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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 28.10.1905
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1905-10-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19051028022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1905102802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1905102802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1905
- Monat1905-10
- Tag1905-10-28
- Monat1905-10
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lL6 99. Jahrgang. Nr. 551 Touuabeud 28. Oktober 1905. Abend-Ausgabe Anzeigen-PreiS die 6 gespaltene Petitzetl« L5 Pf. Famllien^ WohuuagS- and Stelle» «nzeigen LO Pf. Finanzielle «»zeigen, EeschüstSauzetgen unter Text oder an besonderer Stelle nach Tarif. Für da- Erscheinen an bestimmten Tagen u. Plätzen wird keine Garantie übernommen. AnzeigewAunahme: NuguftnSplatz 8, Eck« JohcmuiSgass«. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abend» 7 Uhr. Filial-Expedition: Berlin, Lützowstr. 10. « - Dresden, Marien ftr. 34. Druck »nd Verlag vou E. Polz in Leipzig (Inh. Or. v, St. L W. «ltnkhardt). Herausgeber: vr. Viktor Kltnkhardt. Dezug-.Prei- in der Hauptexpeditton oder deren SuSgab» stellen abgeholt: vierteljährlich L.4O, bet täglich zweimaliger Zustellung in» Hau» vierteljährlich 8.—» Durch unsere aus ¬ wärtigen Ausgabestellen »nd durch di« Post bezogen für Deutfchland und Oesterreich vierteljährlich ^ss ».SO, für die übrigen Länder laut Zettuugspretsltst«. Redaktion und Expedition: Johanuisgasse 8. Telephon Stu ISch Nr. Nr. 1173 verliner N edaktions - Bureau: Berit» lsiiV 7, Dorotheenstraß« 8L. Tel. I, Nr. VL7S. Dresdner Redaktions-Bureau: DreSden-A,Köu»eritzstr.Lch L«l.I,Nr.sv8S. Wp)Mr TagMM Handelszeitung. Amtsblatt des Königs. Land- und des Königl. Amtsgerichtes Leipzig, des Nates «nd des Nolizeiamtes der Ltadt Leipzig. 1-'.' ommernbankprozeß kommt am 23. Januar Feuilleton zer vom H< erklärte: Da der AbwlutiS- In da», ääensch, vss du liebst, sollst liu verhandelt Werden: Cott wirst du, liebst du Lott; und Lrde, liebst <1u Orden. 8ngelu» Llleelu». Paragraph 15 de» Zolltarifgesetzes vom 25. Dezember 1902, nach welchem bekanntlich die Mehrerträge aus den erhöhten Zöllen für Roggen und Weizen und andere landwirtschaft liche Produkte zur Erleichterung der Durchführung einer Witwen- und Waisenversorgung »u verwenden sind. Man wird sich erinnern, daß die Wehrsteuer seinerzeit im Reichs tage als geeignet bezeichnet wurde, Mittel zu schaffen zur Erhöhung der Jnvalideupension und der Beihülse für Veteranen. Zur RcichSfinanz-Resorm. Ueber die in der Stengelschen ReichSfinanz-Resorm vor gesehene Entlastung des Jnvaliden-FondS^, die herbei- ^ujührende Regelung der Matrikularbeitrage und die m den Rahmen der Reform nickt hineinpaffende, aber als Zwecksteuer schließlick zu erwägende Reichswehrsteuer be gegnen wir in der „Reuen politischen Korrespondenz" folgen den Kommentaren: Rach dem Gesetz vom 23. Ma: 1873 ist der Reicks-Jnvaliden-FondS bestimmt zur Bestreitung der jenigen Ausgaben, die dem Reich infolge des Krieges von 1870/71 an Pensionen und Bewilligungen für Hinterbliebene entstehen würven. Allmählich sind ihm auch die Invaliden pensionen infolge des Krieges vor 1870, die Ehrenzulagen an die Inhaber des Eisernen Kreuzes, die Pension für ehemalige französische Militärpersonen sowie PensionSzuscküffe und Unterstützungen, endlich auch noch die Kosten der Invaliden- Institute auferleat worden. Die Beschränkung seiner Auf gaben auf die ursprüngliche Zweckbestimmung würde für ihn eine Ersparnis von etwa 8 Millionen jährlich zur Folge haben. Die Matrikularbeiträge haben im Etat für 1905 bereits eine derartige Höhe erreicht, daß für die Bundesstaaten ihre Aufbringung tatsächlich mit außerordentlichen Schwierigkeiten verknüpft ist; dabei zeigen sie eine steigende Tendenz. Wenn auch der Reichstag letztmalig in entgegenkommender Weise in eine Stundung derjenigen Beiträge gewilligt hat, welche die ungedeckten Matrikularbeiträge um etwa 24 Millionen übersteigen, so hängt diese Schuld doch immerhin über dem Haupte der Bundesstaaten, und rS ist nicht zu verkennen, daß mit Rücksicht hierauf die Etats der einzelnen Bundesstaaten außerordentlich vorsichtig aufgestellt werden müssen, und in folgedessen die Verwirklichung mancher Wünsche unterbleiben muß. Die Vorlage bezweckt hier, die finanziellen Beziehungen zwischen Reich und Einzelstaaten ein für allemal so zu regeln, baß letztere von einer unbegrenzten und unerträglichen In anspruchnahme mit Matrikularbeiträgea sicher sind. Daß sich eine Reichswehrsteuer für die durch die Finanz reform inaugurierte Sanierung der Reichsfinanzen nicht eignet, wurde des öfteren schon ausgeführt. Wenn sie als Zweck steuer zu einem späteren Zeitpunkt einmal in Betracht komm en jollte, so sei schon heute darauf bingewiesen, daß wir uns damit einem Novum gegenübersehen, denn eine Steuer, deren Einnahmen nicht in die Reichskasse fließen, sondern bestimmten Zwecken zugute kommen, besitzen wir tatsächlich noch nicht. Das einzige Analogon, bas man vielleicht anführen könnte, wäre die sogenannte „lex Trimborn", der Der gewaltige Ausstand bezweckt neben der Erzwingung sozialer und wirtschaftlicher Verbesserung in der Lage deS Volks, speziell der Eisenbahner, vor Allem die Erreichung politischer Freiheiten, namentlich aber die Gewährung des allgemeinen gleichen Wahlrechts zur ReichSduma. So lange nicht hierüber von der obersten Gewalt eine Ibefrie- digende Erklärung abgegeben worden ist, dürfte eine dauernde Beruhigung der aufs tiefste erregten Massen nicht eintretea. Allein die russische Regierung will sich begreiflicherweise eine solche Erklärung nicht abtrotzen lassen und rechnet offenbar damit, daß es die Streikenden nicht lange aushalten werden. Und darin kalkuliert sie zweifelsohne richtig, denn der an- aekündigte und zum Teil schon eingetretene General streik läßt sich ohne genügende Geldmittel nicht durchführen. Inzwischen behelfen sich die Machthaber damit, die Bewegnng äußerlich im Zaume zu halten. In fanterie und Kosaken durchziehen in Kompagnien und Schwadronen die Straßen und verhindern jede Ansammlung, die Kanonen stehen bereit, und mit dem Belagerungszustand, dem Kriegsrecht und Versammlungsverboten hofft man der Bewegung Herr zu werden. Vielleicht gelingtS. Zwar hat einer Petersburger Meldung zufolge «ne Anzahl Revolutionäre für Montag den allgemeinen, bewaffneten Aufstand beschlossen, allein eS stehen in Petersburg mindestens 50 000 Soldaten und so wäre ein Aufstand, so lange die Truppen treu sind, ein aussichtsloses Beginnen. Freilich das ist ein Punkt, über den sick nichts Bestimmtes sagen läßt. Von der Zuverlässigkeit der Truppen hängt das Schicksal der Hauptstadt, ja ganz Rußlands ab! Der Geist in der russischen Armee ist kein guter. Die Revolution zählt selbst in den Reihen der Offiziere viele Anhänger. Dieser Tage hat z. B. in einer Eiscnbahnversammlung ein Offizier eine Rede gehalten, in der er erklärte, die Offi ziere wollt en nicht mehr dem Absolutismus dienen, londern dem Volke. Sie verlangten die Trennung der ver haßten Gendarmerie und Poliz« vom Heere. Rach dem Offizier sprach ein Soldat, der muS das Vaterland verraten hätte, sei es Soldatenpflicht, für daS Vaterland gegen den Absolutismus zu kämpfen. Möglicherweise waren diese Redner nur Agitatoren, die sich die Uniform angezogen hatten, aber gleichviel, sicker ist eS, daß e« schon längst auch in der Armee gabrt. Das weiß man natürlich am besten in den Reihen der Revolutio näre und es ist varum nicht ausgeschlossen, daß sie bei einem etwaigen Ausstand aus diesen Umstand bauen. Aber auf je den Fall würde ein großer Teil der Truppen auf daS Volk /chieße» und ein furchtbares Blutvergießen wäre die Folge Aber mag nun die Volksbewegung mit Waffengewalt niedergeschlagen werden, mag sie allmählig abflauen, mag die Arbeit nach und nach wieder ausgenommen, der gestörte Verkehr wieder hergestellt werden, — die Ruhe wird nicht wiederkehren. Die Erbitterung gegen die Rechtlosigkeit des Volkes, der Haß gegen das ganze Regime, die Wuty gegen die Bureaukratie und die Unzufriedenheit mit allen herrschenden Verhältnissen ist zu tief ein gefressen, als daß ohne weitere Zugeständnisse Beruhigung eintreten könnte. Lodert nicht eines Tages die Revolution in Hellen Flammen auf, so wird doch die Glut hier und dort und da aufs neue hervorbrcchen, die seitherige Ordnung ins Wanken bringen, die Stützen der Regierung schwächen, bis schließlich das Gebäude zmammenbricht. Die Ungewißheit, was der nächste Tag bringen wird, ist schon jetzt der größte Feind normaler Zustände und wird es bleiben. Eine Alarmnachricht lagt die andere. Die Geschäfte, die Fabriken, selbst die Banken stehen unter dem Terror der Revolutionäre und müssen zum Teil schließen. Man schmuggelt aller Orten Waffen ein, plündert die Waffenlädcn, hier -und da kommt es immer wieder zu blutigen Zusammen stößen mit dem Militär, man errichtet Wohlfahrtsausschüsse, die Stadwertretungen sangen an, sich in Permanenz zu er klären, allenthalben halten Studenten, Bürger und Arbeiter gemeinsam Versammlungen ab, trotz des Versammlungs- Var Wichtigste vom rage. * Bischof Fritzen von Straßburg wurde vom Papst zum päpstlichen Thronassistenten ernaunt. * Der Pommernbankpro. tSVS zur Revisionsverhaudluug.' * Die französische Seuatskvmmifsion für den Gesetz entwurf betreffend Trennung von Staat und Kirche hat mit 12 gegen 2 Stimmen die von ihrem Berichterstatter vorgeschlagene Fassung de- Entwurfs angenommen. * Die innere Lage Rußlands ist nach wie vor beunruhigend. Die Regierung macht keinerlei Zu- gestäudniffe. Ueberall wird das Militär in Bereitschaft ge halten. Der Generalstreik ist in vollem Gange. Doch ist keine lange Dauer desselben zu erwarten. (S. Tagesschau.) des Verderbens mit Flüchen von orgiastischer Wildheit über schüttet, liegt der ti«e Kampf, den Shakespeare durckkämpst und mit dem Geschenk seiner höchsten Tragödien abgeschlossen hat. Für die höchste Tragödie hat auch Massinger den Schmerzenspreis bezahlt. „Dsts kattcl dow^" ward, laut der Hinchlowquittung, nach dem „Herzog von Mailand begonnen, und ist neun Jahre später als er gedruckt worden. Sie durchmißt alle Provinzen, die ihrem Dichter vertraut waren. Dem Motiv nach ist sie ein „eriwe-pln^" wie jenes fatalistische, aus der Holinshep- Chronik geschöpfte Stück von „Arden" der seines Weibes und ihres Buhlen Mosbie dunklem Mordplan zum Opfer fällt. So wird hier der Graf Charolais von seinem Weibe Beaumelle betrogen, ertappt sie und ihren Galan Novall den Jüngeren, Sohn des Gerichtspräsidenten Novall, m der Herberge des Sängers und Kupplers Aymer, ersticht den Ehebrecher, ersticht in seinem Hause die Gattin, wird vom Tribunal freigesprochen, doch durch Pontalier, emcn Freund des Novall, vor den Schranken ermordet. Aber Masfingers Genius reißt uns aus dieser Sphäre durch der Tragödie erste Hälfte die von Ewigkeitsschauern voll ist wie die ewige Antigone. Gleich der Thebanerin hat Charolais das Leben daran gesetzt, um einem Toten das Begräbnis zu erringen. Er ist in die Schuldgcfangenjchaft gegangen, auf daß die Leiche seines Vaters, des burgundischen Generals von Charo lais, die von den Gläubigern mit Beschlag belegt ward, aus der Schuldhast erlöst und ehrlich bestattet werde. Gerührt von solchem Adel, hat der Präsident Rochfort ihn befreit und Beaumelle. die seine Tochter ist, ihm verheiratet. Klagend spricht er der Sündigen das Bluturteil, dessen Vollzug dann von Pontalier an Charolais gerächt wird. Herrlich wie Brutus steht dieser gegen den Hintergrund der Tragik, in „fürstengleicher Tugend', die, nach Rochforts Wort, „unsre ganze Zeit zum Guten lenken" könnte. Wie der Trauermarsch um Hamlet ergreift die feierliche Musik während seines Dul- dergangS hinter deS endlich begnadeten VaterS Sarg. Als Rochfort ihn aushebt, sagt er in wonniger Angst zu seinem Freunde, dem rauhen Obersten Romont: „Erwecke mich, Ro- mont, daß ich des TraumS bewußt, wenn dies ver- schwindet". „Tu wachst, bei Gott", ruft der Gefährte ihm »u. Da schluchzt er in Dankbarkeit: „O Herr, ich stöhne unter so mel Glück!" und gelobt, all sein künftig - Leben werde nun «ine bräutlich« Werbung um Beaumelle sein. AIS die Verblendung der gräßlichen Wahrheit ge wichen ist. fühlt er sich im Innersten mißhandelt. Heldenhast, ohne zu schlottern, tötet er di» Ungetreu«, di« ihn schändet, Deutscher Keich. Leipzig, 28. Oktober. * Der Lohnkampf der sächsisch-thüringischen Weber. Man schreibt uns aus Gera, 28. Oktober: Der erste wuchtige Schlag ist gefallen. Es ist nicht, wie ein Teil der Weber gehofft hatte, bei der bloßen Androhung der General aussperrung geblieben, gestern abend ist sie tatsächlich, zunächst in Gera, perfekt geworden. Ueber 3000 Stuhl arbeiter haben heute früh zur gewohnten Stunde de< Arbeits beginns die Fabriken geschloffen gefunden, eS ruhen alle Be triebe. Die übrigen Ortsgruppen folgen in den nächsten Tagen bis auf die kleineren Orte Ronneburg, Weida rc. rc., wo erst nach dem bekannten Aussperrungsbeschluß in Greiz, die Sperre angedroht wurde. Diese zieht sich demgemäß noch um acht Tage hinaus und wird am 4. November perfekt. Aus Greiz erfahren wir, daß sich dort eine ziemliche Anzahl „Streikbrecher" eingefunden hat. In verschiedenen Weberversammlungen wurde eine Resolution angenommen, welche die Wiederaufnahme der Arbeit als Verrat an der Arbeiterschaft bezeichnet. Bei der Abstinimung erhoben sich nur wenige Hände, aber e- fehlte der Mut, auch einmal öffentlich für die Anerkennung des Tarifs zu sprechen. Infolgedessen spricht die Arbeiterpresse von der einstimmigen Annahme der Resolutton; e« hatte ja niemand dagegen gesprochen! In Waldkirchen ist den 40 Webern der Filiale von KlemenS Dörfeld-Reichenbach angekündigt worden, daß ihnen, soweit sie nicht »um Texttl- arveiterverbande gehören, für dre Dauer der Aussperrung dieselbe Unterstützung zuteil werden soll, wie sie der Verband seinen Mitgliedern gewährt: gewiß ein anerkennenSwerte» Zeichen humaner, friedfertiger Gesinnung! * Ausschutz »es Deutschen HanhelStagS. Der Ausschuß des Deutschen Handelstag- hielt am 26. Oktober unter dem Vorsitz des Herrn Kaempf (Berlin) eine Sitzung ab. Dem am 17. Juli gestorbenen Präsidenten de» Deuticheu HandelStags Herrn Geheimen Kommerzienrat Frentzel (Berlin) widmete der Vorsitzende einen warmen Nachruf. Zum neuen Präsidenten deS Deutschen Handel«. tagS wurde dessen bisheriger erster Vizepräsident Herr Kaempf, Präsident der Nettesten der Kaufmannschaft von Berlin, einstimmig gewählt. Er nahm die Wahl dankend an. Zum ersten Vizepräsidenten an Stell« von Herrn Kaempf wurde Herr Geheimer Kommerzienrat Ar» hold, Mitglied der Handelskammer zu Berlin, einstimmig gewählt und nahm ebenfalls dankend die Wahl au. Zweiter Vize präsident ist Herr Robinow (Hamburg), die übrigen Vorstandsmitglieder sind die Herren Geheimer Kom merzienrat Michel (Mainz), Geheimer Kommerzienrat Vogel (Chemnitz), Kommerzienrat v. Weid ert (München) und Geheimer Kommerzienrat Zweiniger (Leipzig). — In den Ausschuß der VrrkehrSinteresseuten bei der ständigen Tarifkommission der deutschen Eisenbahnen wurde an Stelle von Herrn Geheimrat Frentzel (Berlin) Herr Ge heimer Kommerzienrat Schlutow (Stettin, bisher stellver tretendes Mitglied) zum ordentlichen Mitglieve au« dem Kreise des Handels gewählt. Die hierdurch frei gewordene Stelle eines stellverlretenden Mitgliedes soll erst in der nächsten Ausschußsitzung besetzt werden. — Der Aus schuß iprach sich daun vahin aus, daß die Fristen für die Rücksendung uubestcllbarer Postsachen im Weltpostverkehr dem Edikt, das die Komödianten als „rop-uos" ächtete und mit dem Staupbesen bestrafte. „Ttra ckatal clocvi^" hat Massinger mit Nathanael Field geschrieben. Es ist dadurch stigmatisiert, daß eine Quittung erhalten ist, worauf der Autor von «nem Mr. Philip Hinch- low ein Darlehen von 5 Pfund Sterling in tränenvollem Tone heischt. Es ist nebst dem „Herzog von Mailand" sein stärkstes Drama. Sein Stoffgebiet war weit. Er meisterte Rhetorik und Satire, ein schwermütiger Grübler, der die Welt nickt geliebt haben kann, der für seine Helden nicht den stampfenden, klirrenden Schritt, sondern die Gebärde der Verlassenheit wählte. Sein „nraatdulcs ok lüorsuas", ein höfisches Lustspiel mit Cosimo dem Prächtigen als zentraler Figur, ist spanischen und italienischen Mustern nicht fern. Andere Schauspiele, die „Jungfräuliche Märtyrerin" der „Sklave", der „Schauspieler von Rom", bewegen sich im lateinisch-christlichen Sagenkreis, andere folgen der katho lischen Romantik und sind von der ebenmäßigen Helligkeit durchleuchtet, die Prosperos Zauberinsel umwebt. Er hat, in den von Baudlssin verdeutschten Komödien „Eine neue Weise, alte Schulden zu zahlen" und „Die Bürgerfrau als Dame" die Herbheit eines elisabethanischen Hogarth, sein Wucherer und Kuppler Overreach ist in seiner Unbedingtheit ein Moliöres würdiger Charkter. Er schilderte die Schlupf winkel der Völler« und des Lasters, die puritanische Heuche lei als Wohnort der Marlowegilde verrufen wollte, und der Schenkwirt Tapewell, der Kuppler Ding'em, die Metze Shav'em und ihre Duenna Secret sind in seiner Galerie beachtenswert. Er flog zu Dämonen und Engeln, verwarf nicht die schaurigen Erfindungen von unglaublichen Arten des Giftmordes, mit denen Hamlets erhabene Historie unser Gewissen peitscht, und stimmte in herrlichen Symbolisierungen das hohe Lied von der Griseldisnatur des WeibeS an, das uns in der Imogen und der Hermione mit süßen Klängen betört. Der „Herzog von Mailand", d«n H. Conrad in liebe voller Andacht erneuert hat, packt uns, die wir Hebbel nach wandeln. als eine elisabethanische Vorbereitung zu „Herodes und Mariamne". ") Der Herzog Sforza und seine Gattin Marcelia gehen am Uebermoh ihrer Leidersschaft, die sich ver fehlt^ zu Grunde. Sie opfern sich i.. der Gesinnung, in der Coriolan sich opfert, siegen als Vernichtete; ein Doppel gänger Jago«, der schöne Jüngling FranceSco, steht als Schürer de» Argwohns zwischen ihnen. Von hier bi« zu Web ster« „Bittoria Torombona", die da« Weib al« Spenderin ") Stuttgart, Greiner und Pfeiffer. Verbots. Es werden überall aufrührerische Reden gehalten und revolutionäre Beschlüsse gefaßt, rote Fahnen entfaltet, Umzüge gehalten, kurz die Bewegung ist bis zur Siedehitze gediehen. Aus Petersburg wird vom „Standard" gemeldet, daß jetzt auch an der Börse die Lage als äußerst ernst betrachtet werde. Auf Grund angeblich guter Informationen verlautet dort, ein Mitglied der Umgebung deS Zaren habe Befehl ge geben, die kaiserliche Jacht unter Dampf zu halten und des gleichen mehrere Kriegsschiffe, die die Jacht begleiten sollen, um für alle Fälle bereit zu sein, den Zaren und die kaiserliche Familie nach Deutschland zu bringen. Wahrscheinlich ist diese Meldung erfunden. Aber sollte sie wahr sein, so dürfte dre Maßnahme ohne Wissen deS Zaren getroffen worden sein, da er zuverlässigen Nachrichten zufolge gewillt ist, Rußland auf keinen Fall zu ver lassen. Entgegengesetzte Meldungen wurden allerdings schon vor mehreren Tagen verbreitet. Eine Reise inS Ausland wäre aber das Unglücklichste, was der Zar jetzt tun könnte. Er darf vor ganz Europa nicht die Flinte inS Korn wersen. So bedenklich, daß er quruü flüchten müßle, erscheint zurzeit die Lage nicht, trotz aller drohenden Signale. Erst nachdem der heute beginnenve Generalstreik seine Massen streikender Arbeiter auf die Straße geworfen haben wird, muß es sich zeigen, welchen Lauf daS Schicksal nehmen wird. Die nächsten Tage sind entscheidend. politische cagrrrckau. Leipzig, 28. Oktober. Die Unruhe in Rußland. Die Lage in Rußland ist noch immer so gefahrdrohend wie in den letzten Tagen. Die energische Androhung des Generals Trepow in Petersburg und der Generalgouverneure anderer Städte, bei Ruhestörungen sofort scharf schießen zu lassen, hat allerdings vorläufig.fast überall die äußere Ruhe aufrecht erhalten und speziell, wie vou dort gemeldet wird, in Petersburg den Beschluß der Ausständigen gezeitigt, alles zu vermeiden, was zu Blutvergießen oder zum Gebrauch der Waffen von feiten deS Militärs Anlaß geben könnte, aber sie sind nach wie vor entschlossen, alles aufzubieten, um Petersburg, Peterhof und die Umgegend auszuhungern und dadurch die Machthaber mürbe zu macken. Diese Tendenz beherrscht daS ganze Reich, und die Masse des Volks sucht sie mit voller Wucht zu betätigen. Die Ausstands bewegung hat eine Ausdehnung erlangt, wie sie in der Ge schichte der Streik- noch niemals 'dagewesen ist. Auch in Amerika, in Italien, in Ungarn, in Holland haben die Eisen- bahnangestellten schon Ausstände von längerer oder kürzerer Dauer ins Werk geletzt, aber einen so völligenStillstand deS ganzen Eisenbahn- und PostbetriebeS, wie er jetzt im Reiche deS Zaren zur Tatsache geworden ist, steht einzig in der neueren Welt geschichte da. Rußland ist vom Ausland beinahe völlig ab geschnitten, kein Zug kann heraus, keiner hinein, die Äesör- derung von Gütern, Briesen und Paketen ist vollständig ein gestellt und bis weit hinein in das ungeheuere Reich, bis an den Ural, Sibirien und den Kaukasus stockt der gesamte Verkehr, liegen die Bahnhöfe verödet, war ten tausende von Reisenden tagelang vergeblich auf ihre Weiterbeförderung und müssen von den Behörden mit Nahrungsmitteln versehen werden, um nicht zu ver hungern. Nur die telegraphische Verbindung existiert noch, aber auch diese ist zeitweise erschwert oder ganz unterbrochen. Vielleicht ist eS in 24 Stunden damit ganz vorbei, denn überall werde» Versuche gemacht die Telegraphenämter zu stürmen, um die Beamten zur Einstellung ihrer Tätigkeit zu zwingen. Maa muß sich wundern, daß das Zerschneiden der Telegraphen drähte — immer das Zeichen cer beginnenden Revolution! — bis jetzt noch unterblieben ist. Dem Ausstand der Eisen- dahner haben sich in den Hauptstädten Ingenieure, Verwalter, Fleischer, Bäcker, Gasarbeiter, Post- und Telegraphen beamte, Straßendahnangestellte, Setzer, städtische Arbeiter, Aerzte, Drogisten, Apotheker und in Polen insbesondere die Fabrik arbeiter von Warschau, Lod», Kalisch und anderen großen Fabrikstädten in unheimlicher Schnelligkeit angeschlosfen. Maa greift nicht zu hock, wenn man die Zahl der Aus ständigen auf eine Million schätzt. Der Graf von Charolais. Zwei Stücke, die aus der Sehnsucht nach der vergeudeten Größe des altenglischen Theaters geboren wurden, brachte der letzte Winter aus der Einsamkeit vor die Premieren menge. Hugo von Hosmannsthal kam mit einem „Geretteten Venedig" und stammelte das „Vaulcs prsssrvsd or a plot diooovsred" nach, das einst Goethe in Weimar aufführen ließ und Grillparzer zu einem Teile übersetzte. Da« abenteuer liche Gebild des Nachzüglers Thomas Dtway mißlang dem zarten Alexandriner, der e« wiederholte. Er entfremdete es seinem Schöpfer, der am 14. April 1685, von Schuldgefan- aenschaft und HungerSqual bedroht, jemanden angebettelt hat: „I am Otvav td« poeb", mit dem Almosen zu einem Bäcker gestürzt und an verschlungenem Brot erstickt ist. Mit größerem Glück als HosmannSthalS Jaffier und Pierre bat da« zweit« Drama, „Der Graf von Charolais", da« Reich einer Dichtung eröffnet, wohin unS die lockendsten und furcht barsten Visionen zurückruren. Niemals bat die westliche Völtergruppe, der unser Blut Traumkraft und Trotz gegeben hatte, «ine solche Zwingherrsckaft über da« Unmögliche be sessen. Alle Legenden waren durcheinander gewühlt, lachend reckte der erwachte Demo« sich empor und baute au« Spuk und Wüstheit, au« antiksschem Pomp und ungeschlachten Mo ralitäten. sich di« Bühne seiner Phantasie. E« gab Männer, deren halb beleuchtete, halb schattenhafte Züge etwa« vom Gott und etwa« vom Tiere batten, blaffe Vaganten, die zwischen ruchlosem Prahlen und der edlen, stolzen Freiheit von Kö nigen taumelten, in deren szenischen Chroniken pechschwarze Greuel mit lichtesten Ahnungen de« neuen Menschenwerte« zusammentrafen. An allen bat der wesst de» Mytbo» gelebt, der kür uns tot ist. Einzia jener William Shakespeare bat ihn m sich vollendet, „di, übermütig« Kräh«, welch« sich ei» absolutes Faktotum und onlv Lstalca-saanv iu a oouubr^ zu sein dünkt, wie es in Robert Greens Schmähschrift vom Jahre 1592 heißt. Aber sehr nahe ist die Verwandtschaft der übrigen mit dem Joviskmd, das Grillparzer den „Gesamt- sckauipieler" seiner Dramen genannt hat. Im „Hamlet" ächzt der Hieronimo aus Kyds entsetzlicher „Spanischer Tragödie" mit. Kurz ist der Weg von der „drurck sttow", der Pantomime der rohesten Elisabethaner, zum „Titus Androni- cus" nicht minder kühn als Hamlet treten Fords Giovanni, der das Herz seiner Schwester Annabella herausreibt, oder Marlowes Mortimer von den Brettern ab. Sie kannten keine Schrecknisse und lachten, grober, nicht feiger als die Heroen der italienischen Renaissance, des schmutzigen Schick- sals, das sie in den Tavernen umhertrieb, in den Kot der nächtlichen Gassen stieß, ihren Leib und ihre Seele verfehmte. Sie triumphierten, denn ihnen waren Olympos und Unter welt gehorsam. Philip Massinger, der Hauptverfasser des Schauspiels ..Istv katul dovrv, wonach Herr Richard Beer-Hofmann den „Grafen von Charolais" ersonnen hat, ist einer der stille ren gewesen. Ihn bat man als Shakespeares Leibgardisten bezeichnet. Mit Webster, dem entfesselten Dichter des „Weihen Teufels", ruht er in einem Grab. Ein Kenner wie Robert Proelß hat ihn in der vorzüglichen iweibändigen Elisabethaner- Ausgabe deS Bibliographischen Instituts") der Schule Ben Jon- sons und Fletchers zugerechnet, von denen das enMche Lust spiel stammt. Er wurde im Jahre 1584 auf Wilton bei Salisbury geboren. Sein Vater, ein Gentleman, diente als Rechtsbeistand dem Grafen Pembroke und sandte ihn 1602 nach Oxford, deren Sankt Albans Hall er nach vier Jahren verließ, um gleich dem Sohne der Stadt Stradsord. in Lon don als Bühnendichter das Glück zu versuchen. Ueber seiner Bedrängnis liegt undurchdringliches Dunkel. Er mußte di« Hilfe adliger Gönner erbitten. Noch al« er längst, längst be stattet und verschollen war, wurde er eine« grausamen Witze» Beute; der Koch de« Gelehrten Waterburton eignete sich elf seiner Manuskripte an und hüllte mit ihnen Pasteten ein. Als Massinger« Freunde werden, nächst Webster, Shirley, der Schauspieler Joseph Taylor, Donne und John Ford aus- geführt. Er starb 1640, vrerundzwanzig Jahre später al» Shakespeare, mitten im Niedergang der Londoner Schau häuser, drei Jahre, nachdem Karl I. in Dorenant« MaSke gespielt hatte, zwei Jahre vor deL Aushebung aller drama tischen Darstellungen durch da« Parlament, acht Jahre vor ") Leipzig, Meyer» Klassiker.
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