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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.01.1904
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-01-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040114012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904011401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904011401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-01
- Tag1904-01-14
- Monat1904-01
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Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Pctitzeile 28 Reklamen unter dem Redaktion-strich (4 gespalten) 7K vor den Famillennach» richten (6 gespalten) KO Tabellarischer ond Ztffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Lsiertenannahme 25 (excl. Porto). Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Annahmrschluß für Anzeigen: Abend'AuSgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Anzeigen sind stet« an di» Erpe-Utou zu richten. Die Expedition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E- Polz in Leipzig. Nr. 23. Donnerstag den 14. Januar 1904. 98. Jahrgang. Var lMchtigrte vom Lage. * Der Rat der Stadt Leipzig beschloß im Anschluß an daS Vorgehen de« Rate« zu Dresden, an die Staude versammlung eine Petition wegen Vermehrung der LandtagSwahlkreise in den Städten zu richten und die Stadtverordneten zum Beitritt zu diesem Beschlüsse zu ersuchen. * Die Hereros in Deutschsüdwestafrika eröffneten die Feiadseugkeiten. Okahaudja ist eingeschlossen. * Der Grohherzog und die Großherzogin von Baden, deren längeres Fernbleiben von Berlin als Beweis einer Trübung des Verhältnisses zwischen dem kaiserlichen uod dem badischen Hofe auSgcgeben wurde, baden sich — der „Südd. ReichScorr." zufolge auf eine herrliche Einladung des Kaisers — zur Feier des kaiserlichen Geburt«- tags am Berliner Hose angesagt. * Die „Rordd. Allgem. Ztg." bestreitet abermals, daß die Reise d«S Kultusministers vr. Studt nach Weimar in irgend welchem Zusammenhänge mit dem geplanten Zusammenschlüsse der Sezessionen gestanden habe. * Aus Essen wird gemeldet, vor einigen Tagen sei ein Vertreter der Firma Krupp in Berlin gewesen, um mit der Regierung wegen Lieferung von Geschützen neuester Konstruktron zu verhandeln. Die Bestellung werde erfolgen. * DaS vermißte französische Transportschiff „Vienne" ist von dem nach ihm suchenden Kreuzer „Galilöe" nicht gefunden worden. * Wie aus Sofia, 13. Januar, gemeldet wird, verlautet in makedonischen Kreisen, die innere makedonische Organi sation habe beschlossen, alle Zontschewistischen Führer zu töten. Ein am Dienstag erfolgter Angriff auf Stojanow, bei welchem dieser verwundet wurde, sei nur der Anfang einer Reihe von Mordanschlägen. Ueberlrritilr. (D Von unfern Tagen gilt bis zu einem gewissen Grade das harte Urteil, das Heinrich von Trcitschke in seiner „Deutschen Geschichte" über den Beginn der vier ziger Jahre mit der ihm eigenen Rücksichtslosigkeit aus spricht: neben vielen Hoffnungen und Entwitrfcn eine ziel lose Zerfahrenheit, in der Tagcsliteratur aber gedanken lose Oberflächlichkeit, die nur nach dem Erfolge des Augen blicks jagt. Auf fast allen Gebieten des öffentlichen Lebens sind nervöse Spannungen wahrzunehmen, die bet den ge ringfügigsten Anlässen sich in mehr oder minder geräusch vollen Entladungen äußern und schließlich eine Reizbarkeit erzeugen, die für eine nüchterne, vorurteilsfreie Be trachtung der Dinge und für deren unbefangene, ruhige Beurteilung keinen Spielraum mehr läßt. Auf diesem Wege sind wir denn heute bereits glücklich so weit ge kommen, daß nichts, aber auch gar nichts in unserer poli tischen, sozialen, wirtschaftlichen und künstlerischen Ent wicklung uns befriedigt, daß die Kritik über alle-, über die ersten tastenden Versuche wie über die kaum geborenen Taten unseres öffentlichen Lebens mit gleich wollüstiger Freude ihre zersetzende Säure ausgteßt, gleichviel, ob es nun ein Bismarck-Denkmal ist oder eine Expedition nach Venezuela, ein Gesetzentwurf zum Schutze der Arbeits willigen oder die harmlose Falte eines MilttärmantelS, eine Ordensverleihung oder eine Ministerrede. Man steht förmlich unter dem Banne der sozialdemokratischen Devise: „Es muß alles verungeniert werden", und neuerlich ent wickelt sich sogar unter den parlamentarischen Fraktionen ein kritisches Wettrennen, das possierlich anmuten könnte, wenn cs für die öffentliche Stimmung und für unser po litisches Gedeihen nicht geradezu lebensgefährlich wäre. Nun sind wir gewiß die letzten, die sich daS Recht der freien Kritik verkümmern ließen, die letzten, die verkennen wollten, daß zwischen der tateufrohen Welt rings umher und unserer Friedensliebe, unserer scheinbaren Interesse- losigkcit Gegensätze klaffen, die durch tiefempfundene De- pcschcn, durch Reden von strikter Neutralität und Ver sicherungen unwandelbarer Friedensliebe nicht aus der Welt geschafft werben. Allein, indem wir unS bemühen, den Dingen auf den 'Grund zu gehen, werden wir der Er- kenntnts gerecht, daß die Schuld an diesen Gegensätzen nicht einigen wenigen Staatsmännern, mögen sie noch so hoch stehen, nicht einer Fraktion aufzubürden ist, mag sie noch so einflußreich sein, sondern an unserer Gcscnntheit liegt, die einem frühreifen Mcnsäfen gleicht, der stärkere Reizmittel kennt und erstrebt, als sein Körper vertragen kann. Unsere der politischen weit vorausgcciltc geistige Entwicklung stellt an den NcichSkörpcr Zumutungen, die er politisch heute noch nicht zu leisten vermag, und aus diesem Mißverhältnis erwächst jene nervöse Reizbarkeit, die in einem Ministerdincr schon die Gastmählcr Sardanapcls, und in einer neuen Achselklappe den direkten Wegweiser nach Jena erblickt. Hier zu warnen vor jenem weit über das Ziel schießen den Pessimismus, der die besten Kräfte lähmen und die überschäumendste Tatenfreude schließlich in verdrossenen Müßiggang verwandeln muß, zu warnen vor der leicht fertigen, gedankenlos verirrteilenden Kritik, scheint uns nicht bloß ein Gebot der Pflicht, sondern auch der Selbst erhaltung für die vornehmste Vertretung der öffentlichen Meinung, die Presse. Es kann das Ansehen der Presse un möglich heben, wenn wir an einem «Beispiele der letzten Tage erlebt haben, daß von allen Seiten mit dem schwersten Geschütze gegen die berühmte neue Mantelsalte beim Militär aufgefahren wurde, sogar Spottgedichte darauf verfaßt wurden, um dann erfahren zu müssen, daß diese Falte ein uraltes Erbstück der preußischen Armee ist, die nur durch eine Modetorheit außer Gebrauch kam. In -er Tat hat sich diese „Falte" in der österreichischen und der französischen Armee bis auf den heutigen Tag aufs beste bewährt und man hätte doch zum mindesten einigen Grund zur Anerkennung, wenn unsere Armeeverwaltung von einer „Modeirrung" abgeht und zum erprobten Alten zu rückkehrt. Und was soll man sagen, wenn in einer Zeit, wo fast die gesamte Presse über angeblich bevorstehende große Umwälzungen in der Uniformierung Lärm schlägt und gewaltffre RcichStagsaktionen vorbereitet werden — wenn da plötzlich das führende freisinnige Organ darüber jammert, -aß die durch die Umgestaltung des Waffenwesens bedingten durchgreifenden Umänderungen der Uniformen im großen noch immer nicht durchgeführt, ja bisher nahezu ganz unterlassen worden seien? Wer hat nun recht? Ist es da verwunderlich, wenn das Schwer gewicht berechtigter Kritik darunter leidet und an jenen maßgebenden Stellen, auf die man einen gewissen sanften Druck ausüben will, bald alles unter den, Gesichts, winkel der „nörgelnden Querelen" erscheint, die keine Beachtung verdienen? Man würde uns mißverstehen, wenn man aus diesen Ausführungen unsere Neigung herauslcsen wollte, die Kreiwillig-Gouvernementalen zu spielen. So große An erkennung wir beispielsweise für den Kanzler übrig haben, verkennen wir doch keineswegs, daß der Kampf gegen die Sozialdemokratie nicht mit Reden allein, mögen sie noch so große amtliche Verbreitung finden, geführt wer den kann, und daß zum Exempel gerade der beklagens werte Kampf in Crimmitschau beweist, wie notwendig auch eine Tat, wie z. B. ein "Gesetz zum Schutze der Arbeits willigen, wäre. Es müßte freilich etwas geschickter be gründet werden, als anno daMnal. Als Vorbedingung hierzu erscheint unS aber, daß die bürgerliche Presse den Regierenden auch tatkräftig zur Seite steht, daß sie Finger zeige gibt und bessernde Hand anlegt, nicht aber jeden Versuch init rücksichtsloser Kritik in den Boden stampft. Mehr positive Arbeit, weniger negative Kritik — an ihren Früchten sollt ihr sie erkennen. Deutsches Reich. * Berlin, 13. Januar. * Der befürchtete Aufstand der Hereros in Deutsch- südwestafrtka ist auSgebrochcn. Nach den gestern Abend spät und heute eingetroffenen Telegrammen eröffneten die Hereros durch Einschließung von Okahaudja, durch die Zerstörung der Sisenbahubrücke bet Vsona, etwa 5 Kilo- meler östlich von Okabandja, sowie durch Unterbrechung der Telegraphenverbindung mit Windhoek die Feindseligkeiten. Während daS letzte aus Okabandja bier eingegangene Tele gramm die Telegraphenverbindung mit Swakopmund nur als gefährdet hinstellt, wird unmittelbar danach aus Swakopmund gemeldet, daß diese Verbindung ebenfalls unter brochen sei. Ein verstärkungStran-port von 56 Mann Reservisten aus Swakopmund mit zwei Offizieren und einem Arzt ist sofort von Swakopmund nach Htahandja iuftradtcrt, bei der Station Waldau aber an derWeiterfabrt ver hindert worden, worauf ein Angriff auf Waldau erfolgte. — Wegen der durch den Ernst der Lage sofort gebotenen Maß nahmen schweben zwischen den beteiligten Ressorts Verhand lungen. — Der am 6. Januar von Cuxhaven »-gegangene ErfatztranSport wird voraussichtlich am 3. Februar in Swakopmund eintreffen. * Abgeblitzt. In manchen konservativen Kreisen be steht bekanntlich die Neigung, die N a t i o n a l l i b e - ralen bet der Nominierung des Kandidaten für die Stelle des zweiten Vizepräsidenten im preu ßischen Abgeordnetenhause durch das kaudi- nische Joch des konservativen „Placet" durchgehen zu lassen, teils um die Nationalliberalen für ihre Haltung im Wahlkampfe zu bestrafen, teils um das engere Ver hältnis zwi chcn Konservativen und Zentrum zu betonen. In dieser Beziehung aber erhalten die Konservativen von dem führenden Organe des preußischen Zentrums eine entschiedene Abfuhr. Die ,Hüln. Bolksztg." findet das konservative Verlangen durchaus unberechtigt, indem sie schreibt: Welche Persönlichkeit eine Partei zu dem Posten Vorschlägen will, daS muß in der Regel ihr über lassen werden. Hätte der betreffende sich bereits als durch aus ungeeignet für einen Präsidentenposten erw esen, so könnten vielleicht die anderen Parteien gegen ihn Ein bruch erheben, aber unseres Erachtens auch nur dann, wenn er sein Amt parteiisch verwaltet oder absichtlich grobe Verstöße gegen die Geschäftsordnung begangen hätte. Tas politi che Verhalten eines Abgeordneten außerhalb seiner Präsidiumsführung kann für die Frage, ob man ihn als Vizepräsidenten annehmen soll, nicht in Betracht kommen, er müßte denn ganz ungewöhnliche und ungeheuerliche Dinge begangen haben. Wenn man die blo. e politische Bet tigung, wie sie bei allen Parteien üblich ist, zum Ausschließungsgrunde machen wollte, so kämen wir zu ganz unabsehbaren Konsequenzen, und eine Ver ständigung unter den Parteien würde kaum noch möglich sein." Es ist anznerkennen, daß die ,F öln. Volksztg " den wahlberechtigten Ansprüchen eines politischen Gegners in die cm Falle wenigstens besser gerecht zu werden ver steht. als es manche konservativen Kreise tun Freilich dürsten für das führende Zentrumsorgan noch andere Gründe mitfprechen. Gründe, die mehr reeller Natur sind, als der ideale Standpunkt der Gerechtigkeit. Zum ersten haben die Nationalltbcralcn, wenn man den numerischen Standpunkt zu Grunde legt, mehr Anspruch auf die Stelle des ersten Vizepräsidenten, als das Zentrum, Feuilleton. Theakrbrande und Feuerschutz im Theater. Bon Gustav Ltepke- Nachdruck verboten. Das furchtbare Unglück in dem Jroquois-Theater in Chicago ist die chrecklichste Katastrophe dieser Art, die sich seit Menichengedcnken in Europa und Amerika ereignet hat. Nur der lerne Osten verzeichnet Thaterbrände, die eine noch größere Zahl von Opfern an Menschenleben verlangten; unter ihnen gebührt der Dornenkranz der Schrecklichkeit dem Brande des chinesischen Theaters in Kamlt, der sich im April 1803 ereignete und mehr als 2000 Menschen dem Flammen- und Erstickungstod«: weihte. Allein ein chinesisches Theatergebäude, aus Holzwerk zu- sammengefügt und mit leichtverbrennlichcn Stoffen geradezu vollgepfropft, läßt sich mit einem europäischen oder amerikanischen, massiv und unter Beobachtung weit gehender Sicherhcttsmaßregeln erbauten Theater gar nicht vergleichen. Beschränken wir uns aber auf die Kultur- weit im engeren Sinne, so stehen selbst die großen Theater, brände des Unglücksjahrcs 1881, der Brand des THLLtre municipal in Nizza und die furchtbare Katastrophe des Wiener Ringtheaters, sowie der Brand der Op6ra comique in Paris (28. Mai 1887), des Exeter-Theaters in London (gleichfalls 1887) und des Theaters in Oporto (20. März 1888) weit hinter dem Unglücke von Chicago zurück; denn die Zahl der Toten betrug bei dem Londoner Brande 86, bei den Katastrophen in Nizza und Paris je etwa 100; das Theater in Oporto begrub 170 Menschen in den Flammen, das Ringtheater 450 — aber noch entsetzlicher ist das Un glücksereignis in Chicago. Die Künstler haben in den Totentänzen cs ost mit grimmigem Humor geschildert, wie der Sensenmann die unerwartetsten Gelegenheiten benutzt, wie er mit seinem Knochenarme mitten in die Freuden des Lebens hinein- greift. Für einen Holbein der Zukunst mag eS wohl ein furchtbar-schöner Vorwurf sein, zu zeigen, wie der Tod Flamme und Rauch in ein Theater hineinwirft und so hcrdenwetse die Menschen dahinmäht. Ganz besonders schrecklich ist uns dieser Gedanke, vom Tod« ereilt zu wer- den, während wir uns an den Späßen eines Komikers vergnügen oder der Arie einer Sängerin lauschen. Die Zahl der Theaterbrände hat sich in der neueren Zeit er- beblich vermrhrt. Wir müssen bet der Beurteilung der Statistik dieser Brände allerdings zweierlei berücksichtigen: erstlich, daß es zuverlässige und regelmäßige Aufzeich, nungen Wer diest Ereignisse doch erst lest etwa fünfzig oder hvndert Jahren gibt; sodann aber, daß die ver- sa»g»«-rtt in den meiste» Ländern so zahlreiche »nd so riesige Bühnenhäuser, wie wir sie heute besitzen, gar nicht kannte. So erklärt sich die eigentümliche Tatsache, daß du Tbcaterbrände gerade in der neuesten Zeit besondere häufig erscheinen, da eben die Zahl der Theatergebäudc, sowie auch die Intensität des Theaterbetriebes und damit auch die Gciahrmöglichkeit außerordentlich gewachsen ist. Sachs hat für den Zeitraum von 1560 bis 1807 im ganze» etwa 1200 Brände von Theatern, Schaubuden, Circussen, und dergleichen mehr, ermittelt Davon kommen aus den am wenigsten kontrollierbaren Zeitraum von 1560 bis 1790 etwa 80, auf das Jahrhundert von 1797 bis 1897 aber mehr als 1100 Brände, die im ganzen nicht weniger als etwa 10 000 Menschenleben gekostet haben dürften. Und zwar haben innerhalb dieses Zeitraumes wieder die jüngsten Jahrzehnte die größte Zahl von Unglückssällen dieser Art zu verzeichnen; denn 1867 bis 1876 ereigneten sich 155 Theaterbrände mit 1055 Opfern, 1877 bis 18^6 311 Brände mit 1577 Opfern, und 1887 bis 1896 351 Brände mit :H12 Toten. Nm die Gefahren dieser Brände und die von ihnen angerichteten Schäden ganz zu würdigen, muß man im Auge behalten, daß bei einer großen Zahl dieer Brände auch noch Nachbarhäuser in gröberer oder gerin- gerer Zahl zum Opfer gefallen sind. Um allein die Theaterbrände in der Stadt New Uork daraufhin durchzu gehen, so sind bei dem Brande des dortigen Wintergarten- Theaters (23. März 1867) vier Nachbarhäuser, bei dem des L'na-TheaterS (28. Stovember 1872) fünf Häuser aus dem Broadway, bei dem deS Windsor-Theaters (November 1880) OarlmannS Hotel und acht Häuser zerstört worden, und die Flammen, die am 8. April 1868 Butlers American Theater zerstörten, vernichteten auch die benachbarte Bi. bltothek. Auch über die Ursachen der Thcaterbrände wissen uns die trockenen Ziffern der Statistik bereits allerlei Inter essantes zu sagen. Fölsch hat nämlich aus einer Anzahl von Fällen den Schluß gezogen, daß, wenn man das Ri. fiko eines TheaterbrandcS während der Tageszeit als 1 annimmt, dieses Risiko während -er Vor stellung auf 2,0, während der zwei auf die Vorstellung folgenden Stunden auf 6,2, zur Nachtzeit auf 8,4, und während einer Stunde vor Einlaß des Publikums auf 8,0 anzusetzen ist. Mit andern Worten, die Sorgfalt der Ueberwachung während der Vorstellungen selbst ver- mindert das Risiko eines Brandes zu dieser Zeit auger- ordentlich, wohl aber bilden sich während der Vor stellungen leicht Brandursachen, die dann während der nächsten beiden Stunden zum Ausbruche des Feuers führen. Des Ferneren hat der Vergleich von 400 Fällen zu dem Ergebnis geführt, daß nicht weniger als 807 Fälle davon auf der Bühne oder in den zu ihr gehörigen Neben- räumen entstanden sind. Hier also ist der eigentlich« Ge fahrenherd zu suchen und auf die en Herd hat denn auch die Technik ihre a»f den Schutz gegen das Feuer gerich. tetr» Bemühungen hauptsächlich verwandt. In der Natur des Thcaterbetriebes liegt es, daß eine der Hauptursachen der Feuersgesahr sich kaum beseitigen läßt: die Menge von Holzwerk, die nun emmal bei der llntermaschinerie jedes Bühnenraumes zur Verwendung gelangen muß. Auch für den Belag des eigentlichen Blihnenpodiums ist ein anderes Material als Holz noch nicht gefunden worden, und die Laufftcgc und Galerien, die sich in schwindelnder Höhe über der Bühne erheben, würden, wenn sic aus Eisen konstruiert und mit Monter- Masse belegt würden, wie M. Semper treffend hervor hebt, für die Arbeiter nicht mehr mit Sicherheit begehbar, zugleich aber auch zu schwer in ihrem Eigengewicht wer- den. Im übrigen hat für Konstruktionen und Maschinen das Eisen in neuerer Zeit das Holzwerk in sehr weit- gehendem Maße verdrängt; und zur Beruhigung des Publikums mag hervorgehoben sein, daß gerade in der durch daS Holzwerk so sehr gefährlichen Unterbühne in keinem der bekannten Fälle der Brand entstanden ist. Hanfseile werden nach Möglichkeit jetzt durch Drahtseile ersetzt; allein sic sind diesen in der Leichtigkeit und Ein fachheit der Handhabung so ehr überlegen, daß sie noch immer vielfach zur Verwendung kommen müssen; eine Einreibung mit Graphitpulver schränkt ihre Gefährlichkeit als Ucbertraqer des Feuers ein. Imprägnierungen dienen -em Zwecke, die leichte Entzündbarkeit der be- treffenden Teile oder Gegenstände zu verringern; allein erstens schützen sie nur die Oberfläche; zweitens verliert die Imprägnierung bei den Hitzegraden, die sich bei einem Theaterbrandc schnell entwickeln, ihre Wirksamkeit, und dann ist natürlich daS Holz nach wie vor der Ver- brcnnbarkeit ausgesetzt. Am wirksamsten hat sich als Flammenschuhmittcl für daS Holzwerk auf der Bühne ein Anstrich mit Wasserglas bewährt, und für jenes Ho z- werk, das mit Anstrich zu versehen ist, sollen sich Asbest, färben außerordentlich eignen. Richten sich diese und andere Maßregeln gegen die Entstehung eines Feuers im Theater, so ist die richtige Organisation und regste Wachsamkeit der Aeuerlösch. Mann'chaft, das tadellose Funktionieren der Hydranten usw. die wichtigste Waffe gegen das einmal ausgebrochcne Feuer. Bevor durch den Ringtheatcr-Brand das öffent- liche Gewissen ausgerüttelt wurde, herrschte auf diesem Gebiete eine geradezu entsetzliche Sorglosigkeit. Eß ist festgestellt, daß bei diesem Brande, der etwa 10 Minuten vor 7 Uhr, dem Beginne der Vorstellung, auSbrach, der Kommandant der Feuerwehr noch um h»7 Uhr, in der Portierloge mit Zeitungsle en beschäftigt war, ein Feuer- wehrmann im Gasthause saß, ein anderer ruhig mitten auf der Bühne stand und noch einer überhaupt nicht da war. Nach Ausbruch des FeuerS aber ging der Kom mandant erst hübsch nach Hause, um seine Sonntagskleider abzulegen. Seit jener Katastrophe ist bann allerdings a» der Sicherung der Theater nnd an den Maßregeln für den yeuerschutz darin unablässig gearbeitet worden. Einen der wichtigsten Fortschritte verdankt man dem Inspektor der Münchener Hofbühne, Stehle, der 1874 mit der Er findung der Rcgenvorrichtung an die Oesfentlichkeit trat, die zuerst skeptisch ausgenommen wurde, jetzt aber kaum noch in einem besseren Theater fehlen dürste. Stehles Er- findung ist durch die Feuerlöschbrausen noch vervoll kommnet worden, von denen Semper den Grinnel Sprinkler und die Linser-Brause anführt. Der Vorteil dieser Aparatc ist der, daß sie völlig automatisch wirken und nicht der Bedienung durch Menschcul-and bedürfen. Sie werden nämlich dadurch in Tätigkeit gesetzt Laß bei der im Feuer schnell entstehenden Temperatur von 69 Grad Celsius die Lötung einer Stütze chmilzt, damit der Wider- stand des Ventils gegen den Wasserdruck aufgehoben wird und der Druck das Ventil öffnet. Eines der wichtigsten Dinge bei Theaterbränden ist das sichere und schnelle Funktionieren des eisernen oder des Asbcstvorhangcs. Bet Bränden massiver Theater sind eß nämlich gar nicht die Flammen selbst, die die Opfer fordern, sondern sic sind schon vorher durch den Rauch, die Hitze, die erstickenden Vcrbrenuungsgasc ums Leben ge- bracht worden- Auch dafür bietet der Ringtheaterbrand das furchtbarste Bci'piel. Auf die vielhundertstimmigen Angstschreie folgte schon nach wenigen Minuten tiefes Schwelgen: „die Schreie der Verzweiflung, wie die leisen Klagen waren verstummt, so daß cinigeGlücklichc, denen eo gelungen war, einen AuSweg an die frische Luft zu finden, als sie sich umwandten und in die finsteren Gänge hin- einriefen, ihnen zu folgen, keine Antwort erhielten »nd keinen Laut mehr vernahmen; für einige Augenblicke wähnten sie, daß die anderen andere Auswege gefunden hätten und geborgen seien." Selbst die erste Meldung des Polizeikommissars lautete: „Alles gerettet" An den bei den AnfräumungSarbeitcn gefundenen Leichen konnte man erkennen, daß sic schon nach wenigen Atemzügen den heißen Verbrennnngsga en zum Opfer gefallen sein mußten; wie auch nach Aussage der Augenzeugen schon nm 7 Mr kein lebendes We^en mehr sich rm Innern des Theaters befunden haben konnte. , ES ist ein unablässiger und furchtbarer Kampf, den die moderne Technik gegen die tückische Flamme im Theater führt, und jede neue Katastrophe nniß ihr wenigstens in- sofern — eine jämmerlich kleine Entschädigung für das geschehene Unbeilk — znm Vorteile dienen, als sie neue Erfahrungen daraus zieht, ^o viel ist aber schon jetzt gewiß, daß nur durch die peinlichste Beobachtung aller vor geschriebenen Maßregeln und die strengste Gewisse»hastig feit aller beteiligten Faktoren da» erreichbare Maß von Sicherheit zu erreichen ist. Die entsetzliche Katastrophe von Chicago hat un« diese Lehre wieder mit Feuerzungen gepredigt.
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