Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.02.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-02-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040211027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904021102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904021102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-02
- Tag1904-02-11
- Monat1904-02
- Jahr1904
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
BezugS-PreiS d> der Hauptexprdition oder deren Ausgabe- stellen abgrholt: virrieijährlich 3.—. bei zweimaliger täglicher Zustellung in» Haus S.7K. Durch die Post bezogen für Deutsch land u. Oesterreich vierteljährlich 4.50, für di« übrigen Länder laut ZeitungtpreiSltfte. Redattivn und Vrprdtttou: Johauni-gosse 8. Fernsprecher 153 u. 222. Ailtalexpedttisne«: Alfrrdtzahn, Buchhandlg., UniversttätSstr. 8 (Fernspr. Nr. 4046), L. Lösche, tlkalharinen- straße 14 (Fernsprecher Nr. 293ÜI u. König«- Platz 7 (Fernsprecher Nr. 7V05). Haupt-Filiale Dresden: Marienstraße 34 (Fernsprecher Amt I Nr. 1713). Haupt-Filiale Berlin: CarlDuncker, Herzgl.Bayr.Hofbuckbandlg., Lützowstraße lOlKernsprecherAmtVI Nr.46O3.) Abend-Ausgabe. KipMLr TügMlÄ Anzeiger. Amtsblatt -es Hönigkichen Land- und -es Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Aales und -es Aolizeiamtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 25 Reklamen unter dem Redaktionsstrich («gespalten) 7d -H, nach den FamiUennach- richten (ö gespalten) bO Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Ofsertenanuahme 25 -H. Ertra-Vrilagen (gesalzt), nur mit der Morgrn-Ausgabe, ohne Postbefvrderung ^tz SO.—, m i t Postbtsörderung 70.—. «nnahmeschluh für Anzeigmr Abend-Ausgabe: vormittag- 10 Uhr. Morgeo-AuSgabe: nachmittag- 4 Uhr. Anzeigen sind stet« an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi« abend- 7 Uhr. Druck uud Verlag von E. Polt in Leipzig Huh. I)r. B.,R. L W. LUuthard^ Nr. 78. Donnerstag den >1. Februar 1904. 98. Jahrgang. Var Wichtigste vom Lage. * D»S Befinden de- an Sehnenentzündung erkrankten Körrigs von Württemberg hat sich gebessert. * DerBeirat fürArbeiterstatistikiftzum29.Februar zu einer Sitzung zusammenberufen worden. * Die Japaner sprengten eine Brücke der mand schurischen Bahn, wobei 30 Russen getötet wurden Dre japanischen Truppenlandungen auf Korea dauern in verstärktem Maße fort. Der russisch japanische Arieg. o-xL. Es gebt auf dem russisch-japanischen KriegStheater Schlag auf Schlag, d. h. Japan macht Avance auf Avance, während Rußland der unbewegliche, verlusttragende Teil bleibt. Die Aktion zur See hat den Japanern wieder einen großartigen Fang ein gebracht: Rußland ist um zwei Transportschiffe und um 2000 Mann ärmer. Hierüber können wir noch folgende genauere Meldung ansügen: * London, 11. Februar. (Tel.) Die japanischen -Ureuzer „Saiyen" und „Heiyeu" nahmen zwei große russische Schiffe, das Transportschiff der freiwilligen Flotte „Jeka- teriooslaw" und den der chinesischen Ostbahn gehörigen Dampfer „Argun" weg. Letzterer, der von Wladiwostok nach Nagasaki unterwegs war und eine kleine Anzahl Gewehre an Bord hatte, wurde in der Nähe von Fusan meggenomme». Das Blatt meldet weiter aus Nagasaki, die Dampfer „Jekateri- noslaw" und „Argun", sowie vier russische Walfischfänger seien in Jaseho eiugebracht worden. Es kann kein Zweifel mehr daran sein, daß die Japaner beutedaS Heft auf derSee vollständig in Händen oabea; die russische Flotte ist nicht »nehr aktionS- sähia. Daß die japanische viel bester war, wußte man, aber so hoch hatte man ihre Superiorirät doch nicht einaeschätzt. Bo» der russischen Flotte scheiden ganz aus die beiden besten Linienschiffe „Zäsarewitsch" 13 300 t, „Retwisan" 12 880 t (vollkommen tampiunfähigl, große Kreuzer „Pallada" 0740t (Wrack», „Warjag" 0750 t (von den Japanern genommen), Linienschiff „Poltawa" 11 130 t (auf 3 Monate kampfunfähig), Kreuzer „Novik" 3000 t (auf 3 Monate kampfunfähig), Kreuzer „Karjez" 1200 t (von den Japanern erobert). Also Kriegsschiffe von insgesamt 55 000 t Deplazement haben nicht mehr mitzusprechen, man hatte auf Grund der Gefech tSwerte, wie Jane sie in seinem „Kriegsspiel" für die einzelnen Schiffe annimmt, die russische Flotte auf 10,8 Ge fechtseinheiten, die japanische auf 14,8 eingefchätzt, heute würden den japanischen 14,8 Gefechtseinheiten uur noch höchstens 4,5 russische Gefechtseinheiten aegenüberstehen; denn die beste Infanterie „Zäsarewitsch", „Retwisan" und „Poltawa" ist außer Gefecht gesetzt und dazu auch die beste Kavallerie „Novik", „Pallada" und „Warjag". Es ist ein eigenartiges Zusammentreffen, daß gerade die Kreuzer, welche mit die schnellsten waren („Novik" ist mit seinen 25,4 Knoten der allerschnellste), jetzt auörangiert sind. Kompetente Beurteiler geben zu, daß die Japaner bei ihrem Torpedoangriffe viel Glück batten, aber daran kann doch nicht gerüttelt werden, daß er wohldurchdacht war; die japanischen Adinirale Togo und Kamcinura haben unausgesetzt betont, daß der Panzer selbst bei dem besten Scheinwerfer und der vorzüglichsten Kleinartillerie zur Ab wehr der Torpedoboote sehr leicht verwundbar sei, wenn es nur gelänge, die empfindlichsten Stellen, wo die Maschinen arbeiten, wo die Pumpen sich befinden, zu treffen. Das ist geschehen, die japani'chen Oberleutnant«, welche die Torpedoboote befehligten, haben Japans Oberherrschaft zur See entschieden. Ucbcr den Kampf bei Tschcmulpo liegt noch folgende anschauliche Schilderung vor, die wir wiederholen, da sie uur in einem Teil der Auflage deS heutigen Morgenblattes Aufnahme finden konnte: * Lon - on, 18. Februar. Die hiesige japanische G e - sandtschaft erhielt folgendes Telegramm aus Tokio: Sin japanisches Geschwader, das Transportschiffe begleitete, traf am 8. Februar ans dem Wege nach Tschcmulpo das russische Hochseekanonenboot „Korejetz", das aus dem Hasen ausfuhr. Der ,Höre test" nahm gegen die japanische« Schisse eine offensive Haltung ei« und feuerte auf die japanischen Torpedoboote. Letztere schossen zwei Torpedos ab, die fehlgiugen. Der „Korejetz" kehrte nun zu seiner Aukerstellc zurück. Am 9. Februar früh forderte der Kommandant des japa- nischen Geschwaders, Admiral Urin, formell die russi schen Kriegsschiffe ans, de« Hafen von Tschcmulpo vor Mittag zu verlassen. Der Admiral fügte hinzu, »venu der Forderung nicht nachgekommen würde, so sei er ge» zwnngcn, die russischen Schisse im Hasen an zugreifen. Zwei russische Kriegsschiffe verließen um ^12 Uhr vormittags den Hafen. ES entspann sich außerhalb der archipelartigcn Inseln ein Kampf. Nach einem Gcschiistkampf, der über eine Stunde währte, zog sich ein russisches Schlachtschiff zwischen die Inseln zurück. Gegen Abend sank ein russischer Kreuzer und gegen 4 Uhr morgens wurde am 1V. Februar gemeldet, daK Hochseekanonenboot „Kore- jetz"sei gleichfalls gesunken, nachdem eine E x - plosion stattgefnnden hatte. Die Offiziere und Mann schaften der beiden gesunkene« Schiffe flüchteten ans -en französischen Kreuzer „Pascal". Auf japanischer Seite wurden keine Unfälle eingetragen. — Die japanische Gesandtschaft erhielt ferner ei» Telegramm mit der Meldung, daß vierjapa, Nische Bataillone in Tfchemnlpo gelandet seien Eine etwas andere Version verbreitet die „Associated Preß" aus Nagasaki über San Francisco. Danach wäre der russische Kreuzer „Warjag" nicht gesunken, sondern von den Japanern weggenommeu und nach Sascho gebracht worden, wo er bereits eingetroffen sei. — Außer den bei dem Torpedoangriff vor Port Arthur beschädigten russischen Schiffen seien sieben andere weggenommen worden. Die russische Flotte. Einem Telegramm aus Wladiwostok zufolge ist dort eine Rinne in das SiS geschnitten worden, um dem ans den Kreuzer« „Riurtk", „Gromoboi", „Rossija", „Bogatyr" und dem Transportschiff „Lena" bestehenden russischen Geschwader die Bereinigung mit dem in Port Arthur liegenden Geschwader zu ermöglichen. Die Schiffe nehmen ausreichenden Proviant mit, »m einen Umweg einschlage« zu können. Das ist allerdings sehr nötig, denn sie werden verzweifelte Kreuzfahrten machen müssen, um der überlegenen japanischen Flotte nicht in den Weg zu laufen. In Wladiwostok war ihres Verbleibens übrigens ohnehin nicht mehr, denn eingceist in den Hafen, würden sie treffliche Zielpunkte für japanische Schlachtschiffe abgegeben haben, die ihnen sicher eine Visite abgestattet haben würden. * London, 10. Februar. Der hiesige japanische Marineattachs Erklärte, die russischen Kriegsschiffe „Zaesar ewitsch" und „Ret wisan" seien auf Grund geraten. (Mit der erhofften Ab bringung ist eS also nichts. D. Red.) * Port Said, 10. Februar. Die beiden heute hier eingetrvffe- neu russischen Torpedoboote und die Transportschiffe „Smolen-k" und „Rossija" sind nur mit einem solchen Kohlen vorrat versehen worden, daß sie bis zum nächstliegenden (heimat lichen?) Hafen fahren können. Zuvor haben ihre Kommandeure die von kriegführenden Mächten abzugebende Erklärung über den Bestand des an Bord befindlichen Kohlenbunkers und über die für den obenerwähnten Zweck notwendige Kohlenmenge beschworen. Russische Mobilisierung. Ein kaiserlicher Ukas erteilt dem Statthalter Alexejew das Recht, im Gebiete der Statthalterschaft die dort lebenden Offiziere und Untermilitärö der Reserve des Heeres und der Flotte zum aktiven Dienst einzu berufen und den Ankauf der zur Komplettierung der Truppen der Statthalterschaft nötigen Pferde von der Bevölkerung anzuordnen. Nähere Weisungen darüber haben der Kriegsminister und der Verweser des MarineminifteriumS erhallen. Ein Telegramm deS Statt halters Alexejew an den Kriegsminister vorn gestrigen Tage melket, daß er auf Grundlage dieses Ukases die Kundmachung über die Mobilisierung der Truppender Statthalterschaft, der Küsten und des Kwantunggebieles und der Insel Sachalin erlassen habe. DerersteMobillsierungstagseidatiertvom lO.d.M. Ter Statthalter Alexejew telegraphierte vorgestern dein Kriegsminister aus Port Arthur, daß in Ausführung des kaiserlichen Befehles die Festungen Port Arthur und Wladiwostok und das längs der ostchinesischen Bahn ent eignete Land als vom 10. d. Mts. ab m Kriegszustand befindlich erklärt wurden. * BlagowieschtschenSk, 10. Februar. Dir gestern eingetroffene Mobilisierungsorder wurde sofort bekannt gegeben und gleichzeitig der Ausschank von Branntwein verboten. Die Lebens» mittelpreisr steigen reißend. Die Mebrzahl der hier anwesenden Japaner ist in der Stadt geblieben. Der Militärgouverneur forderte durch cmp Bekanntmachung auf, jede Unordnung zu vermeiden, falschen Gerüchten ent gegenzutreten und gegen Japaner, Chinesen uud Koreaner keine Gewalttätigkeiten zuzulassen. In der Stadt herrscht ruhige Stimmung und Zuversicht auf den Erfolg der russischen Waffen. * Petersburg, 11. Februar. (Amtlich.) Gestern ist der Befehl ergangen, ein drittes sibirisches Armeekorps zu bilden. Di« Verfügung, welche vom 9. Februar datiert ist, ordnet an, daß an dern zur Zeit zu mobilisierenden zweiten Werchne-Udinichen, dem zweiten Tschitaschcn, dem zweiten Nerlschinschcn und dem zweiten Arungschen Regiment des transbaikalischen Kosakenheeres eine Transbaikal-Kosakendivision zu bilden ist. Kaperungen. Eine kaiserliche japanische Verordnung vom 9. Februar über die Wegnahme russischer Handels schiffe befreit davon dieienigen, die bis zum 16. Februar Japan verlassen, sowie solche, die dis zum 16. Februar aus einem nicht japanischen Hafen in direkter Fahrt nach Japan auslaufen, Japan nach Löschung der Ladung verlassen und die ihnen angewiesene Rückfahrt einhalten. Voraussetzung ist, daß die «chiffe nicht verbotene Einfuhrgüter oder KriegS- kontrebande führe«. * London, 11. Februar. (Tel.) „DailyTrlegraph" veröffent licht rin Telegramm au» Nagasaki vom 8. Februar, wonach die Japaner am 6. Februar die russischen Dampfer „Schika" und „Mandschurei", sowie die norwegischen Dampfer „Slrip- ner", der für ein russisches Haus fuhr, beschlagnahmt und Wetter in Sascho den russischen Dampfer „Mulden", sowie den norwegischen Dampfer „SenliS" genommen hätten. Nach einer Verständigung mit Tokio seien dir Schiffe in der Nacht wieder frei gegeben worden. Die Neutralität und AntegrttLt Chinas, b. h. eine Verpflichtung der beiden kriegführenden Parteien, den Krieg nicht auf chinesisches Gebiet zu tragen, scheint von allen Mächten verlangt zu werden. Es wäre ja eia Glück, wenn sie sich durchführe» ließe und der männermorbende Streit lokalisiert würde, die Schwierigkeit liegt nur darin, wie soll man den Begriff „Cbina" definieren. Gehört, wie Japan behauptet, die Mandschurei noch zu China, kann eine chinesische Neutralität im territorialen Sinne nicht in Betracht kommen, denn aller Voraussicht nach wird in einem späteren Stadium des Krieges in der Mandschurei sehr stark gekämpft werden. Soll jedoch eine Neutralität wirklich Wert besitzen, so handelt eS sich darum, daß die Regierung stark genug ist, sie durchzusühren. Das aber kann man nickt unbedenklich von China sagen. Dergleichen Bedenken bezüglich der Mand schurei begegnen wir auch in folgendem unS kurz vor Schluß der Redaktion zugebenden Telegramm: * London, 10. Februar. „Reuters Bureau" erfährt, Japan sei noch keinerlei Vorschlag bezüglich der von dem Staatssekretär Hay der Vereinigten Staateu ergriffenen Initiative zur Sicherung der Neutralität Chinas zugegangen. Japan wünscht lebhaft, daß die Neutralität Chinas gesichert werde; indessen würde diese Neutralität sich schwer auf die Mandschurei anwendrn lassen. Japan würde für seine militärischeu Operationen die Hände gebunden haben, wenn Rußland nicht diesen Teil de- chinesischen Territoriums räume. Die Stimmung tu Rußland Gestern nachmittag besuchte der Zar, wie schou anderweit berichtet, in Admiralsunisorm das MarinekadetlenkorpS und wandte sich an die Kadetten mit folgender Rede: „Es ist euch bekannt, daß uns vorgestern der Krieg erklärt wurde und daß ein tückischer Feind in dunkler Nacht unsere Fest« und unsere Flotte ohne jegliche Herausforderung unsererseits über fallen hat. Jetzt braucht Rußland sowohl eine Flotte als auch eine Armee. Ich bin heute gekommen, euch zu sehen und euch zu sagen, daß Ich euch zu Offizieren befördere. Indem Ich euch 3>/r Monate vor dem Termin befördere, bin ich überzeugt, daß ibr alles daran setzen werdet, euer Wissen zu bereichern, und daß ihr dienen werdet, wie eure Urgroßväter uud Großväter gedient haben, wie die Admirale Tfchitlchagow, Lasarew, Nachimow, Komilow und Istomin gedient haben, zum Nutzen uud Ruhm unseres teuren Vater landes. Ich bin überzeugt, daß ihr alle Kräfte unserer Flotte widmet, über der die Flagge mit dem AndrecvSkreuze weht. Hurra!" Die Stimmung in Petersburg und im Lande ist natür lich keine freudig erregte und gehobene, aber auch noch keine gedrückte und mutlose. Tiefer Ernst hat sich der leitenden Kreise bemächtigt» sie sind verblüfft durch die Tiger sprünge des „asiatischen Barbaren" und verhehlen sich nicht, daß die russische Flottensührung eine höchst unzulängliche war, man hofft aber auf den schließlichen Erfolg bei den Operationen zu Lande. Die „Nowoje Wremja", die ja dem Auswärtigen Amt nahestehen soll, gibt die Aktion zur See schou jetzt für ver loren. Die erlittenen Verluste, meint sie, entschieden noch nicht-. Der Kampf werde endgültig zu Lande aus- getragen werden. Aber auch hier macht man sich für den nur ungern einen vierwöchigen Urlaub — als Vorläufer -es gänzlichen Abgangs — bewilligt hatte. Ihm selbst war recht schwer, und doch 'wieder so eigen tümlich froh nmS Herz. 'Einerseits schmerzte eS ihn, die Uniform auszuzishen und von den Kameraden und vom Regiment zu scheiden, anderseits reizte ihn der große Wirkungskreis, in dem er sich von nun an würbe be- tätigen können. Und dann — ja, dann erinnerte er sich eines süßen, blauäugigen, von krausen, ttesschwarzcn Locken umrahmten Mädchenkopfes, der sich öfter neugierig und ohne jede Scheu nach ihm umgedreht hatte. Und dieser Kopf, der ihm nun schon seit zwei Jahren nicht aus dem Sinn wollte, verfolgte ihn jetzt, wo er wieder in seine Nähe kommen sollte, erst recht, und wo er ging, und wo er stand .... „Erich!" dröhnte Sa des Vaters Stimme an sein Ohr und zerriß den holden Zauber. Er stellte rasch den eben abgcschnallten Säbel in die Ecke und eilte zu den Eltern hinüber. Major von Höchstseld macht« wenig Umstände und ging direkt aufs Ziel lvS. Erich zauberte einen Moment, bann sagte er mit seinem jugeudfrischc-c Organ: „Mama hat recht, ich habe euch wirklich etwas ver» schwiegen, doch dielt ich eS für unangebracht, euch viel leicht ganz müßiges Geschwätz zu hinterbringen." „Da hast du S" — wandte sich Herr von Höchstseld mit siegessicherem Lächeln an seine Frau — „er sagt selbst: müßiges Geschwätz!" „Er sagte aber auch: vielleicht!" — beharrt« sie. Verwundert schaute Erich von einem zum andern, uud fuhr dann, aus -es Vaters Aufforderung hin, fori: „Ich ritt einmal mit dem damaligen Verwalter auf bas Vorwerk, wo wir aus der Gvcnzgemarkung den Grafen Ttepenaz mit Komtesse Ljubiza trafen." „Warum wirst du denn plötzlich so rot?" inguirierteihn -er Vater. „Ich? Ich bitt doch gar nicht rot" — widersprach Erich und gab sich alle Mühe, seine Verlegenheit zu bemrislern — „warum sollt' ich denn rot werden? Ich habe sie ja nur daS ein« Mal und dann noch einmal uttd dann nicht wieder gesehen." ,-Hm — hm" — räusperte sich Herr von HLchstseld — „die Geschichte schaut verdächtig auS, doch — weiter." Froh, so schnell darüber hinwegzukom-men, beeilt« sich Erich, fori-ufahren. „AuS Freundschaft und in der ersten Narretei!" polterte -er Major, „deshalb ist er dann auch zurückgetreten. Karl wird sich aber natürlich ferner für solch halbwilden Um gang bedankt halben, und da dort unten die Geistlichkeit die erste Geige spielt, so kann eS dem Pfarrer bei Karls vor- nehmer Zurückhaltung nnr zu leicht gelungen sein, den Fremden, den Eindringling, als böts voirs hinzustellen. Jetzt erst begreife ich, warum er mich gerade vor diesem Pfarrer so eindringlich warnte — na, bei mir soll er auf -en Rechten stoßen — wenn er es überhaupt wagt, unsere Woge zu kreuzen — ich habe Haare auf den Zähnen, ich will ihm zeigen, daß wir Aamtlienbande bi- übers Grab hinaus heilig halten!" „Karl hat sich bei Lebzeiten dieser heiligen Kamilien- kanbe leider nur höchst mäßig erinnert" — meinte Frau von Höchstfeld seufzend. „Dafür hat er mich ins Erbe eingesetzt" — wies er sie zurecht, um dann aber selbst recht grimmig hinzuzusetzen — „freilich, ein recht angenehmes Erbe!" Zweites Kapitel. Bereits den dritten Dag fuhren sie mit der Eisenbahn der neuen Heimat entgegen. Frau von Höchstseld war anfs äußerste erschöpft, wollte aber trotzdem von einer Unter brechung der Reise nichts wissen, da dies zweifellos Un- glück bringe. Er lachte sie »war wegen ihres Dummenlenteglaubens gehörig auS, bestand aber nicht weiter darauf, da cs lkn selbst darum zu tun «ar, endlich einmal ans Ziel zu kommen. Bei Antritt -er Reise war Man ziemlich guter Laune gewesen, wozu Ernas lustiger Uebermut nicht wenig bet. trug, und selbst Frau von Höchstseld, der gewiß vas Dekorum «der alles ging, hatte damals noch über der Kleinen unschuldige Bosheiten, die stck auf hypernervöse Reffende bezogen, zu lächeln vermocht. Als indes mit Uöderfchreiten der böhmischen Grenze die erst^i tschechi schen Laute an ihr Ohr schlugen, da sah sie der Reihe nach Mann und Kinder an, und nahe am Weinen, jammerte sie: „Und daß soll von nun an unsere Muttersprache sein!" „Nimm mir'S nicht Übel, liebe Evolinc" — hatte der Gatte sich daraufhin über sie lustig gemacht — „aber du entwickelst geographische und ethnographisch, Kenntnisse, als ob du eben, gleich Erna, die höhere Töchterschule mit dem Reifezeugnis verlassen hattest. Und dann, ganz ab gesehen von allem andern, immer gleich diese Ueder. „Ich konnte es natürlich nicht umgehen, mich den Herr schaften vorzustellcn, und nachdem ich dem Grafen auf dessen Frage antwortete, daß ich schon den nächsten Tag abreise, gack er mir die Hand und sagte: Nun, bei Ihrem nächsten Hiersein hoffen wir, Sie zu sehen, uns wenn Ihnen Jl/r Herr Onkal früher oder später die Herrschaft übergeben sollte, dann stehe ich Ihnen jederzeit mit Rat nnd Tat zur Verfügung — ich zweifle nicht, daß wir gute Nachvarschuft halten werden." ,^Kerl, du wirst la schon wieder rot" — unterbrach ihn -er Vater. „Aber, ich weiß nicht, was du hast" — stotterte Erich — „ich sagte dir -och schon ..." „So laß ihn doch ausreden" — kam ihm die Mutter zu Hülse — „das Wichtigste mnß ja erst folgen." „Und mir ist'S, alS ob ihm diese Begegnung da» Wich- tlgst'e wäre" — meinte der Major ahnungsvoll. „Nein, das Wichtigste kommt erst" — voltigierte Erich Über die heikle Situation mit keckem Satze hinweg. — „Des Grafen Liebenswürdigkeit ließ mich annohmen, daß der Onkel doch nicht alle Beziehungen abgebrochen habe, und so tat ich an den Verwalter die unvorsichtige Frag«, ob der Verkehr Livischen -en beiden Hervschaften ein reger sei?" „Und?" — fragten Daker und Mutter wie auS einem Munde. „Aus seinem zusammengewürfelten Kroatisch-Deutsch habe ich nur so viel verstanden — und nicht einmal dafür kann ich die Garantie übernehmen —, Laß -er Onkel des Pfarrers Schwester habe heiraten wollen, bann habe er wieder nicht wollen, bann sei sie plötzlich gestorben ober verunglückt — wie gesagt, man konnte aus dem Kauder- wälsch nicht recht klug werden, «Ruch davon sprach er, baß der Graf -es Psarrirs Dirzfreunü sei und -aß der Graf den Onkel sogar gefordert habe, es sei »Ser nicht so weit gekommen ..." „Weil das Ganze ein Unsinn ist" — siel der Major wütend dazwischen. — „Karl wird ihr wahrscheinlich in seiner ckevalere-ken Art Len Hof gemacht Haden, und da bildete sich das dumme Frauenzimmer gleich ein, Frau von Höchstseld -u werden! Natürlich ein deutscher Edel mann hat nicht- Gescheiteres -u tun, als «in kroatische» PfarretSfräulein zu heiraten — -as ist wirklich der Hirn- verbrannteste Blödsinn!" „Die Sach, liegt nicht ganz so" — widersprach ihm seine Frau — „Du hörst -och, -aß ihn sogar Griff Tttpenaz des halb forderte." Feuilleton. 2j Ein angenehmes Erbe. Roman von Viktor von ReiSner. .Nachdruck verdoren.l „Das ist Weiberlogik" — wich er, in die Enge getrieben, auS. „Nein, Erwin, dazu führt mich die rubige Ueber- leguns" — sagte sie mit Festigkeit — „un- spricht nicht auch -a- ganze Verhalten des dortigen Adslö gegen ihn? Wenn daS Nechfauf seiner Sette gewesen wäre, würden sie ihn da fallen gelassen, würde er sich da freiwillig aus ihrem Kreise ausgeschlossen haben? Nie uud nimmer!" „Du vergißt, liebe Evekine" — entgegnete er ihr — „daß es auch so etwas wie einen kulturellen Stolz gibt. Wahrscheinlich betrachteten sie ihn, infolge seiner geistigen Luperiorität, als gomeuisamen Feind, als Eindringling, uud da wir- ihnen jede Gelegenheit willkommen gewesen sein, ihn zum Lande hinauszugraulen. Daß ihnen mrS nicht gelungen, zeugt nur von seinem cisenfestrn Charakter — freilich" — setzte er dann düster hinzu — „ist er dabei unn M«nschenverächt«r geworben, uud es ist nicht auSatschloffrn, -aß eS un» auch so gehen wird!" „Wenn du mit solchen Anschauungen hinuntergehst, ist das liicht möglich" — meinte sie bedrückt; bann raffte sie sich auf und sagte — „nun möchte ich dich aber bitten, unserem Fung«« ernstlich auf den Zahn zu fühlen. Ich hab« Ursache, zu glauben, daß er von der Sache mehr weiß «iS wir. Er hat stets, wenn wir von Karl» Ein- sirblerleden sprachen, eine eigentümlich scheu« Zurück. Haltung deovachtet, deren 'Gründ nur ..." „Warum erwähnst du das erst heute?" — fragte er miß- lrauisch. »Weil die Sache früher nicht aktuell war und ich als Mutter Bedenken hatte, Erich zu einem B,richt auszu- fordern, der und bedden vielleicht hätte peinlich sein können." „Na, der Geschichir wollen wir gleich auf den «rund gehen" — meinte er entschlossen, öffnete die Tür und ries mit einer Stimme, die durch das ganze Haus dröhnte —- Erich!" Dieser war kurz vorher von seinem Oberst zurück gekommen, -er -em schmucken und -iensteifrigen Leutnant
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite