Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.12.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-12-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19021216024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902121602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902121602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-12
- Tag1902-12-16
- Monat1902-12
- Jahr1902
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Vezug-.PreiS W der Hauptexpedtttou oder den im Stadt bezirk und de» Vororten errichteten Au». gaLestelle» abgeholt: vierteljährlich 4.KO, — zweimaliger täglicher Zustellung in» Hau- 6.50. Durch di» Post bezogen für Deutschland u. Oesterreich vierteljährlich 6, für die übrigen Länder laut Zeitung-preiSliste. Redaktion «nd Expedition; Johaunt-gaffr 8. Ferufprecher lSS und SSL Filtalevprdittonrr», Alfred Hab». Buchhaudlg„ NuwersttätSstr.8, L. Lösche, Lathartuenfk. 14» a. KüaigSpl. 7. Haupt-Filiale Dresden: Strehlener Straße S. Ferufprecher Amt 1 Nr. 171S. Haupt-Filiale Serlin: Näniggrätzer Straße IIS. Ferufprecher Amt VI Nr. 83VS. Abend-Ausgabe. KlWlgcr TaMalt Anzeiger. Kmtsölatt des Königlichen Land- und des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, -es Rates und des Rolizei-Ämtes -er Ltadt Leipzig. Anzeigen-Pret- dle 6 gefallene Petitzeile LS Reklamen unter dem Redaktion-strich (4 gespalten) 7b H, vor den FamUtrnnach« richten (6 gespalten) bO H. Tabellarischer «nd Zifserniah entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Lffertrnannahme 25 H (rxcl. Porto). Srtra'Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung SO.—, mit Postbesörderuug ^l 7V.—» Annahmeschluß für Artigen: Abend-Ausgabe: Vormittags lO Uhr. Morges-Lu-gabe: Nachmittag- 4 Uhr. Anzeigen sind stet- an die Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh S bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von L Polz tu Leipzig Nr. 839 Dienstag den 16. Dezember 1902. 98. Jahrgang. Vie Exekution gegen Venezuela. * Aus Caracas wird uns untcrm 15. Dezember telegraphisch gemeldet: Las englische und deutsche Ultimatum ist in Puerto Cabello um 4Vr Uhr überreicht worden. DaS Bombardement begann um 5 Uhr. DaS Ultimatum war an den Zollkontrolleur gerichtet und besagte: „Wir beebren uns, Ihre Aufmerksamkeit auf folgende Tatsachen zu lenken. Der britische Dampfer „Topaz", welcher hier Kohlen auö- lud, ist kürzlich konfisziert, geplündert und die Offiziere und Mannschaften sind einer sehr unwürdigen Be handlung unterworfen worden; ihnen wurde schließlich die Rückkehr auf das Schiff gestattet. Gestern wurde der Kapitän gezwungen, dieFlagge niederzuholen. Der amerikanische Vizekonsul teilte uns mit, daß dies durch die Bevölkerung herbeigeführt sei, ohne daß die OrtSbehörde sich einmisckte. Wir ersuchen Sie, sofort dem Chef deö britischen Geschwaders namens der venezolanischen Negierung für die der britischen Flagge zugefügte Schmach völlige Genugtuung zu geben und dafür zu garantieren, daß ähnliche Vorfälle sich nicht wiederholen und die deutschen und englischen Bewohner dieses HafenS nicht mehr belästigt werden. Haben wir eine Ant wort bis 5 Uhr nachmittags nicht in Händen, zerstören wir daö Fort und, wenn daS Feuer er widert werden sollte, auch das Zollhaus. Wir richten des halb an die gesamten Kommandostellen der Stadt die Auf forderung, die Gefangenen und daS Militär aus der Festung zu entfernen, um Menschenverluste zu vermei den, und Schritte zu tun, um zu verhindern, daß nichtautori sierte Personen das Feuer erwidern. Weder die deutsche noch die englische Regierung wünscht, sich in die Ange legenheiten von Privatpersonen zu mischen. Die Beschlag nahme der venezolanischen Kriegsschiffe erfolgte nur, um eine herkömmliche höfliche Behandlung zu erzwingen und Genugtuung zu erhalten für die unzähligen Be leidigungen, für die wir noch immer eine Entschul digung erwarten. — Montgomerie, Chef des britischen Geschwaders, Scheder, Chef des deutschen Geschwaders." Die Kommandanten der „Vineta" und „CharybviS" erbitten folgende Antwort: „Wir beehren uns, auf ihre Benach richtigung durch eine Kommission, bestehend auS dem amerikanischen, italienischen und dominikanischen Konsul, zu antworten. Die Behörden dieses Hafenplatzcs leisteten der Niederholung der britischen Flagge auf der „Topaz" keinen Borschub. Tie Tat wurde nur von der Bevölkerung begangen wegen der Vorfälle in La Guayra. Die Verhaftungen erfolgten auf höheren Befehl. Die Verhafteten sind auf höheren Befehl auch wieder fr ei gelassen worden. Die hiesigen Deutschen und Engländer erfreuen sich vollständiger Garantien." Es folgen die Namen der OrtSbeamten. — Die Antwort ist dem italienischen Konsul um 5 Uhr auS- gehändizt worden, der, als die Beschießung begann, dies den Schiffen durch Signale bekannt gab. Las Bombardement. AuS New Uork wird telegraphiert: Puerto Isabella wurde von dem britischen Kreuzer „H'harhböis" und dem deutschen Kreuzer „Biucta" bombardiert. Am Mittwoch wurde der britiichc Tampfcr ..Topaz" vou Etuwohncrii der Ltadt im Tack überfallen und besetzt, die britische Bciuanuunn vertrieben. Als die Nachricht hiervon in La Guayra cintras, dampfte» „tshirhbdis" nnd „Biucta" nach Puerto (sabcllo ob. Lic untersuchte» dort die Annele-ienhest sofort nach ihrer Ankunft, woranf der Kapitän der „tsharybdis" eine Aufforderung zur veraus gabe des „Topaz" au Land saudtc. Als keine Antwort erfolgte, wurde eine Abteilung von 50 Marine,oloateu an Land geschickt mit dem Auftrage, de» „Topaz" um jeden Preis zu nehmen. Tic Bciiczolancr versuchten Wider,»and, wurden aber vom Kommandcnr Ser Abteilung, Ser ein vorläufiges „Fertig zum Feuern!" kommiud>crte, aus dem Wege geräumt. Nach kurzem Han d gemen ge wurdcöcr „Topaz" genommen nnd die venezolanische Besatzung wurde mit aufgepflanztem Bajonett verlricbeu. Sofort nach Eroberung des „Topaz" sandte der Kapitän der „ssharhböis" ein Ultimatum an Sic Behörden der Ltadt, in welchem er sie anssardertc, binnen zwei Stunden Entschuldig«»» und Ent- schädigilng zu leisten. Ta nach Ablauf der Frist keine Antwort gekommen war, begann dasBombar 0 c m ent nm fünf Uhr nachmittags. Tic Lchiissc zielten ans die Forts, die eine Ltreckc von Puerto tzabrllo entfernt liegen, und mau vermied sorgfältig, (Krängten in die Ltadt zu werfe». Tie Forts erwiderte» das Feuer, ließe» aber bald nach und stellten nach kurzer.seit das Feuern ein. Hierauf wurde auf den Kriegsschiffen Befehl zum Etnstcllen des Feuerns gegeben, womit das Bombardement zu Ende kam. Tic „tshnrhbdis" nnd „Biucta" dampften sodann außer T bußwcitc der Forts und warfen Anker. Ter „Topaz" war vor dcm Bombardcmcut unter ihren Schutz geschleppt worden. Tic Lindt Pnerto (sobello wurde nicht beschädigt, und man glaub', das; keine Berlustc an Menschenleben zu beklagen sind. (Bert. Lok.-Auz.) Schisfsbcwcgnngen. Weiter wird uns aus Caracas vom 15. Dezember berichtet: Die „Vineta" geht nach der Marguerite-Insel ab. Daö venezolanische Kriegsschiff „Miranda" ist eiilkommen und bat Maracaibo erreicht. Die venezolanische Regierung meldet, das Kanonenboot „Panther" gehe nach Maracaibo ab, um die Forts zu zerstören. -8- La Guayra, 15. Dezember. (Privattelegramm.) Die „Zamora" ist ohne Widerstand genommen. Ter Kapitän des „Restaurador" erklärt, der Kommandant der „Vineta" habe ein Boot zu ihm gesandt und die Uebergabe gefordert. Ter Kapitän des „Restaurador" lehnte dieses Ansinnen ab. Der kommandierende Offizier des Bootes gab ihm 10 Minuten Bedenkzeit. Darauf gab der Kapitän sofort nach und verließ das Schiff. Schutz der holländischen Kolonisten. Auf Ersuchen des holländischen Gesandten, der in Caracas krank darniederliegt, hat ter amerikanische Gesandte Bowen den Schutz der Interessen der in Caracas lebenden Holländer übernommen. Informationen im englischen Oberhaus. * Loudon» 15. Dezember. Oberhaus. (Fortsetzung.) In einer an die Negierung gerichteten Frage bezüglich Venezuelas führt Spencer Klage darüber, daß Lord Lansdowne bei seiner jüngst gehaltenen Rede über diesen Gegenstand einen so scherzhaften und sarkastischen Ton angeschlagen habe. Lord Lansdowne erwidert, er glaube nicht, daß in den Bemerkungen^ die er bei dieser Gelegenhei gemacht, etwas Ungeböriges gelegen habe. Was die Ursache bc- treffe, die zu dem Ultimatum geführt habe, so wolle er auf die Tatsache Hinweisen, daß nicht weniger als drei feierliche Aufforderungen von der britischen Regierung an Venezuela ergangen seien. Man werde diese in dem eben veröffentlichten Schriftwechsel mit Venezuela finden. Die letzte Aufforderung sei das Ultimatum gewesen, welches zu Beginn des Monats Dezember an Venezuela gerichtet wurde. Tann seien aber vorher noch zwei Mitteilungen ähnlicher Art an Venezuela ergangen, die eine im Jnni, die andere im November. Nachdem der Schriftwechsel in der Venezuela-Frage schon gedruckt worden sei, habe die englische Regie- rung ein Telegramm von ihrem Gesandten in Venezuela empsanaen, in dem er einen Auszug gab aus Dokumenten, die ihm ausgehändigt worden seien und die eine Antwort auf das Ultimatum sein sollten. Ter britische Gesandte teile der englischen Regierung mit, daß sie keinen be stimmten Bezug auf das Ultimatum nähme, sondern Klage darüber vorbringe, daß die britische Regierung keineilei Ersatz für die der venezolanischen Regierung durch den Dampfer „Banrigh" zu- gefügten Schäden anbiete. Die Dokumente enthielten schließlich die Erklärung, daß der Schatz Venezuelas erschöpft und cs der Regierung nicht möglich sei, für den Augenblick ihre Schulden zu bezahle», daß aber, sobald Friede geschlossen sei, es nicht mehr nötig sein werde, die Regierung an ihre Verpflichtungen zu er innern. Daraus, fährt Lansdowne fort Halen wirdurchVermittelung der Vereinigten Staaten den Vorschlag erhallen, unsere Klagen gegen Venezuela schiedsgerichtlicher Regelung zu unterbreiten. Der Vorschlag geht dahin, Laß die zur Zeit bestehende Schwierigkeit iii.ee die Art der Regelung der Ansprüche -ms Entschädigung für Nachteile, welche die britischen und deutschen Untertanen während des Aufstandes erlitten haben, einem Schiedsgericht vor gelegt werden sollen. TcrVorschlag unterliegt jetzt LcrErwägungderRe- gierung. Lansdowne verliest sodann das Telegramm des amerikanischen Gesandten in Caracas, welches ihm durch Vermittlung des britischen Botschafters in Washington zugegangen ist und in dem die Frei- lassung aller in Hast genommenen deutschen und britischen Untertanen mitgeteilt wird, und fährt dann fort: Ich bin dessen gewiß, Las Haus stimmt mit mir darin überein, daß wir den guten Diensten des amerikanischen Gesandten zu großem Tanke verpflichtet sind. (Beisall.) Was von dem Versenken der venezolanischen Kriegsschiffe uns gemeldet worden ist, ist folgendes: Die venezolanischen Kanonenboote waren zum Teil von britischen, zum Teil von deutschen Kriegsschiffen be- jchtagnahmt worden. Man hat uns mitgeteilt, daß bei den durch deutsche Schisse genommenen Kanonenbooten es notwendig befunden wurde, zwei zu verienken. Ueber die näheren Umstände haben wir keinerlei Erklärungen erhalten und ich kann es unmöglich auf mich nehmen, zu erläutern, unter dem Drucke welcher Umstände man zu diesem Schritte habe kommen müssen. Bezüglich der Be schießung von Gebäuden in La Guyara habe die Regierung keine Nachricht erhalten. Tie Aktion Italiens. In der gestrigen Sitzung der italienisch en Deputierte n- ka in in er erwiderte aus eine Anfrage der Minister res Aus wärtigen Pri netti: Schikanierungen einzelner Personen, schwere Schädigungen des Besitzes ihrer Staatsangehörigen, Gewalttätigkeiten gegen deren Häuser und gegen Kaufleute, die Nichtbezahlung für Rechnung Venezuelas aus genommener Anleihen und die Nichteinhaltung seit Jahren geschlossener Verträge, alle diese Gründe haben die Regierungen Deutschlands und Englands veranlaßt, nachdem sie alle möglichen Mittel in lang wierigen, anstrengenden Verhandlungen erschöpft hatten, gegen Venezuela eine Aktion einzuleiten, um eine angemessene Befriedigung ihrer Ansprüche zu erlangen. Die erste Phase dieser Aktion ist jetzt auf dem Wege der Ausführung. Auch Italien hat gegenüber Venezuela beträchtliche Forde rungen geltend zu macken für Schädigungen des Besitzes italienischer Staatsangehöriger während der wiederholten Revolutionen, welche Venezuela seit lange in Unruhe erhalten. Seit April letzten Jahres hat der italienische Gesandte in Caracas Schritte getan im Sinne einer Regelung unserer Forderungen auf freundschaftlichem Wege, was aber nicht zum Ziel geführt hat. Er batte der venezolanischen Regierung eine erste Liste von Ersatzansprüchen überreicht, deren Summe nach eingehender Prüfung auf 2 800 000 BolivareS festgestcllt war und deren ungekürzte Zahlung er in aller Form verlangte. Andere An sprüche blieben zu untersuchen in dem Augenblicke, wo eine neuerliche Revolution eintrat, bei der unsere Staatsangehörigen beträchtliche Schädigungen, die noch nickt klar gestellt sind, erlitten. Die Kammer sieht, daß eine Summe ernster Interessen in Venezuela zu beschützen sei, und die Negierung hat nicht erst seit heute dieser langen An gelegenheit ihre ganze Sorgfalt zugewanvt. (Brave! gut.) Ebenso habe ich, als ich vernahm, daß ein Vorgehen Deutschlands und Englands beabsichtigt sei, mich an die Kabinette von Berlin und London gewandt und ihnen vorgescklagen, daß wir uuS ihren Maßnahmen und Anordnungen, welche sie hinsichtlich der Ansprüche ihrer Staatsangehörigen, die denen der unsrigen ähnlich seien, an schließen. Der Vorschlag der italienischen Regierung wurde günstig ausgenommen. Ich freue mich, die freundschaftliche Haltung der beiden Regierungen gegen uns feststellen zu können, ich glaube, daß meine gegenwärtige Eiklärung unsere Staatsangehörigen beruhigen muß, welche in Venezuela einen nicht minder wirksamen Schutz genießen werden, als die Engländer und Deutschen ihn haben. (Sehr lebhafter Beifall.) * Nom, 15. Dezember. Deputiertenkammer. (Schluß.) In Beantwortung von Anfragen der Deputierten De Marinis und Santini hob der Minister des Auswärtigen, Prinetti, hervor, die Haltung der Bereinigten Staaten entspräche unter den ob waltenden Umständen vollständig der internationalen Courtoisie. * Rom, 15. Dezember. Der König empfing heute nachmittag Len Kommandanten dec „Elba", welche am 23. Dezember von Spezia nach Venezuela abgehen wird. * Washington, 15. Dezember. Der italienische Bot schafter erlchien gestern im Staatsdepartement, um sich zu Feuilleton. A Khenania ser's panier! Roman aus dem Studentenleben von Arthur Zapp. Nawrrua v«r»--leu. Plötzlich unterbrach das Kommando: „Silentium für einen Bierskandal!" die Unterhaltung. Der literatur begeisterte Jungbursche ist mit seinem Nachbar in einen so erbitterten Streit geraten, daß sie zum Bierduell schreite» müssen. Schnell werden Unparteiische und Sekundanten gewählt und die Suite steigt. Die Gläser werden gefüllt, gemessen nnd darnach die Waffen als gut und gleich erklärt. Die Duellanten heben die vollen Humpen in die Hohe. „Stoßt an, setzt an — los!" In mächtigen, gurgelnden Zügen schlucken die Kämpfer die braune Flut hinunter nnd entwickeln ein unheimliches Gefäll. „Bicrjunge!" Der Litcraturfreund ist der Angesiegtc und muß mit guter Miene den Svott der Kommilitonen über sich er gehen lassen. Kurt Gravenhorst nahm heute, ganz gegen seine sonstige Gewohnheit, wenig Anteil au dcm lustigen Treiben. Ohne die übliche Begeisterung sang er die Lieder mit, zerstreut blickte er kn sein Glas und mechanisch tat er Bescheid, so bald ihm einer einen Halben oder Ganzen zntrank. Bor seiner aufgeregten Phantasie gaukelte beständig das Bild der schönen Radlerin. Else Wrcdcnkamp klang cs in ihm. Er sah ihre ernsten dunklen Augen, ihre strenge, unnah bare Miene und vernahm den klaren, bestimmten Ton ihrer Stimme. Mitten in dem Schwarm der lärmenden, lustigen Korpsbrüder überkam ihn ein Gefühl der Be schämung und Reue. Hatte er sie nicht selbst durch sein Verhalten veranlaßt, sich zurückhaltend und förmlich ab lehnend gegen ihn zu benehmen? Wie hatte er auch seinen dreisten, selbstbewußten Ttudentcnton anschlagon können, ihr, der Unbekannten, gegenüber, der er -och sofort an merken mußte, daß sie nicht zu den Töchtern Lstadts zählte, die alle mehr oder minder in ihren begeisterten Mädchen busen für den flotten Bruder Studio schwärmten ? Mitternacht ist schon vorüber, als der letzte Allgemeine steigt: „Der Sang ist verschollen, der Wein ist verraucht —" Darnach erhebt sich der Senior von seinem Amtssessel und verkündet mit weitschallcndcr Stimme, daß die offi zielle Kneipe ihr Ende erreicht habe und die Fidckitas be ginne. Eine Viertelstunde später schon macht sich Kurt Graven horst auf den Weg. Es war sonst nicht seine Art, unter den ersten zu sein, die von der Kneiptasel aufbrachen. Als er bei Karl Sägmüller, dem bemoosten Haupt, vorüber ging, der mit ihm in demselben Haufe wohnte, klopfte er dem alten Burschen auf die Schulter. „Kommst du mit, Sägmüller?" Der alte Zecher drehte sich erstaunt um. „Wohin denn?" „Nach Hause." Sägmüller schlug eine dröhnende Lache auf. „Nach Hanse? Um Mitternacht? Nanu! Das wäre ja gegen allen Brauch ... Wenn du meinen Durst hättest!" „Nach Hause geh'n wir nicht!" fing er mit seiner bier heiseren Stimme an zu trällern. Kopfschüttelnd wandte sich Gravenhorst ab. Der alte Bursche wurde nicht klug. Er würde auch sein dreizehn tes Semester durchsumpscn, wie er cS mit den ersten zwölf getan, die er bereits hinter sich hatte. Welche Zukunft lag vor dem alten Burschen, der nichts weniger als begütert war? Das war die Kehrseite des lustigen, frohen, sorg losen Burschculebeus. Nachdenklich schritt Kurt Gravenhorst auf der Straße dahin. Um zu seiner Wohnung zn gelangen, hätte er nur die Hauptstraße hinabgchcn und rechts in die Bergstraße einznbicgen brauchen. Aber seine Füße lenkten unwillkür lich in eine andere Richtung. Und nun stand er in der Villcnstraße „Am Stadtpark" vvr dcm Hause, das dem Rentier Herrn Hellwig gehörte, dcm Onkel seines Korps bruders, des Fuchses Paul Berger. Also dort in der obe ren Etage wohnte sie, die schöne Radlerin, das spröde Fräulein Wrcdcnkamp. Dunkel und still lag die Villa da. Kein Licht, kein Laut. Der Student stieß ein lautes, spöt tisches Lachen aus. War er nickst ein Narr? Wenn er sich nicht aufgelegt zum Schlafen fühlte, hätte er dann nickst ans der Kneipe bleiben können, anstatt hier sentimental wie ein verliebter Pennäler Mondschcinpromcnaden zu machen? Mit einem Ruck drehte er sich um nnd, vor sich selbst errötend, legte er den Weg nach seiner Wohnung im Sturmschritt zurück. Zweites Kapitel. Es war halb eins, als sich Kurt Gravenhorst nieder legte. Eine geraume Weile lag er noch wach. Dann fiel er in eine» Halbschlummcr. Deutlich hörte er noch ein Uhr vom nahen Kirchturm schlagen und darauf — ein Viertelstüudchcn mochte vergangen sein — war's ihm, als ob leichte, huschende Tritte die Treppe hcrauskamen. Süg- mültcr! Aber cs waren ihrer zwei oder drei, die sich in der Dunkelheit hinaustappten. War Sägmüller wieder einmal in einem Zustand, der cs seinen Kommilitonen zur Pflicht machte, den alten Burschen nach seiner Bude zu ge leiten und ihn ins Bett zu bringen? Ein paar Minuten später war Gravenhorst in tiefen Schlaf gesunken. Wie lange er geschlafen, wußte er nickst. Plötzlich weckte ihn der Lärm seiner nicht gerade sehr sanft ins Schloß geworfenen Zimmertür und dann polterte je mand, alle paar Schritte irgendwo anstoßend, durch sein Wohnzimmer und näherte sich dem Schlafzimmer. Er schrocken fuhr er in die Höhe. Da stand Sägmüller, ein flackerndes Lickst in der Hand, im halben Ncgligst vor ihm; das dicke, aufgedunsene Gcsichr blickte ganz verstört und ent geistert. „Was hast du denn, zum Donnerwetter?" brauste der unsanft ans dem Schlaf Geschreckte auf. „Warum legst dn dich denn nickst in die Klappe?" Die kleinen verschwommenen Aenglcin des bemoosten Hauptes flirrten noch immer ganz entsetzt. „Das geht nickst mit rechten Dingen zn", gluckste er. „Ich — ich kann mein Bett nickst finden." „Was?" Gravenhorst mußte trotz allen Aergers lachen. Der Anblick des in Unterhosen und Hemd dastehenden alten Burschen mit dcm enttäuschten, trostlosen Gesicht war urkomisch. ,/Du kannst dein Bett nicht finden? Mir scheint, du hast wieder einmal des Guten zu viel getan. Na, ick helfe dir in die Federn." Gutmütig stand er auf, kleidete sich notdürftig an und ging mit dcm Berauschten in dessen Zimmer hinüber. Ucberrasckst blieb er ans der Schwelle stehen. Mit einem Blick umfaßte er das mäßig große Gemach, das zugleich als Arbeite- wie als Schlafzimmer diente. Sägmüller hatte die Wahrheit gesagt. Das Bett war nicht da, und auch der Platz, an dcm das kleine Sofa gestanden, war leer. Kopf schüttelnd stand Kurt Gravenhorst da nnd blickte bald auf den unglücklichen Kommilitonen, der in stummem Ent setzen die Hände rang, bald im Zimmer umher. Plötzlich durchzuckte ihn eine Idee. „Wann bist dn nach Hanse gekommen, Sägmüller?" fragte er. „Vor 'ner Viertelstunde." „Allein, oder hat dich jemand nach Hause gebracht?" „Warum denn? Ich bin ganz allein gekommen", stam- mcltc der alte Bursche, den das Unglück halb entnüchtcrt hatte. Kurt Gravenhorst lackte. „Na, dann haben sie dir wieder einmal einen Streich gespielt", erklärte er. „Ich hörte, wie kurz nach ein Uhr jemand die Treppe hinausschlich. Aber wo in aller Welt mögen sie denn dein Bett und dein Sofa gelassen haben?" Er sah in die Höhe nach dcm Ofen hinauf, trat kopf schüttelnd auf den Flur hinaus und forschte in allen Win keln. Aber nirgends die geringste Spur der verschwun denen Möbel. Er faßte den ratlos Dastehenden am Arm. „Dann komm' nur, Sägmüller, dann bleibt dir nichts übrig, als bei mir auf dcm Sofa zu kampieren! Vielleicht bringt uns der Morgen des Rätsels Lösung. Jetzt ist cs Zeit zum Schlafen." Er führte den ihm willenlos Folgenden in sein Wohn zimmer, gab ihm eine Reisedecke und ein Kopfkissen und hieß ihn, es sich bcgnem zu machen. Dann kehrte er selbst in sein Schlafzimmer und in sein molliges Bett zurück. Am anderen Morgen wurden die beiden Schläfer durch einen markdurchdringenden Schrei geweckt, der draußen ans dcm Flur erscholl. In der nächsten Sekunde stürzte Fran Schütze, die Wirtin der beiden Studenten, in Gravenhorsts Wohnzimmer. Als sic den dicken Säg müller ans dem Svia erblickte, der sein erschrecktes, ver ständnislvses Gesicht erhob, blieb sic wie erstarrt stehen. „Ta sind Sie ja, Herr Doktor", sagte sie endlich. „Herrgott, der Schreck, als ich vorhin in Ihr Zimmer trete und finde Lic nicht! Wo haben Sie denn Ihr Bell gelassen?" Der Angcrcdetc sah sich verdutzt um. Die Vorgänge der Nacht schienen seinem alkoholnmncbcltcn Gcbirn nickt mehr gegenwärtig. „Wo — wo bin ich denn?" stammelt er und stelst sich mit wirren Augen um. Die Philcuse schlägt ihre Hände zusammen. „Sie sind doch bei dcm Herrn Doktor Gravenhorst. Wissen Sie denn das nickst?" In dem alten Burschen beginnt es m .vmmcrn, und er macht eine Bewegung, als wenn er -ck erheben will. Fran Schütze eilt rasch auf den Flur hinaus. Fünf Mi nuten später folgen ihr SägmG'er nnd Gravenhorst, die rasch Toilette gemacht haben An.ii Lieschen Schütze, die Tochter der Philcuse, die ' vitnli-,", gesellt sich zu ihnen und alle beginne' -n sticken. Aber vergebens durch forscht man die gante Eiage. Ta tommt endlich Lieschen auf die Idee, aus den Boden hinauszusteigen. Ihr lauter Jubelschrei lockt auch die andern herbei. Richtig, auf dem
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite