Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.03.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-03-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040326025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904032602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904032602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-03
- Tag1904-03-26
- Monat1904-03
- Jahr1904
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
BezugS-PreiS i» der Hauptexpeditton oder deren Ausgabe stellen ab geholt: vierteljährlich 3.—, bei zweimaliger täglicher Zustellung in- Hau» ^l 3.75. Durch die Post bezogen für Deutsch- land u. Oesterreich vierteljährlich 4.50, für die übrigen Länder laut ZritungSpretslist«. Nedattio« und Sxpetzttt-«: JohanniSgasse 8. Fernsprecher 153 u. 222. Ailialexpedtttonen: LlfrrdHahn, Buchhandlg., Universität-str. 8 (Fernspr. Nr. 4046), L. Lösche, Katharinen straße 14 (Fernsprecher Nr. 2935» u. König»- platz 7 (Fernsprecher Nr. 7505). Haupt-Filiale Drei den: Marirnstraße 34 (Fernsprecher Amt I Nr. 1718). Haupt-Filiale verliu . LarlDuncker, Herzgl.BayrHofbuchbandlg^ Lützowstraße 10(FernsprecherAmtVI Nr.460s.) Abend-Auögave eipMer TagMaü Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Rates und des Rolizeiamtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 25 Reklamen unter dem Redaktionsstrich (4 gespalten) 75 nach den Famtliennach- richten («gespalten) 50 Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 Extra-Vetlagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung ^ll 60.—, mit Postbeförderung ^l 70.—. Annahmefchlutz für Anzeigen: Abend-Ausgabe: vormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Pol» in Leipzig (Inh. vr. B., R. L W. Sltnlhardt). Nr. 157 Sonnabend den 26. März 1904. 88. Jahrgang. Var Aichtigrte vom rage. * Der Rat der Stadt Leipzig hat die Aufnahme einer 3»/,Prozentigen städtischen Anleihe von fünfzig Millionen Mark beschlossen und die Stadtverordneten um Zustimmung ersucht. Die erlangten Mittel sollen zum großen Teile für produktive Anlagen verwendet werden. * Die Zweite Kammer de» sächsischen Landtages vertagte sich heute bis zum 6. April. Auf der Tages ordnung für Donnerstag, den 7.April, steht: Die Organi sation deS ärztlichen Standes. * Die „Braunschweigische Landesztg." erklärt, daß die viel erörterte Aeußerung des Kaisers bezüglich des Verhaltens deS Herzogs von Cumberland im Gespräch mit dem Regierungspräsidenten fromme »Hildesheim getan sei. Die weitere Aeußerung deS Kaisers, er sehe das Ausweichen des Herzogs als einen Affront an, sei gegenüber dem General Stünzner beim Diner gefallen. * Man erwartet ein Zusammentreffen deS Kaisers und des ehemaligen englischen Kolonialministers Chamber- lain in Palermo. * Im Hattinger Revier breitet sich eine große Bergarbeiterbewegung vor. * In Manchester sind die Vorbereitungen für eine internationale Konferenz von Vertretern der Baum wollspinnereien zum Zweck gemeinsamen Vor gehens in großen Krisen im Gange. veutrchlanä «no Oer Lveiband. Unsere Leser kommen so selten zu dem uneingeschränkten „Genüsse" einer hochoffiziösen Vorlesung über höhere StaatS- kunst im Allgemeinen und die gegenwärtige Berliner Weis heit im Besonderen, daß wir eS unS nicht versagen können, ihnen folgend^ Wahrheit und Dichtung der „Süddtsch. ReichSkorresp." ohne Streichungen vorzulegen: „Es ist ein alter Trick der im Auslände gegen Deutsch land arbeitenden Publizistenschule, unserer Politik Ab sichten unterzuschieben, an die sie nie gedacht hat, um dann über die glückliche Vereitelung solcher „geheimen" Berliner Anschläge ein Triumphlied anzustimmen. So wird jetzt in englischen, französischen und auch slawischen Blättern die kadlo couvsvuo verbreitet, beim Ausbruch deS russisch - japanischen Krieges sei von Deutschland eine Intrige zur Sprengung deS Zweibundes eingesädelt, jedoch durch die Wachsamkeit anderer Mächte noch recht zeitig entdeckt und unschädlich gemacht worden. Die Väter dieser wundersamen Mär sollten sich, ehe sie uns ihre Einbildungen anhängen, doch erst die Frage beant worten, ob und warum die Aufhebung deS zwischen Ru ßland und Frankreich bestehenden Verhältnisses gerade für die deutsche Politik ein Lebensinteresse sein müßte. Der Zweibund ist unS kein Gegenstand nationaler Abneigung; il a äouuö sa mesurs. Wir beurteilen ihn nach seinen Ergebnissen und diese sind, vom deutschen Standpunkt aus, befriedigend. GcradedasZusammen leben mit Rußland im Zweibund war der sicherste Weg, die Franzosen davon zu überzeugen, daß unser östlicher Nachbar andere Aufgaben hat, als sich für fremde Interessen auf einen Kampf mit Deutschland einzulassen. Der Zweibund hat ferner nicht verhindert, daß zwischen den Herrschern und den Regierungen Deutschlands und Ruß lands das enge Verhältnis hergestellt wurde, gegen welches von verschiedenen Seiten her erfolglos Sturm ge laufen wird. Was aber die Entwicklung der deutsch französischen Beziehungen angeht, so läßt sich die Frage, ob sie ohne die Besonnenheit, die Frankreich gerade seinem Bündnis mit Rußland verdankt, in so ruhigen Bahnen verblieben wäre, vielleicht eher mit Nein, als mit Ja beantworten. Wir haben wirklich keinen Grund, eine der Pariser Beweglichkeit angehängte Hemmung mit falschem Eifer abzuschneiden, und aus dem für den Frieden Europas fast automatisch wirkenden „System der Gegengewichte" einen bewährten Faktor auszuschalten. Nicht mehr als erfahrungs mäßig der Bundesgenossenschaft mit Rußland kann Frankreich der oft vorausgcsagten, jetzt in deutlicheren Umrissen sicht bar werdenden kolonialen Verständigung mit England einen Anreiz zu festländischen Abenteuern entnehmen. Die eng lische Flotte wird — immer vorausgesetzt, daß Deutsch land seine Wehrfähigkeit auf der Höhe ihrer Aufgaben erhält — für die Revision des Frankfurter Friedens so wenig eingesetzt, wie die russische Feldarmee. Wir haben Frank reichs afrikanische Expansionspolitik nie bekämpft und empfinden keinen Verdruß über Umstände, durch die ihr weitere Ziele gesteckt werden. Wir können uns jeden Fort schritt gefallen lassen, der das Gesicht der Kulturvölker über die Grenzen unseres alten Weltteils hinaus auf neue Hori zonte hinwendet und verhindern hilft, daß Europa in die Periode großer innerer Kriege zurückgeworsen wird." Und wer das etwa nicht glaubt und nicht mit in Be geisterung für das russisch - französische Bündnis er glüht, bezahlt natürlich den üblichen Taler. Unter diesen werden sich so ziemlich alle diejenigen befinden, die Bismarck für einen besseren Leiter unserer äußeren Politik als Caprivi halten. Denn Caprivi war es, der den russischen Draht durchschnitt, weil er die Rückversicherungs maschinerie für zu kompliziert hielt, und der den Zweibund etwa mit denselben Worten jlobte, wie das jetzt Graf Bülow tun läßt. Glücklicherweise darf man vorläufig wenigstens noch hoffen, daß die Offiziösen heute so wenig wie früher zur Offenbarung von Herzensmeinungen benutzt werden. Der russtsch-fapanische Krieg, der Japaner in Ttsrea. * London, 26. März. (Tel.) Die „Times" berichten aus Söul: Der Weg zwischen Tschinampho und Phjöngjang wird so hergerichtet, daß er sich gut für Transporte eignet. Eine Heeresabteilung von drei Divr- sionen steht jetzt fast vollzählig bereit. Phjöngjang wird stark verschanzt. Die Japaner beabsichtigen augenschein lich, diesen Punkt zu ihrer Operationsbasis tm Norden zu machen. Nintschwang. * Washington, 25. März. (Meldung des Reuterschen Bu reaus.) Das amerikanische Kanonenboot „He lena", das gegenwärtig vor Niutschwang vor Anker liegt, ist beordert worden, diese Woche, wenn das Eis es gestattet, nach Schanghai zu gehen. Die „Helena" würde in der Feuer linie liegen, wenn die japanische Flotte Niutschwang angriffe. Der kommandierende Admiral des amerikanischen Pacific-Gcr schwadcrs ist der Ansicht, daß die Verhältnisse in Niutschwang nicht derartig seren, daß sie die Zurückbehaltung der „Helena" dort erfordern. Die Zukunft Nsrea». Die „Times" melden aus Söul vom 24. März: Marquis Ito hielt am Dienstag im Auswärtigen Amte bei einem Diner eine Rede, die auf die Koreaner großen Eindruck machte. Er schilderte, wie Japan schritt- weise sich vom orientalischen Wesen losgemacht habe, und bot den Koreanern Japans mühsam gewonnene Er- fahrung als Unterstützung an. Er forderte sie auf, nicht mehr bloß den eigenen Weg zu gehen und für den Vorteil ihres Landes zu wirken. Handelten sie nach diesem Rate, so würden sie ihre nationale Unabhängigkeit behalten, die sonst unvermeidlich in einem der Reiche aufgchen würde, die setzt auf koreanischem Gebiete kämpften. — Am 23. März wurde dem Marquis Ito zu Ehren in der englischen Gesandtschaft ein Diner ver anstaltet. Am 25. März reist Ito nach Japan zurück. Japanische Siegeszuversicht. Im japanischen Abgeordnetenhause wurde gestern eine Dankeskundgebung für General Togo und seine Offiziere angenommen. Vor der Ab stimmung hielt der Marineminister eine Rede, in welcher er ausfuhrte, die Mitglieder des Hauses möchten nicht allzu sanguinische Hoffnungen auf eine schnelle Beendigung des Krieges setzen, aber sie möchten versichert sein, daß cs den vereinigten Be mühungen der Soldaten und Zivilisten, hoch und niedrig, sicherlich gelingen werde, den Krieg zu einem erfolgreichen Ende zu führen. Line serbische Legion. * Belgrad, 25. März. Ein aus angesehenen Politikern und Bürgern bestehender Ausschuß, welcher eine russisch-serbische Verbrüderung bezweckt, hat an das serbische Volk einen Ausruf zum Eintritt in eine: zu bildende, aus 500 Mann bestehende serbisch« Legion erlassen, die am russisch-japanischen Kriege teilnehmen soll. — Die Berufsinstanz hat die Ange legenheit des früheren Kabinetlschefs Petronjewitsch zur neuen Verhandlung in die erste Instanz zurückverwiesen. Aus Tokio berichtet der Londoner „Daily Expreß": Vie Rriegtkorrespendenten, die sich in Tokio versammelt hüben, um sich dem japa nischen Hauptquartier anzuschließen, scheinen als Haupt- ausrüstung für ihren Beruf sehr viel Geduld nötig zu haben. In dem „Jmperial-Hotel", wo die Korrespon denten Quartier genommen haben, spielen sich Scenen ab, die für jeden anderen, nur nicht für die Spezialkorre spondenten ergötzlich sind. Man erwartet täglich die Er laubnis der japanischen Regierung, auf den Kriegsschau platz gehen »;u dürfen, und wird täglich von der Regierung mit dem Versprechen beruhigt, daß diese Erlaubnis „sehr bald" erfolgen werde. 30 bis 40 Korrespondenten haben infolge dieses Versprechens schon so und so oft ihre Sachen gepackt, ihre Hotelrechnung bezahlt und dem Kellner personal Trinkgelder gegeben, um am anderen Tage zu erfahren, daß sie zu weiterem Warten verurteilt sind. Korrespondenten, die es versuchten, ohne Erlaubnis nach Tschemulpo oder Söul zu gehen, werden dort festgehalten, und wenn sie gar den Wagemut hatten, über diese Plätze hinaus nach Norden vorzudringen, so erlebten sie eine sehr beschleunigte Rückbeförderung. weitere Nachrichte«. * Söul, 25. März. (Reuter.) Russische Abteilun gen von 200 und 500 Mann sollen Jndschu (?) und Choa- kow (?) in der Nähe von Tomenko (?) geplündert haben. Die Landleute flüchteten nach dem Süden. * Algier, 26. März. (Tel.) Nach Nachrichten von Offizieren des gestern hier eingetroffenen russischen Linienschiffe» „OSl- jablja" ist das russische Torpedoboot 221 am 9. März auf der Fahrt zwischen Port Said und der Sudabucht bei einem Sturm gesunken. Die Besatzung wurde vollzählig gerettet. Politische Tagesschau. * Leipzig, 2«. März. Beschäftigt, verhindert, verreist. Bei dem gestrigen Festmahle deS Deutschen Handelstages, der zur Zeit in Berlin versammelt ist, glänzten der Reichskanzler, die Staatssekretäre und Staatsminister durch Abwesenheit. Graf Bülow war augenscheinlich „beschäftigt", Graf Posadowsky „ver hindert", Möller „verreist". Sonderbar! Die Minister sind doch sonst bei jedem Diner zu finden, und Graf Bülow verfehlt nie, beim Bankett des Landwirtschafts rates eine witzige Rede von Stapel zu lassen. Indessen, bei näherem Zusehen ist es so sonderbar nicht Will Graf Bülow sich in seiner Position halten, so muß er sich die Gunst der Rechten sichern. Daß er im Liberalismus keinen festen Rückhalt hat, haben die Verhandlungen über die Aufhebung des 8 2 bewiesen. Folglich wird er die „mittlere Linie" noch etwas mehr nach rechts, so recht mitten ins Zentrum, verlegen und wenn wir nicht irren, so kann man bei der Gelegenheit sagen: dieses war der erste Streich, doch der zweite folgt sogleich. Wie es heißt, wird der Kaiser sehr empfindlich, wenn er bemerkt, daß seine Räte mit dem Volksempfinden keine Fühlung haben, es regnet dann Depeschen und Handbillets, und so wird Graf Bülow gerade jetzt das Bedürfnis haben, seine Feuilleton. y Das Testament des Bankiers. Roman von A. M. Barbour. Nachdruck verboten. Das Testament Hugh Mainwarings. Am folgenden Morgen, gleich nach dem Frühstück, zog sich Hugh Mainwaring, gefolgt von seinem Sekretär und Herrn Whitney, in das Bibliothekzimmer zurück, um das Testament aufzusetzen; die junge Welt bestieg die vor geführten Reitpferde und galoppierte so ausgelassen die Eichenallee entlang, daß ihr fröhliches Lachen bald im Park verhallte. Die älteren Herren und Damen trennten sich allmählich; Frau Mainwaring begab sich auf ihr Zimmer, um ihr gewohntes Vormittagsschläfchen zu halten; Frau Hogarth vertiefte sich in ein Werk ihres Lieblingsschriftstellers, und Ralph Mainwaring machte in Gesellschaft von William Thornton einen Spaziergang durch die Parkanlagen. Beide rauchten und ließen ihre Blicke bewundernd über Haus und Umgebung schweifen. „Wirklich, ein herrliches Besitztum", bemerkte endlich Ralph. „Wenn man das alles sieht und dazu das Bank geschäft mit all seinen schönen Gewinnen in Rechnung zieht, muß man wahrhaftig sagen, der Junge kann zu frieden sein." „Scheint mir auch so", stimmte Thornton lachend bei. „Dein Hugh ist in der Tat ein Glückspilz. Uebrigens, sag' mal, du weißt wohl ziemlich genau über die Finanzen deS Vetters Bescheid? Hat er dir eine kleine Andeutung gegeben, was er eigentlich wert ist?" „Der? Da kennst du ihn schlecht; nicht mit einem Worte. Ich habe aber eine Menge Geschäftsfreunde auf dieser Seite des Wassers, und da kannst du dir denken, daß ich Sorge trug, stets gut unterrichtet zu sein über alles, was hier vorging. Ich habe den guten Vetter die ganze Zeit nicht aus dem Auge gelassen." „Glaube ich dir aufs Wort", lachte Thornton amüsiert, „ist mir doch noch nie ein Mainwaring begegnet, der es nicht verstanden hätte, sein Nest auszufüttern. Ja, wie du sagst, ein schöner Besitz, aber weißt du, ein bißchen sonder bar will es mir doch scheinen, daß der alte Junge, der Hugh, es jetzt auf einmal so eilig hat zu testieren." „Ich habe mich auch darüber gewundert, er wird aber wohl seine guten Gründe dazu haben " „Das sollte man annehmen", pflichtete Thornton bei, „denn sonst würde mir, offen gestanden, die ganze Ge schichte etwas närrisch Vorkommen, da er, so viel uns be kannt ist, keinen Leibeserben hat und das gesamte Ver mögen so wie so deiner Familie zufallen müßte." Ralph rauchte eine Weile, wie in Nachdenken ver sunken, vor sich hin und strich dann langsam die Asche ab, indem er mit einer gewissen Betonung sagte: „Ich vermute, Hugh und sein Sachwalter fürchten irgend welche uns unbekannte Personen, die möglicher- weise Ansprüche erheben könnten." «Genau auch mein Gedanke", fiel Thornton lebhaft ein. „Weißt du, ich habe schon gedacht, ob nicht am Ende Harold Mainwaring ein Kind hinterlassen hat, dessen Exi stenz Hugh bekannt ist. „Das würde hier gar nicht in Frage kommen", erklärte Ralph mit Nachdruck, „denn wäre auch wirklich ein Kind von ihm am Leben — was aber nicht der Fall ist — so hätte es nichts zu fordern, da Harold von seinem Vater testamentarisch enterbt wurde." „Ganz recht, der alte Herr enterbte Harold, aber könnten dessen Nachkommen nicht Erbansprüchc zu stehen?" „Nach diesem Testament nicht. Ich war zugegen, als es verlesen wurde, und weiß daher bestimmt, daß es Harold und seine Nachkommen für alle Zeiten ausschloß." „Eine grausame Härte! Der arme Harold!" mur melte Thornton mitleidig. „Er war der ältere Sohn, nicht wahr?" „Nicht allein das, sondern auch der Lieblingssohn des Vaters. Ich habe die Sache nie recht begriffen, denn die Enterbung nagte von Anfang an so an dem Herzen des alten Mannes, daß seine Kräfte schnell verfielen und auch sein Wesen gegen Hugh zunehmend unfreundlicher wurde. Das mag, wie ich mir denke, Hugh hauptsächlich bewogen haben, das alte Familiengut so bald zu verkaufen; es hafteten wohl für ihn zu viel unangenehme Erinne rungen an dem Hause." „Wenn ich nicht irre, starb Harold bald nach jener un glückseligen Heirat, die zu dem Zerwürfnis führte?" „Ja; er lernte zu spät den Charakter seiner Frau kennen und trennte sich von ihr nach dem Tode seines einzigen Kindes. Wenige Jahre darauf kam er auf der See ums Leben." In diesem Augenblicke kam Harry Skott im Auftrage seines Herrn, die Vettern zu bitten, nach der Bibliothek zu kommen. Während sie mit dem Sekretär dem Hauptportale zu schritten, rollte, von ihnen unbemerkt, ein geschlossener Wagen rasch nach dem Südeingange, wo ein großer, hagerer Mann mit leichenhaften Zügen und scharf spähen- den Augen ausstieg und hastig klingelte. Als Thornton zwei Stunden später zum Gabel frühstück die nach der großen Halle führende Wendeltreppe binabstieg, ging der mit dem Wagen angekommene Fremde gerade den unteren Flur entlang dein Süd- ausgange entgegen. Die Tritte auf der Treppe hörend, drehte er sich um, und sein Blick begegnete dem Thorn tons. Sichtlich überrascht und betroffen, machte er diesem eine gleisnerisch kriechende Verbeugung und setzte dann eilig seinen Weg fort, während Thornton ihm mit un verkennbarem Erstaunen und Widerwillen nachsah. Beim Frühstück war sowohl Hugh Mainwaring wie auch ein Teil seiner Gäste sehr einsilbig und das Mahl verging in ungewöhnlicher Schweigsamkeit. Frau La Grange bemühte sich zwar, Herrn Whitney bestens zu unterhalten, dieser aber beschränkte sich nur auf höfliche Antworten und tat seinerseits nichts, die Unterhaltung mit ihr im Gange zu erhalten. Sogar der muntere Thornton war so schweigsam, daß seine Tochter ihn endlich damit neckte. Er nickte ihr freundlich zu und wandte sich dann etwas plötzlich an den Hausherrn: „Sag' mal, Vetter, bist du mit Richard Hobson per sönlich bekannt?" Diese Frage schien Hugh einen Augenblick zu ver wirren und ebenso Frau La Grange wie den Sekretär in irgend einer Weise zu berühren. Ueber das Gesicht der ersteren flog ein eigentümlicher Ausdruck von Unbehagen, und über das des letzteren ein leises Zucken. Mainwaring faßte sich indessen schnell; er erwiderte ruhig: „Ich erinnere mich eines Advokaten dieses Namens, den ich vor einigen Jahren einige Male in London sah, einer Bekanntschaft mit ihm kann ich mich aber nicht rühmen." , „Würde dir auch nicht gerade zur Ehre gereichen", bemerkte Ralph. „Hobson ist gar kein Advokat, sondern ein gemeiner Winkelkonsulent und nebenbei ein Schurke." „Na, wenigstens hat er einen sehr schlechten Ruf", stimmte Thornton ein; „ich würde auf den Kerl gar nicht gekommen sen, wenn ich ihn nicht vor einer halben Stunde hier getroffen hätte." Hugh entfärbte sich sichtlich, sagte aber ohne merkbare Erregung: „Ihn hier im Hause getroffen? Unmöglich!" Dabei sah er den aufwartendcn Diener fragend au, doch dessen Gesicht gab ihm keine Antwort. „Ich bezweifle, daß der Mensch England verlassen haben sollte." „Und doch hat er es getan", entgegnete Ralph. „Dor etwa zwei Jahren erfuhr ich zufällig, daß ihm in London der Boden unter den Füßen zu heiß geworden und daß er eiligst nach Amerika abgedampft wäre. Er bedurfte wohl mehr freien Feldes für seine unsauberen Geschäfte." Diese Mitteilung verstärkte den Ausdruck der Miß stimmung auf Hughs Gesicht, und Thornton, dem das nicht entging und der fühlte, daß er mit der Erwähnung Hodsons einen wunden Punkt berührt hatte, lenkte gut mütig ein: „Nun, ich kann mich ja auch geirrt haben, die Aehn- lichkeit war aber allerdings auffallend." Nach diesem Versuch, das Gesprächsthema abzu brechen, trat eine leichte Verlegenheitspause ein, die der junge Sekretär unterbrach, indem er, Geschäfte vor- schützend, nach der Bibliothek zurückkehrte. Dorthin folg ten ihm bald alle Herren mit Ausnahme des jungen Hugh. Auf dem Korridor blieb der Hausherr einen Augenblick bei einem dort beschäftigten Diener stehen und sprach leise mit ihm. Der feinhörige Sachwalter ver nahm aber die Antwort: „Nein, gnädiger Herr, bei Frau La Grange." Kurze Zeit später wurde das Testament Hugh Main- warings von dem Testator, sowie den Zeugen: Ralph Mainwaring, William Mainwaring-Thornton und Wil liam Whitney ordnungsmäßig unterzeichnet. Nach Ab- gäbe der letzten Unterschrift atmete Hugh, wie von einer schweren Last befreit, tief auf und sagte: „So mein lieber Ralph, nun ist mein Wunsch erfüllt und dein Sohn mein Erbe!" Darauf nahm er das Doku ment und reichte es seinem Sekretär. „Legen Sie es vor läufig in mein Pult im Turmzimmer; morgen will ich eS im Beisein aller anwesenden Familienmitglieder verlesen lassen und dann, wenn das geschehen ist", sprach er zu seinem Sachwalter gewandt weiter, „mögen Sie, lieber Whitney, es in Ihre Obhut nehnien, bis zu dem Zeit- punkte, wo es in Kraft tritt. Wann das seinwird, wer will's wissen — vielleicht früher, als wir denken." Seit dem Frühstück batte sich das Wesen Hughs auf fallend verändert. Seine wehmütig klingenden Worte machten auf jeden einen tiefen Eindruck. Indessen ping die düstere Stimmung gleich vorüber, als Hugh einen Ausflug in die Umgebung vorschlug und Equipagen be stellte. Alle fuhren fort, nur der Sekretär blieb in der Bibliothek zurück, um noch eine Arbeit zu erledigen. (Fortsetzung folgt.)
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite