Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.01.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-01-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040127025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904012702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904012702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-01
- Tag1904-01-27
- Monat1904-01
- Jahr1904
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs-Preis in der Hanptrxprditton oder deren Ausgabe stellen ab geholt: vierteljährliches.—, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins Haus e 3.7 ü. Durch die Post bezogen für Deutsch, land u. Oesterreich vierteljährlich e 4.bv, für di« übrigen Länder laut ZriNmg-prri-ttste. «esakti-a uud Sr-edttia«: Johannisgassr 8. Fernsprecher 1Ü3 «. 222. -lltalerpedtttonea: AlfredHahu.Buchbandlg., UaiversitätSsü. S <F«rnspr. Nr. 4046), L. Lösche, Katharinen« sircchr 14 (Fernsprecher Nr 2v3L> u. Königs- Platz 7 (Fernsprecher Nr. 7bOL). Haupt-Filiale Dresden: Marienftraß« 84 (Fernsprecher Amt l Nr. 1718). Hatepr-Ailiale Berlin: CarlDuncker, Hrrzgl.Bayr.Hofbuckbandla^ Lützowstraße 10(FernjprrcherAmtVI Nr.460S.) Nr. 48. Abend-Ausgabe. Aslnger Tageblatt Anzeiger. Ämtsklatt des ÄSnIglichcn Land- «nd des königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Aales und des Volizeiamtes der Ltadt Leipzig. Mittwvch den 27. Januar 1904. Anzeigen-PreiS die 6 gespaltene Petitzeite 25 Reklamen unter dem Redaktionsstrich (4 gespalten) 7ü vor den Familiennach- richten (6 gespalten) öO Tabellarischer und Ziffern'atz entsprechend Höker. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 2L «H. Ertra-VeilLsen (gesalzt), nur mit der Morgen.Ausgabe, ob ne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Anuahmeschluh für Anzeigen: Abend-Ausgabe: vormittags 10 Uhr. Morgen.Ausgabe: nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Pölz in Leipzig (Inh. 0r. B-, R. sr W. Klinkhardt). 98. Jahrgang. Var Aicbligrte vom Lage. * Ja Berlin ist zur Feier de» Geburtstage» de» Kaiser» ein großer Teil der deutschen Fürsten ver sammelt. * Der Direktor der Kolonialabteilung vr. Stübel soll sein Abschied» gesuch eingereicht haben. * Für die Reichstagsstichwahl in Osnabrück haben die Sozialdemokraten Wahlenthaltung als Parole au-gegeben. * Nach englischen Meldungen dringt Japan auf eine baldige Beantwortung seiner letzten Note durch Rußland. Die chinesrsche Regierung soll auf Anregung Rußland- die drei Mächte Frank- reich, England und die Bereinigten Staaten um Ver mittelung angegangen haben; Frankreich hätte ^»gesagt, während die beiden anderen Großmächte abgelehnt hätten. Politische Tagesschau. * Leipzig, 27. Januar. Netchsregierung und Reichstag. Daß ein recht namhafter Bruchteil der Mitglieder des verflossenen Reichstags durch Schwänzen und die Herbei führung skandalöser Scenen daS Ansehen des Reich-Parlament- bat herabfetzen helfen, ist leider nicht zu bestreiten. Auch im neuen Reichstage hat sich bereit» manches ereignet, was nicht dazu beitragen kann, das gesunkene Ansehen wieder zu heben. Jedenfalls aber kann man auch der Reichsregie rung den Vorwurf nicht ersparen, daß sie mit dem Reichstage in einer Weise umspringe, die seiner Würde Abtrag tun muß. So hat die späte Ein berufung der neu erwählten Körperschaft ganz wesentlich dazu beigetragen, daß ihre Geschäftslage eine überaus un günstige geworden ist. Es war das gute Recht dieser Körper schaft, über