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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.04.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-04-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040420028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904042002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904042002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-04
- Tag1904-04-20
- Monat1904-04
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Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 Reklamen unter dem Redaktionsstrich (»gesvalten) 7ö nach den Aamüiennach- richten ctt gespalten) 50 Tabellarischer und Ziffrrnsap entsprechend hoher. — Gebühren für Nachweisungen und Ossertenannahiile 25 Extra-Beilagen «gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne PostbefSrderung 60.—, mit Postbesörderung .a! 70.—. Annahmcschluß sür Anzeige«: Abend-Ausgabe: vormittag» 10 Uhr. Morgeu-Ausgabe: nachmittag» 4 Uhr. Anzeige» sind stet» an die Expedition zu richte». Tie Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig (Inh. vr. B., R. L W. Kliokhardt). 98. Jahrgang. Var Mckstigrte vsm rage. * Die Leipziger sozialdemokratischen Ge werkschaften haben das Tivoli-Etablisse ment zum Preise von 560 000 gekauft, um es zu einem Gewerkschaftshause umzugestalten. * Die Angestellten der ungarischen Staatsbahnen sind aus ständig geworden, so daß zunächst auf den S t a a t s b a h n e n Züge nicht mehr verkehren. * Heute tritt ein neues ungarisches Aus wanderungsgesetz in Kraft, welches den Behörden eine strengeUeberwachung der Tätigkeit derAuswanderungsagenten zur Pflicht macht. * Die Territorien Arizona, Neu-Mexiko, Oklahoma und das Indianer-Territorium wurden vom Repräsentantenhausc in Washington als Staatenanerkannt. * Im Staate Pennsylvanien (Der. Staaten von Nordamerika) verursachten ausständige Gru benarbeiter Ausschreitungen. * Ein verheerendes Feuer wütet seit gestern abend in Toronto (Kanada). Menburg uns fraMutt a. v. Der in nächster Woche stattfindenden Reichstagsersatz- wcrblinAltenburg sind die Landtagswahlen in dem Herzog tum« voraufgegangen. AlSdieLandtagSwahlen noch bevorstanden, sprack» der „Vorwärts" die Hoffnung aus, daß die Sozial demokratie zwei Mandate gewinnen und daß dieses Ergebnis den Mut der Partei für die Reichstagsersatzwahl anspornen würde. Jetzt muß das sozialdemokratische Zentralorgan be richten : „Der Wahlkampf hat »ns insofern eine Enttäuschung be- reitet, als wir, anstatt wie wir hoffen dursten, noch zwei Mandate zu gewinne», «in Mandat an den Bund der Landwirte ver loren haben." Jetzt, da also die Landtagswahlen das umgekehrte Er gebnis gebracht haben, stellt man sich so an, als ob dieses Ergebnis sür den Ausgang der Reichstagswahl ganz bedeu tungslos wäre. „Der Ausfall der Landtagswahl", so meint jetzt der „Vor wärts", läßt auf die am 29. April srattfindrnde Reichstagswahl absolut keinen Schluß zu, wenn auch die Gegner etwas mehr Hoffnungsfreude an den Tag legen." Daß jedenfalls bei der Sozialdemokratie keine zu große Hoffnungsfreude vorhanden ist, geht schon daraus bervor, daß nicht weniger als acht sozialdemokratische Reichs tags abgeordnete den Wahlkreis beackern, darunter Sterne erster Ordnung, wie die Herren Bebel und Singer; daß auch Herr Stadthagen den Wahlkreis bereist, verstärkt zweifellos die Aussichten der diesmal erfreulicherweise geeinten bürgerlichen Parteien. DaS selbstlose Eintreten aller liberalen Elemente in Altenburg für einen konservativen Kandidaten rechtfertigt die Erwartung, daß die Konservativen in Frankfurt a. O. ebenso selbstlos sür einen gemäßigt liberalen Bewerber ein zutreten bereit sein werden. In Frankfurt a. O. wird näm lich nun doch wohl in allernächster Zeit eine Reichstagsersatz wahl stattznfinden haben, da die große Mehrheit der Wahl- prüsungSkommission sich zum zweiten Male sür die Ungültig keit der Wahl des gegenwärtigen sozialdemokratischen Ab geordneten vr. Braun ausgesprochen hat. Das erste Mal hat das Plenum die Angelegenheit nochmals an die Kom mission zurückverwiesen, diesmal aber wird eS wohl dem Anträge der Kommission stattgeden. Die Sozialdemokraten, die sonst so überaus empfindlich sind, wenn konser vative Wahlbeeinflussungen in Frage kommen, haben bekanntlich daS merkwürdige Schauspiel gegeben, daß sie in diesem Falle, wo cs fick um ein sozialdemo kratisches Mandat handelt, die konservative Wahlbeeinflussnng als wirkungslos ansahen unk deshalb für die Gültigkeit der Wahl stimmten. Sie werden wohl diesmal ebenso ver fahren , obwohl Herr Bebel eigentlich froh sein müßte, seinen intimen Feind Braun mit guter Manier los zu werden. Da aber die Sozialdemokaten bei den letzten Ersatzwahlen durchweg an Stimmen verloren und sogar ein Mandat eingebüßt haben, so ist ihnen ihre sonstige Wühl- und Wahlfreudigkeit etwas abhanden gekommen. In Frankfurt a«O. würde schon ein mäßiger Verlust an Stim men ausreichen, um das Mandat einzubüßen, denn „Genosse" vr. Braun ist in der Stichwahl mit noch nicht 500 Stimmen Mehrbeil gewählt worden. Im Falle eines Zusammen schlusses der bürgerlichen Parteien würden die Sozialdemo kraten aller Voraussicht nach das Mandat „aus Anhieb" verlieren, und daß sie keine Lust haben, der Serie der letzten Niederlagen eine neue hinzuzufügen, wird man schließlich be greiflich finden können. ver SuMans Oer Herero. Dtp EntfchSdlgungafrage. Wie die „Kol. Zeitschrift" mitteilt, beschloß am l6. April eine zahlreich besuchte Versammlung von Ansiedlern in Windhoek einstimmig, das Gouvernement möchte seinen ganzen Einfluß dafür einsesen, daß die Entschädigung nicht an irgendwelche einschnürcnden Bedingungen ge knüpft werden sollten. Jeder Entschädigungsberechtigte müsse bedingungslos voll entschädigt werken, ka sonst die Ansiekler fürchteten, in ein Abhängigkeitsverhältnis zur Regierung ;n geraten. Nur bei voller Entschädigung würden die Ansiedler im Lande verbleiben, andernfalls würden sie auswandern. Sie wünschen in den Stand zurückversetzt zu werden, indem sie sich vor dem Kriege befanden. Die Zusammensetzung der EntschädiguugSkommissiou sollte in der Weise geregelt werden, daß sic besteht aus einem Mitglied« der Regierung und zwei Angehörigen des Berufsstandes, dem der zu Entschädigende angehört. Nach welchen Grundsätzen die Kolonialverwaltung zu verfahren gedenkt, ist in der gestern von uns erwähnten Denkschrift mitgeteilt. Lin Ausblick. Unsere Aussichten in Südwestafrika werden von einem alten Afrikaner, Herrn C. von Perbandt, folgendermaßen be urteilt: „Wir werden noch schwere Kämpfe in Südwestafrika haben. Die Zähigkeit der Herero, die taktische und strategische Leitung des ganzen Aufstandes zeigt uns, daß wir in Wahrheit mit nahen Verwandten der Zulus und MatabeleS zu tun haben, nur daß die Herero besser bewaffnet sind als die genannten Bolksstämme es waren und daß sie Taktik bei uns lernen konnten. — Rüsten wir uns in jeder Be zichung beizeiten, damit wir diesen Kampf mit aller Energie bis zum schließlichen zweifellosen Erfolge unserer Waffen ans glückliche Ende sichren können. Ich weiß, daß der Gouverneur Leutwein srüher stets mit Um sicht und Vorsicht seine Gefechte angesetzt hat, darum enthalte ich mich auch einer Kritik darüber, warum er jetzt schon den Vormarsch gegen die Stellung der Herero antrat und die Operation begann. Er wird zwingende Gründe gehabt haben, die ihn die Heranziehung der auf dem Wasser schwimmenden Verstärkungstruppcn nicht ab warten ließ. Der Dampfer „Feldmarschall" mit seinen Truppen ist inzwischen in Swakopmund angekommen, die weiteren Verstärkungen sind von 8 zu 8 Tagen zu erwarten. In diesem Falle hätte viel leicht der Fabius Cunctator vor dem Cäsar den Vorzug verdient. Indessen mir werden die Gründe für die Handlungsweise des Gouverneurs später erfahren, hoffen wir, daß diese Gründe zwingend gewesen sind. Ich hoffe und wünsche nur, daß die Kolonne von Glasenapp zeitig genug die Situation erkannt hat, in der sie sich befindet. Ich hoffe und wünsche auch, daß der Oberleutnant Bolkmann mit seinem kleinen Trupp von Reitern, Ansiedlern und Boeren bei Groot- fontein über die Sachlage orientiert ist und daß wir auch von ihm bald gute Nachrichten erhalten, nachdem solche seit 6 Wochen nicht mehr zu uns gelangt sind. Im ganzen bin ich aber der Ansicht, nachdem ich nun den Kampf dort unten Monate lang beobachtet habe, daß unsere Truppe draußen, auch nachdem der auf dem Wasser schwimmende Berstärkungstransport in Südwesl angekommen sein wird, noch nicht stark genug ist. Ich gebe ohne weiteres zu, daß von hier aus alles geschehen ist, was nach menschlichem Ermessen notwendig schien, um den Aufstand baldigst niederzuwerfen! — Das Tempo der „Pferdeversorgung" hätte vielleicht etwas schneller angeschlagen werden können — aber cs hat sich eben herauSgestellt, Latz der Stamm der Herero ernster genommen werden wollte, als dieses bisher geschehen war. E» ist erfreulich zu hören, daß am 20. d. Mts. 4 Offiziere und 32 Mann zur Errichtung von Funkentelegraphen-Stationen hinaus gehen; für das Nachrichtenwesen kann gar nicht genug geschehen und die Herero werden sich wundern, wenn der erste Ballon über ihren Köpfen schweben wird. Aber wir brauchen noch mehr. Die ganze Südwestafrika-Affäre mag unsere Finanzverwaltung unangenehm belasten, indessen was Hilsts; blamieren darf sich das Deutsche Reich nicht» weder nach „außen" noch nach „innen", und man hätte eben früher weniger „Pfennig fuchsen" sollen. Da» Schicksal d«r Aolonn« Glasenapp ist noch immer unbekannt. Aus Kiel wird der „Boss. Ztg." dazu geschrieben: Die Beunruhigung über das Schicksal der Abteilung des Majors v. Glasenapp tritt hier in allerlei Gerüchten zu Tage. Montag abend wurde auf das bestimmteste von verschiedenen Seiten be hauptet, datz ein Telegramm eingelaufen sei, wonach die Kom pagnie Fischet 60 Mann verloren habe. Es ist bisher nicht möglich gewesen, zu ermitteln, ob diesem Gerüchte irgend eine Swakopmunder Privatmeldung zu Grunde liegt. Nach Briefen von Kieler Seesoldaten, die vom 12. März datiert sind, hatten die Leute sehr unter dem Tropenklima zu leiden. Bei starken Nieder schlägen stieg das Thermometer bis gegen 60 Grad Celsius Geklagt wird über hohe Bierpreise und über eine gewiße Ein förmigkeit der Verpflegung. Sie besteht in der Regel aus Reis, Ochsenfleisch und Kokosnüssen. Motorwagen im Ariege. Mit dem Dampfer „König" verlassen heute unter Leitung des Artilleriehauptmanns Eberhardt drei „Trakteure" den Hamburger Hafen, um in Südwestafrika unseren Truppen Proviant, Wasser und Waffen nach den entlegensten Punkten znzuführen. Oberleutnant Troost L 1» suite der kaiserlichen Schutztruppen hat auf Grund 12jähriger Erfahrungen in Afrika nach saft dreijähriger gemeinsamer Arbeit mit der Neuen Auto- mobilqesellschaft in Berlin diese Trakteure in Auftrag gegeben. Ein Benzinmotor von 40 Pferdestärken zieht durch jedes Ge lände mit einer Geschwindigkeit bis zu 10 km in der Stunde drei Wagen mit einer Nutzlast von insgesamt 20 000 kg. Die Breite der Räder kann von 400 mm bis auf 1000 mm durch Aufschrauben von U-Eisen erhöht werden, gelingt e« dann noch nicht, der Terrainschwierigkeit Herr zu werden, so wird der Motor auf eine Seiltrommel geschaltet. Mit Hülfe ausgebrachter Anker und eines Drahtseiles von 14 000 kg Reißfestigkeit wird erst der Zugwagen eine «trecke weiter gezogen und dann der Lastwagen nachgeholt. Dabei ver braucht der Motor nur 2—3 I Wasser sür 100 km Ent fernung. vei rurrirch-sapanirche Krieg. Bericht «ine» Augenzeugen über den Untergang -es „Petropaiolovk". Der Korrespondent der New Norker „Associated Preß sendet ans Liauvang einen packenden, mehrere Spalten füllenden Bericht über den Untergang des „PetropawlowSk" und die dabei stattgehabten Kämpfe vor Port Arthur, dem wir die folgenden, neues Licht überLdie Vorgänge werfenden Einzelheiten entnehmen: „Dienstag Nacht, den 12. April, führte Admiral Makarow das gesamte Geschwader nebst 14 Torpedo booten aus dem Hafen. In der folgenden Nacht wurden acht Torpedoboote trotz des Sturme« zum Rekognosziere» ausgesandt. Vom „Goldenen Berge", auf welchem ich stand, konnte man durch die schwarze Nacht die Scheinwerfer der Forts ihre Lichter weithin über die wildbewegten Wasser und in den nebelumwobenen Horizont hinauswerfen sehen. Um l l Ubr hörte ich Geschützfeuer vom Meere her, zählte siebe» Schüsse, konnte aber nichts sehen. Bei Tagesanbruch entdeckte ich durch den leichten Seenebel etwa fünf Seemeilen vom Ufer sechs Torpedoboote in Linienstellung, sämtlich unter Feuer. Allen voran suchte ei» Boot mit Volldampf den Hafeneingang zu gewinnen. Das letzte davon schleppte sich schwerfällig nach, in eine Rauchwolke gehüllt, und war offenbar schwer getroffen. Schließlich ent deckte ich, daß das erste und letzte Boot russische Torpedo boote waren, die übrigen vier Japaner . . . DaS dampf- nmhüllte Boot feuerte wütend, die vier im Zentrum ver einigten jetzt alle ihr Feuer auf dieses. Aber der havarierte Torpedojäaer wehrte sich, ein heftiaeS Feuer unterhaltend, und hielt seine Angreifer sich vom Leibe. Die Signalstatio» flammte den Batterien und Mannschaften am Lande die Meldung zu, daß daS kämpfende Boot der „Straschnij" sei. Mit angehaltenem Atem folgten wir alle dem ungleichen Kampfe, aber daS Netz zog sicb immer enger um daS ver lorene Schiff zusammen. Die vier Japaner bildeten eineu Halbkreis und überschütteten es mit einem vernichtenden Feuer. Trotzdem kämpfte eS weiter, wie ein tödtlich ver wundetes Tier, das sich verzweifelt direkt auf den ihm den Weg Feuilleton. 22s Das Testament des Lankiers. Roman von A. M. Barbour. Nachdruck verboten. Liebe überwindet alles. Nicht ganz drei Wochen später betrat Harold im Hause Herrn Thorntons Fräulein Carletons Empfangszimmer. Seit dem Abschied an Bord der „Campania" war dies ihr erstes Wiedersehen. Ms Fräulein Carleton dem Eintretenden voller Freude mit ausgestreckten Händen entgcgenschritt, er- schrak sie über fein verändertes Aussehen. Blaß und ab gehärmt, mit tiefliegenden Augen und einem schmerz- lichcn Zuge um den Mund, stand er vor ihr — um Jahre in den wenigen Wochen gealtert. Unwillkürlich rief sie: „Mein Gott, Herr Mainwaring, Sie sind krank ge wesen!" „Nein", entgegnete er, mit verklärten, Gesicht ihr die Hand küssend, „das durchaus nicht, aber Schlaflosigkeit und beständige Sorge und Angst haben mich sehr mitge nommen." „Angst?" wiederholte sie. „Das Wort habe ich noch nie ans Ihrem Munde gehört. .Haben sich Schwierigkeiten betreffs Ihrer Erbansprüche erhoben?" „Nicht insoweit cs ihre Rechtsgültigkeit betrifft. Meine Anwälte geben mir die Versicherung, daß davon, bei meinen unwiderlegbaren Beweisen, nicht die Rede fein kann. Aber es baden sich Komplikationen eingestellt, zu deren Begegnung umfassende Vorbereitungen nötig wurden. Doch ich bin nicht gekommen, Sie mit meinen Sorgen zu beschweren. Ich wollte nur hören, wie es Ihnen inzwischen ergangen ist." „O, eigentlich gnt wie immer! Ich habe sehr oft an Sie gedacht. Dachten Sie denn nicht daran daß ich nor Ungeduld brennen würde, »zu hören, welme Fort schritte Sie machten?" „O, doch. Ich durfte das ja bei Ihrem freundlichen Interesse, wofür ich Ihnen so von ganzem Herzen danke, aber die Tinge gestalteten sich ungeahnt so anders, als ich erwartet hatte, daß ich selbst jetzt noch gezwungen bin. vieles ungesagt zu lassen, was ich gehofft hatte, sagen zu können." Er sprach das in einem so traurigen, niederge schlagenen Ton, daß in Lizzy das Gefühl irgend eines Unglücks aufstieg, doch wollte sie nicht in ihn dringen, sich näher auszusprcchen, und da er von selbst nichts weiter sagte, fuhr sie mit einer Heiterkeit, von der ihr Herz nichts wußte, fort: „Auch Onkel William und Edith wunderten sich, daß Sie so gar nichts von sich hören ließen; sie hätten sich aufrichtig gefreut. Sie zu sehen, jetzt aber sind sie gerade auf einige Tage verreist." „Tas ist mir nicht unlieb, so gern ich auch Ihren Herrn Onkel und Ihr Fräulein Cousine wieder gesehen haben würde. Es ist mir augenblicklich sehr erwünscht. Sie allein anzutreffen, da ich morgen nach Amerika zu- rückkehrc." „Was? Morgen schon?" rief sie, die Farbe wechselnd, in unwillkürlichem Schreck. Ihre Erregtheit entging ihm nicht. „Ja", erwiderte er, beinahe keuchend, „meine Geschäfte hier sind beendet." Und sehr schnell sprechend, um seine Gefühle zu verbergen, fügte er hinzu: „Ich bin schon über Erwarten lange auf- gehalten worden, nun aber kehre ich woblgcrüstet zum Streite zurück. Der jüngere Barton, sowie James Wilson und ein hervorragender Detektiv begleiten mich." „Der alte Wilson! Ach, wie mich das freut!" schlug sie :n die Hände. „Einen besseren Zeugen können Sie nicht haben! Aber wozu denn der Detektiv?" „Nun. erraten Sie nicht? Er soll den Mörder aus findig machen. Es könnte sich sonst leicht ereignen", setzte er langsam und ihr fest ins Gesicht blickend hinzu, „daß nach Erkäinpfung meines Rechtes die dabei zur Sprache gekommenen Tatsachen so gegen mich sprechen, daß der Volksmund mich des Mordes zeiht!" „Ah, diese Befürchtung scheint mir dock, übertrieben. Aber selbst wenn die ganze Welt Sie schuldig spräche, würde ich niemals au Ihrer Unschuld zjveifeln." „Ich danke Ihnen für Ihre gütigen Worte; niemals werde ich sie vergessen. Mas immer nun auch über mich hercmbrechen niöge — stets werde ich daran denken, daß ich mich Ihres Vertrauens und Ihrer Freundschaft sicher halten darf." „Ja, das tun Sie. Aber warum sprechen Sic in einer so rätselhaft verzweifelten Weise? Nachdem Sie mir Ihre Lebensgeschichte erzählt haben, bin ich so voll guter Zuversicht fiir Ihre Sache, daß ich ihrem endlichen Aus gang mit gar keiner Sorge, sondern nur mit Ungeduld entgegcusehe, geradeso, wie wenn ich beim Lesen eines spannenden Romanes die Fortsetzung kaum erwarten kann." Harold lächelte über den Vergleich. „Sie vergessen nur, daß ebenso, wie die Fortsetzungen in einem Romane, so auch die im Buche des Lebens oft erschreckende Ueber- raschungsn bringen." Sie sah ihn einen Augenblick forschend an, dann sprach sie ernst wie er: „Es muß noch irgend etwas geben, was Sie mir vor- enthalten. Falls es so ist, muß ich mich begnügen, zu warten, bis Sie niir von selbst Ihr volles Vertrauen schenken. Das meinige wird dadurch keineswegs ge schmälert. Es schien mir nur, daß Sie bei Ihren Aus sichten — dem großen Reichtum und der beneidenswerten Stellung, die Sie so bald besitzen werden — kaum Un angenehmes von der Zukunft erwarten könnten." Ein bitterer Zug legte sich um seinen Mund, als er beinahe murmelnd erwiderte: „Ja, aber was nützt einem Menschen aller Reichtum und aller Glanz, wenn er dabei eine unübersteigliche Schranke zwischen sich und dem nudel, was zu besitzen sein einziges Begehren auf Erden ist." „Ich fürchte. Sic gar nickst mehr zu verstehen. Ich vermag mir kein Hindernis vorznstellen, das Sie nicht überwinden könnten." „Und doch stehe, ich vor einein solchen", entgegnete er ;aust. „Es gibt Verhältnisse und Dinge, die unzerbrech liche Fesseln anlegeu." „Ja", antwortete sie traurig, „es gibt Kummer, den selbst die wärmste und innigste Freundschaft nicht lindern kann." „Denken Sie das nickst von Ihrer Freundschaft sür mich", nel Harold schnell ein. „Wenn irgend etwas, so wird-iie es jein, die mir die Kraft verleihen wird, allem die Stirn zu bieten und das Dunkel zu klären. Gelingt mir das. so werde ick. Ihnen eines Tages sagen, was ich Ihnen jetzt noch nicht sagen kann. Gelingt es mir aber nickst, mich von der Last zu befreien die ans mir liegt, fo werde ich in dem Bewußtsein Ihrer Freundschaft — wenn auch nicht völligen Ersatz so dock, wenigstens Trost dafür finden, was zu erreichen das Schicksal mir ver sagte." „Und ich würde in letzterem Falle nie erfahren", fragte sie zagend, „was Ihr Gemüt bedrückt und ver kümmert, um. Ihnen gerade dann meine Freundschaft beweisen zu können?" „Nein. So hoch ich Ihre Güte schätze, dazu" — er stockte einen Augenblick vor kaum zu bemeisternder Be wegung — „dazu sind Sie mir zu teuer, gnädiges Fräu lein. Niemals würde ich Ihr gütiges Herz damit be schweren, was zu tragen mir allein auferlegt ist. Ich würde weit von Ihnen gehen, um Sie Ihren Weg m Frieden ziehen zu lassen." „Und Sie könnten wirklich glauben", entgegnete sie mit traurig vorwurfsvollem Blicke, „daß ich Ruhe und Frieden genießen könnte, wenn ich weiß, daß Sie in der Ferne in Gram und Kummer leben? Sollten Sie mich so wenig kennen?" „Die Zeit wird Sic vergessen lassen." „Niemals!" Harold sprang plötzlich aus. In seinem Gesichte arbeitete cs heftig. Er schritt zwei-, dreimal aufgeregt durch das Zimmer. Endlich blieb er mst verschränkten Armen voi ihr stehen. Sein Blick versenkte sich in ihre schönen, fest zu ihm aufschauenden Augen. Er hatte seine äußerliche Ruhe wieder gewonnen, aber seine brennenden, dunklen Augen verrieten das in ihm tobende Feuer. „Fräulein Carleton", sprach er langsam und leise, aber in einem Ton, der ihr ganzes Wesen durchzitterte, „Sie sind beinahe grausam in Ihrer Güte; Sie machen mich zu einem Schwächling! Anstatt fest bei meiner An- sicht zu bleiben und die Oualeu, die mich verzehren, in mir zu verschließen — unterliege ich jetzt dem Drange meiner Gefühle, Ihnen zu meiner Rechtfertigung etwas zu sagen, was zu hören Sie schmerzen und dadurch mein eigenes Leid vermehren wird." „Vielleicht irren Sie", erwiderte sie mit einen', ge- wiffen feierlichen Ernst in ihrer Stimme. „Jede Auf- tläruup, gleichviel welche, werde ich weniger schwer er tragen als oie peinigende Ungewißheit." Sein Gesicht nahm einen unsagbar schmerzlichen Aus druck au. Gott weiß, icki würde Ihnen volle Aufklärung geben, Sie über nichts im unklaren lassen, wenn ich es vermöchte. Ich stehe aber selbst noch vor einem io un durchdringlichen Dunkel, daß ich nichts sagen könnte, wo»
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