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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 23.10.1906
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1906-10-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19061023024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1906102302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1906102302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1906
- Monat1906-10
- Tag1906-10-23
- Monat1906-10
- Jahr1906
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Der Landeshauptmann der Marschalliaseln, Brandeis, gegen dessen Amtsführung im Reichstag schwere Anschuldi gungen erhoben worden waren, ohne daß damit die Liste der ihm zur Last gelegten Vergehen erschöpft gewesen wäre, ist zur Disposition gestellt worden. — Regierungsrat v. Spät ling, ter bisherige Referent beim kaiserlichen Gouverneur in Deutsch-Ostasrika, ist mit Wirkung ab 1. April 1907 zum ständigen Hilfsarbeiter in der Kolonialabteilung ernannt worden. Zum Streik der Elbschiffer. Gegenwärtig sind Verhandlungen im Zuge, die auf die Beilegung des Streiks abzielen; sie gestalten sich jedoch schwierig, weil die hauptsächlich in Betracht kommenden Unternehmer und Arbeiterorganisationen ihren Sitz in Ham burg haben, während auch Streikende und Arbeitgeber aus Oesterreich am Streike beteiligt sind. Es wurde angeregt, daß von seiten der Regierungen von Oesterreich, Sachsen und Preußen eine Altion eingeleitet werden soll, um die Kon stituierung eines gemischten Komitees durchzuführen, das die Beilegung des Streiks in Angriff nehmen soll. Begründet wird dieses Vorgehen mit den unerträglichen Verhältnissen, die durch den Ausstand geschaffen wurden. Nicht nur der Export, sondern auch der Import wird arg geschädigt. Große Massen von Rohprodukten, die unsere Industrie dringend braucht, liegen in Tetschen-Laub«. Ob es gelingen wird, ein Einvernehmen der Regierungen in dieser Sache zu erzielen, ist noch nicht bestimmt. Die Zwickauer Kahleuwerke. Die Zeitungsmeldung, daß die Zwickauer Kohlenwerke zu den Bergarbeitersorderungen Stellung genommen hätten, ist, wie uns ein Privattelegramm aus Zwickau meldet, un zutreffend. Von kompetenter Seite wird uns vielmehr mit geteilt, daß der Arbeitgeberverband sächsischer Koh len Werke in Sachen der Lohnbewegung zuständig sei und dieser Beschlüsse bisher nicht gefaßt habe. v. Tschirschky tu Rom. Der römische Korrespondent des „Eclair" verzeichnet ein Gerücht, daß in der Unterredung zwischen Tittoni und Tschirschky letzterer einen Vorschlag unterbreitete, eine neue Basis für den Dreibund aufzustellen. — Ueber den be vorstehenden Besuch Tschirschkys beim Papste wird gemeldet: Wie man in vatikanischen Kreisen annimmt, wird beim Be suche des Herrn v. Tschirschky beim Papst die Poleufrage nicht gestreift werden, als eine preußische Angelegenheit. Der „Tribuna" zufolge wird Herr v. Tschirschky den Besuch beim Papste in Begleitung des preußischen Gesandten beim Vatikan machen. Interpellation über den Rücktritt Goluchowskis. Die deutsche Bolkspartei wird gemeinsam mit anderen Parteien den Ministerpräsidenten über den Rücktritt Golu- chowskis interpellieren und fragen, ob die Demission nur auf die Aktionen Ungarns zurückzuführen sei, und ob der Präsi dent auch die Interessen Oesterreichs znr Geltung brachte und wahrte. Die Interpellanten wollen durch die Inter pellation ausdrücken, daß die Krisis am Ballplatz auch nach gemeinsamen Gesichtspunkten zu beurteilen sei, und die öster reichische Reichshälfte dasselbe Recht besitze, in dieser Ange legenheit vollen Einfluß zu nehmen, wie die ungarische. Tie französische Ministerkrisis. In einer Unterredung mit Clemenceau hat Millerand seine Ideen über die auswärtige Politik auoeinandergesetzt und den Beifall Clemenceaus gefunden. Dieser, der seinen Freund Pichon nicht verletzen möchte, ersuchte Millerand, sich mit Pichon auseinanberzusetzen, damit letzterer die Kolonien übernimmt, und Millerand das Aeußere erhalten kann. Ohne Zweifel wird die Lösung der Miuisterkrise in diesem Sinne erfolgen. — Weiter wird gemeldet: Clemenceau setzte seine Besuche und Besprechungen fort. Die Miiwirkung Millerands ist gesichert. Clemenceau besuchte auch den bisherigen Kriegsminister Etienne, doch wird dies nur als Höftichkeitsakt betrachtet. Clemenceau hoffte, bis 12 Uhr AbendS dem Präsidenten der Republik die vollständige Ministerliste unterbreiten zu können. Nach den letzten Er mittelungen dürfte das neue Kabinett folgendermaßen gebildet werden: Präsidium und Inneres Clemen ceau, Justiz Guyot-Dessaigne, Unterricht Brian d, Aeußeres Millerand, Krieg Picquarl, Marine Thomson, Finanzen Caillaux, Oeffeutliche Arbeiten Barthou, Handel Doumergue, Ackerbau Ruau, Kolonien Pichon, A r b e i t s m in ist er iu m Viviani. Zusammentritt des englischen Parlaments. DaS englische Parlament wird heute zu einer Herbstsession zusammentreten. Im Laufe der Session wird die Arbeiter und Unterrichtssrage zur Erörterung kommen und in den Beratungen einen großen Raum einnehmen. Große Be deutung wird der Haltung des Oberhaules in diesen Fragen beigelegt. Man glaubt, baß ein Konflikt zwischen beiden Häusern unvermeidlich sein werde. Prozeß gegen die Äadrttenpartei. Dir russische Regierung beschloß nunmehr, alle Personen, welche die gegen die Regierung gerichtete Erklärung des letzten Kadettenkongreffes unterzeichnet haben, gerichtlich zu verfolgen. politisches. v. L. Ein Kanzlerkandidat? Frhr. v. d. Goltz, der kom mandierende General des ersten Armeekorps, wird der Londoner Finanz-Chronik von einem Berliner Mitarbeiter als eventueller Kandidat für den Posten des Reichskanzlers genannt, falls dieser aus Gesundheitsrücksichten sich nicht würde im Amt halten können. Es wird hinzugefügt, daß in einer Kanzlerschaft v. d. Goltz nach hohen Äeußerungen „ein Geschenk an die deutsche Intelligenz" zu erblicken sein würde. Ohne uns die Kombination zu eigen machen zu wollen, wollen wir doch nicht verfehlen, sie einfach zu registrieren. * Rückkehr aus Lüdwcstafrika. Mit dem Reichspost- dampser „Erna Wörmann" tnffl am 26. d. M. ein Truppen transport aus Süvwestafrika in Cuxhaven ein, der 16 Offiziere und Beamte und 630 Unteroffiziere uud Mann- schäften umfaßt. Unter den Offizieren hefindet sich Haupt mann Buchholz sowie die Oberleutnants von Saurma-Ieltsch, von Harder und von Wedel. * Daß ei» Uiitcrstaatssckrctariat bet der Reichskanzlei errichtet werben soll, wird der „Köln. Ztg." als verfrüht bezeichnet. „Es ist allerdings zutreffend, baß schon häufig eine Hebung ber Stellung deS Chefs der Reichskanzlei, dessen Geschäfte weit aus dem Rahmen der Geschäfte eines Vor tragenden Geheimen Rats hinausfallen, in maßgebenden Kreisen erwogen worben ist. Auch Fürst Bismarck ging schon, als Rottenburg Chef der Reichskanzlei war, mit einem solchen Plan um. Bestimmte Gestalt hat eine solche Absicht aber auch jetzt noch nicht angenommen. * Ter sozialvcmokratijche Beigeordnete. Der Ausschuß der natioualllberalen Partei des Großherzogtums Hessen wird sicherem Vernehmen nach in kurzer Frist eine besondere Sitzung einberufen, um über die Bestätigung des Sozialde mokraten Eißnert Stellung zu nehmen. Die nationalliberale Kammerfraklion wird, wie Vie „Fr. Ztg." meldet, wahrschein lich nach Wiederzusammentritt der Kammer eine Inter pellation hierüber an die Regierung richten. * Hafeninfpcktor und Sozialpolitik. Dem „Berl. Tagebl." zufolge hat das Hanseatische Oberlaudesgericht eine bemerkenswerte Entscheidung gefällt. Es entschied, es gehöre zur gesetzlichen Befugnis des Hafeninspektors, die Hafen arbeiter vor Ueberarbeilung zu schützen. Der Hafeuinfpektvr batte Schauerleutcn, die die Löschung eines KohlendampserS übernommen und nach 14 stündiger Arbeitszeit Erschöpfung angegeben hatten, die Weiterarbeit verboten. G * Ungarischer Chauvinismus. Mehrere Pestrr Kauf leute bestellten für die bevorstehende Rakoczy-Feier Säbel in Deutschland. Konkurrenten beschwerten sich darüber. Der Ministerpräsident bezeichnete die Verwendung von deutschen Säbeln bei einer Nationalfeier als eine Schändung der Feier. Wekerle verbot den Zollämtern die Auslieferung der Säbel. (?) die geschädigten Kaufleute, die bei Wekerle erschienen, um ihn zu bitten: daö Verbot aufzuheben, bekamen von ihm zur Antwort: „Lieber sollen Banderien mit Knütteln und Stöcken ausrücken, ehe ich die Schändung der Feier durch deutsche Säbel gestatte." — Die Nachricht klingt kaum glaublich. Das Verbot an die Zollämter ist einfach unmöglich, weil un gesetzlich. * Rücktritt des Grafen Lanza. Es bestätigt sich, daß im nächsten italienischen Ministerrat die Demission des Berliner Botschafters Grafen Lanza angenommen wird. Man bat mit der Genehmigung im Hinblick auf die großen Sym pathien, deren sich der scheidende Botschafter in Berlin erfreut, so lange gezögert. Als Nachfolger kommt der bis herige Botschafter in London, Pansa, in Betracht. — Dazu schreibt uns unser römischer Korrespondent: Der Rücktritt des Grafen Lanza vom Berliner Botschafterposten stehl nicht außer Beziehung zu dem gegenwärtigen Stande der diplo matischen Beziehungen zwischen Berlin und Rom. Es ist nämlich merkwürdig, daß das Ruhebevürfuis des in Berlin so beliebten und mit Recht geachteten Botschafters seit der Zeit datiert, da Italien Anlaß zu ernsten Bedenken ob seiner Auffassung der Bundestreue gegeben bat, feit etwa 3 Jahren nämlich, leit der italo-französischen Verbrüderung und der italo-englischen Intimität. Nur die Hoffnung, die nicht selten heikle Lage vermöge seiner persönlichen Geltung zugunsten seines Vaterlandes zu bessern, hat den Grasen Lanza auf dem Posten gehalten. Wenn er jetzt doch abtritt, so will das nicht sowohl besagen, daß eitel Sonnenschein herrscht, als vielmehr, daß eine neue politische Aera in Aussicht steht, die ihm wenig behagt und deren Tragweite dermaßen unab sehbar ist, daß er eS in Anbetracht seines hohen Alters vor zieht, ihre Vertretung einer anderen Person zu überlassen. Als diese andere Person kommt der frühere Botschafter in London, Pansa, in Betracht, ber z. Z. zur Disposition des Ministeriums steht, und als Politiker wie als Mensch weder Anlaß zu Hoffnungen noch zu Befürchtungen gibt. * Tie Arbeiten am „Lutin". Die Arbeiten zur Hebung des „Lutin" sind so weit gediehen, daß eS am Montag gelang, das Boot einige Meter zu heben. Es soll nach der Richtung der Küste geschleppt werden, wozu durch Bojen die Stellungen angedeutet sind, wo das Boot ohne Gefahr auf den Meeres boden gesetzt werden kann. Eine vom Marineministerium veröffentlichte Mitteilung besagt, daß der Vorgang sich wahr scheinlich folgendermaßen abgespielt habe: Der „Lutin" markierte vier Angriffe, bei denen jedes Mal ein Unter tauchen erfolgte. Nach dem vierten Angriff bemerkte man auf dem Begleitschiff, daß das Vorderteil des Bootes sich aus dem Wasser hob, was darauf schließen läßt, daß im Hinter teil ein Leck entstanden ist. Eine andere Erklärung hat man vorläufig nicht. * Bombenattentat gegen einen französischen Abgeord neten. Aus Grenoble wird gemeldet: In der Wohnung des Deputierten Chionducollet explodierte in der letzten Nacht eine Bombe; in der Wohnung befanden sich ein Neffe und eine Nichte Chionducollets, die aber keinerlei Verletzung er litten; Chionducollet selbst war abwesend. * Aus der Skupschtina. In der serbischen Skupschtina erklärte der Finauzminister, die Handelsverträge könnten nur auf der Grundlage der Gleichberechtigung abgeschlossen werden. Dieses Recht wurde aber Serbien von Oesterreich-Ungarn nicht zugestanden. Nach weiterer Debatte wurde dann die Verhandlung vertagt. * Tic Lage tu Serbien. In den nächsten Tagen wird in Belgrad ein Vertreter der englischen Gefchützfabrik Vickers SouS, Maxim and Company erwartet, der nach einer Mel dung aus London der serbischen Regierung die Vorschläge über die Lieferung von Feldgeschützen, sowie daS Angebot einer neuen Anleche von drei Millionen Pfund Sterling über mitteln soll. Präsident Alsono teilte dem Parlamente mit, es sei wegen des durch die Presse der Opposition hervor gerufenen Mißtrauens unmöglich, in Europa eme Anleihe aufzunehmen. Die wirtschaftliche Lage der Re gierung sei verzweifelt.—Ob Serbien den Widerstand gegen Oesterreich durchzufechten in der Lage sein wird? An scheinend hat man ausgeharrt in der jetzt erfüllten Hoffnung, Feuilleton. Vie ersten Lntscchliessuugea stack nicht immer ckie klügsten, aber gewöhnlich ckie recklichsten. UeMng. Ts ist ckss köstlichste (beschenk ckes Himmels, Tnt- schlup in ckem geltencken Augenblick, vvo ckie gepresste Srust nur ckurch etwas Unerhörtes sich Tust macht. SM Mer. kAan sage nicht, ckss Schwerste sei ckie Tat: Vs Hilst cker üäut, cker Augenblick, ckie kegung: vss 8chwerste ckleser IVelt ist cker Tntschluss. SrIIIpsrrer. Ein Berliner Skandal. Von Fr. Katt (Berlin). „Mit Seiner Majestät des Königs allergnädigster Be willigung wird Mittwoch, den Ilten Juni 1806 zum Benefiz für Herrn Mat tausch zum Erstenmale gegeben: Die Weihe der Kraft, Ritterschauspiel in fünf Akten von dem Verfasser der Söhne des Tals. Die zur Handlung ge hörige Musik ist von Herrn Weber. Billets auf ganze Logen sind bei Herrn Vöheim, Behrcnstraße Nr. 29 zu haben." Also lauteten in jenen außergewöhnlich heißen Früh- lingstagen des Jahres 1806 die Affichen des Berliner Nationaltheaters. Zacharias Werner war der Urheber des Stückes, das wochenlang die Gemüter beunruhigt und aufgeregt hatte. Denn der Held war kein anderer als Doktor Martinus Luther. Schon im Jahre 1804 war Werner, damals siidprcußischer Kammersekretär bei der KriegS- und Tomänenkammer in Warschau, mit dem Generaldirektor Jffland brieflich in nähere Beziehungen getreten. Er hatte zu jener Zeit sein erst drei Jahre später aufgeführtes Trauerspiel „Die Söhne des Tals" unter der Feder und bat in einem längeren Schreiben an Jffland um Aufnahme seines Manuskriptes, die ihm auch zugcsagt wurde. Zeit und Umstände verzögerten jedoch Sendung sowohl als Auf führung. Im Mai )806 kam Werner nach Berlin, da er leine Entlassung aus südpreußischen Diensten erhalten hatte, um Jsslond persönlich kennen zu lernen. Bei dieser Gelegenheit übergab er ihm ein eben vollendetes neues Schauspiel: „Die Weihe der Kraft". Die Hauptperson im Schauspiel, Luther, sollte Jffland darstellcn. Werner begeisterte sich dafür. Nun tvar der ereignisreiche Abend da — trotz glühender Hitze das große Theater dicht gefüllt. In den Logen und oberen Rängen auffallend viel Militär. Gendarmen Nr. 10 in Weiß und Silber, die Göckingkschen Husaren, ziegelrot leuchteten die goldver- schnürten Jacken, die Potsdamer Garde, in scharlachenen Rabatten und Ausschlägen mit Silberpuschclbcsatz, die bimmelblauen Havelberger Karabiniers, das Regiment Möllendorf; wie die Brustschilde der Gala gleißten — ein bunter Anblick! Im königlichen Rang Prinz Louis, der Jöttliche, wie ihn die Berliner nennen, unten, in den Par terrelogen die kleine schwärzliche Rahel Lewin, die bich schöne Geheimrätin Herz, das Wieselchcn, die reizende Pauline, des Prinzen neueste Flamme, urrd viele andere. Rcibedanz, der Konditor, konnte nicht genug Eis und Sorbets heranschleppen — man fächelte sich, die Turbane aus Mull und Gaze drückten die Locken kaput — die dünnen Linon kleider kamen heute gut zu Paß. Das tvar einmal ein Klimbim! Man zischte, klatschte, tobte, immer wieder mußte Jffland, der famose Luther, vor die Gardine. Kritiken und Polemiken letzten am anderen Tage ein. Wochen hindurch wurde das Stück gegeben, bis die famose sommerliche Schlittenpartie der Herren Gendarmen den Aufführungen ein Ziel setzte. Die Kriegs trompete ertönte, und der 14. Oktober des Jahres 1806, die Schlappe von Jena, fuhr wie ein Blitzstrahl in die theater lustigen Berliner hinein. Noch ist's nicht so weit — noch spukt die „Weihe der Kraft" — noch drängt man sich in das Schwitzbad, Nationaltheater genannt. Die Pracht der Deko rationen, der herrliche Zug zum Wormser Reichstag, Beschort als lustiger Rat, Bethmann als Karl der Fünfte, die junge zierliche Mebus als Famulus, die Unzelmann als Kathrrina von Bora entzückten. Scharenweise pilgern die Berliner Dienstmädchen ins Theater — Jotte doch — bet muß man jesehen haben! Die Gärung wird immer gewaltiger. Fragen werden laut: „Kann gegen die öffentliche Meinung ein Schauspiel auf die Bühne gebracht werden? Ist cs eines dramatischen Schriftstellers würdig, vor de: Aufführung seines Stückes das Publikum um dessen Beifall zu bitten? Kann Vernunstglaube Gegenstand dramatischer Bearbeitung werden? Ist die Tragödie wirklich lebendige Darstellung frommer Helden des Vaterlandes? Ob ein Luther in Wahr heit nicht weit kräftiger und größer lst als dieser Bühnen- luthcr? Herrmann, Friedrich Barbarossa, Gustav Adolf sollen auf die Bühne kommen? Die Antworten sollen in öffentliche Blätter kommen, natürlich unentgeltlich — weil man bei den jetzigen teuren Zeiten erst loben, dann lernen muß. Ein Bürger Berlin's." Merkel von der „Spenerschcn" bleibt unerschütterlich. Immer wieder betont er. es sei ein treffliches vaterländischcs Schauspiel. Schwerenöter waren diese Gendarmen und Höllischen Studenten, aber es sollte noch schöner kommen. Am 24. Juli des Jahres 1806 sand die Ulkpartie statt, im Parlament d'Angleterre, wo man in Pontac schwelgt, auf den Wachtzimmern wurde die Sache auSspintisiert, bei der dampfenden Punschbowle, beim Kartenspiel, gedachte man ähnlicher Schwänke. Der lange Nostiz, Prinz Louis' Adjutant, der noch an den Folgen seines tollkühnen Rittes vor der Anatomie krankte, wo der Gaul in einen Fischbottich sprang und seinen Reiter unter sich begrub, setzte die Sache ins Werk. Dann wollte man einen neuen, ähnlichen Spaß. Der Rittmeister von Königseck schlug vor, die „Weihe der Kraft" zu einer Mummerei und einem Auszug zu benutzen. Die Memoiren des späteren russischen Generalleutnants Karl von Nostiz veranschaulichen die Gendarmenassäre. „Es wurde nun folgende Parodie von den lustigen Kumpanen entworfen: In dem Stücke wird zu Wittenberg ein Nonnen- klostcr ausgehoben, und der die Handlung vollziehende Kanzler sagt zu den Nonnen: „Geht in die Welt und wirket." Die Nonnen verlassen das Kloster und tauchen nicht wieder in dem Schauspiel auf. Nur Katharina von Bora bleibt auf der Szene, um später Luther zu heiraten. Das fernere Schicksal der Nonnen wird nun in folgender Weise paro diert. Sie kommen nach Berlin und finden daselbst bei Madame Etschern, einer übel beleumundeten Personale, Ausnahme. Bald gewöhnen sich die früheren Nonnen daran, Pensionärinnen der würdigen Dame zu werden. Luther hört, daß seine früheren Kolleginnen in Berlin Asyl ge funden, und reist in Gesellschaft seiner Hausfrau hin, die Gefährtinnen vergangener Tage zu besuchen. Hier macht er eine glänzende Schlittenfahrt im Hochsommer. Dies war der Entwurf des etwas rohen Spaßes. Ein Blatt zur Unterschritt wurde herumgereicht. Bald standen l"> Namen darauf. Strenges Schweigen wurde an gelobt. Nostiz verschaffte sich als Haupt der Kamarilla einen ziemlich großen Schlitten, ließ diesen auf Näder setzen und mit herabhängendem grauen Tuch bedecken. Jeder Teil nehmer mußte vier Vorreiter stellen, alle in hochroten Jacken mit Gold- und Siibertressen, Fackeln in den Händen. Ferner bestellte er seine Damcntrachten, sowie Damensättel für die Pferde. Die Tracht Luthers sowie die seines Famulus wurden aus der Theatergarderobe entnommen. Auch das gewöhnliche Hauskostüm der Madame Etschern wurde nachgcarbcitet. Die Matrone hatte an der Hüfte ein großes Bund Schlüssel, in der Hand eine Punschkelle. Sie sollte einen kleinen Grauichimmel mit oufgestccktcn Esels ohren reiten. In dem Schlitten selbst nabm Luther mit seinem Famulus Platz, der in der Hand die lächerlich lange Flöte seines Herrn hielt. Katharina von Bora -itt auf der Brutsche, in der einen Hand eine Klapper, in der andern eine shackel schwenkend. Am 24. Juli 1806, nachdem die „Weibe der Kraft" trotz allem Widerspruch bereits die 15. Aufführung erlebt hatte, versammelten sich die Teil nehmer der Mummerei am Abend bei Nostiz, Graf Herzberg in der Tracht Luthers, Leutnant von Ziethen als Frau Etscher und ein zarter rosiger Körnet als Famulus ver kleidet. Der lange Nostiz fungierte als Katharina non Bera Die ganze Strecke bis zum Brannenburger Tor hatte I man mit Salz bestreuen lassen, prachtvoll gekleidete Bor- I rciter eröffneter, den Zug, xg mochten wohl an sechzig sein, I dann folgt« der große Schlitten, hinterher die Kavalkade. Von einem Lichtmeer übergossen, kam der Zug um die neunte Abendstunde aus der Charlottenstraße hervor, bog in bin Linden hinein und bewegte sich nicht akffu schnell durch die zusammengeströmtc Menge, die, erst verblüfft, dann mit Gejohle und Geschrei die groteske Anspielung bejubelte. Bis zum Brandenburger Tor ging es so vorwärts, dann wurde in sausendem Galopp dieselbe Strecke förmlich hinuntergefegt, da sich schon Husaren und Polizeier zu zeigen begannen. An einer Seitenstraße verlöschten plötzlich die Fackeln, in schnellem Galopp verloren sich die Teilnehmer des Zuges, wie ein toller Spuk zerrann alles in nichts. Wieder einmal lzatten die Herren vom Eliteregimcnt etwas ausgesreften — ob ihnen wohl dabei zn Mute war? Bald, recht bald sollte sich das glänzende Reitcrkorps zersplittern, aussösen — Jena stand vor der Tür, noch aber glaubten sich die Herren unüberwindlich — die Bürgerkanaille mußte sich geehrt fühlen, wenn ihr so etwas vorgemocht wurde. Ein königlicher Parolcbesehl sagte eine strenge Unter suchung des Scherzes an. Die Frau des Kabinettssekretärs Beymc, die von Nostiz in einer wenig rücksichtsvollen Weise behandelt worden war — er hatte sie öffentlich eine häßliche intrigante Katze genannt — bestürmte ihren litten, so strenge als möglich zu verrühren. General von Elsner, der Chef der Gcnvarmcn, erhielt eine scharfe Rüge. Die Teil nehmer des Zuges glaubten den Sturm durch freiwillig« Namensangabc zu beschwören. Die jüngsten Offiziere, unter ihnen Nosiiz, kamen mit einer Vermahnung davon. Drei ältere Onizicrc erhielten vicrzebntäg'gen Arrest auf dem weißen Saal im Schlosse. Nostiz' intimster Freund, der liebenswürdige, schöne Stabsrittmefftce von Alvenslebcn büßte am härtesten. Er mußte den roten, goldgestickten Ge- scllschaftsfrack der Gendarmen auszieben uud unrrde nach Schlesien zum Kürcffsierregiment von Holzendorf versetzt. Etliche Tage hindurch machten die Berliner ihre Witze über die Affäre, spöttische Reime erschienen in Menge: „Kann Herr Luther Balken treten. Mag er auch das Pflaster kneten." Die Vorstellungen der „Weihe der Kraft" wurden suspendiert, erst nach der Franzoscnzeit trat Jffland wieder in demselben Stück auf, diesmal mit ungeteiltem Er'olg. Man lächelt heutzutage über den Sturm im Wasserglase, den dieses Spcktakclstück hervorbrachtc, die Berliner lachten schon damals über das Liebesspiel der Hvazinthenjung'rau Tkerese und des zparfunkeljünglings Theobald. Werner habe sich in widerlicher Religionsichwärmcrci etwas zugute getan, alw bezeichnet Heinrich Heine die Eigenart dieses Dramatikers. Erst sein „24. Februar" machte alle? wieder gut. Jene Schlittenfahrt ist eng mit Berliner Traditionen verknüpft. Die Reste des Regiments besichtigte der aewaltige Korse im Berliner Lustgarten. Sie wanderten nach Spandau in die Gefangenschaft, und die Gassenjungen riesen ihnen höhnisch nach: „Laust nur jetzt zu Fuß. wie ihr bei Jena gelaufen seid!" DaS war das End« der iamosen Gendarmen. Nostiz, d«r Tollste von allen, trat erst in öfter-
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