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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.12.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-12-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19041222029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904122202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904122202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-12
- Tag1904-12-22
- Monat1904-12
- Jahr1904
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BezugS-PretS in der Hauptrxpedition oder deren Ausgabe stellen ab geholt: vierteljährlich 3.—, bei zweimaliger täglicher Zustellung in» Hau» 3.7b. Durch die Post bezogen für Deutsch land u. Oesterreich vierteljährlich 4.50, für die übrigen Länder laut Zeitunqspreisliste. Diese Nummer tostet auf allen Bahnhöfen und III I beiden Zeitungs-Verkäufern > * Redaktion und Expedition: 1b3 Fernsprecher 222 JohanniSgasse 8. Haupt-Filiale Dresden: Marienstraße 34 (Fernsprecher Amt I Nr. 1713). Haupt-Filiale Berlin: CarlDuncker, Herzgl.Bayr.Hofbuchhandlg, Lützowstratze 10 (Fernsprecher Amt VI Nr. 4603). Abend-Ausgabe. MpMer.TagMaü Anzeiger. Amtsblatt des HSniglichen Land- und des ÄönigNchen Amtsgerichtes Leipzig, -es Nates und des Nolizeiamtes -er Lta-t Leipzig. Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 25 Reklamen unter de» RrdaMonSstrich (4 gespalten) 7S -H, nach den Familienuach- rimten (kgespalten) KO — Tabellarischer und Ztssrrnsatz werden entsprechend höher be rechnet. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 2b Nnnahmeschlusz für Anzeigen: Abeod-AuSgabe: vormittag» 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: nachmittag» 4 Uhr. Anzeigen sind stet» an die Expedition zu richten. Ertrn-Beilagen (nur mtt der Morgen- Au»gab«) nach besonderer Brretubarung. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» abend» 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Pol» in Leipzig (Inh. vr. B., R. » W. Klinkhardt). Nr. 651 Donnerstag den 22. Dezember 1904. 98. Jahrgang. Var Wichtigste vom Lage. * Die Gräfin Montignoso ist in Begleitung ihres Rechtsbeistan-es Dr. Zehme-Leipzig in Dresden ange kommen. (S. A. Sachsen.) * Der Reichspostdampfer „Prinzregent" geht am 23. Dezember mit 680 Mann und 29 Offizieren nach Swakopmund ab. Am 7. Januar folgt dann die „ Phönicia ". Ein weitererTransport von Hamburg aus erfolgt am 17. Januar. * Gestern ereignete sich ein schweres Eisen bahnunglück auf der Station Wuth a, wobei ein Bremser getötet, mehrere andere schwer verletzt wurden. Beide Geleise sind g e s p err t. S. A. a. W.) * Der Zar hat das Bittgesuch der Semstwos zurück gewiesen, weil es verwegen und taktlos sei. (S. Ausl.) * Im Auftrage der französischen Regierung schreibt der „Temps", der französische Gesandte in Tanger dürfe die geplante Reise nach Fez unter keinen Umständen aufschieben. Es sei erforderlich, den Sul - tan auf die s e h r e r n st e n F o l g e n aufmerksam zu . machen, die ein widerstrebendes Verhalten für ihn haben würde. (S. Ausland.) * Frau Syveton hat sich gestern vor den nativ- nalistischen Führern wegen ihrer Handlungen verant wortet. (S. Ausland.) * Dor Port Arthur wurden die Japaner durch russisches Flankenfeuer zur Aufgabe des besetzten Forts Jtschutschan gezwungen. (S. russ.-jap. Krieg.) Skat^oraa-lvrlrv. Graf Posadowsky ist kein Diplomat. Er legt auzen- scheinlich Wert darauf, dies zu beweisen, denn nicht lange, nachdem er mit leeren Händen aus Wien zurück- kehrte und sich wegen seines Mißerfolges von den Agrariern gerühmt sah, hielt er im preußischen Abgeord netenhause eine an sich recht verständige Rede, in welcher er allen reaktionären Bestrebungen auf wirtschaftlichem Gebiet entgegentrat und mutig genug war, die großen Assoziationen des Kapitals als die Ursachen des Kultur- sortschrittes zu bezeichnen. Wir wollen nicht auf den In halt dieser Rede eingehen, die wir, von einigen Ein schränkungen abgesehen, durckxrus billigen, sondern nur darauf Hinweisen, daß es taktisch nicht gerade klug war wenn Graf Posadowsky gerade in diesen, Augenblick seinen Gegnern eine Waffe wider sich selbst schmiedete. Die „Deutsche Tageszeitung" und die „Konservative Korrespondenz" finden denn auch seine Aeußerungen höchst bedenklich und konstatieren einen Gegensatz zwischen ihnen und der Gesamtpolitik der preußischen Regierung. Man muß den beiden Blättern ohne weiteres zugeben, daß dieser Gegensatz in der Tat besteht, denn wenn auf der einen Seite ein Minister nicht ohne Emphase äußert, die Gewerbefreiheit sei mit der Rede freiheit und Preßfreiheit am gleichen Tage geboren, auf der anderen Seite aber die Zollpolitik den Abschluß von Handelsverträgen außerordentlich erschwert, wenn die Börsen gefesselt, die Syndikate bedroht, die Warenhäuser geschröpft, die Verkehrseinrichtungcn im agrarischen Sinne unschädlich gemacht werden, so muß jeder Un- befangene zugoben, daß hier in der Tat ein klaffender Gegensatz zutage tritt und daß sich Graf Posadowsky mit den Anschauungen, die in der Wirtschaftspolitik der deutschen Regierung zum Ausdruck gelangen, in einen Kontrast gestellt hat, der ziemlich befremdlich ist. Der Graf hat eben auch versucht, ein susw mllieu zu finden, das sich in den meisten Fällen als ein kaux nüllou herausstellt, und er hat sich mit seiner Rede bei den Kon- servativen und Agrariern sehr geschadet. Diese vermissen schon längst an ihm die pupillarischc Sicherheit und bearg- wöhnen ihn wegen seines angeblichen Liebäugelns mit der Sozialdemokratie. Besonders läßt der Freiherr von Zedlitz keine Gelegenheit vorüber, um an dem Staatssekretär sein Mütchen zu kühlen. Trotz dieser Strömungen hätte Graf Posadowsky immer noch auf Seiten der Agrarier einen gewissen Rückhalt, und gerade das Schicksal, das er in Wien vor aller Augen gehabt hat hätte seine Stellung befestigt, wenn er sie jetzt nicht selbst erschüttert hätte. Die liberalen Parteien ihrerseits haben bei aller Anerkennung für die Arbeitskraft und Tüchtigkeit des Staatssekretärs doch auch wieder keinen dringenden Grund, sich allzu eifrig für den Grafen ins Zeug zu legen, der ihre wirtschaftlichen Anschauungen vielleicht teilen mag, jedenfalls aber keine Gelegenheit findet, sie zu betätigen. So, wie die Situation sich ge staltet hat, ist zu fürchten, daß dem Grafen Posa- dowsky noch eine allzulange Amtsdauer beschicken sein wird. Es war charakteristisch, daß unmittel, bar nach seiner Rückkehr aus Wien im „Taz" die Frage aufgeworfen wurde, ob man nicht besser getan hätte, die Unterhandlungen einem Diplo maten anzuvertrauen. Der Artikel war mit „Kent" ge- zeichnet, und wenn wir nicht irren, verbirgt sich hinter diesem Pseudonym ein sehr be kannter Geheimer Legationsrat. Bedenkt man, welche Stellung dieser betreffende Herr einnimmt, so konnte es nicht Wunder nehmen daß Graf Posadowsky schon damals hier und da im Privatgespräch als Moriturus bezeichnet wurde: selbstverständlich mit Innehaltung der üblichen Anstandspause, die ja in diesem Falle um sc mehr ge boten war, als die Rückwirkung auf das Ausland be dacht werden mußte. Es wird jedenfalls interessant sein, die Fortsetzung des konservativ-agrarischen Pressekrieges gegen den Grafen Posadowsky zu verfolgen. Der sprrircb-japanirckie Krieg. Die jprovlantzufuhr nach jpert Arth«». In Petersburg eingetroffene, von den „H. N." mitgeteilte Briefe zeigen, daß es den Japanern bisher gänzlich mißlungen ist, daS Einlaufen von Proviant schiffen zu verhindern. Sowohl Dampfer als auch Hunderte von chinesischen Dschunken sind seit Februar in den Hafen eingelaufen. „Die Blockade ist eine Myth e", schreibt ein Leutnant Kuznetsoff in einem Briefe, der im Oktober aus Port Arthur heraus geschmuggelt wurde. „In den ersten zehn Tagen dieses Monats sind vier Dschunken und ein kleiner Dampfer von Tschifu angekommen. Auf der letzten Dschunke be fand sich Melnikoff, der ein aufregendes Abenteuer hatte. Ein japanischer Torpedobootzer- störer kam mit voller Geschwindigkeit auf ihn zu und feuerte auf ihn. Dann aber hielt er plötzlich an, an scheinend hatten die Maschinen einen Schaden erlitten. Die Habgier der Chinesen ist unbegrenzt, und die hohen Preise, die man ihnen für Nahrungsmittel bietet, bringen viele kleine Kaufleute in Versuchung, so daß sie auch die Gefahr des Abgefaßtwerdens auf sich nehmen." Mit knapper Not entging auch ein Marineoffizier, der zwischen Port Arthur und Tschifu hin- und zurückging, den Japanern, die die beiden Dschunken, mit denen er fuhr, überraschten. „Als die Japaner auf die erste Dschunke herabstiegen", erzählt er, „erhob sich ein fürchterlicher Lärm. Anscheinend leisteten die Chinesen Widerstand: denn man hörte Pistolenschüsse. Im nächsten Augenblick sahen wir, wie die große Dschunke sich auf die Sette legte und sank. Alle Chinesen er- tranken dabei. „Nun ist die Reihe an uns", dachte ich. Es wurde dunkel, und man sah den Torpedoboot zerstörer nur undeutlich. Plötzlich ergoß sich ein Hagel von kleinen Geschossen über uns. Die Taue wurden durchschnitten und das Segel kam mit einem Schlage auf Deck herab, wobei ein Gelber über Bord fiel. Der Zer- störer dampfte gerade auf uns zu. Eine Granate vergrub sich in das gefallene Segel, sprang dann, zerriß es in Fetzen und tötete zwei Chinesen. Ich bekam einen kleinen Splitter auf den Daumen. Unsere Aufmerksamkeit war so sehr auf den japanischen Torpedobootzerstörer gerichtet, daß wir gar nicht auf den Hafen iahen. Plötzlich stellten die Japaner das Feuern ein. Es war ganz finster: aber an der Mündung deS Hafens von Port Arthur erkannten wir Awei schwarze Flecke, denen ein kleinerer folgte. Wir horten Krachen und Rollen und sahen eine große Explosion auf dem Japaner. Dann dampfte -aS Schiff so schnell als möglich fort, und nach zehn Minuten wurden wir mit unserem Reis nach der Tigerschwanz-Halbinsel ge- schleppt . . . Die Chinesen forderten 1000 Rubel für den Reis und als Entschädigung für die drei verlorenen Menschenleben . . . Von der Mannschaft der gesunkenen Dschunke wurde niemand gerettet . . ." Ein Offizier namens Neprakin schildert, wie die Russen irrtümlich eine befreundete Dschunke versenkten. Da die Japaner die Blockadebrecher nicht alle abfangen können, so versuchen sie eine Kriegslist. Sie verschafften sich das Signalbuch, das den chinesischen Dschunken zur Verbindung mit den Behörden der Festung diente, und schickten eine eigene Dschunke mit den Abzeichen -er „be- freundeten" hinein. In Wirklichkeit war sie mit Spreng stoffen beladen. Auf der Höhe vom Tigerschwanz ging sie jedoch vorzeitig in die Luft. Dieses seltsame Er- eignis mahnte die Russen aber zur größten Vorsicht. Sie wechselten die Signale. Einige Tage darauf näherte sich eine wirklich „befreundete" Dschunke, mit Nahrungs mitteln beladen, dem Hafen. Sie gab falsche Signale, die Forts eröffneten das Feuer, und die Dschunke sank. An Bord befand sich ein russischer Offizier, der ans Ufer schwamm. Die chinesische Besatzung aber war um gekommen. DI« Belagerung. Tas „Reutersche Bureau" meldet von der Belaze- rungsarmee vor Port Arthur: Die Einnahme von Kikwanschan ist für die Japaner von großer Bedeutung, da sie ihnen den Weg zu den jenseits -es Forts gelegenen hohen Hiigeln öffnet und ihnen Raum für einen allgemeinen Angriff gegen einen Teil der öst lichen Fortlinic bietet. Tie Japaner haben jetzt fünf Schutzforts von sieben inne. — Der „Taily Telegraph" nieldet aus Tschifu von gestern: Ter Dampfer „Lady Mitchell", unter englischer Flagge, aber mit norwegischer Bemannung, hat mit einer Ladung Munition und Tynamit während eines heftigen Sturmes Port Arthur erreicht. — Es wird be richtet, daß die Japaner sich genötigt sahen, Itschu - schan aufzu geben, weil das Flankenfeucr oer an deren Forts und die Explosionen russischer Minen ihnen große Verluste zufügten. Nogi soll 60 000 Mann Ver- stärkung verlangt haben. Es trafen Truppen von Nor den und einige Tausend Koreaner bei der Belage-^ rungsarmee ein. Japanisch - chinesische» Dasselbe Blatt berichtet aus Shanghai vom 21. De zember: Die Reise des japanischen Gesandten in Peking nach Tokio wird als Anzeichen dafür betrachtet, daß neue Vereinbarungen getroffen worden sind, um die Inter essen Japans und Chinas enger zu verknüpfen. — Die Japaner befestigen Talny gegen Angriffe von der See seite her. Von der japanischen Flotte. Tie Pariser Ausgabe -es „Herald" berichtet auS Petersburg, gerüchtweise verlaute, daß das japa nische Kriegsschiff „Jaschima" gesunken sei. Es bestätige sich, daß das japanische Ge schwader in See gegangen sei, um der Flotte Rösch- djestwenskys entgegenzusahren. Colitirche Lagerrebau. Lechzt-, 22. Dezember. Tie Aussichten der Militärpensionsvorlagen. Tie Militärpensionsvorlagen sind, wie bereits ge meldet, nach dem Wunsche oes Zentrums an die Budget kommission verwiesen worden. Mit dieser Tatsache ist die Wahrscheinlichkeit ihrer Erledigung in dieser Session sehr gering geworden. Wir bedauern dies außeroroent- lick, und wir bedauern noch mehr, daß die nationalgesinn ten Parteien ihre Mitglieder nicht zur Anwesenheit in der wichtigen Sitzung anzuhalten vermochten, üenn cs muß die beteiligten Kreise mit tiefer Erbitterung er füllen, daß wenige Tutzend Abgeordneter ihre Hoff nungen vernichtet haben und daß das Parlament sich so gar nicht seiner Pflichten bewußt war. In erster Linie muß natürlich die Schulo daran der maßgebenden Partei, dem Zentrum, aufgebürdet werden. Das Zentrum ist es, welches die Deckungssrage so schroff in -en Vordergrund gestellt und dadurch die Verzögerung der Entscheidung herbeigesührt hat. An sich — das möchten wir hier prin zipiell betonen, — ist der Grundsatz völlig gerechtfertigt, daß niemals eine Ausgabe beschlossen werden sollte, ohne daß auch zugleich für die Beschaffung der Mittel Sorge getragen wird, aus denen sie geleistet werden kann. Wir Feuilleton. Die heilige Caeeilie. 57j Roman von Marie Bernhard. , Nachdruck verboten. „Still!" unterbrach sie Melanie hastig. „Mentzels sind gekommen!" Es erschien nur das Ehepaar mit der zweiten Tochter Thea. „Meinen Sohn entschuldigst du gewiß, liebste Babette, — ebenso du, bester Ringhaupt! Es ist ihm, nach den peinlichen Vorfällen der letzten Zeit, zu schmerz lich, in den Familienkreis zu treten. Alles, was etwa zu besprechen wäre, werden wir, die Eltern, über nehmen!" Frau Mathilde Mentzel sprach, mit Rücksicht auf das gezückte Hörrohr ihrer Schwester Ida, mit erhobener Stimme: sie sah blaß und leidend aus, trug aber eine ostentative Siegermiene zur Schau, und ihr dominierender Blick schien sagen zu wollen: wage es niemand, mich zu bemitleiden! Zu beglückwünschen bin ich, — weiter nichts! Direktor Alfred Mentzel sah dagegen entschieden un behaglich aus. Welch' ein Unterschied: die Triumphator- geberdc von vor zwei Jahren gegen dieses kümmerliche Lächeln! Gott, mein Gott, — wie hundertmal hatte der Mann es bereuen müssen, damals als Ehrengast zu dieser kleinstädtischen Hochzeit gefahren zu sein! -- Man wartete, bis die übrigen Familienmitglieder sich einfanden. Sie kamen nicht vollzählig, — seil Jahr und -ag bereits war eine gewisse Lässigkeit beim Besuch des Familientages eingetreten: die früher so augenfällige Einigkeit hatte stark gelitten. Ersichtlich hatten sich zwei Parteien gebildet, — die zu Oswalds Fahne schworen und die — unbcgreiflicherweise! — auf der Seite des Gegners standen! — Familie Vollmar wurde von Frau Direktor Mentzel mit einem solchen Ueberschwang an Herzlichkeit be grüßt, daß die moquante Melanie von Bassewitz sich rasch abwenden mußte, um ihr amüsiertes Lächeln zu verbergen. Namentlich die in ihrer tiefen Trauer kleidung doppelt üppig blühende Bianka wurde mit wahrer Emphase bewillkommnet, so daß Melanie in Margots Ohr raunte: „Sieh da die zweite Schwiegertochter! Tante Mathilde könnte gern ein biß chen mit ihrem Empresiement warten, bis wenigstens die Scheidung deklariert ist!" — Das übliche Büffet, — die übliche Unterhaltung — Erkundigungen nach gegenseitigem Befinden, — Preis und Lob der diesmaligen Sommerfrische, — Bewun derung des „vortrefflichen Aussehens" — endlich etwas Musik, — sehr wenig diesmal — ein einziger Chopin, von Frau Jadwiga Brückner mit unumstrittener Meister schaft bewältigt, — zwei Lieder von Margot Wessel, ein Klarinettensolo ihres Bruders, — dann schlug Direktor Alfred Mentzel, auf einen gebieterischen Wink seiner Gattin, an sein Glas. „Meine lieben und verehrten Angehörigen, — Damen sowohl, als auch Herren! Wir finden uns, nach unge wöhnlich langer Pause, wieder einmal in dem uns so lieben und gastlichen Ringhauptschen Hause vereinigt. Es hat diese lange Pause bei einigen Mitgliedern unserer Familie Veränderungen gezeitigt, die teils segensreich — teils — hm — hm" — der Redner räusperte sich nachdrück, lich und griff zum Glase Wein, in welchem er den Rest des Satzes ertränkte. „Wir haben uns zunächst der wiederbergestellten Ge sundheit unserer lieben Babette zu fteuen, die mit Gottes Hülfe —" „Und mit derjenigen unseres prächtigen Doktors Kühne!" schaltete Bankier Ringhaupt ein. „Ganz wieder die Alte geworden ist. Auch einen schmerzlichen Verlust haben wir zu beklagen: ganz rasch und unerwartet ist uns unsere teure Malwine Vollmar durch den Tod entrissen worden; es kann mir nicht bei kommen, ihre lieben Angehörigen in ihrem so berechtigten Schmerz trösten zu wollen. Sie ist dorthin gegangen, wo man keinen Neid und Hader, keinen Haß und Kummer mehr kennt, — sie ruhe in Frieden!" Eine kurze Pause. Pater Vollmar und Töchter mühten sich, gefühlvoll und gerührt auszuschen. „Wenn ich es mir endlich gestatten darf, von meiner eigenen Familie zu sprechen, die — hm — hm —" ein erneuter Angriff auf das Weinglas — „nicht ohne — nicht ohne Anfechtung und — und — Trübsal" — « „Erlaube mir, wciterzusprechcn, Alfred, — ich fürchte, du triffst den richtigen Ton nicht, der einzig für diese An gelegenheit paßt!" Kampfgerüstet stand Frau Mathilde Mentzel da, zwei glühend rote Flecken auf den spitzen Backenknochen, scharf und funkelnd der Blick, — etwas von einem gereizten Raubtier war darin zu lesen. „Es hat sich, durch eine unselige Verkettung von Um ständen, ein Eindringling in unser» traulichen Familien kreis geschlichen, der es leider verstanden hat, mit — ich möchte sagen — raffinierter Schlauheit die arglosen Herzen einiger, zum Glück weniger, unter uns zu um garnen. Daß auch das Herz meines eigenen und einzigen Sohnes diesem Raffinement zum Opfer fallen mußte, — daß dieser sogenannte „Schützling des FamUientages" es verstanden hat, auch ihn, den impulsiven, warmherzigen Menschen, -en genialen Künstler in seine Netze zu ziehen, .... ich muß es als Mutter, — wir alle müssen es als Familienmitglieder, als Menschen bedauern! Zum Glück hat mein Sohn Oswald sehr bald seinen beklagenswerten Fehlgriff eingesehen und ist sofort darangegangen, sich mit rascher und kräftiger Hand von dem Netz zu befreien, das ihm mit berechnender Schlauheit über den Kopf ge worfen wurde. Es hat dies freilich namhafte Opfer ge kostet und wird, fürchte ich, deren noch immer mehr nach sich ziehen. Dir stehen indessen nicht an, diese Opfer zu bringen, wir halten treu und fest zusammen um des wahr- haft edlen Zwecke? willen", — ein beredter Seitenblick der Sprecherin streifte Vater Vollmar nebst Töchtern! — „der sicher seinen Lohn in sich trägt. Um es kurz zu machen: mein Sohn hat den Entschluß gefaßt, sich von ihr, die eine Zeitlang seinen Namen trug, zu trennen, hat bereits die Scheidung, die in wenigen Monaten erfolgen dürfte, eingeleitet, und wir alle können somit, von einem schweren Druck befreit, allfatmen und Gott für seine gnädige Fügung danken!" — Es sah nicht so auS, als ob alle Anwesenden dies taten. Auf einigen Gesichtern malte sich deut lich die Verblüffung über die dreiste Umwertung der Tatsachen, die hier vor sich ging, — namentlich Frau Babette Ringhaupt war sichtlich unruhig geworden und warf fragende Blicke auf ihren Mann, der ihr beschwich tigend zuwinktc und ihr ein paar Worte ins Ohr raunte, von denen Frau Oberst Brückner nur etwa- wie „un- möglich heute — Gast unseres Hause- — später auf sparen" — verstand. „Es ist unseren: Sohn Oswald mit leichter Mühe ge lungen," — die stosze Mutter schien zu wachsen, während sie diese Worte sprach — „in einer namhaften Stadt Mitteldeutschlands eine Anstellung zu finden, die seiner
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