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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.02.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-02-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040213029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904021302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904021302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-02
- Tag1904-02-13
- Monat1904-02
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Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 Reklamen unter dem Redaktiontstrich (-gespalten) 7S />ü, nach den Familienaach» richten (6 gefoulten) bO Tabellarischer und Zissernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Lffertenannahme 2ü Ertra-veila-rn (gesalzt), nur mit der Morgen »Ausgabe, ohne Postbesörderong 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Annahmeschluß für An,eigen: Abend«Ausgabe: vormittags 10 Uhr. Morgen.Ausgabe: nachmittags 4 Uhr. Anzeigen find stets au die Expedition zu richten. Di» Expedition ist wochentags ununterbrocheo geöffnet von früh 8 bi» abend» 7 Uhr. Druck uad Berlaa von G. Pol» in Leipzig Qnh. Dr. B., R. L W. Kliathardt). Sir. 8«. Sonnabend den !3. Februar 1904. 98. Jahrgang. Var Wichtigste vom Lage. * Der Lats er unterhielt sich gestern abend auf dem Hofballe geraume Zeit mit dem russischen Bot« schaster von -er Osten-Sacken. * Die Angelegenheit der russischen Polizei« agenten in Berlin soll noch einmal im preußischen Abgeordnetenhause zur Sprache kommen. * Sechs französische Offiziere weigerten sich, bei der Austreibung der Mönche in Ploermel mitzuwirken. Ein Truppenaufgebot von 1800 Mann hielt die Ordnung aufrecht. * In der Schlacht bei Port Arthur wurden aus japanischerSeite- Mann getötet und 54 v er at u n d e t; die japanischen Kriegsschiffe wurden nicht be- schüdigt. * Eine neuerussische SchiffSüivisionist in der Bildung begriffen. Der russisch-japanische Arieg. Wenn die zweifelhafte Shanghaier Meldung von der fortdauernden Beschießung von Port Arthur sich noch bestätigen sollte, so würde der Zweck des Bombarde ment» dann sein, nicht etwa die Befestigungen kampfunfähig zu machen, sondern durch Fernfeuer die russischen Schifse im Hafen zu treffen. Aus dem Telegramm des Admirals Alexejew geht hervor, daß die bei den ersten Gefechten beschädigten Schiffe in den Hafen gebracht worden sind, um ihre Verletzungen auSzubessern. Nun bat schon Oberstleutnant Wagner in seinem Gutachten über die Hasenbefestigungen China- betont, daß eine feindliche Flotte da» Innere des Hafens beschießen kann, weil die umgebenden Berge nicht so hoch sind, um Geschosse bei Fernfeuer aus zufangen. Selbst mit den schwersten Geschützen in den Küstenbatterien läßt sich eine Flotte nicht soweit sernhalten, daß sie keine Beschießung durchführen könnte. Gelänge es den Javanern, die Ausbesserung zu verhindern und vielleicht den Schiffen noch neue Beschädigungen beizudringen, so ließe sich der Truppentransport nach Nordkorea mit einem Teil der Schlachtflotte decken und der Rest würde für ander« Auf gaben frei. * Pari», 12. Februar. Im Gegensatz zu einer Mitteilung aus London meldet ein aus Port Arthur hier eingetroffenes Telegramm drr Russischen Bank in Port Arthur, daß das Gebäude durch da» Bombardement keinerlei Schaden