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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.03.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-03-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040317025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904031702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904031702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-03
- Tag1904-03-17
- Monat1904-03
- Jahr1904
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Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 Reklamen unter dem Redaktionsslrich (4 gespalten) 75 oach den IamiUrunach- richten (bgrsvalten) 50 Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen uud Offertenannahme 25 Srtra-Veila«en (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbesürderung 70.—. Annahmeschlutz für Anzeigen: Abend-Ausgabe: vormittags 10 Uhr. Morgen-AuSgabr: nachmittag« 4 Uhr. Anzeigen sind stet« an die Expedition zu richten. Dir Expedition ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi« abend« 7 Uhr. Druck und Verlag von 8. Polz in Leipzig tJnh. vr. B., R. L W. Kliakhardt). Nr. UV. Donnerstag den 17. März 1904. 98. Jahrgang. Var wichtige vom Lage. * Die Zustimmung de« BundeSratS zur Aufhebung von tz 2 de« Iesuitengesetze« wird offiziös au« dem Grunde für staatsrechtlich zulässig erklärt, weil auch der gegen wärtige Reichstag in seiner Mehrheit für die Auf hebung sei. * In BundeSratSkreisen verlautet, an Stelle der lsx Stengel, der sog. kleinen Reichsfinanzreform, werde demnächst eine 1er Müller-Fulda treten. * In Wien haben gestern wiederum studentische Reibereien stattgefunden, an denen sich auch deutsche und tschechische Abgeordnete beteiligten. * Das englische Unterhaus nahm einen Beschluß antrag zu Gunsten des Frauenstimmrechts an. Vie vefhakletr Unschuld. 9» diesem Augenblick, da der Gesetzentwurf zur Entschädigung für unschuldig erlittene Untersuchungshaft die Kommission beschäftigt, sei auf eine interessante Broschüre hingewiesen, in welcher vr. W. Heckscher die Mängel des Strafverfahrens bespricht und Vorschläge zur Abbülfe unterbreitet.*) Der Verfasser ist der Ansicht, daß Geldentschädigung für Uniersuchungshast keinerlei Aequivalent zu gewähren vermag. Man soll nicht die geschlagene Wunde zu heilen versuchen, man soll, so meint er, die Wunde lieber nickt erst schlagen. Die Fehler unseres Strafverfahrens liege!? nicht in seinem Ende, sondern in seinem Anfang. Das Wichtigste ist eine sorgsame und unparteiische Vorbereitung des Urteils. Unser Prozeßverfahren wahrt die Rechte deS Individuums bisher noch immer so mangelhaft, daß hier vor allem Besserung eintreten muß. Der Richter wäre da» allein geeignete Organ für die Führung der Unter suchung, durch die da» Urteil vorbereitet wird. Aber die Unterordnung dieses Organ» unter die Staatsanwaltschaft hat das Verhältnis zu ungunsten des Beschuldigten verschoben. Das Emittelungsverfahren, welches daS Gesetz als „Vorbereitung der öffentlichen Klage" bezeichnet, ist maßgebend für den ganzen weiteren Verlauf der Strafverfolgung. DaS in ihm an gesammelte Aktenmaterial bildet trotz des Prinzips der Mündlichkeit die Grundlage für das Urteil des Gerichts. Dieses Ermittelungsverfahren leitet heute souverän die Staats anwaltschaft und zwar häufig durch Beamte deS Polizei- und Sicherheitsdienstes, die diese Ermittelungen in Gcstalt von Vernehmungen anstellen. Diese Ermittelungen aber dürften nicht zur Grundlage des späteren, richterlichen Ver fahrens und damit deS Urteils gemacht werden. Sie müßten aus den Strafakten ausgeschaltet werden und bei den Akten der Staatsanwaltschaft verbleiben, um jede Beeinflussung deS Richters zu vermeiden. Ferner bedarf die Stellung des Verteidigers in unserem Strafverfahren einer gründlichen Besserung, soll sie *) Mängel des Strafverfahrens und Vorschläge zur Abbülfe. Von vr. M. Heckscher. Berlin. Verlag Hugo Steinitz. nicht auf das Recht beschränkt werden, am Schluß eine schöne Rede zu halten. Gerade in den ersten wichtigen Stadien der Untersuchung muß der Verteidiger hinzugezogen werden können, damit rechtzeitig die Anträge gestellt werden, welche zur Aufklärung der Sache dienen. Dem Verteidiger muß die Befugnis zugesprochen werden, jederzeit in die Akten Einsicht zu nehmen, denn bei dem heutigen Verfahren vermag der Angeklagte nicht rechtzeitig zu erkennen, worauf eS eigent lich bei der Beschuldigung ankommt. Da er die Aussagen der Zeugen nicht kennt, erfährt er meistens zu spät, worin das Wesentliche des Vorwurfs liegt. Nach Vorschrift des heutigen Verfahrens bedarf e« eines Beschlusses über die Eröffnung des Hauptverfahrens. Eine besonders gebildete Abteilung des Gerichts, die in der Praxis die Anklagekammer genannt wird, nimmt eine Vor prüfung des Belastungsmaterials vor. Die Eröffnung des Haupt- verfahrenS soll nach den Bestimmungen nicht erfolgen, „wenn der Beschuldigte nicht hinreichend belastet erscheint, also eine Verurteilung desselben nicht einmal mit einer Wahrscheinlich keit zu erwarten steht". Mit anderen Worten, wenn die Hauptverhandlung e>öffnet wird, so erscheint der Angeklagte dem erkennenden Gerichte bereits „hinreichend verdächtig". Hinsichtlich der vorläufigen Festnahme sollte nur dann die gesetzliche Möglichkeit festgestellt werden, wenn jemand auf frischer Tat betroffen wird und der Flucht verdächtig ist. In allen anderen Fällen sollte die vor läufige Festnahme ohne schriflichen, richterlichen Haft befehl beseitigt werden und ein solcher Haftbefehl müßte nur von einem Kollegium von drei Richtern, womöglich nach Anhörung des Angeschuldigten und eidlicher Vernehmung der Belastungszeugen, erlassen werden dürfen. Ist die Unter suchungshaft einmal verhängt, so muß im Falle einer Ver urteilung ihre Gesamtheit auf die erkannte Strafe angerechnet werden. In keinem Falle darf sie dazu führen, die Verteidigung des Angeschuldigten zu be hindern. Die Korrespondenz deS Verhafteten mit seinem Verteidiger und der Verkehr mit ihm sollte tunlichst er leichtert werden. Die Rechte der Verteidigung müssen erweitert und eine obligatorische Verteidigung muß eingesührt werden. Hinsichtlich der Hauptverhandlung bringt die Bro schüre des vr. Heckscher noch eine bemerkenswerte Anregung. Man sollte, so meint der Verfasser, dem Angeklagten ge statten, auf den Schutz der Öffentlichkeit zu ver zichten. Der ß 173 könnte den Zusatz erhalten, daß das Gericht auch auf Antrag des Angeklagten die Oeffentlichkeit ausschließcn kann, wenn dieser glaubhaft macht, daß er durch diese in seinen berechtigten Interessen gesckädigt werde. Jin Anschluß hieran müßte dann auch die Berichterstattung der Zeitungen untersagt werden können. So kann eine gründliche Revision der Strafprozeßordnung, die wir hier nur in einigen Punkten angedeutet haben, danach trachten, eine exakte, richterliche Voruntersuchung unter Teil nahme des Angeschuldigten herbeizuführen und in der Haupt- Verhandlung dem Gericht eine möglichst unmittelbare Vor stellung von den Tatsachen zu schaffen, ohne daß Ueberbleibsel des schriftlichen Verfahrens einen hemmenden Einfluß auf die Ent scheidung ansüben. Es ist einsichtiger, schädliche Maßregeln zu beseitigen oder zu bessern, als diese Maßregeln in ihrer Schädlichkeit besteben