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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 16.01.1906
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1906-01-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19060116028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1906011602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1906011602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1906
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NMgtrTagMall c> 10V. Jahrgang Nr. 27 Dienstag 16. Januar 1906. L Feuilleton 22 22 5 -- 3 ss - 2- WWW» r lllie sollte clena cler Ferr nicht vviclersprechen, dlicht mit 6er grossen kAenge Urteil brechen Uncl Dreue wahren jenem spröcken Leist, Nus clen Oes Fimmels staune ihn verweist? Des Zuckern Meinung rvirck ihm nie gefallen; Lr wählt ckas Legenteil von ihnen allen, 5o ckass er sich ckes liiertes leckig ckenkt, lllenn irgenck eirtem er Lehür noch schenkt. Den kieir ckes lllickerspruches ist er so gewohnt, vast er mit eignen lllaffen sich nicht schont, 8ein lnnres Kühlen ist ihm tief verhasst, lllenn sich ciie llleit mit ihm erst hat befasst. Mollire. Grund unanfechtbarer Information behauptet worden sei, im Verordnungswege die Abgaben einschmuggeln. Finanzminister Dr. Rüger suchte sich zunächst durch einen diplomatischen Kniff aus der fatalen Lage zu be freien. Er meinte, der Bundesrat habe sich überhaupt mit der Frage noch nicht zu befassen, und infolgedessen sei auch die sächsische Regierung noch nicht in die Lage gekommen, ihre Bevollmächtigten zu instruieren. Die sächsische Regierung gehöre nicht zu den Freundinnen der Schiffahrtsabgaben und werde sich auch nicht in dieser Frage von fiskalischen Interessen leiten lassen. Wie viel oder wenig Wert eine solch gewundene Erklärung hat, mag Herr Dr. Rüger in unserem Leitartikel vom Sonn abend nachlesen. Da stehts schon drin. Da haben wir klipp und klar behauptet: Preuhen will die Schiffahrts abgaben im Verordnungswege einführen, der sächsische Finanzminister wird das nicht in Abrede stellen wollen. Es ist ihm vorgehalten worden, und er hat es nicht in Ab rede gestellt, denn er hätte es tatsächlich nicht können. Das läßt tief blicken I Herr Dr. Rüger verschanzte sich statt dessen hinter der Ausrede, es schwebten streng ver trauliche Meinungsaustausche mit Preußen, und mit Rücksicht darauf könne er keine nähere Auskunft geben. Um eine solche Antwort zu geben, braucht die sächsische Negierung fast drei Monate! Ist da die be scheidene Frage erlaubt, wie viel Zeit sie braucht, um eine Antwort zu geben, die „weder Hörner, noch Zähne hat?" Was Herr Dr. Rüger am Montag gesagt hat, hätte er schon zu Beginn der Landtagssession sagen können, wenn anders er sich bei seinem „inneren" Kollegen nur einiger maßen erkundigt hätte. Was er am Montag sagte, war nicht geeignet, die auf dem Lande ruhende Beunruhigung zu beseitigen, sondern nur. sie zu verstärken. In einer von eingehendster Sachkenntnis zeugenden Rede wies der Syndikus der Dresdener Handelskammer Dr. Schulze dem Minister das Fadenscheinige seiner Ausführungen nach und zog sehr treffend den Zusammenhang der Ab gabenfrage mit der Frage des drohenden Frachtbrief stempels heran. Er forderte die Negierung zum Schlüsse seiner eindrucksvollen Nedo auf, sie möge sich strikte Hegen eine Auslegung der Reichsverfassung erklären, die es Preußen ermögliche, hinten rum mit solchen Abgaben zu kommen. Denselben Faden, wenn auch in etwas ab weichender Nummer, spann darauf zum Schrecken der Herren von der Rechten der konservative Dr. Spieß. Man hatte rechts schon einmal einen Prellschuß bekommen, als Kommerzienrat Grumbt-Loschwitz scharf und auf Grund guten, zum Teil aus eigener Erfahrung geschöpften Materials die vernichtende Wirkung solcher Abgaben klar gelegt hatte. Und nun wies Dr. Spieß auch zum Ueber- fluß noch sehr treffend nach, daß die verbündeten Regie rungen selbst durch das Gesetz vom 5. April 1886 über die Erhebung von Abgaben auf der Unterweser eine authen tische Interpretation des Art. 54, Abs. 4 der Reichsver fassung geliefert hätten. Daß Abg. Günther, der übrigens vom Abg. Andrä mal wieder durch sehr überflüssige, vom Präsidenten an scheinend nicht gehörte Zwischenrufe unterbrochen wurde, sich scharf gegen die zweideutige Stellung der Regierung aussprach, kann nicht Wunder nehmen. Mit vollem Rechte hielt er dem Minister vor, die Regierung müsse doch selbst wissen, ob sie für oder gegen die Abgaben sei. Was gehe hinter den Kulissen vor? Zwei Antipoden, Abg. Zimmermann und Abg. Gold stein, verlangten ebenfalls Klarheit von der Regierung: Herr Opitz, der noch schlechter sprach als gewöhnlich — und das will viel heißen! —, nahm seine Freunde, die preußischen Junker, in Schutz und natürlich auch die engelreine Landwirtschaft, mußte es aber erleben, daß ein Fraktionsgenosse, Dr. Seetzeu, sich im Interesse des Riesaer Umschlagsverkehrs auf die Seite der Liberalen schlug. Der Herr Finanzminister aber — schwieg! tzuousgue tanckem! k«« 5 o UV Anzeigen nnd Extrabeilagen nur in der Morgen-Ausgabe Schloß der Annahme nachmittag- 4 Uhr. renz schließlich doch noch das zu erreichen, was es auf Schleichwegen und durch offene und versteckte Drohungen in Marokko auf eigene Faust nicht erlangen konnte, weil ihm Deutschland in die Parade fuhr. Gelingt ihm dac- nicht, nun, so wird es seine Wünsche vertagen müssen, bis einmal eine bessere Gelegenheit kommt, um sic zu ver wirklichen. Allein, einen Krieg, bei dem es die ganze Existenz der Nation aufs Spiel setzen würde, wird Front reich Marokkos halber nicht führen. Umso weniger, als die neue liberale Regierung in England, die da-> deutschfeindliche Kabinett Balfour abgelöst hat, jetzt bei den Neuwahlen einen glänzenden Sieg erringen dürfte, durch den die etwa vorhandenen kriegerischen Gelüste diesseits wie jenseits LeS Kanals einen gehörigen Dämpfer erhalten. Bei dem guten Willen, den offensichtlich alle bei der Konferenz beteiligten Mächte zeigen, darf gehofft werde,:, daß die Konferenz den leidigen Marokkohandel wenigstens insoweit aus der Welt schafft, daß er nicht wieder zu einem den Frieden bedrohenden Element wird. Die Marokko-Konferenz. Die Delegierten der europäischen Staaten, Nord amerikas und Marokkos dürften jetzt vollzählig in Algeciras, wo heute nachmittag die Marokko-Konferenz ihren Anfang nimmt, eingetroffen sein. Es wird von verschiedenen Blättern, deren Vertreter sich beeilten, mit mehreren der Gesandten ein Interview zu führen, mit- geteilt, daß alle versicherten, sie brächten die versöhnlichste Stimmung mit und hätten den aufrichtigen Wunsch, die Konferenz möge erfolgreich verlaufen. Das wird in der Hauptsache davon abhängen, ob Frankreich seine Aspira tionen auf die Vorherrschaft in Marokko wesentlich herab setzt und insbesondere den Standpunkt der „offenen Tür" für alle anerkennt. Man wird ja bald hören, wie, um sich vulgär auszudrücken, der Hase läuft. Zunächst wird man die Formfragen, Wahl des Präsidenten, des Bureaus, Beginn der Sitzungen und dergleichen er ledigen, und es werden wohl noch einige Tage vergehen, ehe man an die Kernpunkte herantritt. Ueber die mut maßliche Dauer der Konferenz läßt sich natürlich gar nichts sagen. Die extremsten Ansichten lauten, entweder Scheitern binnen einer Woche und Krieg — oder endlose Diskussionen ohne praktisches Ergebnis. Das letztere ist wahrscheinlicher, als die erstere Alternative. Was übri gens die Besorgnis vor dem Ausbruch eines Krieges anlangt, so können wir diese nicht teilen. Das Objekt, um das es sich jetzt noch handelt, ist vorzugsweise wirt- schaftlicher Natur, nachdem in politischer Beziehung die deutsche Politik ihr Ziel mit der von Frankreich anfäng lich entschieden bekämpften Konferenz erreicht und es durchgesetzt hat, daß nicht Frankreich allein, sondern Europa über die Reformen in Marokko entscheidet. Der deutsche Standpunkt hat damit gesiegt und die tiefer liegende Gefahr, daß das Deutsche Reich dauernd bei wich tigen europäischen Fragen ignoriert und isoliert und dann gelegentlich einmal von Frankreich und dem hinter ihm lauernden England brüskiert werden konnte, ist durch die entschlossene Haltung und die festzugreifende Hand unserer Regierung bedeutend herabgemindert. Jetzt wird weder Frankreich, noch England oder Deutschland Marokkos wegen zum Schwerte greifen. Einen Welt krieg führt inan vielleicht herbei, um feine Stellung in d 'r Welt zu behaupten, nicht aber um einige Millionen Mark, die der Handel in Marokko weniger verdient. Dies ist der Standpunkt der deutschen Politik, die es kühl lassen kann, wenn die Konferenz wider Erwarten scheitern r<üte. In einem Runderlaß des Reichskanzlers vom 5. Juni, den das Weißbuch bringt, heißt es wörtlich: „Sollte die Konferenz an der Weigerung einzelner Signatar mächte scheitern, so würde die Folge sein, daß der bisherige Vertragszu st and unverändert aufrecht erhalten bliebe." Das war die Ansicht der deutschen Regierung vor dem Zustandekommen der Konferenz. Es liegt kein Grund vor, daß sie sich auf einen anderen Standpunkt stellt, wenn das Ergebnis der Verhandlungen zu ihren Un gunsten ausfallen, d. h., wenn sich die Mehrzahl der übrigen Signatarmächte auf Frankreichs Seite stellen und diesem besondere Vorrechte einräumen sollte. „Es genügt", heißt es in demselben Rundschreiben weiter, „der Widerspruch einer einzigen Signatarmacht, um der Ein räumung irgend welcher Sonderrechte, die mit dem Meistbegünstigungsrechte der anderen Mächte unverein bar sind, den Rechtsboden zu entziehe n." Auf diesen Rechtsboden würde sich die deutsche Regierung bei einem etwaigen ergebnislosen Verlauf der Konferenz stellen. Daß Frankreich diesen aber gänzlich ignorieren und eigenmächtig in Marokko Vorgehen würde, ist ganz ausgeschlossen. Läge ein so aggresives Vorgehen im Plane der französischen Regierung, daun hätte sie ja Delcass6, der es auf einen Konflikt mit Deutsch land ankommcn lassen wollte, nicht fallen zu lasfen und hätte der Konferenz in Algeciras nicht zuzustimmcn brauchen. Frankreichs Hoffnung ist es, auf der Konfe- NeBaktton and Expedttiom IohanotSgass« 8. Telephon Nr. 153. Nr. SL2, Nr. 1173. Berliner RedattiouS-Bureau: Berlin lsW 7, Dorotheenstraße 83. Tel. l, Nr. 9L75. Dresdner RedatttonS-vurea«: Tresden-A., Könneriüstr. 25. Tel. I. Nr.4583. Anzetgen-Prei- bie 6 gespaltene Petitzeil« für Leipzig und Umgebung Lü Pf., für auswärts 80 Psg. Familien« Wohnung»- und Etellen- Anzeigen LO Pf. Finanzielle Anzeigen, Geschästsanzeigen unier Text oder an besonderer Stelle nach Tarif. Für da- Erscheinen an bestimmten Tagen u. Plätzen wird kein« Garantie übernommen. Var Mcdtigrtr vom Lage. * Zum Nachfolger des sächsischen Gesandten in Berlin, Grafen Hohenthal, ist der Amtshauptmann GrafVitz - thum vonEckstädt von Annaberg ernannt worden. * Minister v. Metzsch lehnte heute in der Zweiten Kammer die Beantwortung der Interpellation über das polizeilicheVerbot einer liberalen Versammlung in Dresden ab, da der Instanzenweg der Beschwerde noch nicht beendet sei. (S. Letzte Depeschen.) * In der vergangenen Nacht starb in Dresden nach nur kurzer Krankheit der Kommandeur des Schützen- Regiments Nr. 108. Ober st v. Kospoth, früher Flügeladjutant des Königs. * Heute nachmittag 3 Uhr hat die M a r o k k o - Kon fe r e n z in Algeciras ihren Anfang genommen. (S. Tagesschau.) * Die englischen Liberalen haben bis heute 50 Sitze im Parlamente gewonnen. * Die Koalition dehnt, wie uns ein Privattelegramm aus Pest meldet, die passive Resisteuz auch auf Bosnien und die Herzegowina aus und fordert dort zur Steuerverweigerung auf, weil die Delegationen das Budget für die Neichslande nicht er ledigt haben. Handelszeitung. Amtsblatt des Rates nnd des Rolizeiamtes der Ltadt Leipzig Abend-Ausgabe politische Lagrsschau. Leipzig, 18. Januar. Finanzuttnistcr Rüger und die Stromschissahrtsabgabcn. (Aus unserem Dresdner Bureau.) Finanzminister Dr. Rüger hat bei den parlamenta rischen Debatten dieser Session bis jetzt noch verhältnis mäßig gut abgeschnitten. Hat man ihn auch manchmal gezaust, so konnte er doch immer beruhigt sagen: „uckiiue stall Bis jetzt bin ichs noch immer, der festen Grund in die sächsischen Finanzen gebracht hat." Und das ist nicht Hinwegzuleugnen, man niag auch über das „Wie", womit diese Ersparnisse erzielt worden sind, in manchen Punkten ganz anderer Meinung sein,, als les sächsischen König reichs Oberfäckelmeister. Am Montag geriet er aber im Landtag ins Minus, und er mußte es sogar erleben, daß man auf konservativer Seite ein liebliches Unisono mit den Herren vom Freisinn blies. Recht so! Hosfentlich bewahren sich die Herren Grumbt, Dr. Spieß, Zimmer- manu und Dr. Seetzen die Noten auf, damit sie auf dem Posten sind, wenn das Stück 6rr eupo verlangt werden sollte, was sehr leicht früher passieren kann, als Herr Dr. Rüger denkt. Denn man wird ihn an seine Worte vom Montag erinnern, daß er dem Landtag weitere Mit teilungen machen wolle! Was er am Montag bei Beantwortung der Günther- schcn Interpellation vorbrachte, war unter Brüdern — nicht viel wert. Günther rückte der Regierung scharf auf den Leib, ja, er setzte dem Herrn Finanzministcr so zusagen die Pistole auf die Brust, weshalb auch schleunigst Herr v. Metzsch herbcicilte. Herr v. Mctzsch griff aber nicht ein, aus sehr einfachen Gründen. Was Herr Günther vorbrachte, stimmte nämlich haarscharf: er sprach so gut, so sachlich und treffend, wie man ihn selten im Landtage gehört hat. Mit Recht betonte er gegen den Schluß seiner etwa einstündigcn Rede, es sei Pflicht der sächsischen Regierung, die drohende Belastung des Elb- verkehrs mit allen Mitteln unmöglich zu machen, im Interesse der Industrie und auch in dem der Landwirt schaft. Preußen treibe einen verhängnisvollen Parti- kularismus, denn es wolle sogar, wie im „L. T." auf 1» der tzauptexprdÜio» «der der« Ausgabe stellen abgeholl: vierteljährlich ^l L40, bei täglich zweimaliger Zustellung in» Hau» vierteljährlich 3.—. Durch nufer« aus« wärtigeu Au-gabestelleu m»d durch dir Post bezogen für Deutschland uud Oesterreich vierteljährlich istbH für die übrigen Länder laut Heilung-Preisliste. Anzeigeu-Annahme: AugUstUSPlätz 8, Erke JohanuiSgasse. Haupt-Filiale Berlin: EarlD » » ck« r.HrrzgstBayrHofbuchhandlg« Lützowstraße 10 (Fernsprecher Amt VI Nr. 4603). Ktlial-Erpedttia«: DreSden-Marieusir 34. Diese Nummer koktet aus 4 41 IN p allen Bahnhöfen uud bei III 1^1 den Zeitung»-Verkäufern I der überwältigenden Weise. Der Mensch taumelt zwischen dem Altar des Glaubens und der goldenen Abgottschlange des Unglaubens, des Gotttrotzes einher. Christentum und Hellenismus sind in diesem Sinne Urfeinde. Auf diesen sich gegenüberliegenden Bahnen bewegt sich die zwiespältige Entwicklung der Menschheit, deren gewaltig zeugend« Geistes- kraft sich blendend in jenen beiden Gedanrenpolen offenbart. In diesem Gedanken sagt ein geistvoller französischer Schriftsteller: Tu apprenckras u eonsicleror 1'truoaanitv eonime la miss en »eene ckes iclees sur la terre. Ter Geist der Menschheit hatte die gottgewaltige Gestalt des Prometheus geschaffen. Der Genius der Dichtkunst sann weiter und schuf die Tragödie. In dieser großartigsten Form der Weltpoesie sang der Dichter dem heilbringenden Prometheus den herrlichsten Lobeshymnus. Aelchylos dichtete seine Prometheia-Trilogie, und es ist eine wundersame Laune des Schicksals, daß der Nachwelt nur das Fragment „Der gefesselte Prometheus" erhalten blieb, in welchem sich der Titane in seiner ganzen furchtbaren Empörung wider Gott zeigt. Die Identität des gepeinigten Prometheus mit der erkennenden Menschheit klärt sich hier in vollerem Maße ab. Die Okeaniden singen: „Die Menschheit trägt dein Trauerschicksal mit", und erhaben entgegnet der Gefesselte: „Der Menschheit Künste sind Prometheus' Werk". Alttesta mentarische Jdeenmotive ertönen dann. Die ersten Menschen, welche im ParadieSgarten in seligem Unschuldsleben dahin- waiwelten, zerstörten dieses, weil der Drang nach dem Lichte der Wahrheit sie trieb, vom Baume der Erkenntnis zu naschen. Dort bringt Prometheus den Menschen das lodernde Feuer der Erkenntnis, hier pflückt das Weib diese in der Gestalt der Frucht. Prometheus wird vom Zeus wegen seines Tuns bestraft, die Tat der Eva aber muß die Menschheit büßen. Die Sagenkreise der griechischen und der semitischen Mythologie verschlingen sich hier eng mit ein ander. Der äschyleische Prometheus weiß sich eins mit dem Erdengeschlechst Seine Liebe zu ihm entlockt den Korallen lippen der Okeanide den Angstruf: Dann zittr' ich, o Prometheus, wie du trotzig Der Götter Mächtigsten verachten willst, Um dich zu freuen deiner Menschenliebe. Deutsches Krick. Leipzig, 16. Januar. * Prinz Ludwig von Bayern über daS Wahlrecht. Kein Geringerer als Prinz Ludwig von Bayern hat sich in der Wahlrechtskommission der Reichsräte in höchst bemerkens werter Weise zur Reform des bayerischen Landtagswahl rechts geäußert. Er bezeichnete es zunächst als wünschens wert, daß bei den jeweiligen Landtagswahlen auf die Be- völkerungszunahme Rücksicht genommen und immer die letzte Volkszählung der Wahlkreiseinteilung zugrunde gelegt würde. Dann fuhr oer Prinz fort: Man dürfe sich glücklich schätzen, daß für den deutschen Reichstag ein Wahlsystem bestehe, mit dem der größte Teil der Bevölkerung zufrieden sei. Man solle nur das Aus land ansehen und insbesondere diejenigen Staaten, in denen verkün stelle Wahlsysteme bestünden, die dem Gerechtigkeitsgefühl der groAn Masse der Bevölke rung widersprächen. Ob diese Wahlsysteme noch lange sortoestehen dürsten, möge er bezweifeln. Es sei leicht möglich, daß sie durch radikale Systeme ersetzt würden. Die Wahlen gäben seiner Meinung nach in der Regel dann ein getreues Bild von der Gesinnung der gesamten Bevölkerung, wenn sie ein gleiches, allgemeines, direktes und geheimes Wahlrecht besitze. Diese Worte eines Fürsten, der berufen ist, die bayerische Königskrone zu tragen, dürften eines starken Eindrucks gewiß sein. Mit den Worten vom „»erkünstelten Wahlrecht" hat der Prinz unverkennbar auf Preußen und Sachsen gezielt. * Eine Proklamation des Gouverneurs von Lindequist, die er am 1. Dezember in Südwestafrika erlaßen hat, wird jetzt in ihrem Wortlaut bekannt. Er führt in ihr aus, die Abreise seines Vorgängers v. Trotha bedeute, daß der Krieg jetzt aufhören solle. Er erinnert dann an seine Tätigkeit als Assessor und Regierungsrat in der Kolonie, durch die er den Hereros bekannt geworden sei und knüpft daran die ein- dringliche, freundlich gehaltene Forderung, die Waffen nie derzulegen. Es sei Vorsorge getroffen, daß die, die sich er geben, gerecht behandelt werden. Dann heißt es wörtlich: Es ist ferner angeordnet worden, daß vom 20. Dezem- ber ab, also drei Wochen nach dem heutigen Tage, im Damaralande keine Hererowerften aufgesucht und aufge- hoben werden sollen, da ich euch Zeit geben will, selbst in Frieden zu mir zu kommen und euch zu unterwerfen. Kommt nach Omburo und Otjiheinena! Dort werden eure Missio- nare von mir hingeschickt werden. Sie werden auch Pro viant mitnehmen, damit ihr euren ersten und großen Hunger stillen könnt. Es soll euch auch etwas Kleinvieh für die Unterhaltung eurer Weiber und Kinder zur vor läufigen Benutzung gelassen werden, sofern ihr noch solches habt. Diejenigen, welche kräftig sind und arbeiten können, sollen, wenn sie besonders tüchtig arbeiten, eine kleine Be lohnung erhalten. Es werden in Omburo und Otjiheinena keine weißen Soldaten stationiert werden, damit ihr nicht Angst habt und denkt, es soll noch weiter geschossen werden. Je schneller ihr kommt und die Waffen niederlegt, desto eher kann daran gedacht werden, euren Stammesgenossen, die jetzt gefangen sind, Erleichterungen in ihrer jetzigen Lage zu gewähren und ihnen später die Freiheit tmeder- ^rometheu». Von Walter Behren d. In dem Prometheusmythus erklingt die massive Ge- dankengewalt der hellenischen Weltkultur in den stürmischsten und weihevollsten Harmonien einer hohen kosmischen Sin fonie. Die ragende prometheische Religionsidee findet ihren Gipfel vornehmlich in dem kühnen, erdentsprosfenen Trotze des ganz feines Ich bewußten TitanentumS wider eine unheilbringende Gottheit, deren zeitliche Allmacht und nahende Ohnmacht sich hinter trübem Weibrauchaekräuscl verbirgt. Hesiod fang zum ersten Male in der Theogonic von Kronos, unter dessen Herrschaft seliger Friede die un endlichen Wölbungen des Weltenraumes ourchträumte: aber d«r sengende Blitz Le» Zeus zerschmetterte den Wolkenthron des allbeherrschendcn Urvaters. Die Gigantomachie nahm ihr Ende und Zeus ergriff das sinkende Äeltjzepter, das er hinfort über den Unendlichkeiten des Kosmos schwingt. Den Sieg sicherte ihm Prometheus, „des klugen lliates Erfinder". Doch teurer als der neue Gott war dem Japetossohn die lichtberaubte, versinkende Menschheit. Er betrog den Zeus um dessen dampfendes Opfermahl und brachte den Kinsern der Erde die heilig lodernde Flamme in der Narthcxstaude. Der Allerbarmer pflückte ihnen die Frucht der Erkenntnis und ließ sic vom Baume des Lebens naschen: allein Para- dicscswonnen dürfen nur Götter genießen. Zeus bedurfte der vergottenden Mittlergestalt nicht und ließ in seinem Grimme den Heilbringer an die wildgczackte Felsenkronc rauher Kaukasusberge schmieden. Der kreiichende Tldler zer nagt die Leber des Prometheus, dessen urewiger Titanen trotz sich ungebrochen wider eine schmähliche Allmacht auf bäumt. Seine wilde Klage durchdröhnt die tote Himmels leere; aber in ihm glüht eine große Hoffnung: die trium phierende Gottkrast muß zerschellen, die lichte Freiheit wird seine ehern geschmiedeten Fesseln zersplittern. Den Geist und den Körper des Prometheus durchschwcllt das L-ichselbst- aenugsein, weiches dem Allvater gleich sein will, sich einem Gotte jedoch niemals unterordnen wird. Die Menschheit empfing von ihm alles, nur nicht die Sklavenfurcht vor der Gottgestast. DaS prometheische Ideal ist der lichtverbreitendc Kultus der Persönlichkeit, die feurige Religion der Selbst vergottung, welche den Gang der Gcichichte und der Mensch- bcitentwickelung durch den großen Menschen, durch daS absolute Jchindioiduum bestimmen läßt. Der Jdeenkeim der Promc- theussaae schlug in der Gegenwart in die großartige Blüte des Ueoermenschentums aus. jo daß Zarathustra im Voll bewußtsein seiner Gottgleichheit aufinbeln konnte: „Gott ist tot!" Was der Hellenismus kraftvoll ahnte, daS brachte der rassecharakterologische JchkultuS deS Germanentum» in un geheurer Steigerung zum vollkommenen Ausdruck. Trat der Gedanke von dem Dasein GotteS im Christentum in der lautersten und überzeugendsten Weise zu Tage, so durchbebt die Kusturmenschheit im gigantischen Gegensatz hierzu die antike Pro- metheuSioee von der Betremng von Gott in einer kaum min« Die tiefste Gottverachtung beseelt den bleichen, blutberon- nenen Körper des titanischen Dulders: „Fleh! Betch Krieche hin zum hoben Herrn! I ch achte ihn doch für weniger als nichts." Allein wie die Menschheit, so weiß auch er, daß sich ihm dereinst der Erlöser nahen und seine Vereinigung mil Gott erfolgen wird. Noch gellt jedoch im Vollbewußtsein einer Unsterblichkeit, der götterüberdauernden Ewigkeit einer Ideen sein Ruf zum Throne des Zeus empor: „Er ann mich doch nicht töten!" Als Prometheus den vermitteln den HermeS von sich weist, schleudert Zeus entfesselte Natur- gewalten auf ihn herab. Von Donnern uni> Blitzen um- rauscht, versinkt der Felsen, an den der Trotzende geschmiedet ist, in die gähnende Leere ungeheurer Abgründe. Das orkan artige Tosen der heulenden Wettermächte übertönt sein furchtbarer Schrei: „O meiner Mutter heil'ge Macht! O Aether, Lichtouell des Alls! Seht nicht das Unrecht dulden!" Damit schließt das Bruchstück der Prometheustragödie des Aeschylos, in deren Gestalt die Antike ihr gedankengewaltigstes Monumentaldrama geschaffen hat. Als der Hellenismus sein Wiedererwachen feierte, be mächtigte sich das große spanische Renaissancedrama des PrometbeuSstosfes, um ihn in einer Weise zu durchalüben, wie sie dem Jmvetuosogeist des Zeitalters direkt widerläust. Das gottstürzendc Jckmenschentum des Feuerspenders ver- flucht,gt sich ,n dem dramatischen Gedicht Calderons «Das Prometheus-Göttcrbildnis" bis zu einem leisen Nichts. Der bronzene Mythus vom titanischen Lichtbringer und verbluten den Märtyrer blüht hier zu einer vielfarbig schillernden romantischen Allegorie, zu einer von Frohqeiang und Hellem Cymbelklang durchtönten ländlichen Idylle auf, die ein un schuldiger Liebreiz rosafarben durchsonnt. Promctbeus ist hier nicht der stürmische Rebell wider Gott, sondern nur der jenige, welcher mit Hiffe der Göttin Minerva den Feuer strahl von dem gleißenden Sonnenwaaen des Apoll zupft. Calderon bringt hier zugleich eine tiefere Deutung der Feuerbrinaergestalt zum Ausdruck: Wer herab den Menschen Licht bringt, _ Ist, der Wissen bringt den Menschen, fröhliche uns luftige Harlekinaden durchsäuseln zärtlich die blumige tzaudlung d«r „Lutaruu 6« Nur «in
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