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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 14.12.1906
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1906-12-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19061214012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1906121401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1906121401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1906
- Monat1906-12
- Tag1906-12-14
- Monat1906-12
- Jahr1906
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Vorher wer schon der Antrag Ablatz mit 176 gegen 171 Stimmen abgelehnt vwrdeu. (S. d. des. Art, DlfchS. R. und Ber. in 2. Bert.) * Der Kaiser ist gestern von Bückeburg nach Pots dam zurückgekehrt. (S. Disch». R.) * Die „Nat.-Ztg." verbreitet auS dem nicht ver öffentlichten Teil ber Denkwürdigkeiten Hohenlohes die Nachricht, bah ber Papst im Jahre l893 bei ber Verhandlung über bie Militärvorlage von Kaiser Wilhelm ein Geldgeschenk von 500 000 FrcS. verlangt habe. (S. 3. Seite.) * Die Differenz«» zwischen dem Verein deutscher Kapitäne und Offiziere der Handelsmarine in Hamburg und dem Veiein der Hamburger Reeder haben sich bedenklich zugespitzt. ^S. d. bes. Art. * Der amerikanische Staatssekretär Root befürwortet io einer Neve, eine straffere Kontrolle deS Verkehrs wesen» durch die Zentral-Regierung verfasfuagS- rechlUch eruzuführeu. (S. Ausl.) * König Oscar von Schweden ist bedenklich er krankt. (S. Ausl.) * Der irische Staatssekretär Briye ist zum Botschafter in Washington ernannt. (S. AuSl.) * Der UniversitätSprofessor Bücher in Leipzig ist zum Ehrevmi lglied ve- Verein» für Geographie und Statistik in Frankfurt a. M. ernannt woroea. (S. Feuill.) Vie steicbrtagrauNörlmg. Endlich eine große Tat! Endlich die Aussicht, daS Joch keS Zentrums abzuschütteln und die schwarze und rote Internationale samt ihrem polnischen An hang unter einem gemeinsamen Gesichtspunkte zu be kämpfen! Endlich eine geschlossene Front im Reichstage gegen alle», wa» rot, schwarz oder polnisch gefärbt ist. Schade, daß dre Front sich um wenige Mann als zu schwach erwies. Umsomehr Hoffnung, sie in bedeutender Uebcrzahl in den Wallorschen Prachtbau zurückkrhren zu sehen! Die Auflösung de- Reichstage« spielte sich unter einer solchen Spannung de« Plenums und Auditorium-' ab, daß die Entscheidung schließlich wie eine Be ¬ freiung wirkte, die sie ja auch ist. Von An fang an war natürlich die Situation in der gestrigen ReichötagSsitzung kritisch und schon nach den ersten Worien des Kanzlers konnte man annehmcn, daß er die Auilö'ungSboischait für alle Fälle in Bereitschaft hielt. Da« Scbick'al blieb immerhin ungewiß, hing eS doch schließ lich nur von 5 Stimmen ab. DaS HauS war in allen Teilen von erregten Menschen angefüllt. Auf der BunveSratsirlbüne waren pünktlich der Kanzler und Dernburg, die beiden Hauptakirure, erschienen. Um sie grupp erten sich PoiadowSky, Einem, Stengel, Tschirschly und Arnim. Kommissare füllten die Hinteren Reihen. Neben dem Revneipulte faß, eifrig mit Schreiben beschäftigt, der Abgeordnete Spabn al« Berichterstatter der Kommission. Gral Ballestrem präsidierte. So präienlierten sich vor aller Lugen die ringenden Mächte: Ballestrem al« Vertreter der guten alten Zeit der Zenlrumöireundschast, Bü'ow und Spabn als Vorkämpfer der heule feindlichen Gewalten. ES ist überaus charakteristisch und für die Wahlen von durchschlagender Bedeutung, daß hier dem deutschen Volke durch die Gruppierung der Kräfte eine so klare Situation in nationaler Beziehung vor- g,zeichnet ist. Auf der einen Seile, wie gesagt, die ver bündeten Ultramontanen, Polen und Sozialdemokraten, aus der anderen geschlossen die Negierung und sämtliche übrigen Parteien, wohlverstanden, mit Einschluß der Freisinnigen, die sich in der ganzen Angelegenheit famoS gehalten haben. Die erste Erklärung des Kanzlers, der unmittelbar nach der naturgemäß farblosen Berichterstattung Spabn» sprach, zeigt« soiort, daß die Regierung den Konflikt nicht scheute. AlS der Kanzler die wenigen Krasrstellcn seiner sonst sehr ruhig und würdig gehaltenen Rede akzentuiert in den Saal sprach, brach die zurückgebaltene Erregung veS HameS stellenweise wie eine plötzlich ausschäumende Flut aus. »Ich würde vor dem deutschen Volke und der Geschichte nicht in der Lage sein, eine solche Kapi- tulation zu unterschreiben", waren seine letzten Worte. Nun begann die lange Reihe der Parteierklärungen. Schmidt-Elberfeld begründete den Antrag Ablaß, der di« Regierungsvorlage durch eine Art Resolution ergänzen will, aus eine tunliche Verminderung der Truppen in Süv- n'niafnka binzuarbeiten. Es soll also nur daS, waS d>e iegiernng schon zugesagt bat, auch im Gesetze selbst zum Äusvruck kommen. Im Laufe der Verhandlungen stellte sich ua er« Annahme al« richtig heraus, daß die Regierung aus dies« nicht «nbrllig« Forderung einzngehen bereit war. Nach Schmidt sprach Roeren. Er fügte zu seine» sonstigen Sünden noch die Taktlosigkeit hinzu, in vielem ernsten Moment abermals mit seinen persön lichen Geschichten anzufangen. Zwar nahm er manches zurück und revoziertr insbesondere den »grünen Assessor". Ader er konnte eS nicht lassen, dem Kanzler noch eins zu versetzen, und publizierte einen Brief deS Fürsten Bülow, der dem Abgeordneten Roeren für seine Verminleltakigkeit dankt. Daraus ist abiolut kein Wert zu legen. Jetzt, nachdem der R-ichekanzler sich ausgeraffk hat und in männlicher Eni- schlossenbeit da» Joch abschüitelt, fragen w>r nichis mebr nach seinen srüheren Lieb Sbezcugungen zum Zentrum. I tz ist eS Pflicht jedes nationalen Deutschen, fest zum Kanzler zu stehen. Dernburg parierte übrigens den Hieb RoerenS au» dem Hirne,habe mit großer Bravour. Er meinte wriastlsck, Herr Roereu lese immer nur die Briese anderer L-uie vor; seine eigenen seien aber auch sehr interessant Daraus verlas er einen Bries RoerenS, der die Zustände in Togo als durchaus befrie digend bezeichnet, dieselben Zustände, auf eie der Abge- ordnete im Parlament so weidlich gefchimpit bat. Und dann >am rin neuer Trumps TeiuburgS: »Roeren bat n>chi nur Stübel, sondern auch mich zu beeinflussen versuch», waS ihm allerdings mißlungen ist und immer mißlingen wird. Ich werde in jed m solchen Falle wieder die Flucht in die Oeffentlichkeit antieten." Nach dieser Episode zeigte sich die Lage schon erheblich verichärit, und die Wage neigte sich lang'am nach der Kon- fliktsseile hin. Es sprachen noch Levcbour lür die Sozial demokraten, Richthol en sür bie Kon'ervaiiven und Arendt für die Frelkonservaiiven. Die heutige Rede P aas ches hat uns m Gegensatz zu seiner letzten außerordentlich gesreut. Sie war durchaus angemessen und tapfer. Er trat warm sür Dernburg ein, geißelte die KleinlichleitSlrämerei RoerenS uud meinte, man habe vom Zentrum in Vieser ernsten Lage doch etwa» mehr Sachlich»«« riwai»rn vst-fev. Schrader sprach für die freisinnige Vereinigung, ging m,l dem ichmäblichen Verhalten deS Zentrums scharf zu Gericht und zeigte Vie Unmöglichkeit, den Militärs vie Verantworiung abzunehmen unv Hoftriegsral zu «pielen. Der Pole Ezar- llnSki wurde frech und holte sich einen Ordnungsruf, der leider auch den Abgeordneten Latiemann ereilte, als er in begreiflicher Erregung von der „Schandtat" des polnischen Redner- sprach. Tann kam endlich die entscheidende Rede Spahn«. Er 'prach al« Abgeordneter und Frakt onSvorsitzender, versuchte den ZentrumSantrag al» gänzlich harmlos hinzu'lellen und überall eine milde Deutung plausibel zu machen. Mit arger L st versicherte er, der ZentrumSantrag verweigere keinen Mann und keinen Givichen, als ob die Rückberusung der lüvwest- afrikanilchen Truppen bis auf ein kleines Häuflein, selbst wenn sie erst vom I. April ab erfolgen soll, nicht eine elende Preisgabe der mit Gut und Blut verteidigten Kolonie bedeutete! Herr Spahn war so naiv, zu erklären, man könne ja wieder Truppen hinschicken, falls der Ausstand wieder tosbrechc. Der Reichetag quitt erte mit Lachen. Nun war es klar: das Z nirum wollte nicht zurückweichen. Oberstleutnant Oct ade verlas eine Erklärung des Cbess deS Großen GeneralslaveS, der die Zurückziehung der Truppen in der vom Zentrum verlangten Höhe rund weg als de» Verlust des Kampseü und der Kolonie bezeichnete. Dann richtete der Kanzler noch einen kräftigen Appell an den Reickstag. Er sprach ent schlossen und mit nationalem Sckwung. Er dementierte ras Wort „nur keine inneren Krisen" unv sagte: „Es gibt Situationen, in Venen das Ausweichen vor einem Konflilt nichts ist, als Mangel an Mut und Pflichtgefühl. Dann kam die Abstimmung. Die Aufregung batte ihren Höhepunkt erreicht. Der Antrag Ablaß, der merk würdigerweise ruerst daran kam, obgleich er die Annahme der Regierungsvorlage zur Voraussetzung bat, wird mit l76 gegen 171 Stimmen abgelebnt. Nun wissen wir's ja: dem Zentrum, den Polen und den Sozialdemo kraten gilt die Waffenehre und das Ansehen des deutschen Volkes nicht so viel, wie die Be friedigung ihrer Rachsucht. Mit 178 gegen 168 Stimmen bei einer Stimmenthaltung wurde auch die Regierungs vorlage von dieten Parteien, deren kleinste wenig sten« den Mut bat, sich uicht deutsch zu nennen, abgelehnt. Im Saale wird Pfui gerufen. Da stebt der Kanzler, der übrigens nicht vorher mit einer roten AuflölungSmappc gedroht batte, aus. Znnichst herrscht Stille. Kaum aber fallen die Worte: „Ich babe Ihnen eme kaiserliche Verordnung ru verkünden", da bricht ber Sturm orkanglrich los. Hurrarufe, Klatschen, Trampeln im Saale und auf den Tr»bünen. Der Präsident wird der leidenschaftlichen Erregung nicht Herr. Endlich kann der Kanzler die AuflösungSverordnung zu Ende lesen. Aber gleich bricht ein erneuter Jubel der Begeiferung !oS. Es wirkt beinahe ernüchternd, al« schließlich auch Gras Ballestrem zum Worte kommt und mit monotoner Stimme zum Kailerbock aussorvert. Die Sozialdemolraten verlassen in wilder Flucht den <saal, durch den dre.mal daS Hoch auf den Monarchen donnert. Die Sitzung ist zu Eave. DaS war der historische 13. Dezember, dem man im ! deutschen Volke wobl noch den Tag der schwarzen Künste nennen wird. Hoffen wir, daß er den künftigen Zeiten al« i Lnbnub einer neue», glücklicheren Aera gilt, einer Aera veS Fortschrittes und der Freiheit ausder Grund lage einer unerschütterlich deutschen Gesinnung. Und nun auf in den Kamps der ReichSlazswahlen! (Preßsliminen über die ReichetagSauflüsung s. 3. Seite.) kine oMriöre siunügebung r«r sieicbrlagrsiMörlMg. (Telegraphischer Bericht.' Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" schreibt in einer Sonderausgabe: „Der Rechsiag ist der Auflösung verfallen, weil seine Mehrheit den verbündeten Regierungen die Mittel »ur Eifüllung einer national n Ausgabe versagt bat. Durch die Ablehnung der lür die Zukuuit SübwestairikaS unerläß- licke» Forde,U igen ist Deut chlancs Stellung IN der Welt empfindlich getroffen woreen. Die Sacke deS deutschen Volkes ist es, darauf Antwort zu geben. Schwer a-nug wiegt ichcn, was in nanonalem Besitzstand Südw-st- afiika durch sich selbst bedeutet, was uns geworden ist durck das Blui ermordeter deutscher Männer und Frauen und durch schwere und hingebungsvolle Kämpfe unlerer Truppen, durch Leiden und Heldentod so vieler Braven, und WaS <S unS nach dem Urteile aller Kenner des Landes w rischast- Och noch werden lann. Im Augeubl ck, wo über die Zukunft dieses so teuer erkaulien LchutzgebieieS günstigere Sterne ausgeben, die von Sachverständigen sür unent behrlich erllärten Streitkräfte will'ürlich zu veiweigern, heißt un er den gegenwärtigen Umständen die kaum ge sicherte Kolonie neuen Gefahren au-setzen und den Maßregeln zur endgültigen und fruchtbringenden An eignung unseres lüdwestairikanlschen Besitze» von vornherein das Rückgrat brechen. Es handelt sich aber nicht bloß um Südweliafrila. Wie wir dort durchbalten, ob w>r mit zäher Opferwilligkelt voiwäris gehen oder nach kaum erreichter Beseitigung der größien Gefahr wieder ermatten, ist bei der heutigen politischen Geiamilage uns selbst und unseren Mitbewerbern >m über seeischen Weitkampf zum Prüf stein dasür geworden, ob Deutschland überhaupt der Entwickelung au« einem europäischen Großstaat zur Weltmacht fähig ist. Unter unseren Augen vollzieht sich von verlchte- denen Seiten bei ein kraftvolle» Au-'bielien auf von der Kultur noch nickt erscklofsene Gebiete. Wir erleben als Zeitgenoss n den Aufschwung des britischen, amerikanischen und japanischen JmperaliSmus. Frankreich gründet ohne Zaudern und Knausern em riesi,es Ko onialreich in Afrika, und Deutsch land soll nicht einmal in energischer Behauptung und Ver- wniung des Erworbenen schiittaalten düifen? Für die Verbündeten Regierungen und für oeu Reichs kanzler gab eS in vieler Krage lein Markten und Pak tieren. Ehe die Mehrheit des Reichstags den ablehnen den B-jchluß faßte gegen die Minderheit, in der die Rechte und die N a t i o n a l l i b e r a l e n, »owie die bürgerliche Linke zusammenstanden, maule Fürst Büow nochmals bas Haus auf die schweren Konsequenzen ausmerksam. Freimütig und fist erklärte er, daß hier nichl ein Kampf zwischen parlamentarischem und persönlichem Willen gesührl werde, sondern eine selbstver ständliche Pflicht den verbündeten Regierungen nur einen einfachen und geraden Weg weise. „N le m and drängt mich, niemand schiebt mich" unv „WennSiewollen, so haben Sie dre Krisis". — Troy des Ernstes dieser An'age blieb die aus Zenlium und Sozialdemolraten be stehende Mehrheit in vieler dein venlichen Volke an Herz und E>re gebenden Sache bei ihrer kleinmütigen unv oer- blisenen Ablehnung. Die Nation Hal zu entscheiden, ob sie sich solche Vertretung ihrer Interessen und ihres Ansehens gefallen lassen will." ver siampk mit <ken Lorckr. sBon unserem Londoner Korrespondenten.! Die große parlamentarische Krise hat begonnen. Das alte Projekt, die Turmspitze der Koiistitullon avzulragen und an deren Stelle entweder nichts oder eine gut bürgerliche Haube zu fetzen, ist wieder einmal aus der Tagesordnung. Es liegt in der Natur jeder wirklichen liberalen Negierung, daß ste mit dem Oberhaus in Konflikt kommen mutz. Tic Schulsragc ist unzweifelhaft diejenige, welche von allen konstitutionellen Fragen das britische Volk am tiefsten bewegt, und zwar gerade in seinen besten, in den nonlonfor- mistischen Schichten. Denn sie »st die Frage der Herrschaft der Kirche über die Schule, und das hat hier noch einen ganz anderen Sinn, -als etwa in Frankreich. Tenn das englische Volk ist noch überwiegend religiös, und zwar um so ehrlicher, ie sektiererischer die Gemeinden sind. Die große Mehrheit des Volkes i st sektiererisch, „nonkonfornnsüsch". Gerade diese ernst religiösen Kreise ober wollen die Schule von der Herr schaft der Kirckc befreit sehen, wollen den Religionsunterricht aus dem Stundenplan ausgeschieden und seine Erteilung ausschließlich in die Hände der Prediger gelegt wissen. Ein Weg, der sie ganz selbstverständlich zu dem Ziele der kon fessionslosen Staatsichulen führt. Diese Leute sind nicht nur die Mehrheit, sic sind auch der wirtschaftlich und geistig regsamste Teil der Bevölkerung. Ihre Antipoden, die schottische und die englische Staatskirche, wollen die Konfessionsschule, die Lokalschulc und die religiöse Besäbigungsprüsung oller Lehrer. Ter katholische KleruS stebt hinter ihnen, verfolgt aber diametral entgegengesetzte Zwecke. Tie Staatskirchen sind in einer immer mehr hin- schwindenden Minderheit. Nur ihre privilegierte Stellung hält sic noch. Tie Aussicht über die Nelioionsschule und die Lehrer ist ihre Hauptmasse im Existenzkämpfe. Hinter allem lauert ober die Finanzsrage. Tas Schul wesen wird von den Kommunen finanziert. Die Nonkonfor misten weigern sich seit Menschengedenkcn. für anglikanische und katholische Konfessionsschulen die Gemeindesteuern zu zahlen. Sie wollen für diese Zwecke ober auch kein jüdisches oder katholisches oder anglikanisches Geld annehmen. Sie verlangen ganz folgerichtig die religionslose Schule. Die Franc wird dadurch so ungeheuer kompliziert, daß die Non konformisten säst »ur in DaleS glatterdings die Bevölkerung darstellrn, im übrigen aber in zahllosen kleinen Gemeinden über Großbritannien zerstreut sind. Dieser Umstand Hot bisher in England eben auch die Errichtung allgemeiner Staatsschulen und die Einführung des obligatorischen Schul- Unterrichts durch den Staat verhindert. Das letzte konser- vative Schulgesetz verhalf einem sehr komplizierten Kom promiß zum Leben. Es führte einen ausgedehnten, nicht kon- sesfionellen obligatorischen Bibelunterricht in allen von den Gemeinden finanziell unterstützten Schulen ein und verlangte von allen Lehrern den religiösen Befähigungsnachweis. Ucbcrall, wo die Nonkonformisten einen Bruchteil der Be völkerung bildeten, waren sie daher Schulräten in ihren in- timsten Angelegenheiten unterworfen, in denen sie kaum ver- treten waren, und in denen die wildeste Proselytenmacherei von den anderen Bekenntnissen mit allen Mitteln rücksichts loser Kommunaldemokratie betrieben wurde. Obendrein mußten sie für die anderen Bekenntnisse, da sie der wohl habendste Teil des Mittelstandes sind, die Hauptschulsteuer- last tragen. Daher kamen dann die Steuerverweiaerungen und die große Erregung, welche das konservative Regiment wegseate. Schon einmal hat die liberale Partei einen großen Kamps sür die Staatsschule und für die Freiheit des Religionsunter, richtes gefochten. Als die große Neformära des Jahres 1870 unter Gladstone einsetzte, brachte Mr. Forster das Funda- mentalgeictz des heutigen englischen Schulwesens ein. Es war eine erste Etappe auf dem Wege zum obligatorischen Schulunterricht. Es wurden lokale Schulräte gebildet, welche aus dem Wege städtischer Legislatur den Schulbesuch von Kindern -wischen zwölf und fünf Jahren erzwingen durften. Die bestehenden Privatschulen wurden übernommen^ wenn sie ein gewisses niedriges Mindestmaß von Letstunossahigkeit besaßen, einen konfessionslosen Schulinspektor zusießen und andersgläubige Kinder auf Wunsch der Eltern vom Reli gionsunterricht befreiten. Dann sollten sie auch StaatS- unterstützung bekommen. Die Educotion Bill von 1906, die Mr. Birrel in das Haus der Lords brachte, stellte in Wahrheit schon wieder einen Kompromiß dar, womit die Nonkonformisten unzu frieden waren. Sie führte einen allgemeinen Bibelunterricht ein, erteilt außerhalb der Schulzeit von Laienlehreru, für die Städte, sah aber überall und besonders auf dem flachen Lande die fakultative Zulassung von konfessionellem Unter richt vor, wo die lokalen Bedingungen das rötlich erscheinen lassen. Die allgemeine Lehrerprüfung in Religion vor deu Lokalschulbehörden wurde abgeschasft. Im Oberhause wurde nun aus dem fakultativen konfessionellen Unterricht überall ein obligatorischer gemacht, dieser in die Schulstunden aus genommen und die ReligionSvrüsung der Lehrer wieder ein geführt. Die Konfessionsschule anns vtu-nss war damit geschaffen. Die Negierung war schließlich nicht abgeneigt, auf dieser, von Ultramontanen und extremen Hochkirchlerv geschaffenen Basis das Gesetz zustande kommen zu lassen, denn man erwartete, daß die Nonkonformisten dann eben ihrer seits zur ausschließlichen Konfessionsschule übergehen wür^ den. Die Regierung knüpfte aber hieran die Bedingung, daß der Zwang aller Lehrer, die Befähigung zum Religions unterricht nachzuweisen, fallen gelassen werde. Hieran ist das Kompromiß gescheitert. Das parlamentarische Komitee der Nonkonformisten hat gesiegt. Ihr großer Erfolg besteht darin, daß jetzt der Kampf nicht mehr bloß um den Religionsunterricht, sondern um die konfessionslose staatliche Volksschule geht, also wirklich um Gladstones Vermächtnis, das die Regierung opfern wollte, um gegen die Lords erst um ein anderes Vermächtnis deS „alten Piloten" den Richterspruch der Stimmzettel anzu rufen, um Home Rule. Man hat sich aber wohl überzeugt, daß auch fetzt schon eine kräftige liberale Wahlparole vor- Händen ist. Die Lords haben bie Plural Voting Bill aus Demonstration abgelebnt und damit dem allgemeinen gleichen Wahlrecht die Tür geöffnet: die irische Landpachtbill ist noch nicht im sicheren Hafen, dieser Vorläufer von Home Rule: dazu das Schulgesetz! Mr. Compbell-Bannerman hat alle Aussichten auf einen neuen großen Wahlsieg, wenn er fetzt an das Land geht. Die Hauptversvrechungen von 190l? sind eingclöfl: Ebinesensragc, Ersparnisse an der Flotte, Armeereiorm, ein gehöriger Budgetiibcrschuß »iitcr gleich- zeitiaen Tilgungen der schwebenden Schuld, eine irische Land anleihe und die Marokkokonserenz. Das sind alle? ausge zeichnete Gutbabenposten im Wahlbuche, wenn man außerdem mit einem Programm austritt, bas so bald nach einer ver- nichtenden Niederlage der Konservativen alle idealen For derungen des Liberalismus im Lichte eines Kampfes nm die sofortige Verwirklichung zeigt. 2 . Von unserem Londoner Korrespondenten erdalten wir noch folgendes Privattelcgramm: Die Extremen haben gesiegt; trotzdem die Verhandlungen zwischen dem Erzbi'chps von Danterdurv und Campbell noch fortgesetzt werden, ist die Situation hoffnungslos. Ter Flügel der Kon'erpaiiven unter Balfour legte der Negierung bei den Lords sowohl wie bei den Commons eine neue Falle in so hinterlistiger Weise, daß '.m Hause der Lords der un ermüdlich vermittelnde Lord Lansdowne Protest gegen die eigene Partei cinlegte, indem er an der Spitze früherer kon- s-ervativer Mitglieder das Oberbau? verließ, als die traelc-s cliyout« dill durch ein ganz unerwartetes läckwrliches Amen dement des Lord Wemyß entgegen dem Komvromi' abgelebnt wurde. Das war ein taktischer Fehler der Ovvosstion, da nunmehr die gesamte Arbeiterschaft der Regierung aegen die Lords folgt. ..Die trackc'-! c!I-puto dili ist die beste Wahl- Parole für das Unterbans", riefen auch viele Unionisten Balfour zu, als er Birrel-Z aus Grund der Versöbnungs- Konferenzen formulierten Ausgleich unerwartet zurückwics. Var roriale klen<> im Seemann;- berufe. Der Streit zwischen dem Verein Hamburger Reeder und dem Verein deutscher Kapitäne und Offiziere der Handels marine Hamburg, über den wir mehrfach berichtet haben, hat sich jetzt bedenklich zuoespitzt. Tic Stimmung ist in beiden Lagern sckr erregt, besonders weil die Hamburg-Amerika Linie schon Zwangsmaßregeln ergriffen und zahlreiche Offi ziere zum Austritt aus ihrem Verein genötigt hat. Gestern abend haben die Kapitäne und Offiziere eine Versammlung abacbalten, in der sie fick an die öffentliche Meinung ge wendet haben, Das Voracbcn der Reeder wird io Hamvurg, wie ein Privattelegramm unseres dortige» Li.-Kor- respondenten meldet, allgemein als äußerst schron angesehen, da die Kapitäne und Offiziere, unter denen sich viele Re serveoffiziere der Marine befinden, von den Reeder« wie Sozialdemokraten behandelt werden. ES steht zu erwarten, daß die Mehrzahl der Offiziere fick nickt fügt und eS vor zieht, die Entlassung zu nehmen, als aus dem Verein auS- zutreten. ES bandelt sich insgesamt um 1800—2000 Offiziere. ES mag darum zur Aufklärung über die wirtschaftliche Lage de« SeemannSderufe», inSbesoudere der Offizier« b«
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