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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 04.10.1906
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1906-10-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19061004017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1906100401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1906100401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1906
- Monat1906-10
- Tag1906-10-04
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Durch untere aut- wörttflen Ausgabestellen und durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich 1 Mark, für die übrigen Länder laut Zeitung-prei-liste. Diese Nummer kostet aus -44 4>t L allen Bahnhüseu »ad bei III I den Zeituagt-Berktuser» V Redattton »uv Erpetttto«: Johaunisgasse 8. Telephon Nr. ISA Nr. 2L2, Nr. 1173. Berliner Redaktions-Bureau: Berlin bi^V. 7, Prinz Louit Ferdinand- Straße ll. Telephon I. Nr. 9278. Morgen »Ausgabe 8. MpMrTaMM Handelszeitung. Amtsblatt des Rates und des Ralizeiamtes der Ltadt Leipzig. AnzeiqeN'Preis dir SgespaUene Petitzrile für Geschäfts, taserate ans Leipzig und Umgebung 2V Pf., Famuiea-, Wohnung«- u. Stellen-Anzeigen, sowie An- »»b Berkäufe 20 Pf, finanzielle Anzeigen 30 Pf, für Inserate von auswärts SO Pf. Reklamen 78 Pf., auswärts l Mark. Bella ie- ftrdübr 4 Mark p. Tauieud :xkl. Postgel>ü!:r. Geschästsanzeigen an beoorzugter Ltellc im Preise erhöht. Rabatt nach Tarif. Lnitigen-Allnadme: Angnstutplatz 8, bei sämtliche» Filialen u. allen Annonce». Expeditione» des Ja- und Auslände-. Für da« Lricheinrn an bestimmten Tagen a. Plätzen wird keine Garantie übernommen. Hanpt-Filtale Berlin: CarlDun cke r,Herzgl.Bayr.Hosl>uchhandlg, Lühowttrabe 10 iTrlephoa VI, ^tr. 46031 sttkia1-Vr»edttion:Dre-»en.Marienstr^4 Nr. 50l. Donnerstag Oktober 1906. M. Jahrgang. »ar ivicdligrle vom Lage. * Im Königlichen Schlosse zu Berlin fand gestern zu Ehren der Mitglieder der International Law Association ein Frühstück statt, bei dem Prinz Friedrich Leopold als Vertreter deSKaiserS die HonneurS machte. * Die internationale Konferenz für Funken- telearaphie wurde gestern im Gebäude des Deutschen Reichstage« in Berlin eröffnet. (S. Dtschs. R.) * In Berlin beschlossen gestern die Vertreter der Gabels berge rsch en und Stol,e-Schreyschen Stenographie, die Regierungen um Vorbereitungen zur Vereinheit lichung aller deutschen Stenographiesysteme zu ersuchen. * Die spanische Regierung ladet die europäischen und amerikanischen Staaten zu einer neuen Anarchisten- Äooserenz in Madrid auf den 21. Januar em. (S. AuSl.) * Die Leipziger Stadtverordneten lebnten in ihrer gestrigen Sitzung die Narsvorlage wegen Abänderung deS Slav tverorvneteuwahlrechtS einstimmig ad. * Der Leipziger Brauereiverein hat dem Leipziger Saaliohabervereiu die Mitteilung zugehen lassen, vag er bereit lei, den erhöhten Preis pro Hektoliter Lagerbier von 2 aus 1.80 heradzusetzen. * In der Nacht vom 2. Oktober fand auf dem von Lrrchum nach Otschemtscherig an der Küste de« Schwarzen MeereS gehenden Dampfer „Cesarewitsch" ein frecher Raubanfall statt. L wahrscheinlich an verschiedenen Punkten vorher eingestivgene, mit Revolvern und Ge- wchren bewaffnete Räuber trieben die Passagiere S. Klasse und die Mannschaft i» den Raum 8. Klaffe und deraübten die Post und di« Schiff-kaffe um 12000 Rubel. Die Paffa- giere I. Klasse schossen aus die Räuber, diese drohten je doch, 2 SchissSosfiziere und 4 Matrosen al« Geiseln zu er schießen, worauf man sie »»behelligt in Begleitung der Geiseln mit der Schaluppe an Land gehen ließ. * Der „Freis. Ztg." zufolge sind im Charlotten burger Jrrenhause bestialische Mißhand lungen an Irren festgestellt worden. Der Staatsanwalt sei bereits eingeschritten. sS. Letzte Dep.) 2«r sieuekalverrsnimlung <let Luna« aeutrcher ftauravrrrine. Die Geschichte der deutscheu Frauenbewegung ist noch so jung, daß man kaum von einer historischen Vergangenheit reden kann, sie birgt aber in sich eine solche Fülle von Ent wickelungsmomenten, kann aus so viele Kämpfe und Siege zurückblicken, daß man die 40 Jahre, die seit der Gründung des ersten frauenrechtlerischen Vereins vergangen sind, wohl mit doppeltem Maße messen kann, gemäß dem alten Worte: „Kriegsjahre zählen doppelt." In Leipzig fand im Fahre 1865 die Gründung deS „All- gemeinen Deutschen Frauenvereins" statt. Schon der Name war eine Kühnheit in einer Zeit, da es noch gar kein einiges Deutschland gab. Gering war auch die Zahl der Teil nehmerinnen an der vom 16.—18. Oktober in Leipzig tagenden Versammlung. Reichlicher Spott traf ihre Ein- beruferinnen. Dreißig Jahre später wurde ein „Bund deutscher Frauenvereine" gegründet; 34 Vereine traten dem Bunde sofort bei, bald wuchs ihre Zahl, und heute gehören zirka 200 Vereine mit ungefähr 125 000 Mitgliedern dem Bunde an. Dieser stellt somit die größte deutsche Frauen organisation dar. Durch seine Zugehörigkeit zu dem eine Million Mitglieder umfassenden Frauenweltbund hat der Bund deutscher Frauenvereine auch internationale Bedeutung. Seine erste Vorsitzende in den schweren Jahren der Entwickelung war die Vorkämpferin der deutschen Frauenbewegung, Irl. Auguste Schmidt in Leipzig. Ihr, folgte im Amt Frau Marie Stritt (Dresdens, in deren Hand seit sieben Jahren die Bundesleitung liegt, und sie ist unzweifelhaft eine der bedeutendsten Vertreterinnen der deutschen Frauenbewegung. Vom 4.—6. Oktober tagt in Nürnberg die 7. General versammlung des Bundes, und hierbei wird es diesmal einen harten Kampf geben, wie er innerhalb der deutschen Frauen- bewegung noch nicht stattgefunden hat. Die bisher in ruhigem Gleise sich bewegende Fortentwickelung deS Bundes wurde in letzter Zeit durch starke Parteikämpse gestört. Ein auf der Danziger Versammlung im Vorfahre eingebrachter ReorganisationSplan der Bundesverfassung rief breite Spaltungen hervor. „Hie Reorganisation, hie Fortbestand der alten Verfassung" hieß es. Dazwischen wurden ver mittelnde Stimmen laut, die zwar die vorgeschlagene Re organisation verwarfen, aber dennoch Aenderung der Bundesverfassung für nötig erachteten. Zu diesen gehört an erster Stelle die Vorsitzende des Allgemeinen Deutschen JrauenvereinS, Frl. Helene Lange. Der ReorganisationSplau, den Frau Stritt eiuaebracht hat, gipfelt in der Hauptsache darin, daß der Bund nicht wie bisher »ach Vereinen sein Verein von 30 Mitgliedern kann rach der jetzigen Verfassung BundeSverein werden und ist stimmberechtigt), sondern »ach Verbänden gegliedert werde» soll. ES bestehen «roße BereinSverbände, der Allgemeine deutsche Frauenoerein, der Verein „Frau«bildu»g — Frauenstudium" z. B. haben zahlreiche Zweigoereine. Außer dem haben sich noch überall Provinzialverbände organisiert. Diese Verbände sollen die Verwaltungsorgane de« Bundes bilden. Sie sollen mit der Vertretung bei den Generalver sammlungen betraut werden und die Einzelarbeit gegenüber de» Vereinen leisten. Die „Franks. Ztg." nennt diese» Rao^anisationspla» großzügig", aber sicher ist es, daß er ebenso viel gegen als für sich hat. Die Arbeitslast des Bundes würde dadurch verringert. Es könnte eine größere Zentrali sation der Kräfte erfolgen. Für die einzelnen Vereine aber würden dadurch, daß der Bund ihnen gegenüber in eine er hebliche Ferne gerückt würde, das Interesse für den Bund er löschen, und die Befürchtung, die vor längerer Zeit im „Tag" ausgesprochen wurde, daß dadurch das allgemeine Soli- daritätsgesühl und darüber hinaus das internationale Ver ständnis, das der Bund mühsam in den einzelnen Vereinen aufgebaut hat, zur Kirchturmspolitik zurück entwickelt würde, ist nicht grundlos. Es regnet Vorschläge und Gegenvor- schlage, so daß man augenblicklich von einer geradezu baby lonischen Verwirrung reden kann. Leider haben diese Kämpfe sich so zugespitzt, daß die Vorsitzende deS Bundes, Frau Marie Stritt, ihre Demission gegeben und eine eventuelle Wiederwahl abgelehnt hat. Für die deutsche Frauen bewegung aber ist dieser Streit innerhalb des eigenen Lagers tief zu bedauern, wenn es auch an sich nichts Ungewöhnliches ist, daß Streitigkeiten in einer Partei entstehe». Schließlich können sich die Ansichten ost eben nur im Kampfe klären. Die deutsche Frauenbewegung aber kämpft nicht allein um vermehrte Rechte und erweiterte Berussmöglichkeiten, sie kämpft in erster Linie für eine vertiefte Bildung, für einen erweiterten Gesichtskreis der Frauen und damit für eine geistige und moralische Höherentwickelung der Menschheit. Die Frauen dürfen darum nicht in kleinlichen Streitereien ihr ideales Ziel an» den Augen verlieren und das Wort zur Wahrheit werden lassen: „Eine würdige Sache verfechtet ihr nur mit Verstände. — Bitt ich, daß sie zum Spott und zum Gelächter nicht wird." Die Frauen, die sich in Nürnberg aus allen Gegenden deS Reicht- versammeln, kommen mit heiligem Ernst. Möge eS ihnen gelingen, Klarheit zu schaffen und möge der alte Spruch „Einigkeit macht stark" unverlierbares Eigentum der deutschen Frauen werden. frmr Seorg es» Sriecheulsnä. . Ueber die letzte Revolution aus Kreta verlauten eigen tümliche Dinge. Die „Aufständischen", welche die Abreise des Prinzen zu verhindern suchten, sollen nicht dieselben Auf ständischen gewesen sein, welche «Hetze« gegen die Regierung deS Prinzen im Felde standen, sondern im Gegenteil sich ans der ehemaligen Regierungspartei rekrutiert haben, welche mit dem Wechsel in der Statthalterschaft nicht zufrieden ist. Dem Prinzen mochte die Annahme seines Entlassungsgesuchs selber unerwartet gekommen sei«, dadurch wurden die Par teiverhältnisse Suf der Insel verschoben, und nun machte» es die Kreter wie unsere Kinder, wen« sie Räuber und Land gendarmen spielen. Die Rollen wurden vertauscht, und die ehemaligen Regierungsleute wurde» zur Abwechselung auch einmal Insurgenten! Die Lebersetzuug deS englischen Prinzips von „Seiner Majestät allergetreuesten Oppo sition" ins , ländlich-sittlich Hellenische! - 'Bon ihrem Athener Berichterstatter wird der „Infor mation" unterm 26. September geschrieben: Prinz Georg ist heute a»S Kreta wieder hier «ingetroffen. Aus Rücksicht auf das Königshaus Griechenlands hatten sich die kretischen Schutzmächte mit der Annahme der Demission des Prinzen begnügt, und es bedurfte schließlich eines starken Druckes seitens der hiesigen Regierung, um die seit Wochen auf der Tagesordnung stehende Abreise zu verwirklichen. Daß der Hof des Prinzen sowie seine Regierung und Abge- ordnete, die mit.ihr eng verbunden sind, die Organisation der bewaffneten Auflehnung gegen die Abreise besorgt haben, unterliegt keinem Zweifel. War ein Erfolg der Bewegung und das weitere Verbleiben des Prinzen auch von vorn herein ausgeschlossen, so scheidet doch jetzt der Prinz unter den absichtlichen, besonders lärmenden Aeußerungen der Verehrung der Kreter für ihn. Bon der Gelegenheit, die Kreter zur Einigkeit und Einsicht sowie dazu zu mahnen, daß sie den Trennungsschmerz im Hinblick auf nationale Ziele in Ordnung ertragen möchten, bat der Prinz in Prokla mationen reichlichen Gebrauch gemacht. Der volle Erfolg der Mahnungen wird erst jetzt nach der Abreise eintreten, und das bevorstehende schnelle Abschwellen der „Revolution zur Beibehaltung deS Prinzen auf seinem Posten" ein neuer Beweis für das Künstliche der Veranstaltung sein. Hier in Griechenland Haden ernstere Kreise die Auflehnungsvorgänge keinen Augenblick allzu ernsthaft ausgenommen; ihren de monstrativen Charakter hat trotz übertriebener ZeitungS- meldungen auch die Bevölkerung erkannt. Der heutige Empfang deS Prinzen in Athen war offiziell ein feierlicher, die Beteiligung des Publikums aber äußerst gering. Beim gestrigen Abschied von Kreta kam eS bekanntlich vor dem Palais des Prinzen zu einem Zusammenstoß zwischen der Volksmenge und der Schloßwache, bei dem ein Bürger und ein russischer Aonsulatskawaß gtötet wurde». Die „Auf ständischen" lagerten sich dann bewaffnet, aber von den Lkku- pationstruppen der Schutzmächte unbehelligt, auf den um liegenden Hügeln. Mit Entlassungsgesuchen soll niemand Scherz treiben! „Amiis-, an bau er derlei...." .. Oft genug haben wir.-» gehört: Die vereinigte» Staate», me sind das Sonntaasktnd unter deu Ländern der Erde. Und diese Erkenntnis erfüllte uns nicht uur mit einiger BiNer-ert, sondern auch mit recht viel Sorge, denn nicht selten macht sich das Zonntaaskind zu» Herr» der Wochea- tag-kinder. Zn den vielen -Gefahren", die untz von innen und außen drohen, gesellte sich die „amerikanische Gefahr" La vergmg kein Tag, daß ihrer nicht gedacht wurde, und es ist. kaum allzu lang her, daß ihre Erörterung in de» Tag^- blättern keinen wenmer breiten Raum einuah« als ' etwa die Rubrik: „Russische Wirr«»". Es ist schri Muß eiue« den» »tcht unbehaglich Almute werde», man mit jemanden in „friedlichen Wettbewerb" treten soll, der nicht nur darum zu beneiden ist, was er mehr hat als wir, sondern auch darum, was er weniger hat? Ver glichen mit den Vereinigten Staaten ist Deutschland nur ein armer Schlucker, das wissen wir. Aber in der Union gibt eS auch gar keinen oder doch nur verschwindend wenig «Sozialismus und das muß doch als ein untrügliches Zeichen dafür angesehen werden, daß dort die wirtschaftliche Ent wicklung nicht auf »osten der sozialen vor sich gebt, daß also auch die gesellichaftlich-staatliche Grundlage der Vereinigten Stauten erheblich wlider sei als das morsche Fundament der kontinentalen Staatenwelt So sagen die „gründlichen Kenner des Landes", die „Männer der Praxis. Und nun geschieht etwas sehr Merstvürdiges. Ein „weltfremder Ge- leyrter", ein „wissenschaftlicher Theoretiker" erscheint und weist bündig nach, daß daS Fehlen des Sozialismus in Nord- amerika unS noch keineswegs das Recht gibt, den dyrtiaen gesellschaftlichen Zuständen die Zensur „gut" bis „völlig oe- lriedlgend" zu erteilen. Uns wenigstens will es scheinen, als ob diese Lehre zu geben der — wenn auch unausge sprochene — Zweck einer kleinen, jüngst erschienenen Schrift Werner Somoarts*) ist. Warum gibt eS in den Vereinigten Staaten keinen So zialismus? Besser wäre es vielleicht gewesen, zu fragen: Warum gibt es in den Vereinigten Staaten noch keinen Sozialismus? Die Antwort lautet: Einstweilen sind noch eine ganze Reihe von Momenten wirksam, die seine Entwick lung ausgehaltcn haben. Doch all diese stehen nach Sombarts Mcinu.'g im Begriffe zu verschwinden oder in ihr Gegenteil verkehrt zu werden. Und schon das nächste Menschenalter dürste uns die Ueberzeugung bescheren, daß jenes Gesetz der wirtschaftlichen Entwicklung, dem die Entstehung deS So zialismus al- notwendige Folgeerscheinung deS Kapitalis mus gilt, auch für da- Land höchster kapitalistischer Ent wickln»: — sur die Bereinigten Staaten — zutrefsen muß und zutrefsen wird. Doch wer kümmert sich heute in einem Zeitalter der Realpolitik um Prophezeiungen! Tatsachen beweisen. Warum sollten die heute noch wirksamen Hemm schuhe des Sozialismus nicht von solider, dauerhafter Ar- beit sein? Wir kören, drß der amerikanische Arbeiter einen zwei- bis dreimal so hohen Geldlohn bezieht wie der deutsche, daß aber die Beichaffuna der gleichen Menge notwendiger Unterhalt-mittel nicht weseutlicy kostspieliger «st als bei unS. Die aus breitester demokratischer Basi» ruhende Verfassung befriedigt alle nur möglichen politischen Bedürfnisse: man kann, wenn »an Lust hat, sich daS ganze Jahr mit Wählen beschäftige». Da gibt «S keine Parteien, die de« Arbeiter „§oljr,sch « »unechte»" ,ucheu. Im Gegenteil, die beiden einzig in Frage kommenden Parteien — Republikaner und Demokraten —, di« keineswegs auf Prinzipien festgelegt sind, wnder» ganz einfach zwei miteinander um die „Beute" ringende Organisationen darstellen, suchen gleich eifrig Ar- heiterslimmen und Arbeiterführer für sich zu gewinnen. ÄZlch über ihre soziale Stellung brauchen sich die Arbeiter nicht zu beklagen Da- ganze öffentliche Leben trägt einen mehr demokratischen Charakter und die allgemeine Bildung evenso wie die höhere Lebenshaltung des Arbeiters wirken dahin, den gesellschaftlichen Abstand zwischen den einzelnen Bevölkerunqsschiwten zu verringern. Nicht ohne symbolische Bedeutung «st, daß der Arbeiter riskieren darf, im Gespräch mit dem Unternehmer den Hut auf dem Kopf und die Hände iy der Tasche zu behalten. Wen aber trotz alledem der Ka pitalismus nuyt zu verlocke» vermochte, in seinen Dienst zu treten, dem blieb noch immer ein Ausweg: Ter unbesiebelte Westen nahm ihn aus; die lreie Heimstätte machte ihn zum unabhängigen Bauern All dies gibt Sombart nicht etwa widerwillig zu, sondern er selbst trägt mit Eifer und Glück zusammen, was immer dazu dienen mag, das eben Geschilderte als den Tatsachen entsprechend erscheinen zu lassen. Und doch am Schluß jene Prophezeiung und schon vorher tue Behauptung: In keinem Lande d»r Welt wird — obiektiv betrachtet — der Arbeiter vom Kapitalismus so ausqebeutet wie in den Bereinigten Staaten, reibt sich der Arbeiter in den Sielen des Kapi talismus so blutig, rackert er sich so rasch zu Tode wie dort. Die Gegenüberstellung wirkt ein wenig paradox und man sieht zunächst nicht ein, wieso diese „sotünr« oo-ckinls" zwischen Arbeit und Kapital in die Brüche gehen soll. Allein des Rätsels Lösung ist einfach genug: In so behaglicher Laae befindet sich ja nicht etwa die ganze nordamerikanische Aroeiterschaft oder gar das Proletariat — Sombarts etwas leichte Ausdrucksweise läßt diesen Irrtum leicht ent stehen —, vielmehr handelt es sich dabei nur um eine ver- yältnismutzig kleine aristokratische Oberschicht, die sich nur schlecht in LaS unS geläufige Standesschema unterdringen laßt. Diese Arbeiteraristokratie hat nach unseren Begriffen nur ziemlich lockere Beziehungen zum sogenannten vierten Stand; ihren Bedürfnissen nach ist sie ganz gewiß schon „Mittelstand" und ein Teil von ihr gebt gar unter die „Ka pitalisten", indem sich diese Albeiter-Navobs Aktien der Unternehmungen zulegen, die sie beschäftigten. Die große Masse der arbeitenden Bevölkerung dagegen lebt in den Bereinigten Staaten selbstverständlich auch nicht in glänzenden Verhältnissen, und daS eigent liche Proletariat ist sicher ungünstiger gestellt als bei uns. Denn wenn nach einer amerikaniichen Quelle, die auch Somdart als zuverlässig anerkennt, in der Union die Zahl derer, die in Zeiten durchschnittlicher Prosperität unterhalb der Grenze der Dürftigkeit leben, d. h. in Nahrung, Kleidung und Wohnung nicht das Nötigste haben, auf 10 Millionen geschätzt wird, wenn ferner eine andere Untersuchung zu dem Ergebnis kommt, daß 50 Pro-, aller Familien vermögenslos sind und sich von dem gesamten Privatoermögen ca. 55 Proz. in den Händen eines Prozents aller Familien befinden: dann wird meine Behauvtung aewib nicht als übertrieben gelten dürfen. Soll Unter diesen Umständen das Fehlen deS Sozialismus durch aus symptomatische Bedeutung haben, so vermag ich sie in «ich» anderem iu erkennen, als daß die Lage dieser Millio nen p« erbärmlich ist, um es ihuen überhaupt möglich zu amche». der Gesellschaft gegenüber irgendwie Stellung »etzme» M könne». TinclalrS Roman: rd« der nicht »»7 »o« de» .saiberen" Praktiken der Chicagoer Jle«schtrustmaa»at»n wahrheitsgetreu zu berichten weiß, enthUlt auch ei» schauerliche- Bild von den Verhältnissen der dort beschäftisten Arbeiter, an dessen Leben-treue zu acheifel» wahrhaft«« kein Grund vorliegt. Daß diese noch keine Sozialsten nutz, .R aa>, beareiflich: sie haben einen viel t» harte» unk erschöpfenden Kampf umS Dasein zu führe«. Unzufriedenheit zu äußer» aber wird erst möglich, vea» «in gewisser ^lemckoock «ft likS" erreicht ist. > Eiaentkich dürfte man sich also de» Sozialismus in Deutschland freuen. Aller» da- jv Ssschmackfach«. WaS ma» ater aewiß nicht darf und sich endlich abgewöhnen sollt», daß ist do- kritiklose Vergleiche» fremder Zustande *) Wee»er Gombart: Warum gibt eg in den vereinigte» Staate» ktzi»r» Koziali-mul. (Tübingen 1906.) mit den heimischen unter der al» selbstverständlich geltenden Voraussetzung, daß jene die besseren seien. Gewiß, wir haben An aß genug „schwarz" zu sehen, wenn wir be« uns Umschau halten, aber das ist doch noch immer kein Grund, sofort die rosenrote Brille aufzusetzen, wenn wir uns andere Lander betrachten wollen. von Oer llsnaertvnoOe. 2. ?r. Dresden, 3. Oktober. Wie alle parlamentarischen Körperschaften leidet auch unsere Landessynode darunter, daß die ersten Sitzungen nicht Arbeitsstoff genug bieten. Während aber die Kammern in ihrer lang ausgesponnenen Tätigkeit diesen Mangel an Arbeit für den Beginn der Sitzungen weniger empfinden, wird dies für die Synode mit ihrer knapp, ja meist viel zu knapp bemessenen TaaungSzeit sehr empfunden. Es hat des- halb am Schluß der letzten Synode Geb. Kirchenrat Super- intendent 0. Pan! - Leipz, g den Wunsch ausgesprochen, man möchte dieser Unzutröglichkeit dadurch begegnen, daß man gleich in den ersten Tagen in die erste Lesung des Be richtes des LandeSkonsistoriums einträte. ES wurden sich dann für den Berichtsausschuß bestimmte Direktiven er- geben, dieser würde sich mehr konzentrieren können auf be- stimmte Fragen und Anträge zur »weiten Plenarberatung, und diese würde dann kürzer, konkreter und fruchtbarer werden. Es ist überhaupt eine eigene Sache um den Bericht und den Berichtsausjchuh, der erst seit etlichen Synoden besteht. Denn an und für sich ist es merkwürdig, wenn über einen Bericht wieder berichtet wird. Die Berichterstatter der letz ten Synoden haben nun zumeist in ziemlich langen Berichten die Teilstücke diese- umfangreichen Schriftstücke- besprochen, ohne daß dabei hervorragend neu« Gedanken und wichtige Anträge zutage gekommen seien. Ja, au manchen Stellen, wie z. B. bei konfessionelle» Differenz«», wie seinerzeit be« der Prinz Maj-Angelegenheit, wo jeder Hinweis darauf i» Konsistorlalbericht fehlte, durfte diese Sache unter dem Druck Ker Majorität des Ausschusses, an dessen Sitzungen stet- die Äommii«are deS LandeSkonfistorium- teilnehmeu, auch nicht in der Synode selbst berührt werde». Deshalb ist der Ge danke auch bei dieser Tagung wieder aufgetaucht, von der Wahl des Berichtsausschusses ganz abzusehen und dafür eine Besprechung wichtiger Stellen daraus im Plenum erntreten zu lassen, und zwar sofort. Damit wäre »am doppelter Seite hin gewonnen. Aber der Gedanke ist Wunsch geblieben. Die 2. Sitzung der Synode bat neben dem Verfassungs ausschuß, dem Beschwerde- und Petition-auSschuß auch wie- »er einen BerichtsauSschuß gewählt. Es ist aber doch zu «offen, daß die Aussprache über Wert und Unwert eines olchen Ausschusses dazu beitragen wird, seine Arbeit immer ruchtbarer zu gestalten. Für die Vorarbeiten zum Erlaß eines Kirchengesetzes für Neuregelung der Gehalts- und Alterszulagen der Geistlichen und dre damit zusammen hängenden Petitionen, unter denen die treffliche und in ihrer Sachlichkeit vornehm berührende Denkschrift des Sächsischen Pfarrervereins sich befindet, ist ein Sonderaus schuß gewählt worden, dem wie all den «n dieser Sitzung ge wählten Ausschüssen nicht wie in den letzten Synoden nur 9, sondern 11 Mitglieder angehören sollen. Auch dadurch, daß man eine größere Anzahl vor allem jüngerer Kräfte be schäftigt und die Arbeit mehr aufteilen kann, hofft man gründlichere und schnellere Erledigung zu erzielen. Unter den Erlassen und Petitionen, die in jüngster Zeit erst den Synodalen eingehändigt worden sind, sind zwei von allgemeinerer Bedeutung. Dem Kirchenregiment ist voin Kultusministerium eine Verordnung vorgelegt worden, die sich auf di« kirchlichen Äegräbnisseierlichkeiten auf evan- gelisch-lutherischen und römisch-katholischen Friedhöfen be zieht. Unter Zustimmung der Synode und der römisch- katholischen Kirchenbehörden soll verordnet werden, daß auf den Gottesäckern beider Konfessionen den Geistlichen der selben gleichmäßig die Vornahme der Bearäbnisscierlich- jeiten nach den Vorschriften des eigenen Bekenntnisses bei Beerdigung ihrer Glaubensgenossen gestattet ist, ohne daß es einer besonderen Genehmigung der Organe der andern Kirche bedarf. Nur ist vor Vornahme einer Begräbnisfeier auf dem Gottesacker der andern Konfession dem für letzteren zuständigen Pfarramt von den Hinterbliebenen Anzeige zu erstatten. Es bedarf aber der Anzeige nicht, wo schon bisher die Zulassung der Geistlichen der anderen Konfession ohne eine solche Anzeige herkömmlich war. — Diese ersten Punkte der neuen Verordnung scheinen katholischen Wün- schen zu entsprechen, die die Folge der Vorkommnisse deS Gottesackerstreites in Annaberg im Laufe dieses Jahres waren. Da es nur wenige katholische Friedhöfe in Sachsen gibt, so würde der Vorteil dieser Anordnung der römischen Kirche zufallen. Darum ist es wichtig, daß 8 2 bestimmt, daß die Geistlichen bei Vornahme einer Beerdigung auf dem Gottesacker der anderen Konfession alle Aeußerungen zu unterlassen haben, die die religiösen Gefühle der Angehörigen dieser Konfession verletzen können. Auch sind Störungen durch gleichzeitige Vornahme verschiedener Begräbnisse zu vermeiden. Sicher werden die Verhandlungen bei diesem Entwurf zu interessanten Debatten führen. Die Petition des Psarrervereins beschäftigt sich mit der Ortsschulinspektion der Geistlichen. BiS zur gesetzlichen Ordnung der Fachschulaufsicht, wie sie von der deutschen Lehrerschaft begehrt und von den meisten evangelisch-luthe rischen Geistlichen unseres Landes als berechtigt anerkannt wird, wünscht der Pfarrerverein auf da» dringendste eine klare Instruktion über alle Pflichten und Rechte der Orts- schulinspektion, energischen Schutz durch die Kirchen-, Schul- und Staatsbehörden gegen unberechtigte Angriffe und das Zugeständnis an den einzelnen Amt-träger, das Aussichts- amt in der Schule niederlepen zu können, sobald das Inter esse seines geistlichen Amtes es fordert. ES deckt sich diese Petition somit zum großen Teil mit der sogenannten Roch litzer Petition an die letzt« Synode, auf deren Erledigung das Kultusmlnisterium nicht eingegangen ist. Wir würden es für das Zustandekommen einer sriedlich-schiedlichen Tren nung, die doch nur eine Frage der Zeit, viellticht sogar nur «ine Geldfrage ist, für bedeutsam und günstig ansebe», wenn den Wünschen deS Psarrervereins wenigsten- in der Haupt- fache Erfüllung zu teil würde.
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