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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.02.1904
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-02-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040208010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904020801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904020801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-02
- Tag1904-02-08
- Monat1904-02
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BezugS-PretS in der Lauptexpedition oder deren Ausgabe stellen avgrholt: vierteljährlich 3.—, bet zweimaliger täglicher Zustellung in« Hau« 8.7b. Durch die Post bezog» für Deutsch land u. Oesterreich vierteljährlich ^l 4.Ü0, für die übrigen Länder laut Zeitung-preiSItste. «rtzüttt», ««» Expedtttonr Johannisgassr S. Fernsprecher 1Ü3 «. 22L Filtalexpedttt-ue«: AlfredHah», Buchhandlg., Univerfität«str. S lFernspr. Nr. 4046), L. Lösche, Katharinen- straß» 14 (Fernsprecher Nr 293k! n. König«» Platz 7 (Fernsprecher Nr. 7V0S)» HmchteKUtale Dresden: Marienstrahe S4 (Fernsprecher Amt 1 Nr. 1713). Haupt-Filtale Berlin: CarlDuncker, Herzgl.Bayr.Hofbuck>dandla., Lützowstrahe 10(J^rnjprecherAmtVI Nr.4603.) Morgen-Ausgabe. KipMcr.TagMM Anzeiger. Ämtsvlatt -es Äömgkichen Land- und -es Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, -es Rates un- -es Nolizeiamtes -er Ltadt Leipzig. Nr. 89. Montag den 8. Februar 1904. Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 Reklame» nnter dem Redakttonsstrich sägespaltru) 7V vor den Famüunnach- richten (6 gespalten) SO Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Ossrrtenanuahme Lü Extra-Veilage« (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbefvrderung 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Annahmeschlvstz für Anzetgenr Abend-AuSgab«: vormittag« 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stet- an die Expedttt-n, zu richte». Di» Erpedition ist wochentags ununterbrocheu geöffnet v-»n früh 8 biS abend« 7 Uhr. Druck und Verlag von 8. Polz in Leipzig (Inh. Dr. V., R. L W. Kltukhardt). 98. Jahrgang. Krieg in Sicht. 0/1. Alle Friedenshoffnungen, noch bis in die aller letzten Tage von Petersburg und Paris aus geflissentlich genährt, sind zu Schanden geworden. Ein neues Blatt der Weltgeschichte beginnt — aller Voraussicht nach wird es mit Blut, mit viel Blut geschrieben sein. Uns geht folgende, gestern schon durch Extrablatt verbreitete schick- salsch-were telegraphische Meldung zu: * Petersburg, 7. Februar. Eine im „Regie» rnugsboteu" veriiffeutlichte Zirkulardepesche a« die russische« Vertreter im Aus» laude besagt: Der sapauische Gesandte übergab eine Rote, welche die russische Regierung von der Entscheidung Japans in Kenntnis setzte, weitere Verhandlungen seien ein- zuftelle« «nd der japanische Gesandte, sowie das ganze Gesanbtschastspersonal aus Petersburg abzuberufe«. Infolgedessen befahl der Kaiser von Ruhlaud, das, der russische Gesandte mit dem Gesandtschasts- persoual unverzüglich Tokio verlasse. Di« Handluugsweise der Tokioer Regierung wälze Japan die ganze Verantwortung für die Folgen zu. Das ist noch keine formelle und offizielle Kriegs erklärung, aber eine solche muß als unmittelbar bevor stehend erwartet werden. Offenbar hat die Antwort note Rußlands trotz des eminent friedlichen Tones, in dem sie gehalten sein soll und wahrschein lich auch gehalten ist, in Tokio sachlich nicht befriedigt. Der springende Punkt, um den sich zuletzt alles drehte, war das kategorische Verlangen Japans, daß Rußland die Sou veränität Chinas über die Mandschurei nicht bloß durch eine allgemeine Zusage, sondern auch durch schriftliche, vertragsmäßige Beurkundung an erkenne. Hiervon unter keinen Umständen abgchcn zu wollen, war Japans erstes und letztes Wort, und es ist da her schwer begreiflich, wie man nach einem nns zugc- gangenen Telegramm des „Russischen Handels-^Tele- graphcn-BureauS" noch am Sonnabend, also am Tage der Uebcrgabe der entscheidenden russischen Antwortnote, von Petersburg aus noch glauben machen wollte, die russischen Bedingungen würden japanischerseits angenom men werden. Das Börsenbarometer hat sich auch bei dieser Wendung der Dinge wieder als zuverlässig be währt: die Deroute zu Beginn der vorigen Woche war, wie «ich nun zeigt, durchaus begründet. Ein „maskierter Krieg" wurde ja schon seit Monaten zwischen den beiden großen Rivalen des fernen Ostens geführt, und die unausgesetzten ungeheuren Rüstungen auf beiden Leiten mußte es nach Feuilleton. Paris in Berlin. Im Kunstsalon von Keller uud Reiner in Berlin. Bon Eduard Goldbeck. (Nachdruck verbot»».) Oft genug hört man in Berlin eine Ltadt der Empor kömmlinge schelten, ja, ein bekannter Berliner Schrift steller hat eigens das Wort „Parvennpvlis' geschmiedet, um die Art und Unart der fast zu rasch erblühten Hohcn- zollernresidenz zu geißeln. Wir Berliner tun gut, uns nicht in holde Selbsttäuschungen einzulullen. Gewiß, es iehlt der Stadt die schlichte Vornehmheit; die Architektur der neu angelegten Stadtviertel ist lärmend und wirr. Ueberall verletzt uns ein Zuviel, überall hört man Posaunenstüße ertönen. Der Kunstsinn der Bevölkerung ist nicht so stark entwickelt, wie etwa in Wien oder in Paris. Das erklärt sich aus das trivialste: wir waren arm und muß arbeiten. Kunst fordert Muße und Muße ist in Berlin ein seltener Artikel. Der alte Fontane schrieb einmal einem Freunde: „Ich schlenderte durch die Potsdamer Straße . . . d. h. wenn nwn in der Pots damer Straße „schlendern" kann." Man kann es nicht, heute weniger denn je, und das sagt alles. Gebt uns den fünfstündigen Maximalarbeitstag, gebt einem jeden jein Huhn im Topfe oder, um mich kollektivistisch auSzu- drücken, gebt ihm „nach seinen Bedürfnissen", und wir werden Kunstsinn und vielleicht auch eine Kunst haben. Einstweilen ist aber Berlin wenigstens in elektrischem Bildungsdrange rastlos tätig. Wir haben eine Reihe recht rühriger DalonS, in denen der Snob wie die ernste strebende Jungfrau sich mit Kunstkenntnis antünchen kann. Und diese Art „voi-nissngo" ist unentbehrlich, wenn auch nicht für'» Gemüt, so doch für'» Diner. Heute nacht träumte ich einen schrecklichen Traum. Ein Bankdirektor hatte mich zu einem Löffel Suppe eingeladen, neben mir saß ein von Reformgewandung wellende» Weib und plütz- lich hörte ich sie mit einer dünnen, überirdischen Stimme lagen: „WaS sagen Sic zu de Keure?" Ich errötete, ich erblaßte, ich rang nach Worten, aber ich wußte nicht, was ich zu de Feurc sagen sollte, denn dieser Name war mir so unbekannt wie der Inhalt der russischen Note an Japan und... da erwachte ich in Schweiß gebadet. Lo entschloß ich mich denn heute morgen, die Kollektiv-Ausstellung de Keures bei K«l<,r L R «ine r »« besuche«, st« man -«sehen haben gerade auch den: Bestgläubigen klar machen, daß weder die Regierung beS Mikado noch die des Zaren, wenn die letz tere es auch für gut hielt, stets das Gegenteil zu ver sichern, an einen friedlich.schiedllchen Ausgang mehr glaubte. Es ist die allgemeine Meinung, daß der Ausbruch des gigantischen Konfliktes allerdings hätte vermieden, oder wenigstens auf Jahrzehnte hätte hinauSgeschv-ben werden können, wenn nicht die englische Presse systematisch in der frevelhaftesten Weise in Tokio gehetzt und geschoben hätte und wenn nicht die englische Regierung durch wiederholten Hinweis auf ihre Bündnispflicht die sic sicherlich nicht zu eng auffafsen würde, Japan offen sichtlich den Nacken gesteift hätte. Wir haben kürzlich schon auseinandergesetzt, daß England in jedem Falle auf seine Rechnung kommen wird: zweifellos wenn Japan siegt, sicher aber auch, wenn cs geschlagen wird, denn dann wird Rußland genötigt sein, dem fort und fort auf Revanche sinnenden Gegner in Ostasien gegen über einen erheblichen Teil seiner Heeresmacht zu binden und so seine Position in Zentralasien und auf dem Balkan zu schwächen. Sollte England es aber hier angezeigt halten, Japan, falls es unglücklich kämpft, beizuspringen, so wird unter allen Umständen Frankreich sich seiner Pflichten gegen -en Verbündeten an der Newa erinnern und auch seine Schiffskanonen in dem Bölkerkampfe ein ge wichtiges Wort mitsprechen lassen. Das freilich wäre die furchtbarste Perspektive, die sich ausdenken ließe, denn dann wäre das Signal zu dem Weltkriege gegeben, vor dem es den Kulturvölkern schon seit einem halben Jahrhundert graut. Wie dem auch sei, über den Gewässern des fernen Ostens ballt sich drohend das Kriegsgewölk zusammen, die Friedenstaube, die zuletzt nur noch mühsam flatternd ihren Weg hin und her gemacht, hat einen Schuß zwischen die Flügel erhalten und bas Oelblatt droht ihr zu ent fallen. Die nächsten Tage werden voraussichtlich den Draht für Ostasien fast ausschließlich in Anspruch nehmen. Heute verzeichnen wir die folgenden Depeschen: -- Petersburg, 7. Februar. Ein Extrablatt der „Nowoje Wremja" äußert folgendes: Drei Monate bemühte sich die russische Diplomatie, die japanischen Vor schläge friedliebend zu prüfen und alle möglichen Zugeständ nisse zu machen, welche zulässig sind, ohne die Würde Ruß lands zu schädigen. Rußland wurde beschuldigt, daß es die Verhandlungen zum Zwecke kriegerischer Vorbereitungen hin ziehe. Ohne sich durch niedrige Verleumdung beirren zu lassen, erfüllte Rußland seine Pflicht gewissenhaft im Vertrauen auf die Gewissenhaftigkeit des Gegners. Wie es sich erweist, war der ganze Notenwechsel eine Ztomödie Japan, nicht Rußland, mußte den Moment abwarten, bis zwei in Italien gekaufte muß, wenn man zur ,Melt", zu den »Intellektuellen" gehören und auf dein Jahrmärkte der Eitelkeiten nicht allzu jäh im Kurse fallen will. Wer de Keure ist, be dauere ich, Ihnen nicht sagen zu können; ein Sonderling ist er, und das genügt, um ihn vorzustellen und zu empfehlen. Freilich kein struppiger Bursche aus einer Montmartre-Mansarde, o Himmel, nein! er ist fabelhaft geschniegelt, gebügelt und soigniert. Gewiß, er ist ver rückt, aber gar nicht genialisch im Sturm- und Drang sinne, sondern er hat eine aristokratische Manie, wie sich das für einen Mann ziemt, der eine Adelspartikel sein nennt und sicher im Faubourg St. Germain Zutritt hat. Aber zur Sache. „Was kann er?" pflegen unsere Börsenmagnaten brüsk zu fragen, wenn man ihnen von den vortrefflichen Eigenschaften eines Dritten spricht. De Feure kann ganz einfach alles. Die Ausstellung ent hält Möbel, Schmuck, Statuetten, Landschaften, Radierungen, die verschiedensten Techniken, Materiale, Formen; wenn Sie mir eine Million geben und ich gebe sie de Feure, so wird er mir ein Haus bauen und cs von oben bis unten dekorieren. Ich werde allerdings nicht einziehcn, aber das ist individuell. Ebenso wie ich grundsätzlich nicht täglich in Champagne gemästete Puten esse, so ziehe ich auch nicht in ein stimmungsvolles Haus, denn eine Stimmung ist etwas Seltenes, eine Feierstunde der Seele, und man kann nicht immerzu sublim sein, wie man auch nicht alle Tage Geburtstag haben kann. Dieser vielseitige Künstler ist nirgends stark, aber immer fein und von einer Eigenart, die rasch zur Manier geworden ist. Den physischen Schauer, der uns jedes Gcntcwerk untrüglich ankündet, empfinden wir nirgends und das ist wohl natürlich, da es sich um dekorative Kunst handelt und nichts Stoffliches zu uns spricht. Trotzdem . . . einen Schrei des Entzückens habe ich nirgends gehört, habe ihn auch selbst nicht ausgestoßcn. Aber ich weiß, ivas die „Gesellschaft" zu ihm zieht. Er ist feminin, dieser Herr de Feure, feminin bis auf die Knochen. Das heißt: Knochen hat er, haben seine Gc- schöpfe gar nicht. Diese Geschöpfe sind durchweg Frauen und diese Frauen sind durchweg Spiralen. Es ist ganz er- staunlich, wie sich selbst die Normalen unter ihnen winden. Jede ist eine Schlange, ein Fragezeichen, und dann ist eine Verrückte drunter (Ta koile), die der fleischgewordene onke walk scheint. „Kleischgeworden" ist allerdings ein höchst unglücklicher Ausdruck, denn von Fleisch ist an den Däm. chen nicht viel zu sehen. Nur selten sind einmal die For. men eines Kallipyaos angedeutet, im übrigen ist das Weib jedes derberen Reizes bar, aller Geschlechtlichkeit ent. kleidet Ich kann mir denken, daß jemand beim Anblick aller dieser geringelten Vreciösen das Studentenlied brülle« muß: ^vazzrtsch vier uud Leberwurtz und ei» Liu» Kreuzer die chinesischen Gewässer erreichen. Die Kreuzer haben Singapore erreicht; die Japaner warfen die MaSke ab; sie warteten nicht einmal die russische Antwortnote ab, sondern be riefen die Gesandten ab. Die Asiaten zeigten sich als Asiaten, sie vermochten mcht einmal den äußeren Anstand zu beobachten. Die Geschiäste kennt keinen Fall eines ähnliche» Betragens. Wir sind überzeugt, daß die öffentliche Meinung Rußlands den Japanern die gebührende Antwort geben wird. Der Abbruch der diplomatischen Beziehungen bedeutet noch nicht den Krieg. Die Geschichte kennt Beispiele des Abbruchs der Beziehungen auf Jahre ohne nachfolgenden Krieg. Solche Beispiele aber sind selten. Bei normalem Gang der Tinge bedeutet der Abbruch der diplomatischen Beziehungen entweder den Beginn eines Krieges oder die Notwendigkeit der Vermittlung dritter Mächte. Somit stehen wir mit dem heutigen Tage vor drei Lösungen: Krieg, Vermittlung oder sich in die Länge ziehendem Konflikt. Letzterer ist am wenigsten wahrscheinlich. Die Interessen beider Staaten sind allzu intensiv und allzu entgegengesetzt, als daß die Möglichkeit zugelassen werden könnte, sie im Wege faktischer Besitzergreifungen in Einklang zu bringen. Vermittlung wird wahrscheinlich nicht eintreten. Somit bleibt die ultima ratio der Völker und Staaten. In dieser schweren Minute halten wir eS für unsere Pflicht, müßige Voraussagungen zu unter lassen. Eine« nur scheint unzweifelhaft: nach dem gestrigen Schritt der Japaner wird es kein ehrenhafter Ausländer für möglich halten, uns aggressiver Haltung zu beschuldigen. Ruß land steht an der Grenzscheide großer Ereignisse. Jeder Sohn Rußlands ohne Unterschied der Ueberzcugungen wird heute be wußt und aufrichtig sagen: Die Japaner haben es selbst ge wünscht. So sei es. Gott helfe uns. * Petersburg, 7. Februar. Die englische Botschaft hat die Vertretung der japanischen Interessen übernommen. * Moskau, 7. Februar. Gestern abend gingen auf der Kasanbahn vier Schützenkompagnien nach Ostasien ab. Auf dem Bahnhof waren tüe Spitzen der Behörden anwesend, vier MusikkorpS spielten. Zwei Gesellschaften Kirchenbannerträger brachten den Fortziehenden zwei Banner dar, die Kaufmann schaft und das Börsenartel ein Heiligenbild. Ein zahlreiche-- Publikum gab den Schützen das Geleit. Charbin, 7. Februar. (Meldung der Russischen Tele- graphen-Agentur.) Ein aus Wladiwostok hier einge troffener Sekretär des japanischen Konsuls hat die in dem Territorium der Bahn lebenden Japaner in Unruhe versetzt. Dieselben verkaufen eilig ihr Pesitzttnn, geben ihre Waren zur Aiifliewahrung und reisen nach Japan ab. * Wladiwostok, 6. Februar. (Meldung der Russischen Tclcgraphen-Agenkur.) Die Gerüchte, daß die Ucbersie- dclung der Japaner auf Befehl der russischen Behörden erfolge, werden entschieden als unrichtig bezeichnet. Der japa nische Handelsagent hat zugegeben, daß er auf Befehle aus Tokio hin durch eine Zirkulardepesche alle im Lande wohnenden Japaner von dem Eintreffen des Dampfers „Afri dis" in Wladiwostok, der sic alle na«b Japan bringen könne, benachrichtigt habe. * Tokio, 7. Februar. Betreffend den soeben bekannt ge wordene» Abbruch der diplomatischen Bezie hungen zwischen Japan und Rußland wird hier er mit runder Brust!" Wir Deutsche sind nun einmal Bar baren. Freilich, ganz wohl scheint's auch den entiveibten Weib chen nicht in ihrer Haut zu sein. Zwei von ihnen (la pisoisus«) haben einen Ausdruck von Trauer in den müden Gesichtchen, und es ist ein feiner Zug des Künst lers, daß er ihre Gestalten einmal von ländlich-friedlicher Einsamkeit, einmal von einer großen Natur ab hebt. Das wirkt wie eiue Predigt: Wie seid Ihr klein, wie seid Ihr verlassen, wie seid Ihr entartet! Kehrt zur Natur zurück. Doch gewiß würde de Feure diese Aus legung verächtlich belächeln; ein Weltmann predigt nicht, ein Künstler doziert nicht. Aber warum heißen dann zwei Weiber, die sich auf einem Kelsen walzen: „6kvr- esisus«, ck'iwkini"? Sie sehnen sich eben alle, sehnen sich nach dem verlorenen Paradies der Natürlichkeit. Auf den Bildern ist, eilten lüsternen Greis ausgenommen, kein Mann zu sehen. Dafür blickt aus dem einen Bild ein Windhund schmachtend zu einem Weibe empor. Steht man lange davvr, so weiß man nicht, ist der Windhund ein Weib oder ist das Weib ein Windhund, so frappant ist die Aehnlichkeit. Kinder malt de Keure nicht, er malt nur was feine Damen wollen, un- sie wollen keine Kinder. Seine Damen sind Linien, und von einer Linie kann man unmöglich verlangen, daß sic ein Kind zur Welt bringt. Aber nein, sie sind doch mehr als Linien, sie find Toilette, ihre Schleppen gleichen Pfauen, und doch, welche Dis kretion, welch« zarten, hinschmcizendcn Farbe,»! Ein Eostunrter ersten Ranges ist dieser de Feure, un- ich warne alle sparsamen Ehemänner vor dem Besuche dieser Ausstellung. Als ich diese Wunderwerke schlürfte, die einem Paquin zu denken geben dürsten, lüstete einer meiner Nachbarn den Hut. ,„Können Sic mir vielleicht sagen, was das ist?" fragte er mit beschämtem Ton. Auf einem Gebirgshange flatterte ein Weib, zu dessen Küßen ein graubrauner Karbenfleck sein unmotiviertes Dasein führte. Ich riet auf einen Zwerg, der an -em Kelsen einporkrtechen will, und den eine Hand, der es an einem Leib fehlt, in den Haaren kraut, allein mein Nachbar schüttelte ungläubig den Kopf. Dann wendete er sich an andere Betrachter, die ihm wieder antworteten: „Ich weiß nicht, was soll es be deuten." Ja, sv naiv sind wir noch hier zu Lande, daß wir ein Bild verstehen wollen. Aber Kunst, modernste Kunst ist doch eben gerade das, wa» man nicht deklinieren kann. Dann mußt' ich mich erst etwas erholen und sah mir di« Tiere au» der Kopenhagener Porzellanmanufaktur an: ein in sich -usammengeschmiegte» Kätzchen, o. so behaglich! Man glauvt, es schnurren zu hören, ein sehnsüchtig empor- gloüender Seehund, ein tiefsinnig vor sich hinbrütender Pudel, «tu sich ««schleichende» Raubtier von prachtvoller klärt, daß durch daS über drei Wochen währende vergebliche Warten auf eine Antwort auf die letzte japanische Note vom 13. Januar d. I. und den während dieser Zeit ostentativ be triebenen Aufmarsch der russischen Armee, sowie durch die Be setzung von militärischen Stellungen gegen Korea nicht nur die Geduld Japan« erschüttert, sondern auch die Ileberzeugung er weckt wurde, daß eine weitere hinau«schiebende Behandlung dieser Frage nicht mit den Interessen Japan» zu verein baren sei. * Tokio, 7. Februar, lieber die Flucht der etwa 8000 ja panischen Staatsangehörigen aus Wladiwostok wird hier fol gende (niclu amtliche) Erklärung gegeben: Der Kaiserlich japanische Handelsagent in Wladiwostok wurde vom Garnison kommandanten bereit? am 3. Februar amtlich davon in Kennt nis gesetzt, daß die Erklärung des Belagerungszustandes nach ihm zugegangenen Befehlen binnen kurzem zu erwarten sei. Er müsse daher auffordern, bezüglich der Entfernung der Ja paner die nötigen Schritte einzuleiten. * Tokio, 7. Februar. (Meldung des Reuterschen Bureau«.) Der ganze regelmäßige Dampferdienst nach den Häfen NordchinaS und Koreas ist eingestellt. * San FraneiSro, 7. Februar. (Meldung de« Reuter schen BuremiS.) Der japanische Konsul bestätigt das Gerücht, daß Japan die erste Einberufung an die im Auslande sich aufhaltenden Japaner ergehen läßt. Mehrere werden von hier am Mittwoch abreisen. Di« Einberufung rief eilte große Bewegung unter den hier wohnenden Japanern hervor. * Washington, 6. Februar. Der japanisch« Ge sandte Takahira zeigte sich, als er heute nach einer Unter redung mir dem stellvertretenden Sekretär Loomi» daS Stast«- departement verließ, durch die Aussichten sehr herabge- stimm t. Er erklärte, er würde nicht überrascht sein, plötzlich von einem Abbruch der diplomatischen Bezieh ungen zwischen Rußland und Japan zu hören. * New Uork, 6. Februar. (Meldung de« Reuterschen Bureaus.) Nach einem Telegramm aus So« ul wurden heute einige russische Soldaten, die sich mehrerer Frauen beinächtigt hatte», von der erbitterten Volksmenge um ringt. Gendarmen überwältigten die Russen, von denen einer verwundet wurde. * Haag, 7. Februar. Angesichts des gespannten Verhält nisses zwischen Rußland und Japan har die Regierung befohlen, den Kreuzer „Friesland" für Indien bereit zu stellen, mn eine Macht zur See zur Verfügung zu haben, die genügt, um eventuell die Neutralität der Niederlande aufrecht zu crlcaltcn. Der Friedenszar. „Der Himmel ist hoch und der Zar ist weit" sagen die Russen, unt die müssen es ja wissen. Außerhalb Rußlands und des sreihcrriich Hammersteinschen schwarz-weiß an gestrichenen Machtbereichs darf man in der begrifflichen Einschränkung der zarischen Omnipotenz noch einen Schntt Weiler gehen; man darf den vor der Tür stehenden oder Spannung und Energie. Ganz erstaunlich und sehr er frischend ist die sichere Charakteristik und der prächtige Humor dieser Darstellung nach so viel graziöser Per versität! Da sind Radierungen von Hellen, neben vielem Raffinierten auch erquickende süße Kinderanmut. Dann fallen Skulpturen vvn Sin ding ins Auge: ein Ger manenmeib, den toten Sohn im Arm- Der Schmerz in den noch stumpfen, unbcseelten, undifferenzierten Zügen ist famos erfaßt und wiedergegeben; ein Halbtier noch, aber eine Mutter. Dann eine Amazone aus Elfenbein ans einem bronzenen Kabcltier, das starke Kamilienähnlichkeit mit jenem zeigt, das bei Vöcklin aus dem still empor starrenden Wald tritt. Auf einem Tischchen in der Mitte -cs ersten Zimmers slelst Kinderspielzeug. Ritter Blaubart mit seinen sieben Krauen «Entwurf von Alerander Lalzmann-München, ausgeführt unter Leitung von Wilhelm vvn Beckerath). Kegelförmige, bemalte Hvlzpüppchen, erst Blaubart mit einer Karfunkelnase, dann die Frauen, eine immer kleiner als die andere Ganz drollig, jawohl! Aber Ktndcrspielzeug sollte immer für Kinder sein, und die sehr niedrige Historie vom Ritter Blaubart, die mir noch jetzt ein Granen cinflößt, sollte man nicht erzählen, now illustrieren. Es gibt so viel freundlichere Märchen. Dann ist noch eine Büste von Löbach da: Mommsen. Geiernase, tiefste Konzentration in den welken Zügen. Der Künstler ist kein zünftiger; er ist ein Jurist, der den greisen Gelehrten häufig in der Bibliothek sv, wie er thn gibt, über ein „himmlisch Programm" gebeugt sah. Tie Familie Mommsen lehnt dies Werk ab, aber ich glaube wohl, daß die Hinterbliebenen zu sehr an der „Aehnlichkeit" haften; ich stelle die Büste ohne Zagen neben Lenbaws berühmtes Monunsenbilbnis in der Nativnalgalerie. Alles in allem, wird man zugeben dürfen, daß schon ein flüchtiger Besuch manche Anregung gewahrt. Sonder bar, al- ich de Fen res Werke sah, fiel mir Beyerleins „Jena oder Sedan ?" ein. Nein, von dieser Nation haben wir kein Jena zu befürchten. Der Künstler spricht immer hin zu den führenden Schichten Er stellt das Weib dar, wie Ne es wollen. So ist das Weid bereit« in den Kreisen, die als gesellschaftlich vorbildlich gelten und diesem Typus, der uns jetzt nur als eine oarrikatur erscheint, werben sich auch die mittleren Stände aiinäl>ern. Den Fond» von tvirffchaftltcher Tüchtigkeit, der in der Französin der mittleren Stände steckt, weist ich wohl zu schätzen, nirgend» gibt es eine bessere Gefährtin des Manne» im Daseins kämpfe, aber die Abneigung gegen da», wa» unsere Femi nisten, und noch mit höhnffchcm Naserümpfen, al» den „natürlichen Beruf de» Weide»" bezeichnen, greift ver heerend um sich, und über den Ausgang de» nächsten Krieges wird entscheidend sein, wieviel Prozent Mütter- ltchkett di« Srelenmischuug et»«« Natt»» enthält-
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