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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.02.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-02-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040212028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904021202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904021202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-02
- Tag1904-02-12
- Monat1904-02
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Vez«g--Prei» Nedaktto» «ch Expebttt«,: Johmni-gaffe 8. Femsprecher ISS «. 222. D«e»be>t Mari«stradr-4(K«r»spr«ch«rU«tINr.171S). Hn^^Ailisse Perlt«: LarlLn»cker,HerzglVayrHost«chbaudfg„ Lützowstraßr 10 (Ferusprech«A«tt VI Nr.4608.) Abend-Aus„abe. Anzeiger. Ämtsökalt -es HöiUglichm Land- «nd des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, -es Nates «nd des Nokizeiamtes der Ltadt Leipzig. Nr. 78 Freitag den 12. Februar 1904. Anzeigen-PreiS die S gespaltene Petitzeile 25 Reklamen unter dem RedakticmSstrich («gespalten) 7L nach den Famtiieaaach- richten (6 gespalten) SO Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertrnaanahme 2ü Extra-Veilageu (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ob ne Postbrfvrderung SO.—, mit Postbrsörderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-AuSgab«: vormittag» 10 Uhr. Morgen-AuS-abe: nachmittag« 4 Uhr. Anzeigen sind stet» an die Expedition zu richten. Di« Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet voa früh 8 bis abend« 7 Uhr. Druck und Verlag voa G. Pali in Leipzig lJnh. vr. v., R. L W. Kiiukhardt). 88. Jahrgang. Var «Nchtigrte vs» Lage. * Es bestätigt sich, daß der Tod de« Grafen Pückler in Kamern« auf einer Erkundung-reife iu unbekannte Gebiete bei einem unbedeutenden Streite mit Eingeborenen erfolgte; eia Lufstaad ist also in Kamerun nicht au-gebrochea. * Da« Reich-amt de« Innern ist gegenwärtig mit der Nachprüfung sämtlicher Verordnungen über die Sonn tag «ruhe beschäftigt. E« sollen die Ungleichheiten beseitigt und einheitliche Bestimmungen hergestellt werden. * Die formelle Krieg«erkläruag Japan« ist gestern iu Tokio publiziert worden. * Nach japanischen Meldungen sind in der Schlacht bei Port Arthur auch einige japanische Schiffe außer Gefecht gesetzt worden. Der russisch-japanische Krieg. Unser mit -en' japanischen Verhältnissen genau vertrauter Gewährsmann schreibt uns über die Sieger von Port Arthur: Die beiden japanischen Btzeabmiräle, denen der Ruhm -er japanischen Erfolge bet Port Arthur zufällt, Hetha - jiro Logo und Hikonojo 'Kamimura, gehören nicht zu den Glücklichen, denen die wiederholten starken Vermehrungen der japanischen Kriegsflotte ein rapide- Aufsteigen auf der Letter de- Dienstes gebracht hat. Sie find deshalb, nach japanischen Begriffen, verhältnismäßig älter« Männer, Togo V7 Jahre und Kamimura S4 Jahre alt. Beide haben durch den Wechsel deS Dienste- bet der Armee und bei der Marine, der überhaupt für die älteren höheren japanischen Offiziere -er neuen Aera charakte ristisch ist, an Ehancen des AvanzementS Opfer für die bester« Erkenntnis des Wesen» kriegerischer Unter nehmungen gebracht. Togo verdankt seine erste Ausbildung als See kadett noch der Shogunat»regierung> die 1868 gestürzt wurde. Diese hatte in seiner Heimatstadt Kagoshima eine Navigationsschule für die zu begründende moderne Kriegsflotte eingerichtet. Während der inneren Kämpfe verließ Togo