpunkt des katalanischen Regionalismus unv Separatismus. Der UniernchiS- minisler scherte sich jedoch nicht um die von den Studenten in Barcelona veianstalleten Unruhen, erklärte vielmehr, daß er seinen Erlaß aufrecht erhalle unv im Notialle die Univer sität zu schließen gesonnen sei. Zufolge dieser Erklärung gab der Piäfekl von Baicelona seine Entlassung, wodurch zwilchen den Ministern deS Zirnern und deS Unterrichts Zwistigkeitea entstanden. — Heule meldet man uns noch: * Madrid, 4. Dezember. (Telegramm.) Depeschen au- Feuilleton. 4s Der Unterluchlmgsrich!er. No man von Heinrich Kornfeld. Nachdruck verboten. Sechstes Kapitel. ES mar gegen fünf Uhr, als Staatsanwalt Selling nach Hause zurückkehrte. Die Dämmerung war bereits herein- gebrochen. Müde und ganz verstört trat der Staatsanwalt ins Speisezimmer. Er hatte noch nicht zu Mittag ge geßen. Frau Selling lieb austragen. Sie hatte sich schon wogen der langen, ihr unerklärlichen Abwesenheit ihres Gatten beunruhigt. Sein Aussehen versetzte sie vollends in Sorge. ,^Was ist denn?" fragte sie. „Ist dir etwas Unange nehmes passiert?" Er machte eine abwehrende Handbewegung und fragte nach dem jungen Brautpaar. „Leutnant Teinhard ist vor einer halben Stunde fort gegangen", beschick» die Fran Staatsanwalt. . . „Er sagte, er habe noch etwas Dienstliches zu erledigen." Um die Mundwinkel des Staatsanwaltes zuckte ein eigenes, bitteres Lächeln, während er leise wiederholte: „Etwas Dienstliches." Dann ließ er rasch die Frage folgen: „Und Hildegard?" „Ist zu ihrer Freundin Lieschen Walter, um mit ihr von ihrem Glück zu sprechen." Staatsanwalt Selling stöhnte. „Aber was ist dir denn ?" fragte Frau Selling, sich immer mehr beunruhigend. „Und wo warst du denn so lange?" Der Staatsanwalt vermied es, den forschend, mit un ruhiger Verwunderung auf ihn gehefteten Blicken seiner Frau zu begegnen. „Ich war bei dem Rcgierungsassessor Wrede", ant wortete er. «Dann bei Pauls Regimentskommandeur und zuletzt bei Hauptmann v. Haugwitz, dem Präses des Ehrenrates." „Des EhrenrateS?" In den Mienen deS Staatsanwaltes zuckte ein stiller Kampf. Seine Lippen bewegten sich, als wollten sie etwas sagen. Halb entschlossen setzte er ein paar Mal an und brachte doch kein Wort hervor. Endlich erfaßte er die Hand seiner Frau und begann entschlossen: „Ich will dir alle sagen. Allein ertrage ich es nicht. Wir wollen zusammen beraten." Und nun berichtete er, aufatmend, von dem unseligen Verhängnis, daö über dem Glücke der nichtsahnenden Braut schwebte. Frau Selling hatte noch nicht Zeit gehabt, ihr Entsetzen auszusprechen, als Hildegard nach Hause zu rückkehrte. „Da bist du ja, Papa!" begrüßte sie ihren Vater und küßte ihn mit doppelter Herzlichkeit. „Wo warst du denn?" „Amtliche Angelegenheiten, Kind!" „So — so! Armer Papa! . . . Ist Paul schon wieder hier?" „Nein", erwiderte die Mutter. Und ablcnkcnd fragte sie: „Was sagto denn Lieschen Walter?" Hildegard lackte. „Tie machte Augen, Mama! Sie behauptet, sic hätte gar nichts geahnt. Glaubst du daS, Mama?" Ganz von ihrem Glück berauscht, plauderte Hildegard eine halbe Stunde lang, ohne zu bemerken, wie die Eltern verstohlene Blicke voll Sorge und Unruhe wechselten und wie sie wie auf Kohlen saßen, nur mit halbem Ohr auf ihre Rede hörten und sich furchtbaren Zwang antun mußten, um sich ihren verzweifelten Gemütszustand nicht anmerken »u lasten. Endlich ging die Glückliche in den Salon hin. über, um sich an das Klavier zu setzen und den Jubel ihres Herzens in ein paar Liebesliedern hinauszuströmen, die sie selbst mit geübten Händen begleitete. Staatsanwalt Selling fing nun an mit seiner Frau zu beratschlagen, aber sie waren noch zu keinem Resultat gekommen, als die Flurklingel ertönte und gleich darauf Leutnant Teinhard ins Zimmer trat. Er sah ernst, aber gefaßt und ruhig aus. „Ich habe nichts erreichen können", sagte der Staats anwalt, ihn begrüßend. Der junge Offizier warf einen ängstlichen, erschreckten Blick nach der Frau Staatsanwalt hin. „Meine Frau weiß alles", fuhr Staatsanwalt Selling fort. Paul Teinhard zuckte zusammen. „Und Hildegard?" fragte er voll Spannung. „Sie ahnt noch immer nichts." Der Staatsanwalt deutete nach der Tür, durch die noch immer der jubelnde Schall der Stimme der glücklichen Braut herelndrang. Ein Aufatmen kam über den jungen Offizier. „Gott sei Dank'." „Aber sie wird es nun doch erfahren mästen", nahm Frau Selling da» Wort und trat dicht an Paul Detnhard heran. „Sie soll ihre Bitten mit den meinem vereinen. Sie dürfen Ihr Leben nicht aufs Spiel setzen, lieber Paul. Sie dürfen es nicht — um Hildegards willen nicht." Der Leutnant verfärbte sich und feine Augen öffneten sich weit in starrem Entsetzen. „Aber, gnädige Frau. Sie werden doch um Gottes willen Hildegard nicht sagen, daß —" „Was bleibt mir weiter übrig?" versetzte Krau Selling. „Wenn Sie meinen Bitten und denen meines Mannes gegenüber auf dem kalten Ehrenstandpunkt beharren! Ich sehe nicht ein, warum Sie mit Hildegard nicht auch in einem anderen Berufe glücklich werben könnten." Ter Leutnant erhob seine ineinander gefalteten Hände; sein erhitztes Gesicht zuckte in bitterster Seelenqual. „Ich kann doch nicht anders, gnädige Fran", beteuerte er, mit Mühe seine Stimme dämpfend, während seine Blicke unruhig zwischen der ihm Gegcnüberstehenden und der Tür des Nachbarzimmers hin und her flogen. „Ich kann doch nicht mehr leben, wenn ich meine Ehre verloren habe. Verstehen Sie mich doch, gnädige Frau, haben Tie doch Erbarmen mit mir!" In den weichen Zügen der Fran Staatsanwalt prägte sich Mitleid aus; ihre Augen füllten sich mit Tränen. „Aber was soll denn geschehen?" jammerte sie, während der Staatsanwalt dabei stand und nichts zu tun wußte, als stumm seine Rechte gegen die Stirn zu pressen und düster, ratlos zu Boden zu starren. „Ich — es ist ja noch nicht ausgeschlossen", stammelte der junge Offizier, „daß die Sache nicht so schlimm ver läuft. daß ich gesund und unversehrt zurückkehre —" „Aber wenn Sie nicht zuräckkommen?" Paul Teinhard hatte noch keine Zeit gehabt, zu ant worten, als sich die Tür öffnete und Hildegards fröhliches, strahlendes Gesicht in der Oeffnung erschien. Es ging wie ein Ruck durch die anderen und jeder bemühte sich, möglichst unbefangen zu blicken. Als Hildegard ihren Bräutigam gewahrte, kam sie rasch näher. „Da bist du ja schon!" rief sie freudig und hing Nch an seinen Arm. „Ick habe dich ia gar nicht kommen hören." Sie blickte halb verschämt, halb kokett. „Hast du gehört?" Paul Teinhard nickte und bemühte sich, zu lächeln. „Freilich. Es war wunderschön." Ein Freudenschein lief über ihr Gesicht. „Wirklich, Paul? Gefiel eS dir? Nicht wahr, es ist ein wunderhübsches Lied." Und sie trällerte errötend: „Sieh, schon fliehet des Winters Nacht, In dem Hain ist der Lenz erwacht" Der Leutnant heftete rasch einen verstohlenen, halb ängstlichen, ha,b dringlich bittenden Buck auf seine Schwiegereltern. Tann faßte er seine Braut unter de» Arm. „Das mußt du mir noch einmal singen, Hilde. Bitte, bitte!" Und er führte sie in das Nebenzimmer. Staatsanwalt Selling stöhnte auf und fuhr, sich mtt beiden Händen verzivciflungsvoll in das Haar. Seine Gattin ließ sich erschüttert tu den nächsten Sessel sinke», verbarg ihr Gesicht in den Händen und ließ ihren Tränen freien Lauf. Sv verstrich eine dumpfe, bange Vierte stunde, ohne daß zwischen den beiden, ganz ihren Sorge» Hingegebencn ein Wort gewechselt worden wäre. Plön lich störte sie die Flurklingel ans, deren Geläut abermal s grell in das Zimmer klang. Gleich daraus näherten sick schwere, auffallend langsame Schritte der Tür nnd ein paar Sekunden später trat Landrichter Deiiihard ins Zimmer. Ter Eintretende sah erschreckend bleich ans; sein Anr in trug deutlich die Spuren der furchtbaren seelischen »iiimpse, in denen er den ganzen Tag über gerungen hatte. Teirie Bewegungen zeugten von starker Ermüdung und Abgc spanntheit; nur seine Augen flackerten leöliaft. Der Staatsanwalt reichte ihm mit resignierter Miene die Hand. „Ist mein Vrndcr —?" Eine Bewegung des Staatsanwalts unterbrach den Sprechenden. Er deutete nach der Tür des Nebenzimmers und riet pantomimisch zur Vorsicht. „Alle meine Bemühungen waren vergebens", flüsterte er dem Landrichter zu. „Ick habe mit Wrede gesprochen —" Der Landrichter trat einen Schritt zurück und sah den Sprechenden mit großen, erschreckten Augen an. „Mit Wrede?" Die Worte kamen mühselig über seine Lippen. „Wann?" „Es mag zwei Stunden her sein vdcr auch länger. Ter Mensch war unerbittlich. Von da ging ich zu Pauls Regi mentskommandeur. Ebenso vergebens!" Frau Selling machte eine entschlossene Bewegung. „Wir müssen cs Hildegard sagen", meinte sic. „Vie! leicht gelingt ihr, was mir anderen uns vergeblich bemüht haben, von Paul zu erreichen." Der Landrichter »'treckte abwehrend seine Rechte aus. „Ich bitte, gnädige Fran . . . Wollen wir nickt lieber noch einmal gemeinickaitlick überlegen, bevor wir uns zu diesem äußersten Mittel entschließen? Bedenken Sie, wie furchtbar die Ahnungslos« erschrecken wird!"
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