erlitten habe. * Landon, IS. Februar. Der „Morntng Poft" wird au» Washington, den LS. d. M. telegraphiert: Die hiesige japanische Gesandtschaft erhielt heute am Lpatuaw- mtttag ein Telegramm, in welchem »um ersten Mal von Verlusten der Japaner im stampfe bei Port Arthur be richte« wird; es wird nämlich mitgetertt, »atz vier Ja paner gefallen und »4 »erwundet seien, und zwar an vor» der japanischen Torpedoboote, während die anderen japanischen striegsschisse unbeschädigt geblieben seien. Die Ueberlebenden von Tschemulpo. Ein der japanisch en Gesandt schäft in London zu- gegangeneS Telegramm besagt: Alle Ueberlebenden von den russischen Kreuzern „Wariag" und „Korrjetz" und dem gekaperten Transportschiff „Sungan" sind an Bord der vor Tschemulpo liegenden englischen, französischen und italienischen Kriegsschiffe ausgenommen worden. Es heißt, der russische Gesandte in Söul Pawloff habe den amerikanischen Ge- sandten Allen ersucht, die Ueberlebenden mittels zweier vor Tschemulpo liegenden amerikanischen Transportdampser nach Shanghai oder Tschifu zu brinarn, nachdem sie zuvor in Nichtkombattanten verwandelt wurden. Ferner hat der französische Geschäftsträger in Söul dem dortigen japaniicheu Gesandten vorgeschlagrp, die Leute auf dem französischen Kreuzer „Pascal" nach Tschifu zu befördern, nachdem sie ihr Wort gegeben hätten, nicht am Kriege teilzunehmen. Der japanische Gesandte ist ermächtigt worden, dem Vorschlag unter der Bedingung zuzustimmen, daß die Ueberlebenden nach Shanghai gebracht werden und daß Rußland sich verpflichte, ihnen nicht zu gestatten, daß sie während de- gegenwärtigen Krieges sich nordwärts von Shanghai begeben. Angesicht» dieser detaillierten Angaben wird man in Petersburg Wohl nicht mehr den Mut haben zu behaupten, die Meldungen über die Seeschlacht bei Tschemulpo hätten bisher noch keine Bestätigung gefunden. WaS hat da» Ber- tuschungSsystem, mit dem die Franzosen 1870 und 71 schlecht gefahren sind, für Zweck? — Uns wird noch berichtet: * Berlin, 13. Februar. Der nach Tschemulpo entsendete kleine Kreuzer „Tbetis" soll die dort lebenden Reichsangehörigen auf deren Wunsch an Bord nehmen. (Berl. Morgenblätter.) Rußland mach« weiter mobil. Ein kaiserlich russischer Ukas vom 10. d. M. ordnet an, die Truppen und Institutionen des sibirischen Militärbezirke« in Kriegsbereitschaft zu setzen, sowie die im Rücken der Statthalterschaft befindlichen Truppenteile kriegsmäßig ,u ergänzen. Gleichzeitig wird besohlen, zum aktiven Dienst die Reierv em an n i chaften der Armee und Marine aus allen Provinzen des sibirischen Militärbezirks und, soweit e« nölig, au« den Provinzen Wjatka und Perm des kasanichen Militärbezirks einzuberufen, ebenso sämtliche Reserveoffiziere im Kaiserreich, welche zur Kompletierung der Truppen bestimmt sind. Die erforderlichen Pferde sollen von der Landbevölkerung requiriert werden. * EharbiN (Mandschurei), 12. Februar. (Rufs. Telegr.-Agentur.) Die Mobilmachungskundgebung wurde von der Bevölkerung mit Be geisterung, in voller Ruhe und mit Vertrauen zu drr Macht Rußlands ausgenommen. Die Japaner verließen die Stadt. Infolge Einberufung der Militärpflichtigen reisen dir Chinesen ab. Es herrscht großer Mangel an Arbeitern und Dienstboten. Die Mühlen und Werkstätten schränken den Betrieb ein. Die Lebensmittel- preise steigen täglich. Die Eisenbahnbeamten bitten um Unter stützungen, um ihre Familien heimzuschicken. Die chinesische Behörde bringt in einer Verordnung an die Eingeborenen den Russen vollkom menes Vertrauen entgegen und giebt denRat, der Gesetzmäßigkeit und dem Schutze der Russen zu trauen. Bei der Bevüllerung und den An gestellten der Eisenbahn herrscht Begeisterung und Pflichttreue, Zahlreiche Frauen melden sich zum Krankenpflegedienst an; am Hospital sind Kurse für Krankenpfleger eröffnet. Der Verkehr der Exvreßzüge ist eingestellt, ebenso der Tampfschiffsverkehr nach Dalny, Shanghai, Nagasaki und Wladiwostok. Eine neue russische SchiffSdivision soll nach Petersburger Meldungen, die in Paris vorliegen, gebildet werben und aus den sertiggcstelllen Panzerschiffen „Korodino", „Alexander III." und „Suwaroff", einem Torpedoboot und dem Transportdampfer „Kamjchatka" be stehen. Diese Division soll nach Ostasien abgehen. Vize- admiralWesselago wird als Befehlshaber dieser Division bezeichnet. * Prrim, 12. Februar. Nach mit der Post hier eingegangenen Meldungen aus Dschibuti liegt dort da» russische Geschwa der, welches am 27. Januar hier durchgefahren ist, und hat Kohlen eingenommen. Es beabsichtigt, auf andere russische Schiffe zu warten, die bis zum 18. Februar dort von Suez erwartet werden. Voraussichtlich geben auch diese Schiffe nach Ostasien. * PeriM, 12. Februar. (Reuter.) Heute abend 7 Uhr passierten hier, anscheinend aus der Fahrt nach Dschibuti, russische Kriegsschiffe, begleitet von zwei Torpedobooten und einem Dampfer der russischen Freiwilligen Flotte. * Suez, 12. Februar. zReuter.) Die Regierung lehnte das Ersuchen Rußlands, einen russischen Torpedoboots zerstörer, der am 10. Februar havariert in Port Said eintraf, hier in Dock gehen zu lassen, ab. * Hamburg, 12. Februar. Rußland hat zwei Dampfer der Menzellschen Reederei für Munition und Waffentransport nach Wladiwostok gechartert, einer ist bereits mit voller Ladung abgesandl. Die Haltung Italiens. Die „Agenzia Stefani" erklärt eine Blättermeldung für falsch, nach der die italienische Schiffsdivision m den ost asia tischen Gewässern durch Schiffe verstärkt werden solle, die nächstens abgehen würden; sie stellt fest, daß der Kreuzer „Urania" nach Massaua, nicht nach Ostasien gehen wirb. Die übrigen Schiffe, die in nächster Zeit ab dampfen werden, sollen die jetzt in den ostasiatischen Ge wässern befindlichen Schiffe ab>ösen. Ferner bezeichnet die „Tribuna" daS Gerücht, die auf Urlaub befindlichen Matrosen seien dringend benachrichtigt, in welchen Bestimmungshäfen oder Signalstationen sie sich im Falle einer Mobilmachung einzufinden hätten, als durchaus unbegründet. Bon solchen Maßnahmen zu sprechen, die zu einer möglichen Beteiligung Italiens an den oftasialilchen Verwickelungen in Beziehung stehen sollten, sei phantastisch, weil die Möglichkeit einer solchen Beteiligung nicht vorliege und nicht vorlicgen könne. Kriegsfreiwillige. In Berlin haben sich bereits zahlreiche Freiwillige für den Eintritt in die Armee Japan», sowohl Militärs als auch Angehörige anderer Berufsstände, auf der japanischen Geianbtjchast gemeldet. Diese Meldungen dürsten kaum von Erfolg begleitet sein, denn die japanische Ver fassung schreibt für den Eintritt in das Heer oder die Marine die japanische Staatsangehörigkeit vor. Diese Be dingung darf unter keinen Umständen fallen gelassen werden. E« ist auch zetzt tatsächlich weder im Heere der Japaner, noch in deren Flotte ein fremder Staatsangehöriger. Die fremden Offiziere, die früher in Japan waren, gekörten im eigentlichen Sinne nicht zum HeereSverband, sie dienten nur als Instrukteure und wurden auch, um die Ver fassung zu wahren, ausdrücklich als solche bezeichnet. Die Erwerbung der japanischen Staatszugehörigteit ist nicht so einfach. Deshalb dürsten auch manche, die durchaus in japanischen Kriegsdienst treten wollen, wohl damit warten müssen, bis der Kampf beendet ist. Weitere Meldungen. * Port Said, 12. Februar. (Reuter.) Das österreichische Kohlen schiff „Java", das für den Kohlentransport nach Port Arthur gemietet ist, wurde auf Anweisung des Auswärtigen Amte» in Kairo für ein Schiff der kriegführenden Mächte erklärt und muß sofort den Hasen verlassen. Nach einer wetteren Meldung löscht das Schiff Kohlen. * Petersburg, 12. Februar. Heute nachmittag veranstalteten wiederum eine große Anzahl Studenten eine begeisterte Kund gebung vor dem Winterpalais. Der Kaiser erschien am Fenster und ließ durch einen Flügeladjutanten den Studenten seinen Dank aussprechen. Letztere begaben sich sodann nach dem Anitschkoff-Palai», um auch der Kaisrrin-Mutter eine Huldigung darzudringen. * Petersburg, 13. Februar. (Tel.) Zu einer Abordnung des ReichSrats, die eine ErgebenheitSadreffr überreichte, sagte der Zar am 12. Februar, indem er seinen Dank aussprach: „Ich hoffe, daß Rußland jetzt wie auch früher au« der ernsten und schweren Prüfung mit Ehren und Würde hrrvorgehen und innerlich, sowie nach außen hin gekräftigt zu den Angelegenheiten de» Friedens zurückkehren wird, welcher dem meinem Herzen so teuren Vaterland« notwendig ist." — Ein Tagesbefehl vom 12. Februar ordnet an, au- den ostsibirischen Schützenregimentern 33 bis 36 eine neue ostsibirischr Schützen brigade zu formieren. — Der „Rußki Invalid" meldet dir Er nennung deS zeitweiligen Kommandanten von Port Arthur, drS Generalleutnant» Steffel, zum Kommandeur d«S3. sibirischen Armeekorps. * Karlsruhe, 12. Februar. Die wehrpflichtigen russischen Studenten der hiesigen technischen Hochichul» erhielten Ein berufungsbefehle zu den Truppenteilen und find zum großen Test schon abgereist. Politische Tagesschau. * Leipzig, 18. Februar. „Klatsch!" preußischen Abgeordnetenhaus« brachte der Abg. Kopsch (freis. Volksp.) einige Beschwerden über die Lage der Lehrer an den Gestütssckulen vor, und Herr v. Pod « bielski bezeichnete die Mitteilungen des Abgeordneten als „großen Klatsch" und „kleinen Klatsch". Gegenüber dieser saloppen Tonart wollen wir doch daran erinnern, -aß Graf Posadowsky. als kürzlich ein Ab geordneter die Ausführungen eines RogierungsvcrtretcrS „Phrasen" nannte, mit Recht im Interesse der Würde des Hauses diese Wendung zurückwieS. Wenn wir modern sein wollen, können wir un- die eine Hälfte eines be kannten Sprüchwortes sparen und brauchen nur zu sagen: „ ist dem andern billig". Dem Herrn Landwirt- schaftSminister aber darf man frei nach „Tasso" zurufenr Willst du genau erfahren, rva» sich ziemt, So frage nur bei Posadow»ktt an. Parteipsefie. Gelegenheitsdichtungen sind meisten» schlimm, und poli tische Parteidlchtungen sind eine noch schlimmere Abart voa ihnen. Dies zu beweffen hatte sich der Zentrumsbarde A. Winz zu Lautlingen vorgenommen, als er den Abg. Gröber anläßlich deS 30. Wiegenfeste» desselben besang. Zur Charakterisierung dieser ZeutrumSpoesie fei folgeude Strophe wiedergegeben: „Dem Helden Heil au» Windhorst'» alt« Garde So oft bewährt im wilden Waffentanz. Durch- wette Reich strahlt hell setu NameuSglaaz; Wie hält « hoch die stolze Kreuzstandarlel Er bietet kühn dem Feinde Trutz und Hohn Mit feinem Hünenschwert, dem scharfen, blanke»; W« sah ihn je im Schlachtgetümmel wanke» Den GotteSstreit«, Schwaben» tapfern Sohn? — Und ob auch hageldicht die Streiche fallen: Er streckt zu Boden manchen stechen Wicht Nach Reckenart, ein Ritter sonder Tadel; Dem Heldensinn paart sich sein Geislesadel." Es wäre ja auch möglich, daß der Dichter bemüht Feuilleton. 4j Lin angenehmes Erbe. Roman von Viktor von Reisner. .Nachvnul verboten.) „Die Kutscher der Leiterwagen sind auch nicht da", meldete Erich, der mittlerweile Umschau gehalten hatte. „Allmächtiger Gott", kreischte Frau von Höchstfeld ent setzt auf, „sie stecken sicher mit einer Räuberbande unter einer Decke, unsere letzte Stunde hat geschlagenl" Erich hatte alle Mühe, die arme, von den Strapazen der Reise durch und durch nervöse Mama Halbwegs zu be schwichtigen und sie wieder in dem Wagen unterzubringen, wo sie nun leise vor sich hinweinie und ein Stoßgebet nach dem anderen zum Himmel sandte. Dann horchten sie angestrengt in die Nacht hinaus, vernahmen aber nichts weiter, als daS abgerissene Quietschen eines Dudelsackes vom Dorfe her. „Es wird wohl am besten sein, ich gehe nach dem Wirts haus", meinte endlich Erich, „die Kerle werden sich dort festgesetzt haben." „Hast du deinen Revolver in der Tasche?" erkundigte sich Herr von Hvchstfeld. Erich bejahte eS und wandte sich zum Gehen. Da tauchte aber MamaS schreckensbleiches Gesicht aus dem Wagen auf und angsterfüllt rief sic ihn zurück. „Nein, nein, du darfst nicht fort", beschwor sie ihn händeringend, „sie töten dich!" „Wenn du mir doch glauben wolltest, liebe Mama, baß e» ein harmlose», gemütliche» Volk ist", redete Erich be- ruhigenb auf ffe ein. Herr von Höchstfeld lachie ingrimmig vor sich bin. „Ein gemütliche» Volk! Nun, ich will ihnen diese Ge- mütlichkeit, die Herrschaft auf der Landstraße liegen zu lasten, gründlich austreiben. Und nun spute dich, mein Lohn, sonst mache ich mich selbst auf den Weg." „Dann nimm wenigsten» noch einen Revolver mit", bat die Mutter. „Eher die Peitsche zum Dreinschlagen", meinte Erich lachend und eiste davon. Bald daraus befand er sich vor dem Wirts haus, durch dessen offenftehenbe Fenster sich ihm ein gar seltsames Bild darbot. Die tanzenden Paare schienen mitten im Kolo inne gehalten zu haben, denn noch standen sie, sich uuffchlungen haltend, im Kreise, dessen Mitte der Dude.fackpfeifer bildete, und aller Blicke wandten sich dem aus dem Lijche hin- und herschaukelnden Verwalter zu, der mit vor Rührung zitternder Stimme eine Rede hielt. Vvn dem Inhalt verstand Erich natürlich nichts, doch ließ sich durch die fast in jedem Satze wiederkehrend« Anführung des Namens Höchstfeld leicht erraten, daß es sich um einen Toast auf die neue Gutsherrschaft handelte. Und richtig, als der Redner mit einem „Livila obitslz Höchstjeld" schloß, da dröhnte es „2ivio, 2ivio!" kreischend, quietschend und gröhlend von allen Lippen, und der Verwalter, der ehrend seiner Herrschaft gedacht, wurde unter all gemeinem Jubel im Zimmer herumgetragen. Im selben Moment trat Erich in den Rahmen der Tür. Wie ein Gespenst starrten ihn alle an, und die Burschen, die den Verwalter auf ihren Schultern hielten, Netzen diesen un sanft zur Erde fallen und suchten schnell in den hintersten Reihen zu verschwinden. Der Anblick war so tragikomisch, baß es Erich schwer fiel, seinen Ernst zu bewahren und nicht hell aufzu lachen. „Tu bist ein niederträchtiger, pflichtvergessener Kerl", wandte er sich an den zu seinen Füßen kriechen den Verwalter — „anstatt den anderen mit gutem Bei spiel voranzugehen, besäufst du dich hier und läßt deine Herrschaft vergebens auf dich warten!" ,Hab' Erbarmen, Herr" — winselte der Betrunkene, indem er sich vergeblich aufzurichten bemühte — „aber nicht mich trifft die Schuld, sondern den Wirt. Ich wollte Such ja gleich etwas zu essen bringen, aber er hatte ja nichts andere« mehr als Zwiebel und Speck und das durften wir Euch doch nicht bieten! Und des halb dachten wir — nimm es und nicht Übel, Herr — e» wirb wohl am besten und Gott am wohlgefälligsten sein, wenn wir den Gulden auf Euer Wohl vertrinken." Der intensive Schnapsgeruch belehrte Erich, daß er jetzt doch nur tauben Ohren predigen würde. Er wandte sich deshalb an den Wirt und verlangte von diesem eintn zuverlässigen, nüchternen Mann, der sie nach Dolina fahren könnte. Dieser sah sich der Reihe nach seine Gäste an, endlich meinte er, sich verlegen den.Schädel krauend: „Eh, Herr, zuverlässig sinh sie alle, aber nüchtern — das kannst du doch an einem Sonntag, und noch dazu bei solch feierlichem Anlaß, wo ffe Eure glückliche An- kunst begossen, nicht verlangen." Nun ging aber Erich doch die Geduld aus. „Zum Teufel noch einmal" — schalt er — ,Mir können doch unmöglich warten, dis diese Kerle ihren Rausch aus geschlafen haben!" „Freilich, freilich, das könnt Ihr nicht" — gab der Wirt kleinlaut zu — „da wird eben nichts anderes übrig bleiben, als den Herrn Pfarrer zu wecken. Sein Bursche hat Kirchenstrase und darf drei Wochen nicht inS Wirts haus — -er wird Euch gern fahren." Schon wollte Erich einwilligen, als ihm noch recht zeitig einfiel, daß Papa von dem Pfarrer eine Gefällig keit nicht werde annehmen wollen — und eS vor ihm verheimlichen und mit diesen Leuten ein Geheimnis teilen, welches sie Gott weiß wie auslegen würden, konnte ihm erst recht nicht paffen. „Nein, nein, der Herr Pfarrer darf nicht in seiner Ruhe gestört werden" — lehnte er daher ab — „suche nach einem anderen Ausweg." ,/LH, dann wird nichts anderes übrig bleiben" — sagte der Wirt nach kurzem Ueberlegen — „als du kutschierst selbst und meine Tochter Mara setzt sich zu dir auf den Bock, um dir Len Weg zu weisen." Erich war damit einverstanden und verlangte nur noch, daß er Las Gepäck, welches am nächsten Morgen nachgefahren werden sollte, inS Wirtshaus tragen lasse, damit nichts wegkomme. Nun war aber der Wirt entrüstet. „Eh, Herr, was glaubst du denn eigentlich!" — sagte er. — „Unsere Leute mögen Schweine sein und sich besaufen, und Lumpen, die unserm lieben Herrgott Len Tag stehlen — aber sich an fremdem Gut vergreifen, das wirst du bei uns nicht finden! Eure Sachen liegen auf der Landstraße ebenso sicher, al- wenn sie hinter Schloß und Riegel wärenl" Erich mußte sich zufrieden geben, und nachdem er den Seinen von allem ausführliche Mitteilung gemacht und noch schnell die Pferde getränkt hatte, fuhr man endlich in die schweigende, finstere Nacht hinaus. Ringsum herrschte heiliger Gottesfriede, und aus dem Unterholz des Waldes, der sich »u beiden Seiten der Straße entlang zog, klang der Schlag der Nachti gallen, die sich nicht einmal durch das laute Knarren der Wagenräder verscheuchen ließen, und hellaufjauchzend und sehnsüchtig schmachtend von LiebeSlust und Liebes pein in die Lüfte ütrfflierten. Bon den Insassen de- Wagens hörte sie aber niemand. Erna, di« selbst so oft geliebt und sie daher am beste» verstanden hätte, war, trotz allen Rütteln- uad Schüt telns, sanft eingeschlummert, und Mama Höchstfeld lauschte nach ganz anderen Tönen, al- nach dem Schlag der Nachtigallen. Sie hörte im Unterholz nur das Knacken von heranschleichenden Mvrdertritten und jedes mal, wenn der Wagen in einem -er schier abgrundtiefen Löcher versank und Erich die erlahmenden Pferde durch ermunteruüen Peitschenknall zur erneuten Kraftan strengung anspornte, glaubte sie, daß Schüsse gefallen seien und dachte ihr letztes Stündlein gekommen. Herr von Höchstfeld, -er weder Furcht kannte, noch eingeschlafen war, Hätte wohl recht gut auf das wunder bar süße Konzert hören können und ihm hätte zu passen derer Zeit dafür auch nicht das richtige Empfinden ge kehlt, da sich hinter seiner rauhen Außenseite ein warm- füllendes, nicht ganz poesieloses Herz barg — aber heute beschäftigten ihn zu ernste, zu schwere Gedanken. Nie im Leben war er einem offenen, ehrlichen Kampf aus gewichen und stet- hatte er seinen Mann gestellt. Hier aber trat ihm der Feind in der Maske des Bieder mannes entgegen — das fühlte er ganz deutlich und des- halb hieß es doppelt vorsichtig sein, um sich keine Blöße zu geben. — Wie wäre auch sonst gerade der Pfarrer, Karls Todfeind, dazu gekommen, auf seinem Besitz nach dem Rechten zu sehen und ihm seine Hülfe aufzu zwingen?! — Daß dahinter nur eine Falle stecken konnte, war ihm klar und im düsteren Grübeln suchte er nack> einem Au-weg au- diesem Labyrinth. Mit Anspannung aller Sinne hatte Erich unterdessen daS Gefährt gelenkt, und nun endlich, nach vollen drei Stunden, konnte er aufatmen- zurückrufen, daß in fünf Minuten alle- überstanden sein werde. „Gott sei Dank!" — entrang eS sich befreiend au- Mama- Brust, aber noch war nicht das leyte Wort ver klungen, da fielen Schüsse von recht- und von link-, von vorn und von rückwärt- und dazu erhob sich infer nalische-, nicht mehr menschenähnliche» Geheul. Die Pferde scheuten und obgleich sich Erich mit aller Macht in die Zügel legte, rasten sie in wilder Flucht davon. Wie ein vom Sturm gepeitschter Kahn versank der Wagen in abgründige Löcher, um gleich darauf wieder über hohe Steine zu sausen. Er flog nach rechts und nach links, die zersprungenen Scheiben fielen klirrend nach außen und innen und wie von Furien gejagt, ftürmE die wildschnaubenden Tiere weiter und weiter. Da — ein heftiger Anprall, lautes, entsetzte- Aufschreien, und Wagen und Pferde lagen ttn schmutzigen Ehaufseegrabea. Lotenruh«!
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