die Marineschule und trat in die Armee ein, die zugleich die Wiederherstellung der Kaiserlichen Ne- gterungSgewalt aus ihre Fahnen geschrieben hatte. Nicht an den ersten Entscheidungen, aber doch noch an den Kämpfen in den nördlichen Provinzen Lewa, Etschu und Etschizen, wo die neue Ordnung entschlossenen Wider stand sand, nahm Togo rühmlichen Anteil. Dann trat er in die neue, jetzt „kaiserliche" Ätarine als Seekabett auf dem si-riegSschiff „Riujokan" in die Marine zurück. Seine in allen Aweigen des Marinewesen- gründliche Ausbil dung erhielt er in England, wo er von 1872 bi« 1878 verblieb. Erst nachdem er da- in England erbaute Kriegs schiff „Hiyei Kan" glücklich in die Heimat geführt httte, wurde er 1878, also mit 41 Jahren Oberleutnant. Bei den Demonstrationen, die ein fliegendes japanisches Ge- schwader 1882 an der koreanischen Küste machte, zeichnete er sich so au-, daß er ein kaiserliches Ehrengeschenk, nach alter japanischer Sitte ein Stück SeidencrSpe und eine kleine Geldsumme, erhielt. Dann wurde er besonders zur Ausbildung -er japanischen Marine, auch der Matrosen, diviston in Kure verwandt. Allgemein bekannt machte er sich durch seine SLneidigkeit al» Führer -er « r ft en GeschwaderabteilunginderSchlacht am Jaluslusse im September 1804, durch seine Mit wirkung an der Einnahme von Port Arthur im November 18S4 und durch di« Einschließung der chinesischen Flotte im Hafen von Waihaiwai im Februar 1895. Wegen seiner hervorragenden strategischen Befähigung wurde er dann Mitglied -er Admiralität und stieg jetzt schnell zu hohen Ehren auf. Er war lange Präsident der Gesellschaft für Marinewistenschaft und wurde vor vier Jahren Ehef LeS westlichen Geschwaders. Kamimura fing mit 16 Jahren al» Soldat unter Führung des au- dem chinesisch-japanischen Kriege und dem Feldzüge in Formosa wohlbekannten General- Nozu seine ruhmreiche Laufbahn an. Bei den Kämpfen mit den Anhängern des SchogunatS wurde der erst 18 jährige Leutnant bei Shirakawa so schwer verwundet, daß er glaubte, für militärische Zwecke nicht mehr ver wendbar zu sein. Er trat deshalb al- Student in die alte Universität Tokio ein. Aber trotz guter Aus sichten blieb er nicht in der Eivilcarriere. 1872 trat er in die Marine ein und nahm 1874 an -er Expedition gegen die wilden Stämme FormosaS teil. Beim Sat- suma-Aufstan-e wurde -aS Schiff, auf dem er noch immer Kadett war, auf forcierter Fahrt das Opfer einer Kessel- exploston; unter -en drei Offizieren, die gerettet wurden, war auch Kamimura. Jetzt erst, also mit 27 Jahren, wurde er zum Leutnant der Marine ernannt. Seiner gelehrten Vergangenheit entsprechend fand er Verwendung im Ge n e r a l st a bs üi e n st der Marine. Daß er aber vor allem ein Mann der Tat war, bewies er in der Seeschlacht am Ualufluß und bet den Unter nehmungen in der Bucht Talienwan 1894. Vor vier Jahren wurde er nach England gesandt, um ein- der neuen Riesenschiffe der japanischen Marine, den „Asahi Kan", heimzuholen. Nach der Rückkehr war er Chef -er Kriegsabteilung im General st ab der Marine. Beide Mzeadmiräle stammen auS demselben Klan, nämlich aus Satsuma im Süden der südlichsten der vier Hauptinseln des Kaiserreichs Japan. Der alte Schweitadel grade dieses KlanS setzt feinen besonderen Stolz Larin, in der kaiserlichen japanischen Marine den erprobten Ruhm unbezwinglicher Tapferkeit zu erhalten und zu vermehren. War eS doch die Unternehmung ihres KlanS, die vor zwei Jahrhunderten den Riukiu- Archipel dem japanischen Reiche hinznsügte, während eine etwas spätere Expedition der Zentralregierung nach Nordformosa fehlschlug. Die rauhe, spartanische Art, die in diesem Klan traditionell ist, macht sie zu See männern besonders geeignet. Ein Angehöriger diese» KlanS, Vicomte Uamaoto, genießt a>S langjähriger Marineminister bef allen Klaffen -er Bevölkerung da grüßte Vertrauen. Er ersetzt gewissermaßen nach der Seite der Wehrkraft ?ur See hin seinen verstorbenen engeren iLan-Smann MarguiS Saigo, dessen prächtige Gestalt allen unseren älteren Marineoffizieren, die früher Japan besuchten und seine joviale Gastfreundschaft genoffen, in lieber Erinnerung ist. Die Schlacht bet Port Arthur. Die Pariser Ausgabe de« „New Dort Herald" weiß, wie dem „Berl. Tagebl." berichtet wird, über den Plan der Japaner, Port Artbur anzugreifen, folgende« zu berichten: Der japanische Konsul in Tscbifu batte einen englischen Dampfer gechartert, um die Japaner in Port Artbur an Bord zu nebmen. Seine Mission wurde ibm seitens der russischen Regierung erleichtert: er begab sich in amtlicher Tracht nach Port Arthur und besuchte die dort anwesenden köderen russischen Beamten, bei dieser Ge legenheit wurde auf die Erkaltung des Frieden« ge trunken. Bei der Abiabrt mußte der Konsul die russischen Schiffe passieren; sein Diener, ein höherer japa nischer Offizier, stellte fest, daß keine« der Schiffe unter Dampf war, und daß außerdem die Bewachung derselben viel zu wünschen übrig ließ. 18 Meilen vor Port Arthur traf der Dampfer de« Konsuls mit der japanischen Flotte zusammen; der al« Diener verkleidete japanische Offizier st,eg sofort an Bord de« AdmiralichiffeS, und dank seiner Erklärungen konnte der nächtliche An griff stattfinden. Die von den Torpedobooten beschä digten russischen Schiffe standen in der zweiten und dritten Gefechtslinie. Die japanischen Torpedoboote haben daher ein sehr gewagte« und mutHeS Manöver »»«geführt. — Ueber den japanischen Angriff ser noch folgende ergänzende Depesche registriert: * London, 12. Februar. (Tel.) Der „Standard" meldet aus Tokio vom 10. Februar: Nach einer japanischen Version über den Kampf bei Pott Arthur kam die ganze Flotte am 8. Februar abends auf der Höhe von Pott Arthur an. Sie sand die Russen unter den Forts in Schlachtordnung ausgestellt. TorprdobootSzerstvrer umschwärmten sie in einer Entfernung von fünf Meilen von der japanischen Front. Der Admiral Togo entschloß sich zu einem Nachtangriff. Er eröffnete da» Feuer um 11 Uhr abend». Während das Feuer am heißesten war, fuhren die japanischen Torpedoboote langsam und vorsichtig auf das Land zu. Es gelang ihnen, zwischen die russischen Schiffe und das Land zu kommen und unbemerkt zu bleiben, bis die russischen Schifft vor dem Feuer der japanischen Flotte versuchten, in den Hafen zurückzukehren. Sofort feuerten die Torpedoboote und setzten zwei Schlachtschiffe, sowie einen Kreuzer außer Gefecht. Dem übrigen Teile der Flotte schnitten sie den Rückzug ab. Am Dienstag früh wurde der Kampf wieder auf. genommen. Jetzt hört man auch au« japanischen Quellen etwa» über die beiderseitigen Verluste in der Port Arthur-Schlacht. Man meldet un«: Vokohama, 11. Februar. Der größere Teil der russischen Kriegsschiffe bei Port Arthur ist bereit» kjampfunfähig gemacht; einige sind gesunken. Auch einige japanische Schiffe sind außer Gefecht gesetzt. (Boss. Ztg.) DaS letztere ist wenigstens ein kleiner Trost für Rußland. Nach Petersburger Berichten macht der Marinegeneralstab bekannt, bei dem Gefecht bei Port Arthur feien 6 j aPa nis che Schifte unwesentlich beschädigt; SO Mann seien getötet, ISO verwundet. Die Vleffirte» von Port Arthur. Ein Telegramm de« Statthalters Alexejew an den Kaiser vom 11. Februar meldet: Der „Häsarewitsch" und „Pallada" wurden am 9. Februar m die innere Reede gebracht; am „Retwisan" wird zur Zeit das Leck ver stopft (nach japanischen Melsungen sollten die Schiffe auf Grund geraten fein. D. Red.). Die Ausbesserung der Panzerschiffe ist eine komplizierte Arbeit, deren Dauer sich schwer bestimmen läßt. Der „Pallada" und „Nowrit" werden nacheinander auf Dock gebracht werden. Meiner Meinung nach wird die Reparatur gegen zwei Wochen erfordern. Alle übrigen Schiffe de« Geschwader«, di« an dem Kampfe am 9. Februar terlgenommen und Havarie erlitten haben, wurden am 10. Fevruar in die innere Reede gebracht, um Kohlen zu löschen und Reparaturen vorzunehmen, die, wie ich hoffe, in 3 Tagen vollendet sein werben. zMan muß die Meldung so verstehen, daß die Blockade des Hafens durch die auf Strand geietzten Schiffe jetzt behoben ist, was für die russische Floite em großer Borteil wäre, wenn sie überhaupt noch einen ausschlaggebenden Faktor darstellte. D. Reo.) — Die in dein Kampfe der Schiffe de« Geschwaders leicht verwundetenOberstleutnant der Marineartillerie SanontschowSki und Fähnrich Petrow, der auf der „Aurora" sich befand, die am Kampfe nicht teilnabm, gehen der Besserung entgegen. Von den schwer verwunkeien Untermilitär«sind 4 gestorben, die übrigen geben, wie ick mich überceugt habe, Hoffnung auf Besserung. Der größte Teil der kampfunfähig Gemachten entfällt auf den Kreuzer „Pallaba". Der Grund hierfür ist dieVergiftung durch Gase bei der Explosion dsr Torpedo«, die mrtMelinit geladen waren. Allen Verwundeten und sonst kampfunfähig Geworbenen wird aufmerksamste und sorgfältigste Pflege zu teil. Am 10. Fe bruar dauerte die Rekognoszierung durch Kreuzer fort, wobei keine feindlichen Schiffe entdeckt wurden. Die Nackt verlies bei verstärkter Wache durch Torpedo- und andere Boote ohne Zwischenfälle und ohne Zusammenstoß mit dem Feinde. Tscheumlpo. * Tokio, 10. Februar. (Telegramm de» Reuterfchen Bureau».) Ueber da» Seegefecht bet Tfchemulpo wird noch gemeldet, der Kapitän des Kreuzer» „Warjag" fei an Bord geblieben und habe daS Schiff, nachdem die Mannschaft sich gerettet hatte, in die Luft gesprengt. Ferner heißt rS, ein französischer Kreuzer habe den Russen des Herannahen der Japaner mitgrteilt. — Nach nicht amtlichen Berichten sind zwei japanifcke Kriegsschiffe bei dem Angriff auf Port Arthur am S. d. M. beschädigt worden. Rußland gibt die Dee verloren« Eine für die Sache Rußlands recht bedenkliche Meldung kommt auS London, 1L./2. DaS Telegramm will wissen: Au» Glasgow werde berichtet: Die russische Re- »ieruu, ließ die Verschiffungen »on Kohle nach Dst- ajien einstelleu. Auch au» Cardiff wird »eweldet: Alle Verschiffungen au Kohle nach Port Arthur für russische Rechnung find dereit» eingestellt oder werden eS alsbald. Bereit« unterwegs befindliche Schiffe mit Kohle «äffen -en Kur« ändern um eine Kaperung »nrch die Japaner zu »erweisen. Ein Dampfer» Ser mit Kohle nach Port Arthur gehen sollte, aber jetzt »on Ser russische« Regierung zurückgehalten wurde, ist zur Fahrt nach Hongkong