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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.12.1904
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-12-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19041215016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904121501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904121501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-12
- Tag1904-12-15
- Monat1904-12
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BezugS-PrelS '» d« dauvttvxdttto- od«r d«« »«/»gab- stell«, «»«,tz.lt, ^rMjätzrllch S.—. bst zweimalig« täglich« Znst'll««, in« Hau« ^l ll-7L. Durch die Post bezog«, für Deutsch land n. Oesterreich vierteljährlich LchO, für die übrigen Länd« laut Zeitunq-preiSliste. Dt-fe N««*er k.ftet auf allen vahnhäfen «ad III i bei den Zeitung».Berkäaferv V s * «edaktt.» »utz Grtzeditt»«: 1ÜS Fernsprech« LL2 Johanniägaffe 8. Ha»Zt-Ailt«le Dresden: Marienftratze 84 (Fernsprecher Amt I Ar. 1718s. HauZt-Ailtale Berit«: TarlD»»ck«r,H«rjal.vayrHofbochbandl^ Lützowsiraßr IO tSernfvmch« Lott VI Nr. 4S0S1 Morgen-Ausgabe. MWMr.TagMM Anzeiger. Ämtsölatt des Königlichen Land- «nd des Königliche« Amtsgerichtes Leipzig, des Rates und des Volizeiamtes der Ltadt Leipzig. Vazetgea-Prels die 6gespaltene Petitzeile 28 Neklamen nut« dem Redaktiootstrich (»aespalMa) 7b -tz, nach dca Familiennach- richten <6 gespalten) LO — Dabellarijch« «ad Ziffern!ah werden entsprechend HSHer be rechnet. — Gebühren sür Nachwels vagen und Ofserlenannahme 2Ü Annah«,eschlutz für Anzeigen. Ub«»d-Ausgabe: vormittag» 10 Uhr. Korgan-AiSgab« nachmittag« 4 Uhr. Anzeigen find stet« an di« Expedition zu richten. Ertra-Veilase» <u«r mit da Morgen- Ausgabe) nach besonder« Vereinbarung. Di« GMrtzttt.» ist wocheutagS uunuterbroche, aeäsfoet von früh 8 bis abend« 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Palz in Leipzig (Inh. Dr. «., R. L W- »li-khardt). 3lr. si37. Donnerstag den iS. Dezember 1S04. 88. ^ghrflgllfl. Var MÄtigrtr vom Lage. * Di« Kaiserin leidet noch immer an In fluenza und mutz das Zimmer hüten. .* Der Reichstag begann gestern die Beratung der Militärpensionsgesetze. * Die Bestattung Dr. Friedrich Ham- macherS sand gestern mittag unter zahlreicher Beteili- gung hervorragender Persönlichkeiten in Berlin statt. * Die spanische Regierung setzte die Pariser Reise des Königs Alfons aus Februar fest. * Dem früheren Staatssekretär von Transvaal, Dr. Letzds, ist die Landung inDurban von den Engländern verboten worden. * Die Republikaner New Norks beabsichtigen die Aufstellung eines deutschen Kandidaten bei der nächstjährigen Bürgermei st erwähl. ' Die Japaner haben weitere Geschütze auf dem 208 Meter-Hügel aufgepflanzt und das europäische Viertel von Port Arthur in Flammen gesetzt. (S. russ^jap. Krieg.) ceoncsvallor Upstdeore. Am Dienstag ist in Berlin Leoncavallos „Roland" vor einem Hause in Szene gegangen, das von der Aristokratie der Geburt und des Geldes bis in die obersten Ränge hinein besetzt war. An diesem großen Abend, dem jeder Berliner, der etwas auf sich hält, bei- gewohnt haben muß, war auch der „Olymp" noch standes gemäß, denn ein Parkettplatz wurde von Händlern mit 60 Mark erstanden und mit entsprechendem Aufgelds wsiterverkauft, und die Kurse schnellten in die Höhe, wie einst im Mai dir Hiberniaaktien. Durch einen Anschlag war dem Publikum verkündet worden, es möge sich durch die Anwesenheit des Kaisers in seinen Beifallskund gebungen nicht stören lassen, und da ausdrücklich dastand „Beifallskundgebungen", so )var es zum mindesten sicher, daß die loyalen Untertanen, die dort versammelt )varen, nicht zischen würden. Ter Abend erinnerte an die er hebendsten Perioden der preußischen Geschichte. „Der .König rief und alle, alle kamen", selbstverständlich soweit es die Einkommensteuerklassifikation zuließ. Geheimrat Goldberger mit seiner schönen Frau und zwei verwandten Damen nahm, so versichert uns Ludwig Pietsch, eine der Pioszemumslogen ein. Als mit dem üblichen Zere moniell der Hof erschienen war, klangen die wuchtigen Töne der Ouvertüre durch das Haus und sie wurde leb- haft applaudiert, „wobei der Kaiser mit bestem Beispiel voranqing". Die Wirkung auf das versammelte Publi kum „blieb immer gleich stark". Von einem Widerstreit der Meinungen ließ sich äußerlich nichts bemerken. Leon- cavallo „konnte an einen Erfolg von ähnlicher Größe glauben, wie der ungeheuere Lorbeerkranz, der ihm über reicht wurde". Dies alles berichtet uns Ludwig Pietsch. Aber leider schreibt dann drei Zeilen später Mar Mar- schalk, ein sehr feiner und geschmackvoller Musiker, die Over sei nichts als ein großes Spektakel, und Leoncavallo sei ein Raffineur, und unser Heinrich Zoellner spricht von Meyerbecrerei. Bei den Konservativen, in deren Blättern bisher nur kurze Ankündigungen erfolgt sind, kann man auf eine mildere Beurteilung rechnen. Die Konserva- tiven verfolgen den praktischen Grundsatz, die künstle rischen Neigungen des Kaisers als ein noli me tangere zu betrachten. Sie wissen sehr genau, daß der Monarch gegen eine Kritik des italienischen Eberlein sehr viel empfindlicher ist, als gegen die Beanstandung der Kanal- Vorlage. Alles in allem kann kein Zweifel darüber herrschen, daß das neue Werk Leoncavallos den Charakter jener brutalen Aeußerlichkeit trägt, die wir an dem Kom- ponistcn bereits kennen. Der Kaiser soll, wie die „Zukunft" erzablt, vor kurzem zu einem Operndirigenten gesagt haben: „Wem sollte ich denn den Roland geben, da doch Wagner und Neßlcr tot sind?" Sollte Herr v. Hülsen den Kaffer informiert haben? Das ist wchl möglich: denn wir erhielten in diesem Winter, der den Berlinern als einzige Errungenschaften des Schauspiel hauses einen neuen Lubliner und einen alten Sardou brach*?, einen tiefen Einblick in das Kunstverständnis des Intendanten. Aber vielleicht findet sich nun doch ein beherzter Mann in der Umgebung des Kaisers, der sich zu dein Wagnis entschließt, dem Monarchen mitzu- teilen, daß wir auch nach des Trompeter-Neßlers Ab leben noch einige Komponisten unser nennen, die sich in ihrer Kunst, nur freilich nicht in der Kunst der Reklame, mir Leoncavallo messen können. Von nun ab wird übrigens jeder Betrachter des Eberleinschen Wagner- denkmals in Berlin dankbar in sich erwägen, daß eS noch schlimmer kommen konnte. Es kennte ein Doppeldenk, mol für das Zweigestirn Neßler-Wagner werden. Auch hier trifft also das für unsere Zeit charakteristische Motto zu: „Das Aergste ist doch wenigstens vermieden worden." Wir bringen diese Betrachtungen im politischen Teil, denn für die Importierung dieser Radaumusik, für die Auslieferung eines ehrlichen und echten vater ländischen Werkes an einen Musikfaiseur, für die be trübende Zurücksetzung deutscher Künstler, die an Eigen art, Kraft und Innigkeit den Maöstro zehnfach über- treffen, gibt es keine Entschuldigung als die, daß man eben glairbt, durch die Apotheose des italienischen Kom ponisten das Land der Zitronen und Orangen mit den unzerreißbaren Fesseln der geschmeichelten Eitelkeit an uns zu ketten. Ob diese Rechnung richtig ist, das dürfen wir getrost dem Urteil unserer Leser überlassen. Aeußerlich freilich sind ja die Beziehungen der beiden Reiche die denkbar innigsten, denn ein Bündnis, das hier die Goethestatue, dort den Roland überdauert, ein solches Bündnis muß wirklich so stark in den Herzen der Völker wurzeln, wie unsere Offiziösen es uns oft genug versichert haben. vrr Hiilrtima in Siiamrtattilra. Verlrrftlifte. Nach amtlicher Meldung sind im Gefecht bei Warmbad am 28 November gefallen: Unter- offizier Hugo Nickel, geboren am 7. September 1877 zu Klein-Trensen, früher Ulanen-Regiment Nr. 9: Reiter von derFecbt, geboren am 12. Oktober 1881 zu Balje, früher Husaren-Regiment Nr. 16: Reiter Karl Dresen, geboren am 5. Juli 1882 zu Broich, früher Kürrasier-Regiment Nr. 4. Verwundet: Gefreiter der Reserve Christoph Bolies, geboren am 5. März 1878 zu Stoibeck, früher Grenadier-Regiment Nr. 1, schwer: Reiter Johannes Elias, geboren am 16. Januar 1882 zu Tettenbuell, früher Husaren-Regiment Nr. 15, schwer: Reiter Georg Schäferlein, genannt Maier, geboren am 17. September 1882 zu Memmelsdorf, früher In- kanterie-Regiment Nr. 95, schwer. Vermißt: Gefreiter Wilhelm Sie Hel. ge- eborcn am 8. Oktober 1879 zu Hof-Buchen, früher Füsilier-Regiment Nr. 80. An Typhus gestorben: Gefreiter Paul Iüttner, geboren am 4. Juni 1884 zu Goldberg (Schlesien), früher Fcldartillerie Regiment Nr. 41. am 10. Dezember im Lazarett Windhuk: Reiter Otto Flanzc, geboren am 24. Juni 1888 zu Nährten früher Luftschiffer-Bataillon, am 11. Dezember im Laza rett Otjosondu: Reiter Karl E h l e r s, geboren am 16. Februar 1883 zu Groß-Foigtsbagcn, früher In fanterie-Regiment Nr. 62, am 2. Dezember im Lazarett Owikokorero: Reiter Wilhelm Gallert, geboren am 19. Juli 1881 zu Nanz, früher Infanterie-Regiment Nr. 128, am 7. Dezember im Lazarett Epukiro. weihnachtsbttte für Südweftafrika. Das Zentral-Hülfskomitee für die deutschen Ansiedler in Südwestafrika bittet in Anbetracht des bevorstehenden Weihnachtsfestes um weitere Gaben, damit die armen Witwen und Waisen, die alle nur das nackte Leben gerettet haben und einer weiteren Hülfe dringend bedürftig sind, eine Weihnachts freude bereitet werden kann. Immer gehen neue Unter - stützungsgesuche ein, durch den Ausstand im Süden Afrikas wird die Zahl noch zunehmen. Bis jetzt hat das Komitee allein in Deutschland bereits über 76 000 an Ansiedler bezw. WitN>en und deren Kinder gezahlt. Weitere Gaben sind an das Komitee Berlin, 62, Kurfürstenstraße 97, z. H. des Majors z. D. Simon zu richten. vrr rursirch-iapanirche Krieg. Der russische «Seneralissiniu» und -er japanische Ariegsrninister. In der „A. Z." wird die interessante Tatsache berichtet, daß der russische Generalissimus, Generaladjutant Kuro- patkin, mit dem japanischen Kriegsminister, General Terantschi, nahe befreundet ist, und daß die beiden „be freundeten Gegner" am Vorabende des Krieges Säbel als Geschenke mit einander austauschten. Sie lernten sich vor etwa 20 Jahren in Paris kennen. Terautschi war damals Major und Militärattache bei der japa nischen Gesandtschaft, Kuropatkin aber, zu jener Zeit schon Generalmajor, war nach Frankreich geschickt worden, um den dortigen Manövern beizuwobnen. Sie schiede» von einander und sahen sich nicht wieder, hiS Kuropatkin kurz vor dem Ausbruch des Kriege risch Japan kam. Der Verlauf der Jabre hatte für die beiden Freunde Rangerhöhung gebracht, beide befanden sich in hohen verantwortlichen Stellungen. Alle- deutete damals schon auf einen Krieg zwischen Rußland und Japan bin, wenn auch der Bruch noch hintangehalten wurde. Als Kuropatkin, der von den offiziellen zapanischen Kreisen in jeder Weise ausgezeichnet worden war, im Begriff stand, Japan zu verlassen und nach Rußland zurückzukebren, schenkte ihm Terautschi ein japanisches Schwert mit alter Klinge von feinster Arbeit, an der ein Stück Geschichte hing. Als Kuropatkin in Petersburg eingetroffen war, gab er Auftrag, sür seinen Freund einen Säbel russischer Arbeit herzustellen. Im Dezember wurde dieser abgeschickt und erreichte den japanischen General eine Woche vor dem Augenblick, in dem die Geschütze Togos den Krieg eröffneten. Ein r«fftf<her Geheimagent über die vermitzten M«rineattaeh6». Wobl in der Absicht, ein kleines deutsch - japanisches Techtelmechtel bervorzurufen, telegraphiert der Berichterstatter des „Standard" in Kopenhagen seinem Blatte, er habe von einem Briefe deS russischen Geheimagenten in London Kenntnis erhalten, der über da- Schicksal de- französischen und deutschen MariaeattachS« in Port Art hur Auskunft gibt. Danach wehte auf der Dschunke, in der die beiden Offiziere Port Arthur verließen,die französischeFlagge. Trotzdem feuerten die Japaner auf das Schiff. Zwer Chinesen und der deutsche Marineattachs von Gilgenheimb sollen dabei getötet worden sein. Die Dschunke wnrde dann angehalten. Nachdem sie von einem japanischen Offizier besucht worden war, verfugte der Kapitän des japanischen Kreuzers ihre Freilassung, befahl aber dann einem Torpedoboot, die Dschunke zum Sinken zu bringen, obwohl er wußte, daß der französische Marineattache an Bord war. Seine Hauptsorge soll gewesen sein, Unannehmlichkeiten wegen des TodeS des deutschen Offiziers zu vermeiden. Fast ohne Verzug hat, wie später depeschiert wird, der japanische Gesandte, Baron Hayaschi, die Meldung des „Standard" dementiert. Aampf zwischen Japanern nnb Aefaken. Wie der „Daily Mail" aus Tokio gemeldet wird, griff nach einem Telegramm aus Söul eine Abteilung Japaner in der Nacht zum 6. d M. 200 Kosaken in der Nachbarschaft von Jsianghan an und trieb sie sechs Meilen nördlich bis nach Pingtingshan. Die Ruffen ließen 6 Tode, 22 Gewehre, Uniformen, Pferde und Munition zurück. Die Veschiehung von -)ort Arthnr. Wie der Berichterstatter des „Daily Telegraph" in Shanghai unterm 13. d. M. seinem Blatte meldet, pflanzten die Japaner weitere Geschütze auf dem 203-Meterhügel auf. Sie beschießen jetzt das europäische Viertel von Port Arthur, das bereits in Flammen stehen soll. Der Umsang der Feuersbrunst ist noch unbekannt. veutsOes seiest. * Leipzig, 14. Dezember. * lieber „Gcspenftcrseherei" klagt die hochosfiziöse „Süd- deutsche Reichstorresp." und läßt sich aus Berlin schreiben: „Die „United Service Gazette" führt, wie die „Kölnische Ztg." verzeichnet, Len Widerstand der Türkei gegen die Einsetzung eines indischen Offiziers als Resident in Kueit auf Einflüsterungen Deutschlands zurück. Dasselbe Blatt will sür die Schwierig keiten, denen die Unterzeichnung des englisch-türkischen Ab, kommens über das Hinterland von Aden beim Sultan begegnet, deutsche Eiiimijchungsgelüste verantwortlich machen. Da soll nun wohl wieder die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" oder der Reichskanzler in Person amtlich unsere Unschuld be teuern? Auf diese Weise entwickelt man ein förmliches System, die deutsche Politik Lurch Erklärungen einzukreisen und festzulegen, die man ihr als notgedrungene Gegenwehr auf falsche Nachrichten abpressen möchte. Von verborgenen Ränken, geheimen Abmachungen und dergleichen mehr kann jeder so fabeln, wie es gerade in seinen Kram paßt. Die Beweispflicht Pflegt dabei mit der feinen Ausrede umgangen zu werden, es handle sich eben um tiefgeheime, unsag- bare Geschichten. Mögen doch die ausländischen Publizisten, die überall gleich Ratten und Mäusen deutsche Intrigen auf ihren Wegen tanzen sehen, sich an ihre eigene Regierung um Auf klärung wenden. Denn, gibt es wirklich irgend wo deutsche Ränke so gebietet doch das Interesse der dadurch etwa betrogenen Regie rung, daß sie entweder schon vor der großen „Enthüllung" die Spur der angeblichen Machenschaften aufgefunden hat, oder jeden falls hinterher alles tut, um der Sache auf den Grund zu kommen. Die Ergebnisse solcher Nachforschungen sollte man ruhig veröffent lichen. Das wäre vielleicht heilsam gegen einen Verfolgungswahn, der seine Hallucinationen mit politischen Realitäten verwechselt." Man möchte „Bravo" rufen, wenn nur die geringste Hoff nung vorhanden wäre, daß nach diesem Produkt einer ver ärgerten Stimmung auch gebandelt werde. Als nach dem mehr als überflüssigen Bashsord-Jnterview des Kanzlers die immense Bedeutung dieser großen Sanierungsaktion in allen Tonarten gepriesen wurde, erlaubten wir uns ziemlich skeptisch zu bleiben und zu sagen: „Es ist sehr wahrscheinlich, daß Graf Bülow sich von diesem Interview irgendwelche gute Wirkung aus. die englische Politik verspricht, sonst würde er es nämlich nicht gewährt haben. Wir müssen gestehen, daß uns dieser gewünschte Erfolg sehr fraglich zu sein scheint, und daß der ganze Versuch von einer unseres Erachtens viel zu optimistischen und deshalb irrigen Anschauung über den Charakter der Herren Vettern jenseits des Kanals diktiert ist. . . Wir sind skeptischer und halten überhaupt diese fortgesetzten Be- ruhigungs- und Versöhnungsaktionen für mißlich. . . Wir waschen an unserer Unschuld. Die Engländer haben in dieser wrltkrittschen Periode Realpolitik getrieben, in Egypten wie in Zentralasien, die Franzosen haben sich Marokko gesichert. Worum sollen denn nur wir allein beiseite stehen und es uns als Schuld und Fehle an rechnen lassen, wenn wir Geschäfte machen wollen? Aber freilich — wir wollen ja gar keine Geschäfte machen." Auf einen nicht weit hiervon entfernten Standpunkt ist man nun auch in Berlin gekommen — auf dem Wege der Empirie. Selbst die Bekräftigung des Interviews durch den Kanzler im Reichstage bat nichts genützt, denn die Verhetzung ist bereits wieder im schönste» Gange. Aber wie lange wird der Zorn Vorbalten? Warte, nur balde werden bei un wieder englische Journalisten empfangen, die den deutschen Telegraphenbeamten zu Leibe gehen, bald werben wir wieder alle Hände rühren, um uns gegen die blödsinnigsten Lügen irgend welcher fremdländischer dummen Jungen zu ver teidigen — und an der Themse wie an der Seine möchte man sticken vor verhaltenem Lachen. Berlin, l4. Dezember. * Maflenpctttisn der Deutsche« im Auslande. Die im Auslande lebenden Deutschen treten jetzt ebensallü an die Regierung mit dem Anträge aus Abänderung des Gesetzes über die RcickSangebörigkeit heran. Wie uns ein Privat- Telegranun aus Augsburg meldet, erbielt die „Augsburger Abendzeitung" von ganz besonderer Seite den Text einer Eingabe an den deutichen Reichskanzler, welche augenblicklich zur Unterschrift unter den in Frankreich lebenden Deutschen zirkuliert, und al- deren geistiger, wenn auch nicht offizieller Vater, wie bestimmt versichert wird, der deutsche Botschafter Fürst Radolin gilt. In der Petition heißt eS: „Exzellenz bitten die gehorsamst Unterzeichneten, dahin zu wirken, daß da- veraltete Gesetz vom 1. Juni 1870 über den Erwerb und Verlust der deutsche« ReichSangebörigkett mSglichst bald abgeschafft und durch ein neue«, zeitgemäße» ersetzt werden möge, welches bezweckt, 1) daß jedem im Ausland lebenden Deutsche« die Sicherheit gewährt wird, daß er niemals gegen seinen Willen seine Rechte als Reichsangehöriger verlieren kann; 2) daß die Erwerbung der früher verlorenen ReichSangebörigkett in jeder Hinsicht erleichtert und in keinem Falle so erschwert wird, wie dies bisher der Fall ist; 3) daß die Gebühren für die KonsulatSeintragung abgeschafft oder doch erheblich verringert werden; und 4) daß das schlecht verständliche Fremdwort „MatrSel" durch die Bezeichnung „Konsulatsliste der deutschen Reich-angehörigen" ersetzt wird. Die Bestimmung des Gesetze- vom 1. Juni 1870 — es ist dies eines der vom Norddeutschen Bund auf daS Reich übergeganzenen Gesetze —, gegen welche die Petition sich hauptsächlich wendet, ist jene de» 8 22, nach welcher die Reichsangehörigkeit durch zehnjährigen uuunterbrocheoeu Aufent halt im Ausland verloren geht, wenn nicht eine Eintragung in die Matrikel eine» ReichSkonsulat- erfolgt ist. Ein ähn licher Antrag aus Abgeordnctenkreisen wird bekanntlich auch den Reichstag beschäftigen. * Bischof Benzler reduziert. Der römische Korrespondent de» „B. T." erfährt „von guter vatikanischer Seite", daß die Kardinale Fischer und Kopp die Ueberzeugnug von Rom mitnehmen, daß der Vatikan den Wünschen der Reichs regierung betr. den Metzer Bischof Benzler volle Genug tuung gewähre. Benzler werde die bekannten Kirchhofs verordnungen im ganzen Umfange zurücknehmeu. — Ein solcher Liebesdienst kommt uns gewöhnlich teuer zu stehe«. * ParlamentSferien. Die Weihnachtsferien werden im Reichstage am Donnerstag abend «ach der Plenar sitzung eintreten. * HammacherS Beisetzung. Am Mittwoch mittag fand eine Trauerseier sür Friedrich Hammacher im Sterbe hause statt. Al- Vertreter deS Reichskanzlers erschien der Vortragende Rat im Staatsministerium, Geheimer Re gierungsrat Dr. v. Günther. Ferner waren anwesend die Minister Dr. Stubt, v. Rheinbaben, Möller, v. Budde, v. Hammerstein, v. Thielen, Graf Posadowsky, v. Tirpitz, v. Richthofen, UnterstaatS- sekretär v. Mühlberg, die Geheimräte Schmoller, Reuleaux und Sachau, Prinz Arenberg, Vertreter des deutschen Klottenvereins, die nationale Fraktion mit den Ab geordneten Bassermann und Sattler an der Spitze und eme Deputation aus Essen. Kranzipendeu batten gesandt der König von Rumänien, die Großherzög« von Baden und Hessen, Fürst von Hohenzollern, Herzog Jo hann Albrecht von Mecklenburg, der bayrische Minister von Crailsheim, Graf Ballestrem, die national liberalen Vereine und Verbände Deutschlands usw. Prediger Krummacher hielt di« Trauerrede. An die Trauer feier schloß sich die Beisetzung auf dem Zwölfapostel-Kirch- Hofe; am Grade sprach Äbg. Bassermann. An der Trauer feier beteiligten sich außer den Vertretern der narionalUberalen Fraktionen auch solche anderer Fraktionen, wie die Abgg. Müller - Sagan, Kämpf, S ch in i d t - Elberfeld, Dove, Graf Stolberg und Dr. Bachem, ferner auch die Bürger meister der fünf Städte, deren Ehrenbürger Dr. Hammacher gewesen ist. * Mirbach auf »em Aussterbeetat. Die Tätigkeit des Freiherrn von Mirbach im Dienste der Kaiserin als Ober hofmarschall ist jetzt, nachdem er von allen wesentlichen Funktionen als Leiter des Kabinetts der Kaiserin entbunden worden ist, nur ganz gering. Er hat fast nur noch den Kammerherrendienst zu regeln, nämlich zu bestimmen, wer von den designierten Kammerherren zum Hofdieust zugelassen wird. * Vorn Dortmund—Emskanal. Die Tatsache, daß die Winterzeit benutzt werden soll, einige laufende Unterhaltungsarbeiten des Dortmund—Einskanals auszusühren und diesen daher vom 2. Januar 1905 ad für kurze Zeit zu sperren, gab Veranlassung zu dem Ge rücht, daß es der Zustand der vor kurzem wieder her gestellten Meppener Schleuse diese Kanalsperre be dinge. Dieses Gerücht ist, nach der „Nordd. Attg. Ztg.", nicht zutreffend. * Ein Bild aus dem amtlichen und politischen Leben des polnischen Klerus entrollt daS „Pos. Tage blatt" mit einer Erzählung aus der Parochie Schmielau: Die bedeutende Mehrheit dieser Parochie, zu de,- zehn Ortfcl-aften gehören, bilden Teutfchkalholileu. Demgemäß amtet dort em deutschkatholischer Priester namens Prandke, der seinen dienstlichen Ob liegenheiten ordnungsgemäß nachkommt, auch seinen polnischen Glaubensgenossen jederzeit den Gebrauch ihrer Muttersprache gestattet, wahrend ec selbst als Deutscher sich seiner Muttersprache bedient. Was nun die Polen für sich als ihr angestammtes Recht bean- spruchen, das ist für die Deutschen natürlich eine Sünde, und se ging man auch in jener Parochie daran, dem Manne das Leben so sauer wie möglich zu machen. Die Pröpste des Dekanats Nakel brachten die „traurigen Zustände" der Parochie amtlich zur Sprache, die geistliche Behörde schritt ein, der Pfarrer Prandke verteidigt sich kurz und bündig, be tont, daß er seit 14 Jahren sein Amt gebührend ver sehe, daß er polnisch Beichte höre, daß sich bisher nie mand über ibn beschwert habe. Er weist darauf hin, daß seine AmtSgenossen hinter seinem Rücken die Sack>e zur Sprache gebracht haben, und daß ein solches Verfahren unter ehrlichen Leuten nicht üblich sei; für solches Gebaren einem Amtsbruder gegenüber gebe es nur ein Pfui, und — er wolle klagen. Darob großes Entsetzen in Tnesen und im Nak-ler Dekanat und schließlich Beauftragung de- Organisten von feiten de- Delkavar-, himter dem Rück« de» Geistlich« di«
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