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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.03.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-03-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190403066
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19040306
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19040306
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-03
- Tag1904-03-06
- Monat1904-03
- Jahr1904
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.03.1904
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Anzeigen-Vreiß die 6 gespaltene Petitzeile 28 Reklamen unter dem Redaktionsstrich (4 gespalten) 75 nach den Familtrunach- richten (6 gespalten) 50 -C- Tabellarischer und Ztfsernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen uud Ofsertenannahme 25 »rtra-vkllagrn (gesalzt), nur mit der Morgen.Ausgabe, ohne Postbesörderun, >l( M-—, mit Postbrförderung 70.—. «nnahmeschlus, für «„et,«, Abend-Ausgabe: vormittag« 10 Uhr. Margea-Au«gabe: nachmittag» 4 Uhik. Anzeigen find stet« an die Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abend- 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Pvlz in Leipzig (Inh. Or. B., R. L W. Kliukhardt). Nr. M. Sonntag den 6. März 1904. 88. Jahrgang. Var Mcdtigrte vom rage. * Feldmarschall Graf Waldersee ist heute abend kurz nach 8 Uhr gestorben. * Für die geschädigten Deutschen rn Deutsch-Südwestafrika bewilligte der Rat der Stadt Leipzig aus Stiftungsnntteln den Be trag von 4000 * Der Vor st and des Nationnalliberalen Pereinsfür Leipzig undUmgegend hat sich am Freitag abend konstituiert; erster Vorsitzender ist Kommerzienrat Habe nicht. * Die gestern im Teltower Kreishause abgehaltene Hauptversammlung des Deutschen Sparkassen verbandes beschloß, die Angelegenheit des Scherl- chen Lotteriesparsystems zunächst den Interverbänden zu unterbreiten und die Ent- cheidung der nächsten Hauptversammlung zu über assen. * Ein zweites japanisches Invasions korps ist auf dem Wege nach Fusan (Südkorea). Wochenschau. Der Reichstag hat sich am Freitag endlich dem Militäretat zugewandt, das heißt mit anderen Worten: er hat die acht Wochen, die er seit Neujahr bei sammen ist, mit Plaudereien verbracht, die zum Etat des Reichsamts des Innern, zu Reichseisenbahnamt und Reichsjustizetat in mehr oder minder loser Beziehung standen. Die wichtigsten und bedeutsamsten Kapitel — Militär, Marine, Kolonien und Auswärtiges — sind noch unerledigt, und da in drei Wochen bereits die Oster- vakanz heranrückt, werden sie zu beträchtlichem Teil wohl auch unerledigt bleiben. Es ist unter solchen Umständen nicht verwunderlich, wenn die Reichstagsmelancholie, die an sich ja eine dauernde Erscheinung in der deutschen Presse ist, wieder einmal akuten Charakter annimmt und wir da und dort sehr scharfe und mitunter auch sehr zu treffende Schilderungen dieser — wie Graf Ballestrem sie kürzlich einmal genannt hat — „trostlosen Geschäftslage" zu lesen bekommen. Leider führen die durchaus ehrlichen und ernst gemeinten Betrachtungen zumeist nicht gerade in die Tiefe. In der Darstellung des Zuständlichen, das wir ohnehin mit Händen greifen können, sind sie vortrefflich: bei der weiteren Frage, wer an der Misere die Schuld trägt und was denn nun so ungefähr zu machen wäre, Pflegen die meisten zu versagen. Es ist nun ein mal des Landes so der Brauch, daß man die Schuld in der Regel beim Nachbar sucht, und tief befriedigt auf- atmet, wenn man sie ihm glücklich zugeschoben hat. So klingen diese Betrachtungen über den Reichstagsjammer denn gewöhnlich in eine ebenso moralische wie billige Nutzanwendung aus, und bei Licht besehen ist man hinter her so klug wie zuvor. Es ist möglich, daß die D t ä t e n oder Anwesenheitsgelder, die dieser Tage wieder nachdrücklich gefordert worden sind, einen Teil der Nöte heilen könnten — jedenfalls soll man, um nichts unversucht zu lassen, sie mit aller Energie anstrcben — andere Schäden würden auch sie nicht heilen können Das gilt zum Beispiel schon ganz sicher von der Immer mehr zur trauten Uebung gewordenen Unsitte, einzelstaatliche Dinge ini Reichstage und umgekehrt Reichsangelegen heiten in den Einzellandtagen zu behandeln, je nachdem der Partei oder Gruppe, die diese Fragen zur Sprache zu bringen wünscht, der Reichstag oder die eine oder andere Landstube einen bequemeren Resonanzboden abzugeben verheißt. Wenn man hier nämlich mit ernstem Fleiß nach dem Karnickel sucht, das angefangen hat — Graf Bülows elegante Diktion hat die Wendung ja salonfähig gemacht — wird man unschwer finden, daß im Grunde die Konservativen die Väter der Uebung waren. Die flüchten doch mit Vorliebe in die „gemäßigte Zone" des preußischen Abgeordnetenhauses, wenn sie der Regierung Sr. Excellenz des preußischen Ministerpräsidenten Grafen Bülow gegenüber der Regierung Sr. Excellenz des deut schen Reichskanzlers Grafen Bülow das „Rückgrat steifen" wollen, und wer ihnen solches dann mit milder Rede zu verweisen sucht, gegen den wissen sie mit schönem Pathos ihr Recht als preußische Männer zu verfechten. Wie es in den Wald hineinschallt, schallt es aber auch heraus: es hieße Unbilliges verlangen, wenn man nun gerade die Sozialdemokraten auf die notorisch schwer zu betätigen den Tugenden der Enthaltsamkeit und Selbstentäußerung verpflichten wollte. Das Dreiklassenwahlrecht scheidet sie aus der preußischen Volksvertretung aus; was Wunder, daß sie nun auf dem Umwege über das Reich auf die preußischen Dinge Einfluß zu nehmen suchen! Zudem stand es mit der Frage, die sie diesmal anS dem p"enßischen vor das Rcichstagsforum zogen, doch ein wenig anders. Die war, obschon die Minister Schönstedt und v. Hammer- stein ängstlich die Fiktion zu wahren sich mühten, auf Herz und Nieren geprüft, gar keine preußische. Wenn es wahr gewesen wäre, was die Sozialdemokraten durch lange Wochen mit großem Geräusch behaupten durften, daß die Preußische Polizei sich zur Exekutive russischer Spitzel erniedrigt hätte und den russischen Häschern in Wirballcn oder Alcrandrowo auslieferte, wer immer ihnen von diesen „Gentlemcn" als „Anarchist" bezeichnet ward, so war das eine Sache, die sich nicht gut innerhalb der schwarz-weißen Grenzpfähle abmachen ließ. Fürst Herbert Bismarck hat zwar am Donnerstag im preußischen Herrenhause gemeint: „Wir sind in erster Reihe Preußen"; aber mit dieser Redewendung dürfte der Sohn des großen Mannes sich nur eine von ihm selbst nachträglich vielleicht bedauerte Ent gleisung geleistet haben. Wir sind im Gegenteil in erster Reihe Deutsche, und da in der An gelegenheit der russischen Ausweisungen die Ehre des deutschen Namens engagiert schien, da die Handhabung der Fremdenpolizei außerdem unsere auswärtigen Be ziehungen berührt, war gerade der Reichstag der geeignete Ort, diese Dinge zu erörtern. Im Reichstage sind sie dann ja auch zu ihrer endlichen und befriedigenden Ent- scheidung gelangt. Graf Bülow hat nachgewiesen, daß in fünf Jahren nur dreimal Ausweisungen über die russische Grenze stattgefunden haben und alle dreimal bei offenkundigen Anarchisten; er hat im übrigen unser selbstverständliches gutes Recht gewahrt, Bomben- fehlenderer und Propheten der Mordstahlromantik uns vom Halse zu halten und damit die ohnehin brüchig ge- wordepen sozialdemokratischen Positionen vollends zer stört. Eine Frage bleibt bei alledem offon, die banale Frage: Warum haben Sie das nicht gleich gesagt? Zu weß Ende ließ die Regierung, da sie doch so gute Trümpfe in der Hand hatte, die Sozialdemokratie lärmend durch alle Gaue ziehen und uns wieder einmal in den Geruch der Barbarei bringen? Diese Zaghaftigkeit, die deni Feinde erst seelenruhig einen ansehnlichen Vorsprung gewinnen ließ ist zu erklären. Es ist merkwürdig, daß die Konservativen, die sich doch sonst nach „Taten" heiser rufen, an dieser Unterlassungssünde gegenüber der Sozialdemokratie so gar nichts auszusetzen gefunden haben. Auch hier lud Rhodus doch zum Tanze ein . . . Immer hin hat die Sozialdemokratie, wennschon leider verspätet, ihre Niederlage eingehcimst, und auch sonst geht es ihr gerade nicht zum besten. Die Fälle Göhre und Schippel, die in diesen Tagen einander so hart folg ten, haben wieder einmal die tiefe innerliche Unwahr- Hastigkeit der„Treimillionenpartei" aufgedecktunddie harte Gewaltherrschaft der „leitenden Kreise der Partei", wie es in einem parteioffiziösen Waschzettel des „Vorwärts" hieß, die keine anderen Götter dulden neben sich, die un barmherzig jede freie Meinungsäußerung zu unterdrücken wissen und mit alttestamentarischem Haß strafen, wer immer an ihnen sich verging. Diesmal scheinen die Risse noch notdürftig überkleistert zn sein; Göhre hat seufzend sein Haupt gebeugt und auch Schippel trabt als sürsich tiger Mann vorläufig wohl durch das Joch. Auf die Dauer aber werden die einander zu ungleich gewordenen Kräfte sich kaum zusammenhalten lassen; täuscht nicht alles und kommen unsere Scharfmacher der Sozialdemo kratie mit ihren Wunderkuren nicht zu Hülfe, so hat diese wohl den Zenith ihrer Macht überschritten. Aber wissen wir's denn auch genau, daß irgend ein stürmischer Lenzmorgen die scharfmacherische Saat nicht doch unversehens reifen läßt? Die Herrschaften sind überaus enisig, und einflußlos sind sie auch nicht; erst die letzten Tage haben ihnen wieder einen schönen Erfolg in den Schoß geworfen. Die wasserwirtschaft lichen Vorlagen, von denen zwei (darunter der Torso des ehemaligen Mittellandkanals) schon zum Ein bringen fertig waren, sind plötzlich wieder zurückgelegt worden; sie werden, wie Herr Budde in einer, dem Ab- gcordnetenhause wie aller Welt unerwarteten ministe riellen Erklärung verhieß, erst nach der Osterpausc an den Landtag gelangen. Das eröffnet allerhand unerfreu liche Aussichten. Zunächst die auf eine übermäßig lange Tagung in den Sommer hinein; dann die andere und bedenklichere aus eine neue Auflage der Verschleppungs aktion. Der Mittellandkanal oder wie man ihn nun besser heißt, der „Sackkanal", stand unter den wasserwirt- sckiaftlichen Vorlagen, die Herr Budde am Donnerstag aufzählte, zuletzt; den letzten aber pflegen für gewöhnlich die Hunde zu beißen. So wird es gehen, wie's die Agrarier gewollt und die „Deutsche Tageszeitung" oft genug diktiert hat: die gewiß unerläßlichen Hochwasser- schutzvorlagen wird man unter Dach und Fach bringen; dann aber wird man kalten Herzens sogar den „Sackkanal" verschütten. Wenn aber dann wider Er warten der Rechten die Zustimmung zu der Verbindungs- straße zwischen Rhein und Elbe doch noch abgeschmeichelt werden sollte, so wird sie sie nicht umsonst gegeben haben. Die merkwürdig verklausulierte Erklärung, die man am Montag über die Frage der Schiffahrts- abgaben auf den freien Strömen vom Minister Budde hören konnte, laßt kaum noch einen Zweifel übrig, daß ein „Kompensationsobjekt" nach den Wünschen der Rechten bereits gefunden worden ist. Dabei wird man über Schifsahrtsabgaben an sich ja vielleicht reden können; es wird im wesentlichen auf die rein praktische Frage an- kommen, ob durch eine Einführung von Schiffahrts abgaben nicht legitime Interessen m Handel und Reederei zerstört werden. Einigermaßen rätselhaft aber bleibt, wie der Reichskanzler am 10. Dezember vorigen Jahres zu der nämlichen Angelegenheit eine Auskunft geben konnre, die mit der neuerlichen des preußischen Verkehrs- Ministers absolut nicht zusammenstimmen will. Gibt es wieder „Mißverständnisse" in hohen und höchsten Kreisen, die sich zn „Mißhelligkeiten" verdichten könnten? Nach der Jnsccnierung der wasserwirtschaftlichen Vorlagen möchte man es fast annehmen. Derweil reisen draußen im fernen Osten nach den ersten Erfolgen der Japaner die Dinge langsam der Entscheidung entgegen, die zu Lande fallen wird. Auf Korea darf man die ersten Kämpfe erwarten. Dort ver stärken die Russen ihre Jalu-Stellung; die Japaner fahren indes mit ihren Landungen fort, nur daß sie die Feuilleton. Theater. ** Em Theaterstück — nur für Herren! Aus Bremen wird dem „Berl Tagebl." geschrieben: Am Sonnabend kommt am diesigen Stadttheater Max Dreyers historischer Schwank „Das Tal des Lebens" zur erstmaligen Aufführung. Die Direktion des Stadttheaters scheint aber von moralischen Bedenken arg bedrückt zu sein, und um sich für alle Fälle zu salriercn, läßt sie den Tagcsblättern folgende Notiz zugehen: „Das Stück ist in Preußen seiner freien Tendenz wegen verboten worden. Diese freie Tendenz ist eS, welche die Direktion des Stadttheaters veranlaßt, jungen Mädchen anheim zu geben, dieser Vorstellung fern zu bleiben." Den Prosit hat — der BuchhändlerI * Das Trinken ans her Bühne. Tas Oesfnen einer Schaum- Weinflasche, so plaudert der Schauspieler Albert Börse in der „Frankfurter Zeitung", erfordert schon im Leben eine gewisse Ge- schicklichkcit, wie viel mehr auf der Bühne, wo tausend Augen neu- gierig und erwartungsvoll zuschauen. Und da kann der Zufall ein böses Spiel treiben. An einem kleineren Hoftheater ließ der Bonvivant fröhlich eine Flasche Sekt knallen, alles ging gut, der Pfropfen flog in hohem Bogen davon, aber direkt in die Loge des Landesherrn, der auf ein vaar davon „betroffen" wurde. Das böse Gewissen de« ungeschickten Darstellers wurde aber am nächsten Tage beruhigt, als ibin der Fürst einen Korb Sekt ins Haus sandte, „damit er sich im Oeffnen von Champagnerflaschen üben möge." Das Schnäpschen wird auf der Bühne durch das sanftere Bier oder die mildere Himbeerliinonadr ersetzt, ebenso wie Falstafis ein GlaS Sekt, aus dem im Lause des Abends recht viele werden, durch kalten Tee. (Der „Sekt' de« dicken Schlemmers war, wie man weiß ein starker Südwein, nicht unser heuriger Champagner.) Daß Just in „Minna von Barnhelm" drei Gläschen „veri- tablen Danziger" im Zeitraum einer halben Minute in echter Qualität hinabstürzen toll, ist schlechterdings nicht zu verlangen; auch Frosch in der Fledermaus dürfte wenn er nicht -lau» koutaon tränk», zum Schluß sehr angegriffen sein, und der Schuster im Lumpaeivagabundns würde nach echten Leistungen im Trinken mit einem ordentlichen Rausch nach Hause gehen. Die letzt- genannte Nolle gab vor einigen Jahren am Burgtheater in Wien Veranlassung zu einer reizvollen Geschichte. Lumpaci wurde in einer Äohltätigkritsvorstellung ausarfnhrt und Lrwin»ky, der Darsteller des Knirriem und selbst Temperenzler „vom reinsten Wasser", nahm seine sämtlichen Schnäpse in Form von Wasser zn sich. Zum Schluß leerte er ein extra großes Schnapsglas, und das hatten ihm die böse« Kollegen mit starkem Korn angefüllt. Lewinsky, nicht- ahnend, gießt den Inhalt hinunter, fängt an zu spucken und Gesichter zu schneiden, geht ab und fängt hinter der Scene einen Mordsskandal an. Aber die Kollegen, die mit diebischer Freude dem Vorgang zug,sehen, wenden sich empört von dem Künstler weg: „Nein, liebster Josef, mit so einem Schnapstrinker vrrkehren wir nicht!" */* Ektn f-iiter Witz. Man schreibt dem „B. T." au- Worms: Ein Thratrrskandälchen gab e» am letzten Sonntag io unserem Frstspielhausr. Da- Ensemble de- Darmstädter Hof theater« gab Hauptmann« Komödie „College Crampton . Infolge einiger scharfe» Theaterkritiken in hiesigen Blättern besteht seit einigen Wochen eine kleine Spannung. Ter Darsteller der Titelrolle Herr Lehrmann erlaubte sich nun in seiner Rolle eine Aendcrnng, die unverkennbar ihre Spitze gegen die Presse richtete. Bekanntlich läßt Hauptmann seinen Crampton zu dem junge» Maler Strükler sagen: „Man wird Dir, wenn Du erst mal was Rechtes leistest, erst recht den Kopf heiß machen. Jeder Straßen kehrer wird Deine Arbeit bespucke» und Dir zuscbrcien: Werde Straßenkehrer! Die Hauptsache ist: Bete und arbeite!" Herr Lehrmann machte daraus: „Jeder Zeitungs schmierer wird Deine Arbeit bespuckenI" Ganz abgesehen davon, daß das Verhalten des Herrn Lehrmann eine Unhöflichkeit gegen über der Presse ist, ist es noch mehr eine Ungehörigkeit gegenüber dem Dichter, dessen Worte gefälscht werden, und auch gegenüber dem Publikum, dem so die Teilnahme an einem Zank zugemutct wird, für den es im Grunde wenig Interesse haben dürste. Der geistigen Veranlagung in dem Geschmack des Künstlers stellt dieser „Witz" ein geradezu — glänzendes Zeugnis aus. * Ter Kampf um ein englisches Rationaltheater. Auf die Zustände in der englischen Theaterwelt wirft rin Artikel ein Helles Licht, den der bekannte Dramatiker Henry Arthur Jours in der Märznummer der Zeitschrift „Nineteentb Century and After" veröffentlicht. Er bespricht darin dir Vorschläge, die kürzlich gemacht worden sind, um ein nationales Theater in England zu begründen. Er veranschlagt die Geldgarantie, die erforderlich ist, um "ein solches Unternehmen ins Leben zu rufen, aus annähernd 210 00t) Gl im Jahr. Tie Gründe, ein Theater mit staatlicher Unterstützung auszustatten, wären eben dieselben, wie sie zn der staatlichen Unterstützung der anderen Künste — Musik, Malerei und Skulptur — führten. Tas kleine Dänemark unter stützt sein nationales Theater mit einigen 400 000 Gt im Jahr — warum könnte das große England nicht dasselbe tun? „Nach ge- nauen Schätzungen", so fährt Jones fort, „müssen englische Thraterbelucher >n London und in den Provinzen für die Ope rette während der letzten zehn Jahre ungefähr 100 bis 120 Millionen Mark verausgabt haben. Mit anderen Worten, auf diese besondere Form beliebter Unterhaltung hat das englische Publikum in wenigen Jahren eine Supime ver- wandt, dir genügen würde, um eine ganze Flotte zu kaufen, eine Summe, dir, wenn man sie kapitalisieren würde, ungefähr 3 000 000 Mark in einem Jahre oder die fünfzrhnfache Summe von dem einbringcn könnte, was wir brauchen, um rin gesundes, wertvolles Drama einzubürgern." Bei der Einrichtung eines solchen Theaters fürchtet Jone- allerdings, daß „unsere puritanischen Freunde" ihre Hülfe versagen. Wenn sich Jones' Hoffnung erfüllte, so würde er gern umsonst ein neues Stück für das nationale Theater schreiben, und wenn staatliche Hülfe verweigert wird, so hofft er doch aus das Eingreifen eine- Millionär«, der die Mittel bewilligt. Wissenschaft. 8 Eine Erklärung. Herr vr. meä. Fülle« in Bad Lieben- stein (Thüringen) bittet un« um Aufnahme folger Erklärung: Im Tilsiter Kurpsuscherprozeß gib» ein gewisser Or. Steingceßer, der als Entlastungszeuge de- Angeklagten geladen ist, an, zur Zeit leitender Arzt des Sanatoriums Liebrnstrin in Thüringen zu sein. Da- ist durch die Presse verbreitet worden und täglich laufen nun au un« Anfragen au- Kollege«, und Patirutenkreisen riu, ob be« sanier vr. Steingießer wirklich zu uns in Beziehungen stände. Ich geve hiermit die Erklärung ab, daß vr. Steingicßer uns un bekannt ist und nie in direkten oder indirekten Beziehungen znm Sanatorium und dessen Leitung gestanden hat. Im Namen der drei Ordinierenden des Sanatoriums: vr. Frilles. * Eine Rudolf Virchow-Stiftung zur Förderung wissen- schaftlicher, insbesondere der Kenntnis vom Menschen dienender Forschungen ist von den Erben des Verstorbenen errichtet worden. Zum 60. Geburtstage Virchows wurde von dessen Freunden und Verehrern aus eine Anregung aus den Kreisen der Anthropologischen Gesellschaft und der Gesellschaft für Erdkunde eine Sammlung zur Errichtung einer Stiftung für wtsfenfchaftliche Zwecke er- richtet, mit der Bestimmung, daß für die Lebenszeit Virchows dicfer über die Stistungsgelder versügen sollte. Tas damals aufgebrachte Kapital von 80000 wurde bis zum Schluffe des Jahres 1001 dnrck mehrere Zuwendungen und Zinszuschläge auf 135600 erhöht. Hierzu kommen noch die Erträge der zu Virchows 80. Geburtstag eingeleiteten Sammlungen, die zur Verstärkung der Virchow-Stistung bestimmt wurden Es kamen 65 000 zusammen. Aus diesen Summen ist von Virchows Erben die Rudolf Virchow-Stiftung gebildet worden. In der „Verfassung" der Stiftung wird als ihr Zweck bezeichnet: ,Mit den Zinsen der Rudolf Virchow-Stiftung soll das Studium der Anthropologie, der Ethnologie, der Arcbäo logie, der vergleichenden Sprachforschung und der medO zinilchen Geographie durch Rriseuinerstühungen, durch Bcihülfen zu Untersuchungen, Ausgrabungen u. dergl., ingleichen durch Beibülfeu zu Publikationen, Herstellung von Tafeln, Abbildungen und Apparaten, durch Ankauf von Material und in sonst geeigneter Weise gefördert werden: bevorzugt werden solche Unternehmungen, für welche ein be- siiiumt formulierter Plan und eine Kostenrechnung vorliegen". Ter Vor stand der Stiftung besteht aus sieben Mitgliedern und zwar aus zwei Mitgliedern der hiesigen Gesellschaft für Anthropologie, einem Mitglied« der Gesellschaft für Erdkunde, dem Oberbürgermeister von Berlin, je einem Delegierten der beiden Klassen der Berliner Akademie der Wissenschaften und einem von den verzeichneten sechs Mitgliedern zu wählenden, in der Vermögensverwaltung kundigen Gcschäftsmannc, der das Amt des Schatzmeisters übernehmen soll. Sitz der Stiftung ist Berlin. 0 Ettn Franzose «uf dem Kant-Kommers der Königs berger Studentenschaft. In amüsanter Weise schildert Gaston Lcroux im „Matin" den in der „Polaestra Albertina" veranstalteten Kant-Kommers der Königsberger Studentenschaft, dem er als Gast beiwohnen durfte. „Ich batte", schreibt er, „schon vorher von diesem Kammer« al- von einer so wichtigen Angelegenheit sprechen gekört, daß ich nicht eher Ruhe gab, als bis der Geheime Rat Koschwitz mir versprach, mich hinzufübren Hoch! Wir waren tausend und tranken wie zweitausend! Wir haben mit dem Biere gekämpft! Wir haben 20000 Glas Bier getötet! Beim Salamanderreiben vielleicht 40000! Hoch! hoch! hoch! Ich sah »ine kleine Zahl dieser jungen Leute, ernst und tragisch, bei der Feier in der Aula der Uni versität. Es waren Vertreter der „Korps". Es waren dort drei für jedes Korps mit Bannern und Farben treue Hüter des Komments des heiligen Buche«, das für die Generationen der Generationen die Regem des Biertrinkens enthält. Heute aber sah ich alle Stu denten, di« Korps und die Professoren und die „alten Häuser" alle. E« wareu 700 Studenten, aber alles in allem waren wir mindestens 1000. Und wir vernichteten 40000 Glas Bier, mindestens! min destens! Und au den Wänden die Banner freuten sich über unseren Sieg und neigten sich freundlich herab zu den Vereinen und riefen: „Vivant! Floreant! Crescant!" Ich saß am Ehrcntische mit dem Herrn Uuterrichtsminifter und dein kommandierenden General v. d. Goltz und dem Herrn Rektor. Des Kommerses Präses aber stand: ein junger Student, vor sich auf dem Tische den blanken Degen! Alle Präsiden der Korps sollen, der Reihe nach, präsidieren; bis dieser feierliche Augen blick gekommen, haben sie ihren Platz an den verschiedenen Tischen mitten unter ihren „Korps", den blanken Degen vor sich auf dem Tische. Sie wachen über die Disziplin des Kommerses, wiederholen die Kom mandos, die der Präses gibt, und haben vor sich ein kleines Heftchen, das alleLiedcr enthält, die beute gesungen werden muffen. Der Präses ruft: „Silentium!" Es „steigt" die Nationalhyme mit dem Hoch auf den Kaiser. Tausend Biere! Dann Schillerst!!!' Verse: „Deutschland, Teut'chland, über alles . . . Tausend Biere! Die Rede des Mi- nislers. Tauiend Biere! Tie Rede des Rektors. Tausend Biere! Die Rede des kommandierenden Generals. Zweitausend Biere! Das war ein sebr großer Erfolg! Fröhliches Lachen, als Herr v. d. Goltz erzählte, daß er am selben Morgen bei der Regiments feier eines Kürassierrrgiments vom „Kategorischen Imperativ" ge sprochen habe. Tie jungen Leute hätten nicht lachen sollen! Im Namen des kategorischen Imperativs, d. b. des absolutru Pflichtbewußtseins, verlangt man von den Kürassieren, daß sie sterben — und sie sterben! „Mein Herr, ich stelle Ihnen hier meine Bierfamilie vor! Das sind meine Bicrgroßeltern!" — ..Mein Herr, Sie sind seit einer Viertelstunde voll!" — „Ich bin nicht voll; ich werfe Ihnen einen Bierjungen an den Kops!" — „Er hängt! Selber Bierjunge!" Ain nächsten Tag findet das Bierduell statt.) — „Steig' in die Kanne!" — „Das ist ein Bierskandal!" — „Silentiumr Beim Salamanderreiben gießt mir der Herr Bibliothekar seinen ganzen „schäbigen Rest" auf meine schöne weiße Weste. Ich weiß jetzt, was ein Salamander ist: eine Bierüberschwemmuna! Der Geheime Rat sordert mich auf, mein Glas zu Ehren der Frau Koschwitz zu erheben. Ich drehe mich um zu der Estrade, wo die Blüte der Ä önigsberger Weib lichkeit sitzt. Frau Koschwitz bemerkt uns. Sie hebt das Glas. Meine Blume der Blume der Gesellschaft! Folgt ein lebendes Bild: eine schlichte Kantbüste wird von schönen Frauen mit Lorbeer be- kränzt. Dahinter eine Gruppe von 15 Studenten mit blanken Degen. Gesang aus der Bühne. Tausend Biere im Saale. Ein Professor der Philosophie besteigt die von blanken Degen umgebene Kanzel und sagt, so geschützt, alles Gute von Kant und alles Böse von den Jüngern Nietzsches. Man nennt alle Fakultäten, und die dort studiert haben erheben sich Man nennt Paris. Ich erhebe mich und sage: „Wenn wir auch nur Bierjungen sind, so wißen wir doch Kant zu schätzen!" Ich trinke auf die Jugend der alten Albertina. Der erste Teil des Kommerse« ist beendet. Der Minister geht und der Rektor und der kommandierende General und die Damen, (innckeamua i^itnr. Ta« ist die „Fidrlita-", der zweite Teil. Die Professoren wanken und weichen nicht, Vater und Sohn steigert gemeinsam in die Kanne. Ein junger Student, der großen Rvda» macht, muß „spinnen", d. h. trinken bi« man „Genug" ruft. Ge- sang: „Es hatten drei Gesellen . . ." Ein alter, weißhaariger Professor der Geschichte verfolgt, mit der Brille auf der Nase und der Nase auf den. Buche den Tert des Liedes und Utchelt so jung, so jung. . . Sein Cohn, ein I)r. jur, dreht ihm die Blätter um: „Hier Papa!" Und der alte Herr blickt von Z^t zu Zett auf, um zu sehen, ob ich auch mitstnge. Der Herr Bibliothekar schickt mir mit der französischen Devise „Xprov nmm lv ä«ln^e!" einen „Welt- kalben". Ich muß diesen wandernden Halben weitergeb«» und
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