grundsätzlich bedeutsame Fragen der inneren Politik zu Beginn der ersten Tagung sich auszusprcchen und die Wege aufzuhellen, auf denen diese Fragen zur Lösung ge bracht werden können. Die Regierung hätte also dem Hause dazu Zeit gewähren und demgemäß den Termin der ReichS- tagSeroffnung so früh als möglich ansetzen sollen. Statt dessen hat sie die Eröffnung so weit hinausgezögert, als eS irgend ging. Noch befremdender und für das Ansehen de- Reichstags nachteiliger ist die lakonische Art und Weise, in der vorgestern der Staatssekretär Graf VosadowSky die gegnerische Stelluna der verbün deten Regierungen gegen die nationalliberale Resolution auf Bewilligung von Anwesenheitsgeldern für die Mit glieder deS Hause« dartat. Der Staatssekretär begnügt« sich bekanntlich damit, zu erklären, daß sür die Bewilligung von Reichstag-diäten eine Mehrheit im BundeSrate nicht vor handen wäre. Zunächst ist diese Erklärung wohl sachlich nicht ganz richtig oder zum mindesten zweideutig. Da ter Abg. Or. Spahn, ohne von irgend einer Seite Wider spruch zu finden, behauptete, baß der Widerspruch allein bei Preußen liege, so ist doch wohl an sich eine Mehrheit für die Bewilligung der Diäten auch im Bundes rate vorhanden. Diese Mehrheit reicht freilich nicht au-, um dem Anträge auf Diäteagewähruag Gesetzeskraft zu geben, da er eine Verfassungsänderung bedingt, die schon bei einer Gegnerschaft von 14 Stimmen im Bundesrate al- ab gelehnt zu gelten hat. In diesem Sinne ist allerdings eine Mehrheit für den Diätenantrag im BundeSrate nicht vor handen. Seken wir aber von der Unaenauigkeit in der Er klärung de» Grafen Posadowskv ab, so ist eS doch eigentlich ein recht starke- Stück, daß der Vertreter der verbündeten Re gierungen bei der Besprechung einer derartigen Frage einfach erklären darf: „der Bundesrat will nickt", und daß er sick nicht damit zu bemühen braucht, di« ablehnende Haltung des Bundesrats auch sachgemäß zu motivieren. Man muß nur be denken, daß der Antrag schon wiederholt zur Annahme gelangt ist und daß keine einzige Partei geschlossen gegen ihn stimmt, wohl aber große und ausschlaggebende Parteien ge schlossen für ibn eintreten, so daß gut eine Vierfünftel-Mehr- heit des Reichstags sich der Forderung auf Diätenbewilligung anschließt. Und dieser wiederholten und überwiegenden Mehr heit gegenüber hält eS die Regierung nickt für notwendig, sich auf Gründe einzulassen. Wir möchten wohl sehen, wa- die verbündeten Regierungen dazu sagen wurden, wenn sie irgend eine Forderung, sagen wir eine HeereS- vermehrung, einbrächten, und wenn dann das Zentrum und die Parteien der Linken sich darüber verständigten, daß ein Redner dieser Parteien zu erklären hätte: „Für die Bewilligung dieser Forderung der Regierungen ist keine Mehrheit ,m Reichstage vorhanden." Die verbündeten Regierungen würden sofort auf das allerschärfste gegen eine derartige Behandlung einer ihrer Vorlagen protestieren, und zwar mit Recht. Warum aber soll dem Reichs tage nicht recht sein, waS dem Bundesrate billig ist? Verfassungsmäßig sind Reickstag und BundeSrat gleichberechtigte Faktoren der Gesetzgebung, und des halb kann der Reichstag verlangen, ebenso respektvoll vom BundeSrate behandelt zu werden, wie der Bundesrat jederzeit auf eine achtungsvolle Behandlung seitens des ReickStagS An spruch macht. Einer der angeblichen Gründe der Ablehnung der Diärenforderung ist, daß die Sozialdemokratie von den Reichstagsdiäten Vorteilbätte. Nun,wirmeinen,daß diesePartei von einer solchen Art der Behandlung des Reichstags jeden falls viel mehr Vorteil habe, denn wenn auch der Reichstag allmählich an Energie so viel verloren hat, um gegen eine olche Behandlung rücksichtslos Front zu macken, so drückt ich der Unwille des Volke- über ein solches Vorgehen gegen eine Vertretung in den sozialdemokratischen Stimmenzisfern auö. Neben den Sozialdemokraten aber ziehen auch die süddeutschen Partikularisten aus dem Verhalten der Negierung gegen den Reichstage Vorteil. Die- geht aus der Rede, die der württembergische Abgeord nete Gröber zu dem Diätenantrage gehalten hgt, mit Deut lichkeit hervor. Herr Gröber erblickt in der ablehnenden Haltung Preußens eine Bevorzugung der preußischen Abge ordneten, von denen ein großer Teil dem preußischen Parla ment angehört, und er bezeichnet deshalb da- Verhalten Preußen- als „partikularistische Politik". Dieses Wort wird sicherlich in Süddeutschland eifrig weiter kolportiert werden. Die Sozialdemokraten nnd die Herero-Sre-tte. Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion hat sich am vorigen Dienstag bekanntlich der Abstimmung enthalten. DaS schien manchem ein Fortschritt gegenüber den sonst geübten Bräuchen, und hier und da wurde eS sogar ganz direkt als eine Konzession an den Revisionismus gedeutet. Der „Vorwärts" leugnete da- zwar in einer recht unglücklichen Erklärung ab, aber e- scheint doch wirklich so gewesen zu sein; denn nun meldet sich der Protest der Unentwegten im Kreise Teltow-Beeskow-Eharlottenburg. In der letzten Generalversammlung des sozialdemokratischen Zentralvereins für diesen Kreis wurde nämlich einstimmig folgende Reso- jution beschlossen: „Die Generalversammlung de» sozialdemokratischen WahIvereinS für Teltow-Beesww-Storkow-Lbarlottenburg kann sich mit der Haltung der Reichstagsfraktion gegenüber der Forderung zur Unter drückung des Aufstandes der Herero- nicht einverstanden er klären. Bon vornherein steht sie auf dem Standpunkte, daß sich die Vertreter unserer Partei in keinem Falle der Abstimmung ent halten sollen. In dem besonderen Falle hält die Versammlung die prinzipielle Verweigerung aller Forderungen, die zur Fort setzung der ausbeuterischen, gemeinschadlichen, kapitalistischen Kolonial politik dienen, für geboten. Namentlich kann sie leinen Grund dafür einsehen, Mittel zur Unterdrückung eines Volkes zu bewilligen, da« nm seine von räuberischen Kapitalisten bedrohte Existenz kämpft. Die Versammlung spricht daher den Wunsch au-, die Fraktion möge ihre Stellung einer nochmaligen Prüfung unterziehen und die geforderten Geldmittel in der dritten Lesung verweigern. Der eigentliche Urheber dieser Kundgebung war der Abg. Zubeil, der in der Begründung seines Antrags betonte, daß in Parteikreisen die Aenderung in der Haltung der Fraktion gegenüber der Kolonialpolitik sehr mißfällig ausgenommen worden sei und daß alle Mittel in Be wegung gesetzt werden müßten, um die Fraktion zu ihrer alten Haltung zu bekehren. Es wird interessant sein, zu verfolgen, welche Mittel Herr Zubeil in Anwendung bringt, um die Fraktion seinem Willen zu beugen, und welchen Er folg er erzielt. Eigentlich müßte Herr Bebel sein treuester und energischster Verbündeter sein. Die Niederlage RibotS. Während durch die Ausweisung des Pfarrers Delsor aus Frankreich die öffentliche Meinung in Deutschland durch aus kühl gelassen wurde, haben die Führer der sogenannten progre^istos in der französischen Deputiertenkammer Ribot und dessen klerikaler und nationalistischer Anhang die An gelegenheit zu einer „patriotischen" Haupt- und Staatsaktion aufzubauschen versucht. Dieser Versuch ist, wie bekannt, kläglich gescheitert; Ribot ist selbst in die Grube hinein gefallen, die er dem Konseilpräsidenten EombcS gegraben hatte. Abgesehen davon, daß ihm nachgewiefen wurde, wie er bei den unter seiner früheren Leitung des Ministeriums des Innern vollzogenen Ausweisungen von Elsässern als Wohnsitz kurzweg Deutschland bezeichnen ließ, er mithin sogar den geographischen Begriff Elsaß eSkamotiert bat, ist dem lediglich nach der Macht strebenden Ribot noch «in weiteres Mißgeschick widerfahren. Werden ihm doch jetzt Auszüge aus der „Revue catholique dÄlsace" ge widmet, die ihn selbst nahe angehen. So schrieb Herr Delsor im Juli 1898: „Alle- läßt darauf schließen, daß die Vorbereitungen für die Madagaskar-Expedition abermals ein unermeßliches Panama waren, wo Lieferanten, Rheder, Geschäftsagenten Herrn Ribot und seinen Kollegen mehr Trinkgelder bezahlten, als Material und Lebens mittel nach Madschunga beförderten. Herr Ribot und sein Kollege vom KultuSnnnistermm verstehen sich besser auf den Krieg mit den Pfarrern, als auf den mit den HovaS". Höchst komisch ist auch die Naivetät Paul DSroulödes, der in einem aus San Sebastian aus Anlaß des Ausganges der jüngsten Interpellation an die Nationalisten gerichteten schreiben von „der allzusehr überqueüenden Freude der deutschen Presse" spricht. In Deutschland ist, abgesehen von den klerikalen Organen, die Angelegenheit lediglich als eine solche der inneren Politik Frankreichs aufgesaßt worden. An die patriotischen Wallungen der National«!«» ist nirgends in der W«lt geglaubt Worten. Da« Ministerium Eouibe» soll aber, wie die „Nat.-Ztg." richtig hervorhebt, nur deshalb einem Kabinett Ribot oder einer Regierung verwandter Schattierung Platz macken, weil für die geistlichen Genossen schaften gefürchtet wurde, deren Los andernfalls besiegelt erschien. Krisis tm fernen Osten. Das „Reutersche Bureau" veröffentlicht folgende Depesckc seines Privatkorrespondenlen aus Petersburg vom 25. ds.: Nack Mitteilungen von wohlunterrickteter Stelle macken die schwebenden Besprechungen geringe Fortschritte trotz de« bestimmt bekundeten Wunsches Rußlands, einen Konflikt zu vermeiden. Die Bemühungen der Diplomatie werden im hohen Maße durch das Gefühl des Mißtrauens zwischen den beiden streitenden Teilen unfruchtbar gemacht und durch das sich daraus ergebende Beharren auf der Forderung nach Garantien auf jeder der beiden Seiten. Rußland wünscht Japan vollkommene Freiheit zu berech tigter Ausdehnung in Korea zu lassen, wünscht aber im Austausch dafür die Garantie, daß die Südküste von Korea nicht befestigt werden soll. Japan weigert sich, als Garantie eine allgemeine Zusicherung Rußlands be züglich der chinesischen Souveränität in der Mandschurei an- zunebmen oder die Zusickerung, daß der überwiegende Einfluß Japans in Korea respektiert werden soll. Japan fürchtet, wenn es nicht bei Zeiten festen Halt über Korea erlange, könnte es eines Tages von Rußland verdrängt werden. Es verlautet, nur von außerhalb der Parteien kommender Einfluß könne hoffen, die Unterhandlungen aus dem gegenwärtigen Stocken herauSzu- bringen. — Dem „Reuterschen Bureau" wird ferner von der japanischen Gesandtschaft in London mitgeteilt, daselbst sei von einer Antwort Rußlands an Japan nichts bekannt. S«it der letzten japanischen Note seien iwiscken den beiden Regierungen keinerlei Mitteilungen ergangen. Aller Wahr- sckeinlickkeit nach werde die nächste russische Note direkt von Petersburg an den Gesandten in Tokio, Baron Rosen, tele- phiert werden, der sie der japanischen Regierung über reichen werde. * T-kto, 26. Januar. („Reuter.") Nach einer wichtigen Sitzung deS Kabinetts wurde heute eine dreistündige Beratung der „Akten Staatsmänner" abgehalten. * Tokio, 26. Januar. („Reuter".) Einheimische Finanzleute bieten der Regierung weitgehende Unterstützung an; es wird jetzt offenbar, daß die Regierung in den Stand gesetzt sein wird, sehr beträchtliche Summen im Jnlande auszubringen, ohne sich auf Ankeiheaufnahmen im Auslande verlassen zu müssen. * London, 27. Januar. „Daily Mail" berichtet aus Tokio vom 26. Januar: In einem am 25. Januar von Petersburg ein gegangenen langen Telegramm des japanischen Gesandten in Petersburg ist die Nachricht enthalten gewesen, daß Rußland beabsichtige, dieAntwort noch einige T age hinzuziehen. Daraufhin berief der Minister des Aeußern Baron Komura sofort die leitenden Beamten des Auswärtigen Amtes zusammen; es er folgte eine lange Beratung. * Tokio, 26. Januar. („Reuter".) Die japanische Regie rung teilte dem russischen Gesandten, Baron v. Rosen, mü, daß die baldige Antwort auf die letzte japanische Note er wünscht sei und betonte gleichzeitig, daß ihrer Ansicht nach die Note mn 16. Januar in den Besitz der russischen Regierung gelangte und somit hinreichend Zeit verstrichen fei, um die Antwort zu er- wägen. * London, 27. Januar. (Telegramm.) Die „Times" melden aus Peking vom 26. Januar: Am Freitag sandte Prinz Tsching, der in großer Angst darüber ist, daß China beim Ausbruche von Feindseligkeiten zwischen Rußland und Feuilleton. In -er Lranduny. 2j Roman von Wilhelm Fischer. Na. druck »erboten.) Sic errötete unter dem prüfenden Blicke, mit dem er sie unter den gesenkten Wimpern hervor prüfte; sie suhlte diesen Blick und ärgerte sich über sich selbst, daß sie ihm nicht Stand halten konnte; sie erhob sich plötzlich und trat ans Fenster. „Aha! Meine Theoriel" sagte der Baron und erhob sich gleichfalls. ,Hst mein Mann stark beschäftigt?" wandte sich Wally, das Gespräch abbrechend, um; sie hatte ihre Fassung wiedergefunden; nichts an ihr verriet, baß sie sich geärgert hatte. Sr verstand, daß sie das Gespräch abbrechen wollte. „Sehr sogar, so, daß er mich in meiner eigenen Sach« nicht anhören tonnte", antwortete der Baron. „Sie, Baron, und einen Prozeß?" fragte sie erstaunt. „Tine unangenehme Famtliensache. Aergerltcher Skandal, Len ich namens meiner Familie einzuleiten die wenig angenehme Ehre habe." „Nun, die Rechtsanwälte wollen auch leben; ist das Klageobjekt groß?" „Gnädigste interessieren sich also auch für Werners Beruf, da» Erste, wa» ich höre." Manchmal, Baron", lachte sie schelmisch. „Welche Frau interessiert sich nicht für bie Einnahmen ihre» Mannes. Es ist nur die Hausfrau in mir, Baron, die sich für Ihren Prozeß interessiert!" „Sogar nur die praktisckw, wie ich ergänzend kon statieren will. Und da» unterscheidet Sie wieder zu Ihrem Vorteil von Frau vr. Römer, die sich al» moderne Salonschlange mehr für den Gegenstand der Prozesse ihres Manne» interessiert. In allen Ehescheidungs prozessen ist Frau Grete höllisch informiert." „Ich glaube, sie ist es aus den Akten Ihres Mannes." „Otwoun ä üon wollt. Gnädigste." In diesem Augenblick meldete Anna, das Dienst mädchen, ihrer Serrin den Besuch von Frau Justizrat Mohr und der Frau Dr. Römer an. Wally eilt« den beiden Damen entgegen und ge» leitete sie in Las Zimmer, wo sie der Justizrätin beim Ablegen de- Hutes und «des Eape bchülfltch war. Frau Grete legte ihren koketten, teuren Hut nicht ab; sie schritt auf den großen, kostbaren Trumeau zu, der in einer Ecke des elegant ausgestatteten Zimmers stand und betrachtete sich wohlgefällig. Die herrliche schöne Krau war mit Recht eitel auf ihr üppiges, herrliches, tizianrotes Haar. Dann wandte sie sich vom Spiegel und rauschte aus den Baron zu, dem sie burschikos die Hand reichte, die dieser küßte. „Denken Sie sich, Baron, das Malheur!" Der Baron rollte ihr einen Sessel hin, in den sie sich nachlässig fallen lieb in einer Pose, die, wie unbeab sichtigt, ihre Formen raffiniert andeutete. Er hatte dafür keinen Blick, sondern sagte mit kon ventioneller, ausgesuchter Galanterie im Tone: „Bin ganz Ohr, meine Gnädige!" ,Fsch wollte Mama und Papa mit einem Billett sür die heutige Premiere überraschen, leider ist Mama etwas unpäßlich. Glauben Sie, daß ich die Karten an der Abendkasse ohne Schaden einwechfeln kann?" „Gewiß, gnädige Frau!" erwiderte er mit einer Verbeugung und kniff da» Monocle ein. ,L?ei dieser sensationellen und interessanten Premiere unter allen Umständen. War gestern abend in der Generalprobe; fabelhafter Erfolg, moderne» Düset!" „Unsere Freundin, die Frau DanitätSrat Müller, sprach mir heute morgen davon", sagte die Justizrätin. „Der Dichter führt den Nachweis", erzählte Baron Briesen, daß ein Kavalier, um die Ehre einer Frau zu retten, unter Umständen einen Meineid zu schwören und sein Ehrenwort zu verpfänden hat!" „Schrecklich, nicht wahr, meine Beste?" wandte sich die Justtgrättn fragend an Krau Wally. Diese nickte, dann meinte sie, indem sie ihre Hand auf den Arm Treten» legte: ,^Wenn Die mir die beiden Billetts abtreten wollten, ML osiSee!" „Aber mit dem größten Vergnügen", entgegnete Frau Grete, zog ihr Villettäschchen ans dem linken Hand schuh hervor und überreichte die beiden Theaterbilletts der Freundin. „Unser Abonnement ist gerade avgelausen", erklärte diese, „wir wollen einige Zeit pansteren, indessen reizt der kühne Vorwurf des Dichter» derart meine Neu gier, baß ich ganz gern meinem Vorsätze untren werben will, und dies um so lieber, al» wir ja heute Nach barinnen sein werden!" Die nahm die Billette in Empfang und entrichtete deren Betrag. „Diese modernen Bühnendichter!" sprach jetzt die würdige alte Dame kopfschüttelnd. „Nächstens werden sie noch den Ehebruch, das Laster des Trinkens, des Spieles nnd sonstige Liederlichkeiten zur Theatertugend erheben. Ich danle schön. Ich gehe deshalb gar nicht wieder ins Theater!" „Acker gnädigste Krau Jusiizratl's schnarrte der Baron und fixierte die alte Dame amüsiert. ,^Ja, ja, so ist's, und wenn Sie mich noch so sehr ver wundert anblicken, Baron; eS ist so", wehrte sich die Justizrätin ziemlich energisch. ,Hch habe vor den Mo dernen geradezu Angst. Neulich wurde gar ein Stück gegeben, das hieß „Im Duff!" Al» ich die» la», fiel ich beinahe in Ohnmacht!" „Aber beste Krau Justizrätin, man kann doch nicht alle» mit dem Mantel der christlichen Prüderie bedecken, wa» da im Leben geschieht. Der Dichter jedoch soll den Epigonen auch unser Elend schildern, da« sich vererbt, wie Frühling, Sommer, Herbst und Winter, und da» zur Erbsünde leuchtende und lockende Licht de« Monde«, da» einen Guy de Maupassant zu einer seiner stimmungs- vollsten Novelletten begeisterte. Aber wozu der Lärm", unterbrach sich der Baron; er schnellte da- Monocle vom Auge un>d schlug ein Knie über daS andere; dann fragte er, während ein leichtes »Lächeln um seine Mundwinkel spielte, „waren Sie nicht mit der Birch-Pfeiffer bekannt?" ,HBoher wissen Sie? Ach so, ich habe es Ihnen ja selbst erzählt", sagte Frau Mohr. „Nein, diese moderne Welt. Sie wir- immer sch echter. Solches Thema. Nein! Die selige Blocks würde sich im Grabe herum drehen, hätte sic eine Ahnung davon, wie eS heutzutage an ihrem geliebten Theater -ugeht." „Der Glöckner von Notre-Dame init der großen Gänsehaut, die man gratis zum Billett erhält", lachte der Baron. „Brr! mich schaudert'« schon, wenn ich nur daran denke." Frau Mohr drohte dem Baron, dem sie im Ernste nicht grollen sonnte, lächelnd mit dem Finger: „Warten Sie nur, Sie Spötter, Sie werben auch noch kuriert!" «Ne lachten. „Das Sujet der heutigen Premiere finde auch ich nicht ganz einwanbSsrei. Mein Mann erzählte mir einige Details!" sagte Frnu Grete. „Um eine Dame welchen Standes dreht sich eigentlich die Kabel?" fragte Wally. „Um eine Dame der Gesellschaft, eine verheiratete Kraul" entgegnete der Baron. „Die ehrenwerte Dame brachte ihrem Gatten einen Fehltritt in die Ehe mit, den sie ihm verheimlicht hat." „Ja, ja, das ist sch.imm", meinte die alte Justizrätin gedankenvoll. „In der Ehe darf kein Geheimnis, keine Lüge sein, sonst ist das Unglück da. Ich weiß das, denn gar vieles habe ich entstehen und zu Grunde gehen sehen." „Aber die Notlüge, ist sie auch in der Ehe ein Fehler?" fragte der Baron mit einem Seitenblick aus Wally, die kühl und gelassen dem Gespräche folgte. „Sie ist es!" entgegnete die Justizrätin eifrig. „In der Ehe lasse ich auch sie nicht gelten. Es hat sich noch immer gerächt, wenn die Krau vor ihrem Manne schwer wiegende Geheimnisse hat. Die Lüge in der El>c ist der erste Schritt zum trostlosen Boneinandcrgehen!" „Und dann diese entsetzliche Forderung des Dichters", fiel Frau Grete in ihrer etwas manierierten Weise ein. „Denken Sie nur, Meineid! Eines der schwersten Ver brechen, die das Strafgesetzbuch kennt. Dem Zuchthame aber setzt sich der fragwürdigen Ehre einer leichtsinnigen Frau wegen nur ein Narr auS." „Baron, teilen Sie diese Ansicht?" fragte Wally gleichgültigen Tones den Baron, der achselzuckend er widerte: „Das ist eine GewiffenSfrage, meine Gnädigste! Ich würde mich unbedingt weigern, unter Eid eine kompro mittierende Aussage gegen die Ehre einer Dame von Rang und Qualität zu machen." „In diesem Falle ist die Unglückliche schon durch die Weigerung verloren", sagte Walin unmutig. „Mein Gott", fiel die alte Justizrätin mit leichter Ironie ein. „Heutzutage ist ek> immer ungeschickt, die Sünde einer in der Brandung des Lebens gestrandeten Frau vor Gericht zu zerren. Wirksam ist eS nicht, denn der Skandal bessert nickt, sondern er gleicht dem Schauspiel, an dem man nur seine Nerven ergötzt. Ist der Skandal unvermeidlich, so läßt man ibn über sich ergehen und heiratet den andern. Das ist nur modern. Vor vierzig Jahren war da« ganz etwa» andere». Was heut- zutage nur modern ist. war damals unmoralisch und schleckt!" „Die haben recht, beste Frau yustizratl" sagte Vallv seirszend. „Die Welt ist schlechter geworden, und -ennoch
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite