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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.05.1904
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-05-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040527014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904052701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904052701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-05
- Tag1904-05-27
- Monat1904-05
- Jahr1904
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BezugS-PrriS 1» d« Hauptexpedttto» od«r der«, LuSgab*- strlleu abgeholt: vierteljährlich S.—, bei zweimalig»» täattcher Zustellung in« Hau« 8.7V. Durch di« Post bezogen für Deutsch» land n. Oesterreich vtertrljährltch ^l 4.S0, für bi» übrigen Länder laut Zeitvn,»Preisliste. ReHaktiOr gohanni«aasse 8. Spr«chstundr: 8—8 Uhr Nach«. Fernsprecher: 188. GrPestti«»: Johannt-gafle 8. Fernsprecher: Wit. FiltuleMietzMune«: Llfr« d Hahu.vuchhandlg., UniverfltStsstr.8 (Fernspr. Rr. 4018s, L. Lvschr, Katharinen- straße 14 (Fernsprecher Nr. SdSK) n. KSnigS- platz 7 (Fernsprecher Nr. 7K0K), HateHt-Ailtal» Dresien: Marienstrah« 34 (Fernsprecher Amt INr. 1718). H»«tzt-Nlt«le Berlin: LarlLuncker, tzrrzgl.Vayr.Hofbuchbandlg, Lützowstraß« 1v(FernsprecherAmtVI Rr.4SV3^) Morgen-Ausgabe. UtlMgerIaMM Anzeiger. Amtsblatt -es Königlichen Land- und des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Rates und des Rolizeiamtes -er Ltadt Leipzig. Anzeigen-PreiS die 6gespaltene Petitzeile 25 Reklamen unter dem RrdaktionSstrich (»gespalten) 78 nach den Familiennach- richten (8 gespalten) KO Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 Grtn»-Vttl«»ei» (gesalzt), n»r mit der Morgeu-AuSgabe, ohne Postbeförderung ^l 60.—, mit Postbefördrrung 70.—. «nuahmefchluß für Anzeigen: Abend-AuSgab«: vormittags 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: uachmtttagS 4 Uhr. Anzeigen sind stet» an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet »«,» früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck and Verlag von G. Polj in Leipzig (Inh. vr. B., R. L W. Sliuthardt). Nr. 2«3. Freitag den 27. Mai 1904. 98. Jahrgang. Var MGügrie vom Lage. * Der am 7. Juni nach Südwrstafrika abgehende Derstarkuug«1ran«port tritt am 5. Juni auf dem Truppenübungsplatz Doeberitz zusammen. (S. Aufstand d. Herero.) * Der KöniySberger Hausfriedensbruch-Prozeß gegen acht Sozialdemokraten endete mit Verurteilung der Angeklagten zu Gefängnisstrafen von zwei Monaten bis zu zwei Wochen. (S. Dtsch. Reich.) * Der evangelisch-soziale Kongreß in BreSlau wurde gestern geschlossen. (S. Dtsch. Reich.) * Der Budgetausschuß der österreichischen Dele gation nahm die außerordentlichen Forderungen von 88 Millionen für daS Heer und 77 Millionen für die Marine, sowie die zurückaestellten sogenannten Refun- dieruugSposten des Heeres- und MarinecxtraordinariumS a n. * Der Kornträgerausstand in Genua ist bereits beendet. Jirirtirche steratungrsnrlalten. Die Reichs regierung, so hieß es vor kurzem in einer Zeitungsnachricht, beabsichtigt, eine Einrichtung zu schaffen, durch welche dem Arbeiterstande rechtliche Beratung und Vertretung durch solche Personen gesichert würde, die aus der Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten kein Geschäft machen. Mit einer solchen Einrichtung würde in der Tat einem dringenden Bedürfnisse abgeholfen werden. Mit der rechtlichen Beratung und Vertretung der Minder bemittelten ist es zur Zeit wirklich schlecht bestellt. Diese bedürfen oft und in den verschiedensten Angelegenheiten eines rechtskundigen Rates und einer sachkundigen Ver tretung. Doweit^der Arbeitsvertrag in Frage steht, weiß der Arbeiter in gewöhnlichen Fällen ja Bescheid; im Zweifel geht er aufs Gcwerbegericht. Hat er aber dort ein ihm günstiges Urteil erstritten, und gilt es, diese- zu vollstrecken, da beginnt schon die Schwierigkeit. Den Gerichtsvollzieher kennt freilich der Arbeiter häufig nur zu gut. Wie aber Befriedigung aus anderen Ver mögensgegenständen erlangt wird, darin ist er un erfahren. Prozesse vor den ordentlichen Ge richten hat er vorzugsweise mit seinem Vermieter und dem Abzahlungsgeschäfte zu führen, vielleicht auch mit einem Reisebuchhändlcr, der ihm ein Konversationslexikon aufgeredet hat. Hier ist die Rcchtsverteidigung für ihn schon schwierig, die Vertretung in den Terminen mit Verlust an wertvoller Arbeitszeit verbunden. Hat der Arbeiter einen Ehezwist, ist ihm insbesondere die Frau mit den Kindern davongegangen und hat sie gar die Wirtschaft mitgenommen, dann ist ihm guter Rat teuer. Tas Armenamt drängt zur Gewährung des Unterhalts, die Ausgaben wachsen, sein Etat kommt gänzlich aus dem Gleichgewicht. Die Frau macht dazu womöglich noch Schulden auf seinen Namen. Auch inArbeiterver- sicherungsangelegenheiten, in denen eine ganze Reihe verschiedener Gesetze in Frage kommen, die verschiedensten Behörden tätig werden können, besteht das Bedürfnis nach sachkundiger Beratung. Von Wichtigkeit sind dem Arbeiter schließlich auch Staatsange- hörigkeits-, Bürgerrechts-, Wahlrechts- und Steuersachen. An wen wendet sich der Arbeiter, wenn er Rechtsrat braucht? Besteht am Orte ein Volksbureau oder ein Arbeitersekretariat, so nimmt er wohl dies in Anspruch. Es kann auch segensreich wirken. Meist ist es aber mit einem juristisch nur wenig geschulten Per- sonal besetzt, das es zwar ehrlich meint, aber über ernst- hafte Schwierigkeiten nicht leicht hinwegkommt. Bei den meisten Behörden kann der Arbeiter sein Anliegen auch zu Protokoll geben; dabei wird ihm auch Rechtsrat zu teil. Er muß aber erst wissen, an welche Behörde er sich zu wenden hat. Die richtige, für daS konkrete An liegen zuständige herauszufinden, ist für den Nicht- juristen, mag er Arbeiter sein oder nicht, stets schwierig. Außerdem sind bei den meisten Behörden die Kanzleien nur während der ortsüblichen Arbeitszeit geöffnet. Unter Mittag oder nach Feierabend kann der Arbeiter dort nicht vorsprechen. Er mühte also Arbeitszeit versäumen und einen Lohnausfall erleiden. Selbst eine schriftliche Ein gabe abzufassen, vermag er zumeist nicht. Häufig gebt er deshalb zum Winkelschreiber. Das ist im besten Falle ein schiffbrüchiger Kanzleibeamter, der sich auS seiner Beamtenzeit einige Floskeln herübergerettet hat und diese für teure» Geld zu Papier bringt. Die Mehrzahl der Winkelschreiber sind gefährliche Schädlinge, die nicht weiter verstehen, al» armen Leuten ihr Geld abzunehmen. Nun haben wir ja auch da» Armenrecht. Aber auch da» ist eine unzulängliche Einrichtung, unzuläng» lich in verschiedenen Richtungen. Einmal kann e» nur in Sachen bewilligt werden, die vor die ordentlichen Ge richte gehören, hier freilich in allen Sachen: Prozeß-, Vormundschaft»-, Nachlaß-, Grundbuch- und Register- fachen. Der armen Partei kann auch ein Rechtsanwalt beigeordnet werden. Die Bewilligung des Armenrechts nimmt aber erhebliche, oft recht kostbare Zeit in Anspruch. Die Gemeindebehörde muß das Armutszeugnis aus- stellen, das bisweilen noch von der vorgeordneten Staats- behörde zu beglaubigen ist. Dann muß das Zeugnis eingereicht, das Gesuch angebracht, darauf Beschluß ge faßt, der Beschluß zugestellt werden. Nun muß sich der beigeordnete Anwalt erU unterrichten, dann erst kann er tätig werden. Die Armensachen sind für die Anwälte eine erhebliche Belastung. Sie verursachen ihnen Opfer an Zeit und an Geld. Gleichwohl kann man im allgemeinen sagen, daß von den Anwälten die Armensachen mit dem gleichen Eifer und der gleichen Sorgfalt bearbeitet werden wie honorierte Sachen. Es wird sich aber nie ganz vermeiden lasten, daß der Anwalt seine Tätigkeit vorzugsweise den Sachen widmet, die ihm die Mittel zu seinem Lebens unterhalte einbringen. Er kann nicht die wichtige Sache eines zweiten Klienten deswegen zurückstellen, weil ihm eine ebenso wichtige — für die arme Partei ebenso wich- tige — Armensache vom Gerichte zugeteilt worden ist. Uebrigens gibt es zur Zeit noch Anwälte, wenngleich im Verhältnis zum Bedürfnis nicht genug, die nicht zah lungsfähige Parteien freiwillig und unentgeltlich beraten und vertreten, ohne sie enipfinden zu lasten, daß sie da mit ein Almosen gewähren. Eine solche onritas sooialis bat aber ihre Schranken. Die Zeit des vielbeschäftigten Anwalts ist gemessen. Der Anwalt, der nur sein knappes Auskommen hat, kann die Opfer an Geld, die ihm durch solche Vertretung auferlegt werden, nicht ohne empfind liche Schmälerung seines Einkommens bringen. Man muß also das Bedürfnis nach der von der Reichsregierung angeblich geplanten Einrichtung rück haltlos anerkennen. Die Verwirklichung des Gedankens wird keine Schwierigkeiten bieten. Der Wege sind viele. Für die Ehearmensachcn sind schon jetzt bei jedem sächsi schen Landgerichte zwei Anwälte bestellt, die von d^r Justizverwaltung ein festes Honorar erhalten, dafür aber alle Eheprozesse armer Parteien zu führen haben. Das könnte man zum Vorbilde nehmen und weiter ausge stalten. Man könnte auch die juristische Beratungsanstalt in die Gemeindeverwaltung eingliedern oder mit dec Krankenversicherung in Verbindung bringen. Auch die Schaffung einer besonderen Staatsbehörde würde manche Vorteile bieten. Bei dieser könnten dann die Regierungs referendare einen Teil ihres Vorbereitungsdienstes ab leisten und dabei einen Einblick in das Leben des werk tätigen Volkes tun. vr. M. ver Humana der Herero. Vie Verteilung der Streitkräfte. Gouverneur Leutwein meldet aus Windhuk: Die Hauptabteilung wird anfang Juni marschbereit sein. Die Nordabteilung Zülow hat am 23. von Outjo ihren Weitermarsch angetreten. Die Kolonne Estorfs steht bei Okamatangara. Die Hauptmasse des Feindes ist anschei nend bei Waterberg. Bei den so überaus dürftig hierher gelangenden Nach richten läßt es sich nicht ermessen, wie die militärische Situa tion sich weiter entwickeln wird. Möglicherweise hat der Gouverneur Leutwein überhaupt nicht die Absicht, mit den ihm zur Verfügung stehenden, keineswegs schwachen Kräften den entscheidenden Schlag zu führen, möglicherweise aber hält man eS an der Zentrahtelle im Mutterlande für ge boten, zum entscheidenden Schlag erst dann auszuholen, wenn der am 20. Mai nach Südwestafrika entsandte General leutnant v. Trotha auf dem Kriegsschauplatz angekommen ist. V«rftärk«ng»tran»i>ort. Am 7. Juni geht mit dem Norddeutschen Lloyddampfer „Schleswig" wieder ein BerstärkungStranSport von Hamburg ab, der aus 31 Offirieren, 52 Unteroffizieren und 670 Mann besteht. Von den Offirieren sind 22 Preußen, 4 Bayern, 3 Sachsen, 2 Württemberger. Die Mannschaften berühren diesmal Berlin nicht, sondern kommen am 5. Juni auf den Truppenübungsplatz zu Doeberitz zusammen. * Verlustliste. Im Lazarett zu Windhuk ist jetzt der Ma trose Schröder vom Kreutzer „Habicht" gestorben. Er hatte sich zuletzt im Kampfe bei Owikokorero ausgezeichnet. ver nirrirck>.iapanirck)e Weg. Ver Aampf mni psrt Arth«». Tfchifu, 26. Mai. Eine Dschunke, die Dalny am 23. d. M. verlassen hat, berichtet: Die japanische Armee hätte Sauschilipu, die zweite Eisenbahnstation von Port Arthur, erreicht, wobei die Rusten hartnäckig dem Borrücken Widerstand leisteten. Es soll am 22. d M. bei Sanschilipu eine Schlacht stattaefunden haben, deren Resultat noch unbekannt ist. Die Rusten bei Talienwau seien bereit, die Stadt beim Anrücken der Japaner zu zerstören. Nach den besten zur Verfügung stehenden Nachrichten seien die bei Kintschou gelandeten Japaner an der Eisenbah» entlang im Borrücken begriffen, während diejenigen, die in Pitzewo gelandet seien, an der Ostküst« der Halbinsel entlang auf Dalny vorrückrn. I» der letzten Nacht wütete im Golf von Petschili ein heftiger Sturm. * PeterStwe», 28. Mai. Ein Augenzeuge berichtet über de« Kampf im Norden von Taruzchaa am 20. fol gendes: Eine Sotnie marschierte von Takuschan nörd lich , als plötzlich abends in der Nähe des Dorfes Sithutschindse drei Schwadronen Japaner anrückten. Der Kommandeur der Sotnie Belemischew kommandierte vorwärts, worauf sich die japanische Kavallerie zurück zog. Im Vorgehen erst bemerkten die Rusten zahlreiche lapanische Infanterie, die in einem Hinterhalt gelegen hatte. Dre Japaner gaben lebhaft Feuer ab. Der Kommandeur der Sotnie Belemischew wurde schwer verwundet, ebenso zwei andere Offiziere und 34 Kosaken. Nach Meldungen aus Tokio fanden die Japaner bei einer Rekognoszierung die Stellung bei Kaiping von den Russen verlassen. Es wird ein Angriff auf die russischen Stellungen bei Kintschou erwartet, oder er ist schon im Gange. Die Japaner haben schwere Geschütze in Position gebracht. Die Russen sollen 30 größere und einige kleinere Geschütze haben. Es wird ein heftiger Widerstand erwartet, da die Befestigungen stark mit Minen, Drahtzäunen und dergleichen geschützt sind. Eine Tokioer Drahtung der »Daily Chronicle" vom 25. Mai besagt: Ueber 20 000 Russen sind zwischen Fönghwangtschöng und Liaojang konzentriert und treffen Vorbereitungen zu hartnäckigem Widerstand. 10 000 Rusten und etliche chinesische Truppen stehen bei Anschantschang an der Eisenbahn zwischen Liaojang und Haitscheng. Die Rusten befestigen Sinnintiug. Kerft§r««g der M»»«f»le«mr «»« Hanrhe«ng. „Morning Post" erfährt aus Tokio vom 24. Mai: Meldungen aus Söul zufolge überschritten lOOOKosaken die koreanische Grenze. Sie fielen in die Provinz Hamgjöng ein, 500 Kosaken bedrohen die Nachbarschaft von Gensan, wo Flüchtlinge sich nach dem jüngsten Einfälle in Hamheung ansammeln. Die Russen zerstörten das kaiserliche Mausoleum in der Nachbarschaft von Hamheung. Da dieses für ein geweihtes Gebäude galt, erregte seine Zerstörung große Entrüstung bei der koreanischen Regierung. Line japanische Schlappe zur See? Londoner Morgenblätter veröffentlichen eine Drahtmeldung aus Tschifu, der zufolge die russischen Torpedoboote die japanische Flotte angrisfen. Sie bohrten ein Kanonenboot in den Grund und beschädigten zwei Torpedo zerstörer. Deutsches Keich. * Leipzig, 26. Mai. * „Die GrenzSoten" benehmen sich auch in ihrer neuesten Nummer so, wie zu erwarten war — albern. Hier der Beweis: Die Grenzboten rempeln uns an, weil wir einer klerikalisierenden, zaghaften Politik keine Loblieder singen. Wir, die Angerempelten, setzen uns zur Wehr, und nun rufen die Grenzboten: „Schluß". Verehrte Grenz boten, daS ist nicht kommentmäßig; und wenn man auch den Amateur-Publizisten des Blattes manches nachsehen darf, soweit eS sich um Schreibfertigkeit und andere unerläßliche Vorbedingungen für den publizistischen Beruf handelt, so muß man doch im Benehmen wenigstens Mittelmäßigkeit verlangen. Aber die Grenzboten rufen, nachdem sie gerempelt haben, in edelstem Deutsch: „Damit Schluß für immer gegenüber dem L. T."! Jedoch vor diesem Schluß leisten sich die Grenzboten noch einige persönliche Ungezogenheiten. Wir sind dem Blatte nicht alt genug und schreiben „unmaßgeb liche" und „unziemliche" Artikel aus geschäftlicher Speku lation. Courage ist eine schöne Sache, nur nicht die Courage zur Plattheit. Und was ist es anders als ödeste Plattheit, seinem Gegner „vorzuwcrfen", er sei zu jung. DaS verrät ein so unglaublich tiefes geistiges Niveau, daß man fürchten muß, gar nicht verstanden zu werden. Wir könnten ja im Jargon der Grenzboten darauf ant worten, daß eS der eine früh, der andere spät und mancher gar nicht lernt, aber uns genügt eS, diesen vernichtenden „Vorwurf" der Jugend hier abzu drucken. Aber auch das Wort von der „geschäftlichen Spekulation", der wir unS befleißigen sollen, trifft uns nicht schwer. Wir teilen diese Sunde nämlich nach Ansicht der Grenzboten mit ehrenwerten Leuten, von denen daS stolze Organ an derselben Stelle wörtlich sagt: „Der nationale Liberalismus ... ist ... leider so herabgekommen, daß er wenig andres mehr ist als «ine Interessenvertretung, die sich mit dem zerschlissenen Ge wände alter Parteiprogramme drapiert, aber schlechterdings keinen neuen politischen Gedanken mehr hat. . . ." So, nun wissen die Bürger von Leipzig, die sich zum nationalen Liberalismus bekennen, wie die Grenz boten über sie denken, und um was eS sich handelt, wenn die Grenzboten sich wieder einmal in Verdächtigungen und Angebereien üben sollten. Wir legen einigen Wert darauf, gerade daS zu konstatieren, damit das Blatt wie in politischen Dingen auch mit seinen Botenkünsten nicht ernst genommen werde. * Gin interessanter Korrespondent. Die „Agence HavaS" in Paris beglückte dieser Tage die französische Presse mit folgender Meldung: Berlin, 20. Mai. In seiner Rede zum Schloß d«S sächsischen Landtages betont und beklagt König Georg von Sachsen die unheil volle Finanzpolitik der kaiserlichen Regierung, die den Haus halt d«r Bundesstaaten in Verwirrung bringe. Diese Rede hat einen tiefen Eindruck gemocht, umsomehr, alS König Georg erklärt hat, daß seine Regierung Maßregeln ergreifen würde, um dieser unerträglichen Situation «in Ende zu mach««. Daß dies den Tatsachen nicht entspricht, ist unseren Leser« au» der in Nr. 253 abgedruckten Thronrede bekannt. Man könnte über die Sache selbst einfach yiaweggehen, wenn nicht die französische Presse zum Teil Kommentare an diese Meldung geknüpft hätte, die eine scharfe Zurückweisung verdiene«. Die französischen Blätter stellen nämlich di« Meldung, gestützt auf die Autorität der „Agence HavaS", al» unumstößliche« Zeugnis für den bevorstehenden Zerfall des Deutschen Reiche« hin. Da« Be dauerlichst« und geradezu Beschämend« an der Sach« ist aber, daß di« falsche Meldung sicht etwa durch eia Mißverständnis eines vielleicht der deutschen Sprache nicht völlig mächtigen Franzosen in die Welt gegangen ist, sondern durch einen Korrespondenten, als dessen Wohnort die „Münch. N. Nachr." deutlich genug Kötzschenbroda bezeichnen, und der demgemäß Uber den wirklichen Sachverhalt nicht nur geuau unterrichtet sein konnte, sondern es sein mußte. * * verltn, 26. Mai. * Das Prämiensystem der Lohnzahlung in der Maschinenindustrie wird von Henry W. Macrosty in der „Sozialen Praxis" ausführlich dargestellt. In Amerika durch I. A. Halsey im Jahre 1890 eingeführt, ist dieses System auch in England von sehr großen Betrieben der Privatindustrie, wie zum Beispiel Armstrong, und selbst von einigen Regierungswerften an genommen worden. Das Prämiensystem setzt die Arbeiter in den Stand, über ihren regelmäßigen Wochen- lohn hinaus noch Extraverdienst dadurch zu erlangen, daß sie ihre Arbeit in weniger Zeit vollenden, als dafür vor geschrieben ist; ist die Arbeit in befriedigender Weise bin- iren kürzerer als der festgesetzten Zeit fertiggestellt, so ist der Arbeiter zu einer Prämie berechtigt, deren Höhe nach der ersparten Zeit wechselt. Die Prämie zu berechnen, gibt es verschiedene Arten. Die früheste Methode war, dem Arbeiter eine feste Prämie für die ersparte Zeit zu geben, bisweilen ein Drittel des Lohnes, manchmal die Hälfte. Der Mangel hierbei war, daß bei sehr großer Zeitersparnis der für die Arbeitszeit gezahlte Lohn so hoch wurde, daß der Arbeitgeber den Lohnsatz verringerte. Die zweite Methode, nach ihrem Urheber Rowan benannt, besteht darin, daß der Arbeiter eine Prämie erhält, die in demselben Prozentverhältnis zu dem festen Lohne steht, wie die Zeitersparnis zu der festgesetzten Arbeitszeit; wenn der Arbeiter z. B. 10 Prozent Zeit bei einem Werk stücke erspart, wird sein Lohn um 10 Prozent in der Stunde erhöht. Vom Standpunkte des Arbeitgebers hat das Prämiensystem nicht nur den Vorzug einer Vermin derung der Produktionskosten, sondern auch noch andere Vorzüge. Dahin gehört der Antrieb für den Arbeiter, Verbesserungen der Arbeitsweise und der Werkzeuge vor zuschlagen, die ihm Zeit ersparen lassen. Dahin gehört ferner, daß der Arbeiter Maschinen und Geräte in guter Ordnung haften wird. Außerdem geben die Zeitfnsten, die von den Einzelnen bei Fertigstellung eines Werkstückes eingehalten werden, wertvolles Material für die Fest stellung der Arbeitskosten, und aus ihrer Vergleichung kann ein geschickter Betriebsleiter sowohl die Quelle ir gendwelcher Versäumnis erkennen, als auch auf den größe ren oder geringen Nutzen der Produktionsmethoden schließen. Was das Prämiensystem durch Vermehrung des Schreibwerkes und des Aufsichtspersonals an Mehr- kosten erfordert, fällt nach Macrosty nicht ins Gewicht. * Der Kongreß für gewerblichen Rechtsschutz nahm am Donnerstag den Antrag an, daß innerhalb des Unionsgebietes der Markenschutz nicht vom Schutz im Ursprungslande abhängig gemacht wird, ferner einen Antrag Vigouronz, wonach die auf die Jndividualmarken bezüglichen Vorschriften der Pariser Konvention auf Kol lektivmarken anwendbar sind, die von Behörden, Ver bänden, Vereinen usw. angenommen sind, unter der Be dingung, daß diese Vereinigungen den Nachweis der Rechtsfähigkeit im Heimatlande erbringen. Schließlich wurde ein Antrag Seligsohn angenommen, nach dem die Beschlagnahme rechtswidrig bezeich neter Waren im Absatz 1 und 3 des Artikels 9 der Pariser Konvention obligatorisch gemacht wird. * * Königsberg i. Pr., 26. Mai. In dem Prozesse gegen die acht Mitglieder der sozialdemokratischen Partei wegen Hausfriedensbruchs, begangen am 2. November 1903 in einer anläßlich der Abgeordnetenhauswablen ab gehaltenen Wählerversammlung der vereinigten Liberalen wurden vr. Gottschalk zu 2 Monaten, Redakteur Linde zu einem Monat und die übrigen 6 Angeklagten zu je 2 Wochen Gefängnis verurteilt. * Weimar, 25. Mai. Um allem Preßstreit über die An wesenheit oder Nichtanwesenheit des Bischofs von Fulda bei den kürzlich hier stattgefundenen Beisetzungsfeierlich keiten und über die erregt debattierte Rangfrage ein Ende zu machen, erklärt heute abend die amtliche „Weimarische Zeitung" an erster Stelle: Zahlreiche Zeitungen bringen die Nachricht, daß im Trauerzug bei der Beisetzung I. K. H. der verw. Frau Erbgroßherzogin der Bischof von Fulda an der Spitze der Geistlichkeit gegangen sei. Der Bischof hat an den BeisetzungSfeierlichkriten überhaupt nicht teilgenommen. Er war vertreten durch den Domkapitular Herbener, der mit zwei anderen katholischen Geistlichen und mit dem englischen Kaplan zu Weimar deshalb die erste Gruppe der im Ornat er schienenen Geistlichkeit bildete, weil di« Geistlichen derjenigen Konfession, der die Frau Erbgroßherzogin angehürte, die nach dem Leichenwagen zu nähere Stelle im Zuge zu beanspruchen hatten. So schlossen sich der ersten Grupp« der Geistlichkeit die evangelischen Geistlichen auS Landorten, die Vertreter des Groß herzoglichen Kirchenrat», die Geistlichen der Stadtkirche und die Geistlichen der Hofkirche an, unter letzteren der Ministrant Oberhof prediger v. Spinner. In gleicher Weise war die Zugordnung bei den früheren fürstlichen Leichenbegängnissen festgesetzt. Sie ent spricht der Natur der Sache. UebrigenS sei daran erinnert, daß bei fürstlichen Trauerzügen die Zugordnung vor dem Leichenwagen «ine aofsteigrnde und nach dem Leichenwagen eiue absteigende ist. Man Hot also keinen Grund, die Zogordnung für die Geistlichkeit irgendwie zu beanstanden." * »«« vberfchlefie«. Wie verlautet, stehen im Lager der katholischen Geistlichkeit Oberschlesien« umfangreiche Veränderungen in der Stellenbesetzuna bevor, die mit dem Beuthener „Gornoslazak"-Prozeß de« Fürst bischof« Kopp in Zusammenhang gebracht worden sind. * vre»la«, 26. Mai. In der heutigen Sitzung des tvan- arlisch-sozialen Kongresse» erstattete zunächst Generalsekretär Pastor I-io. «chneemtlcher-Rummel-barg de« IadrrSbericht, »ach dem der Kongreß SKO Mitglied«! zählt. Sodann referieren Privat-
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