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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.05.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-05-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040530029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904053002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904053002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-05
- Tag1904-05-30
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Sonderartikel.) * Aus einer Rauchwarenhandlung am Leip, ziger Brühl wurden Zobel- und Chinchilla- feile im Werte von 100 000 ./k gestohle n. * Der Reichsverband jungliberaler Vereine hält einen außerordentlichen Vertretertag am 19. Juni in Frankfurt a. M. ab, zur Beratung über das preußische Schulkompromiß. * Der französische Kolonialkongreß wurde gestern in P a r i s e r ö f f n e t. (S. Ausld.) * Ter KonigvonSpanien empfing gestern die deutschen Offiziere, die ihm im Auftrage Kaiser Wilhelms Uniform und Abzeichen eines deutfchenAdmirals überbringen. * Die Differenzen zwischen Brasilien und Peru wegen des Acregebiets sind in der Hauptsache b e i g e l e g t. Serrer lreine, alr redlechte Oereire. In der „Breslauer Zeitung" veröffentlicht der Ab- geordnete Dr. Müller-Sagan einen „Der Schul antrag im preußischen Landtage" betitelten Artikel, welcher einige interessante Einzelheiten enthält. Es muß zum Beispiel auf den Absatz 6 des Antrages vr. Hacken- berg und Genossen hingewiesen werden, der folgender maßen lautet: „Es sind zur Verwaltung der Schulangelegenheiten neben den ordentlichen Gemeindebehörden in den Städten Schuldepu tationen und auf dem Lande Schulvorstände cürznrich»cn, bei denen der Kirche, der Gemeinde und den Lehrern eine an gemessene Vertretung zu gewähren ist." Man bemerke, daß die Kirche an erster Stelle ge- nannt wird: dementsprechend dürfte denn auch die „an gemessene Vertretung" ausfallen. Bemerkenswert sind auch die Aeußecungen, in denen der hochkonservative Ab geordnete I)r. p. HeydebrandundderLafa seine Zustimmung zu dem Kompromiß gab. „Es ist viel wert, wenn es ausgesprochen wird als ein Grundsatz im Gesetz, daß unsere Schule auf konfessio neller Basis errichtet werden soll, daß die Lehrer der Kon fession entsprechend Unterricht zu erteilen haben, daß die Simultanschulen als Ausnahme vom Prinzip der konfessio nellen Schule nur aus ganz besonderen Ursachen, die wir billigen, wie sie hier genannt sind, zulässig sein sollen, daß für die Minoritäten unter allen Umständen gesorgt werden mutz und datz durch eine Gestaltung des Schulvristandes, wie sie hier vorgeschlagen ist, Sorge dafür getragen wird, daß wirk- lick das konfessionelle Leben in der Schule uns auch so er halten wird, wie wir im Interesse des Volkes unter allen Umständen wünschen." Montag den 30. Mai 1904. Das ist klar und deutlich und nicht minder klar ist es, baß ein Antrag, mit dem die Konservativen so überaus zufrieden sind, für die Liberalen unannehmbar sein muß, für diejenigen Liberalen wenigstens, die nicht wie der Pastor Hackenberg durch Berufswünsche in der Be urteilung der Frage irregeleitet wurden. Herr Hacken berg trieb den Optimismus so weit, daß er das große Wort gelassen aussprach: „Eine recht geartete Kon- fessionsschule wird doch zum mindesten auch ihren Ruhm darin sehen, eine Pflanz- und Pfleg st ätte der Toleranz, der Intelligenz und des Patriotismus zu sein". Mit erfreulicher Entschiedenheit hat sich der Ab- geordnete Kopsch über die Angelegenheit geäußert; er sagte: „Unsere Ansicht bleibt nach wie vor unverändert dieselbe. Wir sagen: schon in dem Worte Volksschule liegt ausgesprochen, daß im Prinzip die Jugend nicht getrennt, stmdern mit Aus nahme des Religionsunterrichtes gemeinsam zu unterrichten ist. Wir erblicken in dieser Gemeinsamkeit des Unterrichtes nicht eine Quelle des Unfriedens, sondern ein Mittel, die Gegen sätze zu begleichen, den konfessionellen Frieden zu fördern, und die Erfahrung, die wir in Hessen-Nassau, wo die Simultan schule allgemein eingeführt ist, gemacht haben, beweist, datz du e unsere Auffassung durchaus berechtigt ist." Inzwischen hat nun auch der Vorsitzende der Fraktion der freisinnigen Vereinigung, Abgeordneter B r ö m e l, eine Erklärung erlassen, aus welcher hervorgeht, daß die Herren v. Zedlitz und Genossen einen Husarenritt ver übt haben, wie er ja in der neusten parlamentarischen Ge schichte Deutschlands keineswegs vereinzelt dasteht. Tie überrumpelte freisinnige Vereinigung schließt sich nach träglich dem Protest gegen den Antrag selbst, sowie die dabei beliebte Ueberrumpelungstaktik rückhaltlos an und damit ist hinsichtlich der Stellung der linksliberalen Par teien endgültige Klarheit geschaffen. Die offiziöse „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" redet den Nationalliberalen im Biedermannstone ins Gewissen. Im Grunde genommen variiert sie dabei das bekannte Sprichwort von dem Sperling in der Hand, der besser sei als die Taube auf dem Dache. Sie führt aus, daß die Einführung der Simultanschule als eines Normal- zustandes schlechterdings unerreichbar gewesen sei und daß der Verzicht der Rechten auf die strikte Durchführung des Konfessionalitätsprinzips ein höchst schätzbares Zu- geständnis darstelle. Wir haben aber erst eben gesehen, wie anders die Konservativen den Antrag beurteilen. Das offiziöse Blatt betont dann, daß die Befürchtungen bezüglich eines Ueberwucherns des Konfessionalitäts- Prinzips hinfällig seien, weil der Volksschule ihr Charakter als Staatsanstalt im vollen Sinne erhalten bleibe. Wir können aber leider nicht einsehen, warum im Staate nicht eine Konstellation eintreten sollte, in welcher das Kon- fessionalitätsprinzip mit völliger Nichtachtung aller da- gegen sprechenden Gesichtspunkte durchgeführt werden würde. Wir müssen sogar gestehen, daß diese Entwick lung uns als wahrscheinlich erscheint. Hätte die national liberale Fraktion — so folgert das Regierungsorgan weiter — an der Stabilierung eines Jdealzustandes fest gehalten, so würde sie sich selbst von der aktiven Be teiligung an der Legislative über die Volksschule aus geschlossen haben. Die „Nordd. Allg. Ztg." mahnt dann zur Besonnenheit und wirft die Frage auf, ob nicht die Partei durch ernstliche Desavouierung ihrer Führer in einen ihr höchst schädlichen und gefährlichen Zustand der Desorganisation geraten müßte. Wir können leider nicht leugnen, daß diese Frage wohl berechtigt ist. Indessen trägt an einer solchen — immer doch nur vorübergehenden — Desorganisation, wenn sie sich wirklich nicht vermeiden läßt, lediglich das Verhalten der Führer die Schuld. Die Partei ist aber nicht wegen der Führer, sondern die Führer sind der Partei wegen da. EineParteiaber,die ihre vornehmsten Grundsätze aus takti- schen Rücksichten verleugnet, müßte ab- danken. So weit aber sind wir — Gott sei Dankl — noch nicht. Tie nationalliberale Partei hat noch eine Zu kunft und eine Aufgabe; allerdings nicht die, die die Herren Hackenberg und Friedberg ihr vorzeichnen wollen und die darin besteht, um jeden Preis „mitzumachen". Unserer Ansicht nach ist es besser, keine Gesetze zu machen, als schlechte Gesetze. Srorrdeirog friedlich Mdrlm von Mecirlenburg-Ztrelitr f. Nach einer Drahtmeldung aus Neustrelitz ist Groß» Herzog Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Strelitz letzte Nacht 12»/, Uhr im 85. Lebensjahre gestorben. Mit dem Großhrrzog ist der älteste deutsche Bundesfürst aus dem Leben geschieden. Großherzog Friedrich Wilhelm war als Sohn der GroßherzogS Georg und der Großherzogin Marie, ge- borenen Prinzessin von Hessen-Cassel, am 17. Oktober 1819 geboren, hat also ein Alter von 84'/, Jahren erreicht. Seit 1843 mit der Prinzessin Auguste Karoline von Großbritannien vermählt, folgte er am 6. September 1860 seinem Vater in der Regierung. Sein Nachfolger ist sein ältester, am 22. Juli 1848 geborener, seit 1877 mit der Prinzessin Elisabeth von Anhalt vermählter Sohn, Erb- großherzog Adolf Friedrich, aus dessen Ehe zwei Töchter und zwei Söhne entsprossen, deren ältester, der am 17. Juni 1882 geborene, nunmehrige Erbgroßherzog Adolf Friedrich als Leutnant bei den ersten Garde-Ulanen steht. Ein schon 1876 gestorbener Bruder deS GroßherzogS Friedrich Wilhelm war der mit einer Großfürstin von Rußland vermählte Herzog Georg. Seine Nachkommen leben in Rußland. Politisch ist der Großherzog in den letzten Jahrzehnten wenig mehr hervorgetreten. Er führte seine Regierung ganz und gar im Geiste des Feudalsystems, so daß sein Land noch heute keine Verfassung besitzt. Der Neugestaltung Deutschlands 1866 zeigte sich der Verstorbene wenig geneigt. Beim Aus bruch des Krieges gegen Oesterreich trat er nur zögernd auf Preußens Seite. Sern Kontingent kam in dem Kriege nicht mehr zum Schlagen. 88. Jahrgang. ver Fuktaml der Herero. Waffen- nnd Mnnitiantverssrgnng -erHerers. Daß die Herero Waffen und Munition durch Ver mittlung der Ovambo von portugiesischen und auch eng lischen Händlern über die Grenze von Angola bezogen baden, ist eine bekannte Tatsache, und die drei von Ovambo geleiteten Munitionswagen für die Herero, die Leutwein in seiner letzten Meldung erwähnt, beweisen, daß die Versorgung der Aufständischen auf diesem Wege noch ungeschwächt andauert. Von Interesse erscheint nun die Beantwortung der Frage, womit Waffen und Mu nition den Händlern bezahlt werden. Natürlich ist Vieh ein Zahlungsmittel; aber es ist nicht das einzige. Die Händler nehmen auch Sklaven. Wohl schon seit längerer Zeit, jedenfalls schon vor dem Aufstande, hat eine lebhafte Sklavenausfuhr aus dem deutschen Schutzgebiet über den Kunene nach Angola stattgefunden, ohne daß das Gouverne ment in der Lage war, dagegen einzuschreiten; wahr scheinlich hat es davon auch nichts gewußt. Seit kurzem befinden sich nach der „Voss. Ztg." aber die Beweise für diesen Handel — förmliche Geschäftsbriefe, in denen von Lieferung von Waffen und Munition gegen Sklaven die Rede ist — in den Händen des Windhoeker Gouverne ments, und der Kolonialabteilung dürften sie also viel leicht auch bekannt sein. In Angola gelten diese ein geführten Sklaven als „freie Arbeiter", sie gehen aber wohl vorzugsweise als solche nach den Plantagen der portugiesischen Inseln im Busen von Guinea. Es ist wohl anzunehmen, daß die deutsche Regierung Portugal sehr ernstlich über diesen Sklavenschmusigel aus Deutsch- Süüwestafrika befragen wird. Allein wir können unserm Nachbarn im Grunde keinen größeren Vorwurf machen, als uns selber: Portugal hat es nicht vermocht. Herr in seinen Grenzgebieten zu werden, und wir nicht in den unsrigen. ver slittirch-iapanirchr Flieg. Vie ASinpfe rrrn Aintfchs«. Aus Tokio bringt „Reuters Bureau" folgende ergänzende Meldungen: Das japanische Geschwader, welche-an dem Angriff auf Kintschou teilnabm, lief am Mittwoch in die Bückt ein. — Die stürmische See verhinderte das Geschwader, sofort einzugreifen. Als da« Wetter günstiger geworden war, näherte sich das Geschwader am Donnerstag früh der Küste und beschoß die russischen Batterien, während die Torpedobootflottille das Feuer auf die Eisenbahn beim Schaoslusse richtete und Lotungen vornahm. Der Ansturm auf Nau sch an war einer der wildesten und blutigsten in der modernen Kriegsgeschichte. Während des ersten Stürme würde jeder Offizier und jeder Mann weggeschossen, ehe er die russische Linie erreichte. Bei den: letzten Versuche, der durch das Feuer der Artillerie unterstützt wurde, gelang es, die russische Linie nr durchbrechen. Es war ein großes Glück für die Japaner, daß die Minrndräyte auf gefunden wurden; wären die Minen explodiert, so hätten die Japaner ungeheure Verluste erlitten und die Russen hätten ihre Stellungen halten können. Um 11 Uhr vormittags waren die Hauptbatterien der>Ruffen zum Schweigen gebracht. Zwei russische Feldbatterien zogen sich auf Hankwangling zurück, von wo sie die Japaner bis zum Anbruch der Nacht beschossen. Die japanische Infanterie ging bis auf Gewehrschußweite vor, bi- fie auf den Drahtzaua traf. Als eine Oeffnung gefunden war, Feuilleton. Tamms Garten. 12j Roman von Wilhelm Jensen. Nachdruck »erboten. „Weil" — ihm fiel nicht gleich ein triftiger Grund für seine Behauptung ein — „schon weil die Stimme eines Mädchens seiner klingt — und weil eS auch anders auS- Darüber lachte sie fröhlich auf. ,Hast du mich denn heute schon angesehen?" „Ich sehe dich ja an —" „Aber siehst doch nicht, daß ich anders aussehe. Das scheint dir doch gleichgültig zu sein." Zuerst verstand cr's nicht, allein dann fiel's ihm wie Schuppen von den Augen, als sie mit der Hand eine deu tende Bewegung gegen sich machte. Gr hatte bis jetzt nicht wahrgenommen, daß sie ein anderes Kleid als bisher trug, denn es war beinah völlig von der nämlichen Färbung wie das frühere, nur der Stoff seiner und anschmiegsamer. Freudig stieß er auS: „Ja, nun seh' tch's erst, du hast dein neues Kleid bekommen — die gleiche Farbe hatte mich's nicht — warum hast du die wieder ausgewählt?" Ein leicht schmollender Zug ging um ihre Lippen. „Jst's dir nicht recht? In den Garten hier gehört doch die Birgilsaster hinein. Von dir hab' ich'S ja, und für wen trag' ich's denn, als für dich? Ich dachte, es würbe dir Freude machen." Sic verstummte mit einem GestchtSauSdruck der Ent- täuschung, doch nnr kurz, denn hinterdrein flog ihr rasch beglückt-srohlockend vom Munde: „Und die neuen Schuhe hast du auch nicht bemerkt!" Ihren Kleidsaum um eine Handbreit von den Knöcheln zurückraffend, streckte sie ihm in ktnderhafter Freudigkeit ihre Füße zur Schau dar, die nicht mehr von den früheren bäurisch-plumpen Schuhen, sondern schmal-zierlichen umschlossen waren; darüber hov sich in feingewirktem Strumpf das Bein gleicherweise zierlich und schmal aus. Dieter sah einen Augenblick wortlos drauf nieder und sagte dann: „Ja, die paffen dir besser — was für kleine Füße du hast — und —". Er stockte oder sprach nicht aus, weil sic einsiel: „Die sind bei Mädchen ja immer kleiner, als bet euch; immer nicht, aber bet einigen. Hast »u's nicht gewußt? Das darf ich doch sagen, ohne das du mich schiltst, denn das ist ja einmal bei Mädchen so." Ihre Hand schlug das Kleid wieder herunter, während sie hinzusetzte: „Und es geht sich so gut darin, viel leichter. Das danke ich alles dir und weiß sicher, was ich daran habe, während mir noch gar nicht gewiß ist, ob ich wirklich von dir Dank dafür verdiene, daß du mtt Herrn von Petzold zusammen- gekommen bist; dazu müßte ich selbst ihn erst sehen und sprechen hören, ob er deiner Freundschaft wert ist- Wollen wir nicht einmal ein bischen mit einander gehen? ich bin noch nie weiter in den Garten hineingekommen. Dann wirst du'S an meinem Gange merken, wie vortrefflich die Schuhe von dir mir paffen. Aber du mußt mich führen, ich weiß ja nicht Bescheid hier." Sie stand auf und faßte nach seiner Hand; er folgte ihrer Aufforderung, doch machte ein wenig schwankende Schritte, so daß sie fragte: „Drücken dich deine Schuhe? mich däucht, du gehst so." Er antwortete hastig: „Nein — wohl vom Sitzen — mir ist's nur ein bischen schwindlig, das wird gleich vorbei sein." Schalkhaft erwiderte sie: „Ich glaube, es ist eher eine Nachwirkung von dem Wein, den du gestern Abend ge trunken hast, -er treibt dir das Blut zu Kopf. Nur gut, datz es nicht in der Hoffnung war und ich ihn dir nicht präsentiert habe, sonst käm'S von mir her. Du bist heut' in der Laune, mir bei allem Schuld zu geben. Und das nennst du, daß ich dir nichts Geringeres bin als du und kein Unterschied zwischen dir und mir ist." Boll mädchenhafter Anmut war ihr schelmisches Sprechen, wie ihre Erscheinung in dem neuen Amellakleid; das hob durch seinen Zuschnitt ihren schlanken Wuchs in ganz anderer Weise hervor, bauschte mit gekräuselten Falten über ihrer Brust, fast wie ein Besatz von wirklichen BirgilSastern. So lieh sie nicht an eine WtrtschastSauf- Wärterin denken, hatte mit den feingeschnittenen Zügen ganz Art und Wesen einer eben aus den Kinderschuhen herausgewachsenen jungen Dame; bet'm Auftritt auf den Boden erzeugten ihre wirklichen Schuhe einen leicht knisternden Ton. Die Beiden gingen durch den stillen Garten umher; er sprach nur wenig und seine Stimme klang wie auS beengter Brust, als dauere die Nachwirkung deS Weines doch noch mit einem Blutandrange bei ihm fort. Tie dagegen redete fröhlich und viel, gleich einem Kinde, das über alles ihm zu Gesicht kommende in Ver wunderung geriet. Hauptsächlich darüber, wie sonderbar es sei, datz der große Garten niemandem gehöre; der ihn angelegt und besessen habe, müsse wohl lange tot und ohne einen Erben gestorben sein. Aber merkwürdig blieb's doch, wie alles drin wuchs und verdarb, ohne datz jemand es anrührte und Nutzen davon hatte, als wären's lauter Giftkräuter und Giftsrüchte. „Und das sind sie doch nicht", sagte sie lachend, „sonst müßten wir s doch erfahren haben. Oder hast du etwas von Gift in den Pflaumen gemerkt? Glaubst du vielleicht, das dein Schwindel von ihnen her rührte ?" Tas verneinte Dieter rasch, obwohl es ja nur ein Scherz war; doch auf die schwarze Glaskugel deutend, meinte sie jetzt: „Die sieht wirklich wie eine grohe Toll- ktrsche aus, wozu steht sie da?" Und gleich hinterdrein flog ihr vom Mund: „Pfui, was für ein garstiger Spiegel ist das, der macht einen ja abscheulich! Komm', sieh nicht hin! Der ist eine Tollkirsche." Sie zog Dieter hurtig an der Hand weiter; er hatte nur flüchtig wahr- genommen, daß ihm von der Kugelrundung ein fremd verzerrtes, wie höhnisch lachendes Gesicht entgegengeblickt. Nun sagte sie: „Das ist ein boshaftes Ding und lügt, du sahst auch ganz närrisch drin aus. Ich war ganz er schrocken über dein Bild. Nicht wahr, so sind wir zum Glück nicht?" Eine Aufforderung klang d'rauS, daß er sie selvst daraufhin ansehen sollte, und er tat Lies, doch seine Augen wichen schnell mit einer Scheu an den ihrigen vorbei; stotternd brachte er hervor: „Ich kenne es schon — die Glaskugel spiegelt ganz falsche Bilder — ganz anders." Verwundert antwortete sie: „Du sprichst so und bist sonderbar heute, als wärest du abwesend und dächtest an etwas, was du nicht sagst. Wird's dir doch lang weilig, hier so lange mit einem Mädchen herumzugeh'n, und möchtest du mich los sein?" Hastig stieß er auS: „Nein — nein, ich denke an nichts — garnichtS. Hier kommen wir zu dem kleinen Tempel oder dem Pavillon —" Sie waren an die Ausrundung gelangt, auf die der gelbe Säulenbau heruntersah. Doch Amelia hatte sich den ander- vorgestellt und meinte: „Da sollte ein großes, schönes Haus stehen und das Haus mtt dem Garten sollte dir gehören. Das könnte ich mir prächtig denken — da oben ist wohl eine Sonnenuhr gewesen, am Pastoren- bauS bei unS im Dorf war auck eine, darauf konnee man sehen, was für Zett sei. Könnt ich -aS hier auch irgend- wo, würd' ich mich nicht wieder verspäten, daß du keine Angst um nrtch zu haben brauchtest. War das töricht von dir — waS hättest du dei n getan, wenn ich garnicht ge kommen wäre? Aber da sieht schon die Monvuhr am Himmel, die geht noch und zeigt, daß eS höchste Zett für mich nach HauS ist. DaS ist recht schade, ich kann mir vor stellen, es müßte hübsch sein, hier einmal bei'm Mond schein herumzugeh'n, wenn er noch mehr Licht hat, und da auf der Bank zwischen -en Säulen zu sitzen. Vielleicht glückt's mir einmal, am Abend wegzukommen, bänn bist du freilich nicht hier, und muß ich mir alles allein ansehen, aber ich erzähle dir dann am andern Tag davon. Jetzt muß ich laufen, sonst geht'S mir schlecht." Sie wandte sich um und eilte wieder dem andern Gartenende zu, es sah auS, als habe sich ein schlanker Birgilsasternstrauch vom Boden losgemacht und schwebe win-getragen durch den Gang fort. Der Mond hatte seine Sichel während der letzten Tage zur Hälfte aus- gefüllt, stand bei der noch vollen Lichthelle nur wie ein weißes Wölkchen im Blau und spiegelte sich so aus der schwarzen Glaskugel als ein winziger Punkt zurück, wie's vor acht Tagen einmal die nach Beute umlauernde weiße Katze getan. Dieter lief hinter der immer behender Davon eilenden drein, ihmwar's, sie künnesichplötzlich aufKlügeln emporheben und in der Luft verschwinden. Erst an der Buchenhecke holte er sie ein, wo sie vor ihrer Zugangslücke stehen blieb und, den Kopf gegen ihn umdrehend, mit einem ernsten Gcsichtsausdruck fragte: „Soll ich morgen wtederkommen? Ich glaube, eS ist besser, datz ich eine» Tag wegbleibe, damit du ungestört über das nachdenken kannst, was dir heute im Kopf herumgeht. Jst's dein Freund Petzold oder das, was du zu lernen hast?" Noch atemlos vom Lausen, rang er heraus: „Nein — ich warte hier morgen auf dich — und iah mich nicht warten — du kannst ja freilich noch nicht nach -er Zeit sehen —" „Wenn du's doch willst — ich will achtzugeben suchen, daß ich mich nicht verspäte." Die Antwortende schlüpfte abgewandt in den Zaun, doch rief gleich danach: „Das dumme Ding — bin ich denn nicht an der rechten Stelle?" „Warum? Was hast du?" fragte er. Sich halb um kehrend, versetzte sie: „Ein spitzer Zweig hat sich an mir eingehäkelt und hält mich fest." So nahm er's jetzt auch gewahr, ihr Kleid war am Hals losgegangen, so datz dieser ein Stück wett gegen die Brust herab cntblützt her vorsah, ein paar Blätter hingen drüber. Dieter entflog schreckhaft: „Hat er dich selbst auch — tut's dir weh?" — „Daran läge nichts, auf mich kommt » nicht an, nur mein neues Kleid von dir. Kannst du sehen, ob's zerrissen ist? Wo sitzt denn der abscheuliche Zweig fest, ich kann'» nicht finden."
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