von Ser englischen ASmtraltrat gechartert worden. Sie zur Zett Umsragen veranstaltet nach Frachtsätzen für Sen Transport von Kohle für Sa» britische GeschwaSer tu Seu chtuesischcu Gewässern. E« ist da« eine „Reuter"-Meldung, d. h. au« englischer Quelle stammend, also nicht von vornherein glaubwürdig, aber sie stimmt zu der ganzen durch Japan- energischen ersten Schlag zur See geschaffenen Lagt, die die russische Flotte so gut w,e lahm gelegt erscheinen läßt. Daran dürfte» auch die folgenden russischen Dementis nicht» ändern, die vom Generalstab auSgehen: * Petersburg, 12. Februar. (Tel.) Infolge Gerüchte«, di« auf Grund zweifelhafter Meldungen ausländischer Telegraphen« Agenturen und Zeitungen über die Seeschlacht bet Tfchemulpo, über die Landung der Japaner auf Korea, über Ereignisse an der Mandschureibahn und ähnliche- hier verbreitet sind, bringt der Generalstab zur allgemeinen Kenntnis, daß bis jetzt keinerlei diese Meldungen bestätigende Nachrichten in Petersburg eingegangen sind. Allerdings ist allen Meldungen vom Kriegsschauplätze gegenüber Vorsicht geboten, geradezu verdächtig aber sind russische Ableugnungen. Die russische Kriegsleitung hat ein Interesse daran, die Wahrheit nicht bekannt werden >u lassen, denn sie ist, wenn auch Einzelheiten in nicht russischen Be richterstattungen übertrieben sein mögen, im ganzen doch für da« Zarenreich recht deprimierend. — Hier noch eia weitere- Dementi: * Petersburg, 11. Februar. Di» voa hier au« verbreitete Meldung aus Port Arthur vom 11. Februar, woaach heilt« Feuilleton. Sj Ein angenelimes Erbe. Roman von Viktor von Reisner. .Nachdruck verboten.) Der Major räusperte sich verlegen. „Hier und unter vier Augen habe ich nicht- dagegen" — lenkt« er ein — „sobald wir indes unfern neuen Wir- kungSkrei» angetreten haben, hast du für alle ein Vor bild stummen, willenlosen Gehorsam- zu seiu. Mir hat eS schon nicht gefallen, daß du auf eigene Faust mit diesem Grafen Stepenaz Bekanntschaft geschloffen hast, und wenn du dir wirklich irgend welche Pläne von Familien versöhnung -urechtgelegt haben solltest — dein Rot- werden bei der Erwähnung von Komtesse Ljubiza scheint mir da» fast zu bestätigen — so schlage dir da» bet Zetten au» dem Köpft" „Du weißt doch, daß e» eine zufällige Begegnung war" — protestierte Erich zögern-. „Und -a» zweite Mal?!* „Auch nur Zufall." „Du, solche Zufälle kenne ich!" — -rohte ihm der Mte unwillkürlich schmunzeln-. Mit ernster Miene erklärte -er Major seinem ziem lich unge-ul-tg -retnschauen-en Sohne: „Vergiß nicht, was wir -em Andenken -eine» Onkel- schuldig sind! Haben diese Stepenaz' de» Pfarrer- Partei ergriffen, -er e» in seiner heimtückischen Scheinheiligkeit -och nur -arans abgesehen hatte, Karl für sein holde» Schwesterlein einzufangen, so können sie un» nie nähertreten — nie!" Fra« von Höchstselb seufzte beklommen. „Laß das" — schalt er ärgerlich — „damit schaffst du die Sach« nicht au» der Welt! Wir können doch gar nicht ander», wir müssen mit -en gegebenen Verhältnissen rechnen, da» »erlangt der Familiensinn, und da- »er- langt die Achtung vor un- selbst! Freilich, da sie unsere nächsten Nachbarn sind, werden wir wohl nicht gut einem Besuch au- -em Weg« gehen können, aber da verpflichtet «och lange nicht zu einem intimeren Verkehr, «nd ich werde nicht ermangeln, ihnen zu verstehen zu gebe«, da- ich mich mit meinem Vetter ein- fühle, und daß die von Höchstfeld stet- füreinchnder eingetreten sind." Solch angenehme Gespräche, bei welchen sich der Ehef der Familie in immer größeren Zorn gegen die ihm noch unbekannten Feinde hineinredete, würzten die ganze Reise, und mit einem Gefühl freudiger Erlösung nahm Frau von Höchstselb die Nachricht hin, daß die Eisenbahnfahrt in drei Stunden zu Ende sei. Dann hatte man noch auf einem kleinen Savedampfer — oder wie Erna korrigierte: Saubanwfer — drei Stunden Talfahrt, und von -er Station Mariance, wo- hin die Wagen schon bestellt waren, die letzten zwei Stunden per Achse zurückzulegen. Im ganzen also immerhin noch acht Stunden, aber Frau von Höchstfeld un- die Kinder gaben sich der an genehmen Hoffnung hin, daß bie neue Umgebung den Vater auf andere Gedanken bringen würde. Und daS traf tatsächlich ein, denn mit dem Moment, da man den Dampfer bestieg, fluchte er nicht mehr über die vage Zukunft, sondern Ücker die greifbare Gegenwart. Die um eine ganze Stunde verspätete Abfahrt bot ihm willkommenen Anlaß, über bie „elende Hundewirtschaft" und über die „infame Lotteret" dieser „Bagage" loszu donnern, die wohl glaube, daß er seine Zeit gestohlen" Habel Mama Höchstselb war in tausenb Aengsten, und auch Erich befürchtete, daß sich ein oder -er an-ere der Pass«, giere diese in allgemeinen Ausdrücken gehaltenen Be leidigungen verbitten könnte. Ihre BeruhigungSver- sucke batten aber leider nur den Erfolg, daß er nun erst recht loSlegte. Da, als er im ärgsten Räsonntereu war, klopfte ihm ein biederer Semliner HolzhänLler ganz ungeniert auf die Schulter un- sagte: ,Mssen Sie, mein lieber Herr, ich höre Ihnen schon -ie längste Zeit zu, und ich bedaure Tie." „Bedauern Sie sich gefälligst selbst!" — knurrt« ihn Herr von Höchstfeld wüten- an. „Ne, ne, ich Sedanre Sie" — beharrte Lieser in aller Gemütsruhe — „denn sehen Sie, mein lieber Herr, wenn Sie schon hier Ihren ganzen Vorrat an Schimpfwort«« au-kramen, dann bleibt Ihnen doch nicht- für die ande ren Stationen übrig!" Herr von Höchstfeld war über diese Dreistigkeit so perplex, daß er gar keine weitere Zurechtweisung fand. Der urgemütliche Semliner fuhr -«-halb in seiner wohlmeinenden Belehrung fort: „Glauben Sie vielleicht, -aß e- bei -en folaenden Stationen ander- sei» attrd- I bewahre, eine Stund« Verspätung haben wir mindestens bei jeder, und wenn nicht mittlerwetle die Nacht hereinbricht un- -er Kapitän sich deshalb wetterzufahren weigert, dann können wir noch von Glück sagen." Allmählich kam der Major aus seiner Erstarrung zu sich. „Aber zum Teufel" — schrie er — „zu wa» hat man benn bann überhaupt einen Fahrplan?!" „Na" — meinte jener mit der unschuldigsten Miene von -er Welt — „Ordnung muß doch sein." „Und daS nennen Sie Ordnung? Da weiß doch kein Mensch, wie er daran ist." „Wieso benn nicht, lieber Herr?" — widersprach ihm -er Semliner ruhig — „wir wissen ganz gut, daß wir eine Stunde zu spät immer noch rechtzeitig ankommen. In Mirkowac, der nächsten Station, kommen die Leute deshalb schon um zwei Stunden später usw. Da wir also die wirklichen Abfahrtszeiten so ziemlich genau kennen, so darf man doch nicht von Unordnung oder von Hundewirtschaft reden, da» wäre ungerecht, lieber Herr." Herr von Höchstfeld hatte von dieser ersten Erfahrung auf kroatischem Boden genug und wandte sich brüSk um. Der Semliner hingegen schaute ihm die längste Zeit kopfschüttelnd nach, und auf eine Frage -er Umstehenden, was es denn gegeben habe, sagte er nur achselzuckend: „Eh, nicht», Brüder, '» ist so ein verrückter Deutscher, er will nach -em Fahrplan absahren." „Rach dem Fahrplan? Warum denn da»?" „Ja, wenn er da- selbst wüßte! — Weil e» gedruckt steht? E» folgte ein homerische- Gelächter, dann steckten sie -ie Köpfe zusammen und lispelten und wisperten, un bald darauf wußte e» da» ganze Schiff, daß man einen „armen Kranken" vor sich habe, dem man da- Schimpfen nicht übel nehmen dürfe, da er ja nicht ganz klar im Kopfe sei. Au- den teil- scheuen, teil» mitleidigen Blicken, mit denen man sie auf Schritt und Tritt verfolgte, entnahm die Familie Höchstfeld recht bald, baß irgend etwa- nicht ganz richtig fei. Da- heimliche Getufchel ringsherum erweckt« in Frau von Höchstfeld sogar die Angst vor einem geplanten Attentat, und vergeblich suchte ihr Erich diese völlig unbegründete Furcht anSzureden. — Selbst Erna, die doch sonst nicht so leicht unterz«kriegen war, fühlte sich in der fremden Umgebung recht ««behaglich und batte ihre ganze Keckheit eingebüßt. Nur der Herr Masor a.D., um den sich doch alle- drehte, ging räson- nierend ans uud nieder und schien von alledem nicht» z» bemerken. „Wenn -er Bater -och endlich zu fluchen aufhören würde" — jammerte Frau von Höchstfeld — „er dringt un- noch alle tn» Unglück!" „Ader, liebe Mama" — beschwichtigt« sie Srtch — „die Leute scheinen sich über Papa zu amüsieren, und das ärgert mich fast noch mehr." „Nein, nein, sie führen irgend etwa» im Schilde" — beharrte sie, und die Kinger in seinen Arm krampfend, flüsterte sie schreckensbleich — „wenn ste ihn — am Ende — in» - Wasser . . . ." „Aber, Mama!!" „Sie tun'», sie tun'»" — ries st« voller Entsetzen, und sich von Erich lo-reißend, stürzte sie zum Kapitän, den sie, obgleich er Junggeselle war, bei Werb und Kindern be schwor, ihren Mann vor dieser fanatischen Horde in Schutz zu nehmen. „Aber, meine Gnädigste" — beteuerte ihr dieser — „kein Mensch wird Ihrem Herrn Gemahl ein Haar krümmen. Lasten Sie ihn nur austoben, unser V !k ist durchaus gutmütig, da- tut einem Kranken gewiß nichts zu Leide." „Mein Mann ist aber doch gar nicht krank." Er sah nach dem erregt auf- und abmarschierenden Major hin, dann betrachtete er sich voller Aufmerksamkeit die vor ihm stehende, nicht minder erregte Frau, un endlich schien er zu begreifen. »Zerlassen Ste sich auf mich, gnädige Frau" — ver sprach er höflich — „ich werde schon Sorge tragen, daß niemand Ihre Familie belästigt" — und al« sich Frau von Höchstfeld endlich zögernd entfernte, rief er den Obermaschtntsten heran und befahl ihm, für alle Fälle einige Kübel Wasser und ein paar feste Hanfstricke zu- rechtznlegen — weil alle beide verrückt seien. „Beide?" — fragte dieser verblüfft. „Beide" — bestätigte der Kapitän — „möglicherweise auch die Kinder — kann man es denn misten? Jeden- fall- kürzen wir heute unsere Aufenthalte auf da» Aller notwendigste ab und trachten so schnell wie mvalich nach Mariance zu kommen, um diese verdächtige Gesellschaft lo-znwerben." „Aber, Herr Kapitän" — wagte der Maschinist ein zuwenden — „wenn wir so früh wegfahrcn, ist ja »och nirgend- ein Passagier zur Stelle." „Tut nicht-" — entschied dieser — „sollen sich, wenn e» ihnen nicht paßt, beschweren. Ich fahre einfach dem Fahrplan, und da kann mir nicht» geschehen." Dabe» blieb e» auch, und diesem Umstand« hatte «» di« Familie
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