zu lassen und nachher den durch sie Betroffenen eine Entschädigung zu gewähren, die, um mit der Karolina zu reden, wobl zuweilen eine „Ergeyung" für den Schaden, aber niemals eine Genugtuung für die erlittene Schmach sein wird. Die Revision deS Strafverfahrens sollte diesem selbst und nicht nur seinen Folgen gelten. Der russisch-japanische Krieg,. Truppenberoegungen in Nordkorea. Aus Niutsckwang 16. März meldet „Reuters Bureau: Bon authentischer Seite wird berichtet, daß eine be trächtliche russische Streitmacht sick in einer^rert- vollen strategischen Stellung in der befestigten Stadt Aschangan, bis wohin die Japaner im chinesisch-japanischen Kriege vorrückien, festgesetzt habe. Eingeborene, welche Föngtwangtichöng bis zum 12. d. M. verlassen haben und deren Aussagen glaubwürdig sind, bestätigen die Meldung, daß die Hauptmacht der Russen, welche am Jalu zusammen gebogen War, diesen jetzt überschritten und kleine Truppen körper in Antung, Tschiulientscheng und anderen Orten zur Bewachung des Flusses zurückgelassen habe. Vor 14 Tagen waren japanische Ausklärungstruppen in Antung, seitdem sind westlich von Jalu keine Japaner gesehen worden. Söul, 16. März. (Reuter.) Der koreanische Handelsvorstand in Kjongjang am Tumenfluß hat vom russischen General in Wladi wostok die Mitteilung erhalten, daß Rußland Korea, da es sich Japan angeschlossen habe, als kriegführend ansehe. Demgemäß werden 200 Mann koreanischer Truppen, die jetzt in Söul sieben, in der nächsten Woche nach Norden gesandt werden. — Die Japaner stellten endgültig fest, daß eine große Truppen» macht russischer Feldartillerie am Nordufer de« Jaluflusses Erdwerke aufwerfen. A«o Port Arthur wird der russischen Telearaphen-Agentur gemeldet: Admiral Witthoest ist zum Ches der Marinekanzlei beim «Statt halter ernannt worden und nach Mukden abgereist. — Im Stadtgebiete ist keine Veränderung vorgekommen. Dom Feinde ist nichts zu bemerken. Die Studierenden deS Wladiwostoker orientalischen Seminars sind zum Hauptstabe der Mandschureiarmee abkommandiert worden. Arieookost«»». Aus Tokio, 16. März, meldet das „Reutersche Bureau": Zu den Steuern, deren Erhöhung das Kabinett beschlossen hat, gehören vor allem die Grund- und Einkommensteuer, ferner die Abgaben für geschäftliche Abschlüsse von Wein- unv Zuckerlieserungen und an der Fondsbörse, außerdem sollen die Stempelabgaben erhöht werden. Zu den neuen Steuern ge hören diejenigen auf Seide, Stückgüter, Kerosin und Wolle. Die Kriegsausgaben werden von Ausbruch der Feindseligkeiten bis zum 31. März auf 156 Millionen Hen geschätzt, von denen zur Zeit aber, einschließlich der Summen für den An kauf der Kreuzer „Nijchin" und „Kasuga", nur 5« Millionen ausgegeben sind. Es wird beabsichtigt, die Ausgaben b'S zum 31. Marz mit 100 Millionen Schatzamtsbonds zu decken, die aber verkauft sind, ferner mit 25 Millionen aus dem Kriegsfonds und 3l Millionen temporäre Anleihe. Die Ausgaben von April bis Dezember werden auf 380 Millionen veranschlagt. Man beabsichtigt hierzu die KriegssondSreserve von 40 Millionen zu verwenden, ferner 280 Millionen Schatzamtsbonds aus zugeben, 68 Millionen durch Kriegssteuern aufzubringen. 7 Millionen aus den ordentlichen Einnahmen und 25 Millionen aus dem Spezialreservefonds zu entnehmen. weitere Nachricht««. * Petersburg, 16. März. Durch kaiserlichen Ukas ist Kontre- admiral Mola«, der zweite Chef de« Stabes d>« Befehlshaber« der Flotte des Stillen Ozeans abberufen worden; ebenso wurde Vizeadmiral Stark vom Oberbefehl über das Geschwader des Stillen Ozeans entbunden. — Der Kaiser hat dem Befehlshaber des „Retwisan", Kapitän ersten Range« Tschensnowitsch, für die Abwehr des Angriffs der Torpedoboote und die Zerstörung der Brander auf der Reede von Port Arthur in der Nacht vom 24. zum 25. Februar daS St. Georgskreuz IV. Klaffe verliehen. * Alexan-ria, 16. März. Der hier eingetroffene englische Dampfer „Elswick Tower" berichtet, er sei unterwegs von einem russischen Kriegsschiff, das zur Zeit in einer Entfernung von etwa l5 Meilen von Alexandria kreuzte, angehalten worden. * Suez, 16. März. Das russischeTransportjchlff „Boronesch" ist in den Kanal eingrlaufen. Politische Tagesschau. Leipzig, 17. März. Was wird aus der 1« Stengel? Es ist nicht zu verwundern, daß so lange die Budget kommission des Reichstags mit den notwendigsten Auf gaben sich zu befassen hat, die Beratung solcher etwas in den Hintergrund tritt, die nicht geradezu dringen und auf die Nägel brennen. Inzwischen wird es immerhin Zeit, auch an diejenigen ein wenig mehr wie bisher zu denken, die sich auf Ziele beziehen, deren Erreichung aufs innigste zu wünschen scheint. Zu dieser Art Aufgaben ye- hört auch die sogenannte lex Stengel. Ebensoviel wie im Anfänge der Session, ebensowenig ist neuerdings von ihr die Rede. Doch wurde kürzlich, als es galt, die plötzliche Entschließung des Bundesrats in der Sache der Milderung des Iesuitengesetzes weiteren Kreisen im Ein- slußbezirk eines Blattes der Provinz Sachsen mundgerecht zu machen, durchblicken gelassen, das Zentrum habe sich widerwillig gezeigt, der le x S t e n g e l zu der erwunsch- ten Verabschiedung zu verhelfen, wenn nicht die Ent scheidung in der Frage des I e s u i t e n g e s e tz e s so er- ginge, wie sie bekanntlich ausgefallen ist. Diese Version ist zwar in einem Interview des „Leipz. Tgbl." von einer hochgestellten Persönlichkeit dementiert worden, aber die Offiziösen haben dieser Version gegenüber eine Zurück. Haltung beobachtet, die ihnen zur Zeit mehr Pflicht als Neigung gebietet, nämlich in Fällen, in denen sie be sorgen müssen, dem Zentrum auf die Hühneraugen zu treten, dies nicht zu tun. Wir wollen abwarten, ob sie dieselbe Linie des Verhaltens einschlagen, wenn wir von einer Version Notiz nehmen, die in Bundesratskreisen umgeht, und die nicht anders als dahin zu verstehen ist, an Stelle der lex Stengel werde demnächst eine Is» Müller-Fulda das Licht dieser sündigen Welt er blicken. Die Probe aufs Exempel. Zu dem neuen Ergänzunyskredit, den die Regierung soeben für D e u t s ch s ü d w e st a f r i k a ge fordert hat, erklärt bekanntlich der „Vorwärts": „Es ver steht sich am Rande, daß die Sozialdemokratie das An sinnen der Negierung mit einem schroffen Nein beant- Worten wird". Nach den Aeußerungen des Abgeordneten Bebel verstand sich das eigentlich gar nicht „am Rande". Feuilleton. 3ij Ein angenehmes Erbe. Roman von Viktor von ReiSner. Nachdruck verboten. „Hochverehrtester Herr Oberst" — wandte er sich mit vor Aufregung zitternder Stimme, der er vergebens Festigkeit zu geben suchte, an diesen — „ich muß Ihren Glückwunsch dankend — ablehnen." Allgemeines überraschtes und wenig schmeichelhaftes Gemurmel unterbrach ihn. „Meine Herrschaften" — fuhr er, noch immer seine Ruhe bewahrend, fort — „ich weise den Gedanken, daß Sie mich in meinem eigenen Hause insultieren wollten, weit von mir — er wäre zu niedrig — mir bleibt daher nur eins zu glauben übrig, daß sich ein nicht in unserem Kreise Weilender eine perfide Irreführung erlaubt hat. Wer dies sein könnte, will ich nicht aussprechen, da er Ihnen freundschaftlich nahe steht, aber da ich nur einen Feind im Lande habe, so . . . ." „Halt, nicht weiter, Herr von Höchstfeld!" unterbrach ihn der Oberst, sich zu seiner vollen imponierenden Höhe aufrichtend — „wenn es sich hier um eine Mystifikation handelt, so liegt uns deren Aufklärung ebenso nahe wie Ihnen. Vor allem eine Frage: zu welchem sonstigen in timen Familienfeste haben Sie uns eigentlich ein geladen?" „Wir haben doch gar niemanden eingeladen" — hauchte Frau von Höchstfcld zur allgemeinen lieber- raschung. „Wir erhielten aber doch die gedruckten Einladungen!" hielt ihr der Oberst vor. „Von uns sind sie jedenfalls nicht ausgegangen" — jammerte sie. Tie Verwirrung wurde immer größer, und Dinko und Mirko, denen es ganz unheimlich zu Mute wurde, suchten sich zur Tür hinauszustehlen, woran sie aber von Vladoj, der sie fortwährend scharf beobachtete, verhindert wurden. „Wollen die Herrschaften gefälligst wieder Platz nehmen" — bat der Oberst mit sehr ernster Stimme — „wir wollen doch gleich feststellen, wie und durch wen unS die Einladungen zugckommen sind — oder noch kürzer, wer hat eine der Karten bei sich?" Ta sich niemand meldete, fuhr der Oberst fort: „Ich beginne also gleich bei mir selbst. Ich bekam sie durch die Post. Und Sie, gnädige Frau?" wandte er sich an seine Nachbarin. „Durch die Post" — erklärte auch diese. Tie nämliche Antwort erfolgte der Reihe nach bis zur Gräfin Stepenaz, welche sich ganz entrüstet an Herrn von Höchstfeld wandte: „Na, zu uns hab'n S' doch extra ein'n reitenden Boten g'schickt." „Sagen Sie lieber derjenige, der auch die Ein ladungen ausgcsandt hat" — entgegnete der Major zähne knirschend. Die Umfrage ging weiter, führte aber zu keinem Re- sultat. „Lassen wir es lieber bleiben" — bat nun Herr von Höchstfeld selbst — „der noble Täter wird schon erfahren, wie man seinen bübischen Einfall beurteilte — und das genügt." „Wir wollen doch erst festzustellen suchen, von wem das Gerücht der Verlobung ausging" — widersprach ihm der Oberst — „und das muß sich konstatieren lassen, denn als wir herkamen, wußte doch niemand davon. — Ich fange also wieder bei mir an. Ich hörte es von Ihnen, gnädige Frau." „Und ich von Herrn von Pivanovic" — bezeichnete diese ihren linken Nachbar, und so ging es immer weiter bis zu Dinko, der einen Augenblick stockte. „Ich hörte es von Fräulein Katiza" — sagte er dann zögernd. „Aber, das ist dock) nicht wahr" — protestierte diese errötend — „Sie und Ihr Bruder haben es doch uns. mir und Olga, gleich beim Nicdersctzen erzählt und wir haben es eben weiterqegebcn." Ueber Vladojs Gesicht huschte ein zufriedenes Lächeln. „Habe ich nicht gesagt, daß ich sie noch bei den Obren nehmen werde" — flüsterte er Erna zu, und eins, zwei erwischte er die verunglückten Hochzcitsstifter bei ihren Gehörlappcn, sie trotz allen Sträubens dem Oberst vor führend. Stramm die Hacken aneinander schlagend und dabei nicht unabsichtlich die Obren der Delinguenten in die Höhe ziehend, meldete er: „Hier sind die Missetäter — was soll mit ihnen ge schehen?" „Lassen Sie uns los, daS ist eine Infamie!" — brüllte Dinko, vor Scham und Wut am ganzen Leibe zitternd. „Nein, er wird euch nit loslassen" — entschied die Gräfin voller Aufregung — „i bitt ihn sogar. Euch ganz g'hörig zu zerzausen, und wenn wir nach Hause kommen, könnt ihr Euch noch vom Vater auf die Fortsetzung g'faßt machen." „Regen Sie sich nicht so auf, gnädigste Gräfin" — suchte sie der Oberst zu beschwichtigen — „es ist doch nur ein Tummerjungenstreich." „Nein, nein, das ist z' weit 'gangen" — erklärte diese in Heller Entrüstung — „für ihre Kindereien war i stets nachsichtig, daS kann niemand anders b'haupten, aber was z' viel ist, das ist z' viel. Die eigne Schwester ins G'red z' bringen, ist schon ein bisserl mehr als Trottelei, das ist Schlechtigkeit!" „Wollen Sie mich gefälligst endlich fragen lassen" — bat Herr von Höchstfeld etwas ungeduldig, und sich an die beiden unglücklichen Jünglinge wendend, inquirierte er: „ist diese Impertinenz euren Strohköpfen ent- sprungen, oder seid ihr dazu von irgend einer Seite ange stiftet worden?" Als sie darauf nicht gleich antworteten, kam die Gräfin in noch größeren Zorn. „Redet" — drohte sie ihnen — „fonst vergeß i mich noch und. . . ." „Niemand hat uns dazu aufgefordert" — erklärte endlich Dinko kleinlaut, „wir sind selbst darauf verfallen, um unserer Schwester zu helfen." „Und weil wir nicht wollten, daß sich Fräulein Erna früher als sic verheiratet" — fügte Mirko knirschend hinzu. „Was ist daS für ein neuer Wahnsinn?" — wurde er sofort von der Mutter zur Rede gestellt. „Das ist gar kein Wahnsinn" — beharrte er, mit haß erfülltem Blick gegen den unerbittlichen Peiniger, der sie noch immer unentwegt fesihielt, hinaufschielend — „sie hat sich doch schon mit diesem — Menschen heimlich verlobt." ..Pfui!' rief Erna auS der anderen Ecke des Saales, im selben Augenblick klang aber auch schon ein höchst verdächtiges Geräusch herüber, und ehe man sich's versah, waren Mutter und Tochter durch die Tür verschwunden. Der einzige, der davon nichts gehört hatte, war Herr von Höchstsold, und mit einer, das tiefste Bedauern aus drückenden Miene sagte er zur Gräfin: „Ich fürchte, daß Sie an Ihren beiden Spröhlingen wenig Freude erleben werden. Wer zu einer eben erst aufgcdeckten Schlechtigkeit noch eine neue Verdächtigung hinzussigt. der ist rettungslos verloren." „Herr von Höchstfeld, gestatten Sie mir ein Wort" — bat Vladoj — „ich . . . ." „Ist gar nickst nötig" — unterbrach ihn dieser wohl- wollend — „ich bin ohnehin überzeugt, daß aus diesem Bürschchen nur die Wut sprach." „Das allerdings" — konnte Vladoj mit bestem Ge wissen zugeben — „aber der Wahrheit die Ehre, ich . . ." „Ich brauche keine Versicherung" — unterbrach ihn der Major zum zweiten Male, und sich zu den Gästen, die in erregten Gruppen umherstonden, wendend, bat er: „Wollen Sie gefälligst wieder Platz nehmen. Es tut mir aufrichtig leid, daß unser Beisammensein keiner anderen Veranlassung entflammt — da aber mich dabei kein Ver schulden trifft, ich vielmehr der leidende Teil bin, so werden Sie wobl von meiner herzlich gebotenen Gast freundschaft weiteren Gebrauch machen und diese Unter brechung zu vergessen suchen." Unter anderen Umständen würde man seiner Auf forderung schon deshalb Folge geleistet haben, um ihm zu zeigen, daß man seine Entrüstung teile: da er sich aber hatte hinreißen lassen, wiederholt dem Verdacht Ausdruck zu geben, daß ein anderer bei diesem falschen Spiele die Karten gemischt habe — was doch nur aus den Pfarrer ge- niünzt sein konnte — so drängte nun alles zum Aufbruch, welcher beinahe in eine wilde Flucht ausartete. Nach kaum einer Viertelstunde lag der Gutshof, auf dem eben noch so bewegtes Leben herrschte, völlig ver ödet da, und nur aus Ernas Zimmer drang hin und wieder ein Laut heraus, der sich fast wie Weinen anhörte, und dem eindringliches Ermahnen der gramgebeugten, tief entrüsteten Mama vorausging und folgte. Zwölftes Kapitel. Ljubiza und Erich, die sich schon so nahe dem Ziele glaubten, standen diesem plötzlich ferner als je. Nicht genug daran, daß das unselige Mißverständnis dazwischen gekommen war, durch welches sich Herr von Höchstfeld zu deS Pfarrers Beleidigung hinreißen ließ mußten die beiden Jungen in ihrer Dummheit nun auch noch diese Taktlosigkeit begehen!
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