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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.04.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-04-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040425024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904042502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904042502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-04
- Tag1904-04-25
- Monat1904-04
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Anzelgm-PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 28 Reklamen unter dem RrdakttonSstrich (ügespaUen) 7K >4, nach den Familiennach richten (6 gespalten) KO -H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren sür Nachweisungen und Offertrnannahmr Äi Ertra-Vetlagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbefvrderung 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Annahmeschlust für ««zeige«: Abend-Au-gabe: vormittag- 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: nachmittag» 4 Uhr. Anzeigen sind stet» an die Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig (Inh. vr. «., R. L W. Klinkhardt). Nr. 209. Montag den 24. April 1904. 98. Jahrgang. Var Wchtigrtr vom rage. * Die Frist, welche die Kreishauptmannschaft Leipzig der Ortskrankenkasse zur Einstellung weiterer Distrikts- bezw. Spezialärzte gestellt hat, läuft heute nachmittag um 6 Uhr ab. Wie verlautet, wird die Kasse nicht in der Lage sein, den Forderungen der Kreishaupt- mannschaft zu entsprechen. Ueber weitere Maßnahmen der Kreishauptmannschaft ist noch nichts bekannt. * Ein Jrade deS Sultan» kündigt an, daß eine zwischen Rußland und der Türkei schwebende Streitfrage, eine russische Forderung aus dem russisch-türkischen Kriege von 925 000 Pfund betreffend, vor das Haager Schieds gericht gebracht werde» soll. * Nach einem Telegramm des General» Pflug au» Port Arthur vom 24. April entbehrt die Meldung der „Morningswst", daß die Japaner den Ialu über schritte» hatten, jeder Begründung. * Der Dalai-Lama verlegt sich nach einer Meldung der »Times", in der Hoffnung auf russischen Beistand, auf eine Politik der Verzögerung gegenüber den englischen Tibet forderungen. Kolonialer. Außer der Fehde gegen die rebellischen Herero ficht augenblicklich OberstLeutwein noch eine Prehfehde durch. Sie richtet sich gegen den Marinestabsarzt vr. Sander, der in der „Deutschen Kolonialzeitung" Leutweins „Halbe Maßregeln" nach der Niederwerfung des Herero-Aufstandes vom Jahre 1896 getadelt hatte. Die Debatte zwischen beiden Herren hat keine matzgeben- den Gesichtspunkte zu Tage gefördert, und um solche gerade handelt es sich. Wir müssen eine prinzipielle Ent- scheidung treffen und die Regierung wird sich hinsichtlich der Kolonialpolitik, die sie zu treiben gedenkt, zu ganz be stimmten, grundsätzlichen Erklärungen verstehen müssen. Oberst Leutwein hat es an Scharfblick fehlen lassen, als er an die „unerschütterliche Freundschaft des Oberhäuptlings Samuel Maharero" glaubte, aber das ist kein Grund, dem verdienten Offizier den Prozeß zu machen und alle Schuld auf ihn zu wälzen. Schließlich sind die Gouverneure der Kolonien doch genötigt, sich dem in Berlin bevorzugten System anzupassen, und über das Maß der bureaukrati- schen Aufsicht, die in den Kolonien geübt wird, sind wir ja durch die Bekenntnisse des Generals Liebert sattsam unterrichtet. Die leitenden Männer müssen aber wissen, was sie wollen, und es klar aussprechen; ein gewaltiger Apparat von ganz und halb offiziösen Organen steht ihnen ja zu Diensten. Augenscheinlich scheint einmal wieder die Neigung zu energischer überseeischer Politik nicht unerheblich abgeflaut zu sein, denn sonst würde die Regierung wohl in der Entscheidungsfrage nicht sine so erstaunlich schwachmütige Haltung an den Lag legen. In der Budgetkommission deS Reichstages er- klärte am 13. April der Kolonialdirektor vr. Stübel, eS sei Ehrenpflicht des Mutterlandes, den Ansied lern in Deutsch-Südwestafrika ihre Verluste zu ersetzen. Etwa sieben Millionen Mark seien nach vorläufiger Schätzung dazu notwendig, davon fünf Millionen für Vieh. Diese fünf Millionen für Vieh würden aus dem Beutevieh gedeckt werden können, das wir ja allerdings noch gar nicht haben. Die übrigen Mittel sollten nicht als Darlehen, sondern ohne Verpflichtung der Rück- zahlung, als Eigentum gegeben werden. Dies war unseres Erachten» die einzige menschlich billige, politisch kluge Auffassung der Sachlage, aber natürlich haben sich wieder Superkluge gefunden, die ihren juristischen und ökonomischen Scharfsinn leuchten ließen. Die Budget- kommission hat sich in ihrer Sitzung am 19. April auf einen anderen Standpunkt gestellt; trotz deS Einspruchs der Regierung beschloß sie, dem Reichstag die Bewilligung der von der Regierung geforderten zwei Millionen Mark „als Darlehen an Geschädigte, sowie zur Hülfeleistung an Bedürftige" zu empfehlen. Abgesehen davon, daß das Deutsche Reich die Haftpflicht gegenüber seinen Kolonien schon früher durch die Tat anerkannt hat, müssen wir immer wieder betonen, daß wir die Angelegenheit vom politischen, nicht vom juristischen Standpunkt behandelt sehen möchten. Wo wollen wir geeignete Ansiedler für unsere Kolonien hernehmen, wenn wir in einer so un- schönen Weise mit den wahrlich schwer genug Betroffenen rechten? Auch im kaufmännischen Loben erkennt man neben dem Buchstaben der geschäftlichen Abmachungen ge wisse Anstandspflichten an, die ohne weiteres innegehalten werden. Wir können dem Reichstag, der dem Beschluß der Kommission beigetreten ist, für seine Sparsamkeit, so löblich diese Eigenschaft sonst ist, nicht dankbar sein; wir vermissen in seiner Entscheidung den weiten politischen Blick, mit dem gerade dieser Gegenstand angeschaut sein will. In dem britischen Blaubuch vomiJuli 19k)3, welche» sich auf die Besiedelung von Transvaal und der Oranje- river-Kolonie bezieht, werden 60 Millionen Mark für Be siedelungszwecke gefordert. Wir wissen uns von jeder Ueberschätzung unserer pekuniären Lage frei, aber wir müssen doch sagen: diese eine Zahl beweist, wie großzügig die Engländer und wie kleinlich die Deutschen in Bezug auf ihre Kolonien verfahren. Ganz sicher würde die Re- gierung, wenn sie energisch an ihren Forderungen fest- hielte, aus die Zustimmung weitester Kreise rechnen dürfen. Der ftulrtana Oer Herero. Brief eine» deutschen Offiziere. Die „Südd. Reichskorrrsp." teilt einen Bries des am IS. April bei Okatumva gefallene» Oberleutnants Reiß mit, den dttser am 12. März an seine in Karlsruhe wohnende» Eltern — sein Vater ist Geh. Kommerzienrat Reiß-KarkS- ruhe — aus Windhoek gerichtet hatte. In dem Schreiben, daS über die Situation manche neue Aufschlüffe gibt, heißt eS: Als wir nach Okahandja kamen, wurde der ganze Stab Dürr aufgelöst und ich zur Ostabteilung, di« von GobabiS auSging, ver setzt. Ich kam nach Windhoek und mußte sofort am nächsten Tag nach den Otjosoniatjbergrn mit einer Patrouille von 10 Mann reiten, um zu sehen, ob dort noch Herero seien. Es war unS nämlich zu Ohren gekommen, daß Samuel mit seinen ganzen Leuten bei Okutumba säße, daß die Ostherero unter Tetjo auch langsam dorthin zurückgingen, und daß die Omarurulrute und die Banjoleute, mit denen Estorfs so schweren Kampf batte, auch nach Samuel zu zögen. Die Leute von Barmen und Otjtmbinque sitzen zwischen zwei Orten in den Bergen, etwa 1000 bis 1200 Gewehre. Wenn der Hauptschlag gegen Gamnel gefallen ist, war noch sehr viel kosten wird, soll dann mi diesem abgerechnet werden. Auf meiner Patrouille traf ich mit gut berittenen Spionen der Herero zusammen, während wir nur müde, abgetriebene Gäule hatten. Gestern kamen wir zurück, nachdem wir festgestellt, daß bis Otjosongati alle- von Herero frei, dieselben sich mit dem ganzen Vieb in die Direktion von Otjosasu^Okatumbu zurückgezogen hatten. Weiter Vordringen durften wir nicht. Ich hatte nur den bestimmten Auftrag, mit meiner Patrouille eine vorauSgegangeur, unter Führung des Reservelentnants GelShorn, aufzunehmen und zurückzukommen. — Ein weiteres Vordringen war in dem dicht vom Feinde besetzten Gebirgslande mit unseren schwachen Kräften und müden Pferden unmöglich. Wir haben eine Regenzeit in diesem Jahre, wie sie wohl selten war, alles ist im üppigsten Grün, kolossal viel Wasser und Weide im ganzen Lande. Es sind schon unglaubliche Regen- massen gefallen, und es regnet immer noch. Wie die Herero gehaust haben, ist gar nicht zu schildern. Die ganze Sache ist von den Okahandjaleuten ausgegangen. Ju der Nacht vom 10. Januar auf den 11. haben Leute noch friedlich auf Herero- Werften geschlafen, und am 11. wurden überall die Farmer und Händler, teilweise unter den fürchterlichsten Qualen, erschlagen Es sind auch ganz wunderbare Rettungen vorgekommen, so ist ein Farmer, den sie durch die Lunge geschossen und den Schädel mit Kirris halb eingeschlagen und dann für tot liegen gelassen hatten, nackt mit diesen Wunden 2'/, Tage nach Windhoek gelaufen und jetzt wieder hergestellt. Im übrigen ist eigentlich alles zerstört, Farmhänser zerschlagen, teilweise verbrannt. Die Früchte zehn- und mehrjähriger Kulturarbeit sind vollkommen vernichtet. . . . Wie die Kerle frech sind, geht daraus hervor, daß gestern nachmittag, als wir Garni sonsappell hatten, eine Bande von fünf berittenen und fünf un berittenen Herero eine Herde Schafe und Ziegen gestohlen bat, eine halbe Stunde von Windhoek entfernt. In Okahandja, das große Garnison hat, wurde Oberleutnant Ritter beim Schcibenbauen dicht beim Ort aus de» Bergen heftig beschossen. Die vollständige Nieder werfung dieses Aufstandes wird noch lange dauern, und dann komnit die noch weit schwierigere Aufgabe, das Land wieder hochznbringen... Der Krieg ist sür uns Deutsche jedenfalls der schwerste, den wir seit 1870/71 gehabt haben, denn die Herero fechten aus- gezeichnet und sind gewandte, sehr bewegliche Gegner. ver rnrrirch-japanirrde Weg. Vie Lage amIal« nach rassischer Darstellnng. Der Kriegsberichterstatter der Petersburger Zeitung „Nowosti" gibt offenbar in Uebereinstimmung mit den An sichten der russischen Militärbehörde von der Kriegslage im Norden Koreas folgende Schilderung: „Die japanische Armee wird unter dem Schutze ihrer Flotte auf dem linken Flügel täglich durch frische Truppen, die süd- östlich der Jalumündung, unweit Widschu und Vonaampho, landen, verstärkt. Diese beiden Punkte, die ebenso wie oa» ganze linke Ufer des Flusses von den Japanern besetzt sind, sind strategisch von der größten Bedeutung, denn unter dem Schutze der Flotte sichern sie die Verproviantierung der ganzen linken Flanke. — Dir Aufstellung der Armee des Generals Kuroki bei Widschu erfolgt mit großer Geschwindigkeit. Es stehen dort bereits 20000 Mann. Nicht weit von Widschu befestigen die Japaner das Flußnfer, wahr- fcheinlich, um sin Notfälle einem Vormarsch der Ruffen nach Korea entgegentreten zu können. Dir Japaner »»erden weiter stromaufwärts einen Uebergangsversuch machen. Japanische Streifzüge erschienen auf den Inseln des Ialu... Auf dem rechten Flußufer treffen die Russen eifrig Vorbereitungen für den Kamps General Kaschtalinskis Vorposten sind bis Dong am pHo auf dem linken Ufer vorgetriebrn worden und haben dort spanische Reiterei gesehen. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird die zweite japanische Armee, die augenblicklich landet, als zweites Treffen Zurückbleiben. In Niutschwang wird da» Kriegsrecht energisch durchgeführt. Unsere Wachpostenboote bewachen die Mün- düng deS Liaoho auf das genaueste. Die letzten Beschießungen von Port Arthur veranlassen die Vermutung, daß Landungs- versuche in dem Golf von Petschili gemacht wurden. Ein Angriff aus Jinkau würd zwar ein gewagtes Unternehmen sein, aber man muß trotzdem auf alle Möglichkeiten gefaßt sein. — Beträchtlich mehr als drei Divisionen chinesischer Truppen, unter dem Kommando von Japanern, sind nicht weit vom Liaoho und sogar in unserem Rücken erschienen Der vorherrschende Eindruck ist der, daß der rechte Fliigel der Japaner untätig bleiben wird, während der linke sich zum Angriff vorbereitet." Hiernach dürfte schon i» allernächster Zeit eine größere Schlacht bevorstehen. Die Ruffen müßten eS denn gerade für vortheilhaft halten, zu warten, bis die Japaner ihre ge samte Armee gelandet haben. Vie Lage an, Jal« nach einer Meldung an» L§ul. Eine Drahtnachricht des „Reuterschen Bur.* au» Soul vom 23. April besagt: --1—— Die japanischen Linien erstrecken sich auf 30 Meilen küeigGSrs' Ialu von Aongampho bi- 10 Meilen oberhalb WidschuS. Die Russen haben ihre stärkste Stellung bei An tun g. Mehrere Inseln, eine oberhalb, zwei unterhalb Widschus, erleichtern den Angriff, da sie für die Artillerie einen Stützpunkt bei Deckung der Ueberschreitung des Flusses bieten. Japaner landen Truppen und errichten in Huanatschuan, unterhalb Uongamphos, Bauten. Das Landvolk am Nordufer des Ialu ver kauft Vieh und Mundvorräte an die Russen. Mehrere koreanische Offiziere, die verdächtig sind, den Russen als Spione gedient zu haben, wurden von den Japanern verhaftet. Im wesentlichen stimmt diese Nachricht mit der russischen üherein. Neu ist die Mitteilung, daß die Japaner ein be festigtes Lager in Huangtschuan errichten. Arieg unter Aurschlnh -er Oeffentlichkeit. Aus Port Arthur meldet die Ruff. Tel.-Agentur: Ein von Berichterstattern der „Daily News" ausgerüstetes, ge chartertes Schiff ist vor Port Arthur angehalten und sofort aufs offene Meer zurückgeschickt worden. Im Festungs bereich ist alles ruhig. Feuilleton. ns Das Testament des Bankiers. Roman von A. M. Barbour. . Nachdruck verboten. Mit Frau La Grange war eine eigentümliche V-w- änderung vorgegangen. Sie schien auf einmal furcht- sam geworden zu sein, denn sie wagte kaum aufzusehen. Und doch wie von einem unwiderstehlichen Drange ge- zwungon, heftete sich ihr entsetzter Blick auf den Zeugen, als bei der ersten an ihn gerichteten Frage seine klar--, sonore Stimme durch den Saal hallte: „Ich bin in London geboren, lebe aber seit fünfund. zwanzig Jahren in Melbourne in Australien." „Sind Sie mit der Familie Mainwaring der- wandt?" „Nur durch mehrfache Heiraten, die die Skotts und die Mainwarings miteinander verbanden. Ich habe mich jedoch schon seit beinahe einem halben Jahrhundert von dieser Verwandtschaft loSgesagt." „Der in dem Testamente genannte Harold Skott Mainwaring war Ihnen aber bekannt?" „Er war mein intimer Freund. In Australien war er mein GeschäftSteilhaber, Wir trieben Schafzucht und beteiligten unS auch gemeinsam an Minen." „Wie lange wähne Ihre Geschäftsverbindung?" „Etwa sechs Jahre." „Die sind der Pflegevater des zuletzt vernommenen Zeugen?" „Der bin ich vom Tage seiner Geburt au gewesen." „Wie kam das?" „Vein Vater, Harold Skott Mainwaring, siedelte im ersten Jahre seiner Ehe nach Australien über, nicht seiner Enterbung wegen, sondern weil er entdeckte, diß seine Frau ihm untreu war. Er hoffte, sie so allen Ver- sührungen — besonders seinem eigenen Bruder — zu entziehen. Doch gar bald sah er, daß alle seine Opfer vergeblich waren. Und als nach einem Jahre ihre Ent- dindung bevorstand, da faßte er den bcimlichen Ent- schlusz, ihr das Kind wegzunebmen, um eS nicht von der Schmach und Schande seiner Mutter beflecken zu lasten. Er vertraute sich meiner Frau und mir an, und da wir kinderlos waren, willigten wir freudig ein, an seinem Kinde Elternstelle zu vertreten. Als Frau Mainwaring nach der Entbindung schwer krank wurde, kümmerte sich der Arzt fast nur um die Mutter, um das Kind beinahe gar nicht. So gelang es dem Vater, seinen Knaben un- bemerkt in mein Haus zu bringen, nachdem er ihn mit einem wenige Stunden vorher tot geborenen Jungen vertauscht hatte. Einige Wochen darauf fand in einer kleinen Vorstadtkirche Melbournes die Taufe statt, wo bei der Täufling den vollen Namen seines Vaters, Harold Skott Mainwaring, erhielt und auch so in das Kirchenbuch eingetragen wurde. Aber erst mit seinem einundzwanzigsten Jahre nahm er diesen Namen an. Bis dahin wgr er für jedermann der Harry Skott, den Sie hier als Privatsekretär Hugh Mainwarings kennen lernten." „Können Sie für die Echtheit der Aufzeichnungen des Vaters bürgen?" „Das kann ich." „Wie viel« Jahre nach der Geburt seines Kindes fand der Vater seinen Tod?" „Ungefähr fünf Jahre darauf. Er verließ seine Frau bald nach der Geburt des Knaben und lebte meistens in den Minen. Dann wollte er in die Gold felder Afrikas gehen, und einige Monate nach seiner Ab reise bekamen wir die Nachricht von dein Untergange seine» Schiffes und seinem dabei erfolgten Tod." „Hörten Tie jemals von dem hier vorliegenden Testament?" „Erst als der Junge un» davon schrieb." „Können Sie die Identität Ihre« Schützlings als Erbberechtigten noch durch einen weiteren direkten De- weis unterstützen? „DaS kann ich. Sehen Sie hier" — er zog eine große Brieftasche hervor und entnahm ihr ein Papier - - „da» ist die beglaubigte Abschrift auS dem Taufregister der Kirche St. Bartholomä vom 24Dlnni 18.. über den Erstgeborenen de» Harold Skott Mainwaring und der Skeanor Houghton Mainwaring 1" Ein durchdringender Schrei unterbrach Plötzlich die Stille. Frau La Grange hotte ihn au»geftoßen und war bewußtlo» zu Boden gesunken. Der alte Herr zeigt« verächtlich auf sie: „Da, Euer Gnaden, ist eine Zeugin, die eben, wenn auch sehr wider Willen, mein Zeugnis aufs wirksamste erhärtet." Die größte Verwirrung folgte. Der Vorsitzende schloß die Sitzung und beraumte ihre Fortsetzung für den Nachmittag an. Ausgespielt. Die Nachmittagssitzung war tucz, da weitere Zeugen nicht Vorhängen waren und nur Herr Sutherland oie Aussagen noch einmal zusammenfa^te und ihre Un- anfechtbarkeit nachwies. Nun blieb es vorläufig Sache des Richterkollegiums, über die Anerkennung des Testa ments und des Erben emen Entschluß zu fassen. Der Saal leerte sich schnell. Ralph Mainwaring schritt in Begleitung Whitneys hastigen Schrittes dem Ausgange zu und bestieg seine Equipage. Ungeduldig winkte er seinem gemächlich heranschlendernden Sohne, ebenfalls einzusteigen, der aber lehnte die Aufforderung mit dem kühlen Bemerken ab: »Fahrt nur allein. Ich will mir noch etwas Be wegung machen. Znm Mittagessen werde ich da sein." Der Wagen rollte davon, und Hugh blieb einen Augenblick in Gedanken verloren stehen. Dann drehte er sich um und ging in der Richtung zurück, aus der er gekommen war. Plötzlich sah er sich der Gegenpartei gegenüber, die gerade die Stufen des Gerichtsgebäuües herunterkam. Augenblicklich eilte er auf Harold zu und reichte ihm mit einem so offenen, ehrlichen Blick seiner blauen Augen die Hand, daß dieser keinen Zweifel an der Auf richtigkeit der Worte hegen konnte, die aus der Be grüßung klang: „He, alter Junge, freue mich wahrhaftig herzlich, dich wicderzusehcn. Host uns allerdings verdammt über rascht, aber das ändert zwischen unS beiden nichtsI" „Ich habe dak auch nicht anders von dir erwartet, Hugh", tönte es mit gleicher Herzlichkeit zurück. „Mein Vertrauen in dich hat nicht gewankt. Cs drückte mich nur, das; ich dir damals nicht gleich den Sinn meiner Andeutungen erklären konnte, als ich von Uebcrraschun- gen sprach, die dir die Zukunft noch bringen könnte." „No tröste dich, nnch hat do» nicht angefochten", lacht« der Freund heiler. „Ich dachte wohl, wa» mag «r nur habens Da» war aber auch all«». Und fitzt, wo du losgeschossen hast, will ich nicht gerade behaupten, daß die Ueberraschung eine sehr erfreuliche wäre, aber ich will doch versichern, daß, wenn ich nun doch einmal hergeben muß, was ich für mein hielt, ich es lieber dir als irgend jemandem sonst auf der Welt gebe." „Schön von dir, Hugh. Du glaubst nicht, wie froh ich über unser Zusammentreffen bin. Nun wirst du mich doch auch bald besuchen? Ich habe dir viel zu er zählen." „Sicher tue ich das. Zu mir kann ich dich natürlich nicht einladen, aber auf mich sollst du nicht lange warten. Also auf Wiedersehen!" Beide schüttelten sich die Hände. Hugh setzte seinen Weg fort un- Harold fuhr mit seinen Begleitern ins Hotel. Dort übergab der Portier Harold einen Brief mit dem Bemerken, daß der Ueberbringer beinahe eine Stunde gewartet hätte, uni gleich Antwort mitzunehmen. Ein Blick auf die Handschrift der Adresse ließ Harold erkennen, von wem der Brief kam. Mit verdüstertem Gesicht nahm er ibn mit auf sein Zimmer und las: „Mein Sohn! Ich muß Dich unbedingt noch heute sprechen. Komme um 5 Uhr zu mir. Um Gottes Barmherzigkeit willen schlage mir diese Bitte nicht ab. Ich habe Dir etwas mitzuteilen, wovon Deine Seele nichts ahnt. Deine unglückliche Mutter Eleanor Houghton Mainwaring." Harold besprach sich sogleich mit seinen Anwälten und schickte eine zusagende Antwort ab; kurze Zeit später machte er sich auf den Weg. Frau La Grange erwartete ihn mit unbeschreib licher Unruhe. Sie batte die furchtbaren Aufregungen vom Morgen noch nicht überwunden, suchte sich aber für die bevorstehende Stunde zu fassen und vorzubereiten. Diese mußte für ihr ganzes weiteres Leben entscheiden werden. Es galt den letzten, verzweifelten Wurf. Ge- lang er, so mar ihr Spiel gewonnen -- schlug er fehl, dann war alles auS Die neu erwachte Mutterliebe gab ihr Hoffnung, der Rückblick auf ihr Vorleben aber stürzte sie immer von neuem in Furcht, Angst und Zweifel. Der Kamps war ungleich, die Hoffnung indessen bedielt di« Oberhand. (Fortsetzung folgt.)
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