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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.11.1904
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-11-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19041118011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904111801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904111801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-11
- Tag1904-11-18
- Monat1904-11
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Bezugs-Preis in der Hauptexpedition oder deren Ausgabe, flellrn ab geholt: vierteljährlich 8.—, bet zweimaliger täglicher Zustellung in« Hau« ./l 3.7K. Durch die Post bezogen für Deutsch, land u. Oesterreich vierteljährlich >l 4.S0, für die übrigen Länder laut Zeitungspreisliste. Diese Rümmer kostet tN ? auf allen Bahnhöfen und III I bet den ZeitungS-Verkäufern I * Redaktion «n» Erpedttion: 153 Fernsprecher 222 JohanatSgasse 8. Haupt-Filiale Dresden. Marienstrahe 34 (Fernsprecher Amt I Nr. 1713). Haupt-Filiale Berlin: CarlDuncker, HerzglBayrHofbuchbandlg^ Lützownraße 10 (Fernsprecher Amt VI Nr. 4603). Nr. 587. Morgen-Ausgabe. MpMer TaMM Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und des Königliche« Amtsgerichtes Leipzig, des Rates und des Nolizeiamtes der Ltadt Leipzig. Freitag den 16. November 1904. Aonatzmeschlusz für Anzeige». Abend-AuSgab«. vormittag» 10 Uhr. Morgen-AuSgab«: nachmittag« 4 Uhr. Anzeigen-PrrtS die «gespaltene Petitzeile 25 Reklamen unter dem Rrdaktioa«strich («gespalten) 75 -g, nach de» Familiennach- richte» <« gespalten) KO 4. — Tabellarischer »»d Zifserusaft werde» entsprechend höher b«. rechnet. — Gebühren für Nachweisungen u»d Offertenannahme 25 Anzeige» st»d stet« an die Expeditton zu richten. Extra-VeilaUN» (n»r mit der Morgen- Ausgabe) nach besonderer Vereinbarung. Die Erpedttion ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi« abend« 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polj in Leipzig (Inh. Vr. «., R. <L W. Kltnkhardt). 88. Jahrgang. Var Aickstigrtr vom läge. * Unter dem Vorsitz de« Königs Friedrich August und in Gegenwart de« Prinzen Johann Georg sand gestern in Dresden eine Sitzung des Gesamtministe- riums statt. —— * Zum Präsidenten der Kaiserlichen Dis ziplinär kämm er in Leipzig ist der Landgericht-Präsident Schmidt in Leipzig ernannt worden. * Der Reichskanzler empfing gestern den serbischen Finanzminister Patschu. * Der Bundesrat wird in seiner heutigen Plenar sitzung die lippischr Thr0 ufolgrfrage formell dem Reichsgericht überweisen. (S. Dtsch. Reich) * Gegen die französische Regierung gerichtete An griffe in der französischen Presse auf Grund angeblicher Aeußerungen des deutschen Kaiser« werden von deutsch-offiziöser Seite pariert. (S. Dtsch. Reich.) * In der gestrigen Sitzung de« ungarischen Abgeord netenhauses hat Tisza einen weiteren Antrag gegen die Obstruktion vorgelegt; e- sollen auch Abendsitzungcn statt- sindin. (S. Ausland.) * In Mailand. Como, Turin und anderen Städten Oberitaliens Haven die Reservisten gegen die Fort dauer ihres Dienste« nach den Wahlen demonstriert. (S. Ausland.) , * Nach einer russischen Meldung ist die Blockade von Port Arthur nur noch mangelhaft, da Admiral Togo einen Teil der japanischen Flotte dem baltischen Ge schwader enlgegcngeschickt har. (S. russ.-jap. Krieg.) llluffsnen. Wie wenig das eigentliche Wesen der mit dem Vatikanischen Konzil von 1870 in den Ultrainontanis- mus aufgegangenen römisch-katholischen Kirche noch er kannt ist, beweisen die Illusionen, denen sich sogar libe rale Bliitter noch hingeben, indem sie auf eine „Ver söhnung der extrem-kirchlichen Ideen mit jenen des Fort schritts und der gesunden Aufklärung" hoffen oder vom Episkopat erwarten, daß er „den politisckwn Extra vaganzen" des ihm unterstellten Klerus „mit milden Worten, aber auch mit allem Nachdruck" cntgegentreten werde. Solche Illusionen konnten nicht entstehen, wenn man sich mit dem Programm des Ultramontanismus, wie es Papst Pius IX. in seinem Rundschreiben (juauta. eur« vom 8. Dezember 1864 und dem damit verbünde- nen Syllabus klar, umfassend und autoritativ entwickelt hat, vertraut gemacht hätte, und wenn man sich bewußt wäre, datz cs die vornehmste Aufgabe des Episkopats ist, die Verwirklichung dieses Programms anzubahnen. Um die Hoffnung auf eine mögliche „Versöhnung dec extrem-kirchlichen Ideen mit jenen des Fortschritts und der gesunden Aufklärung" als völlig eitel darzutun und von Grund aus zu zerstören, genügt der Hinweis auf den 80. und letzten Satz des Syllabus. Hierin „verwirft, ächtet und verdammt" Pius IX. „Kraft Unserer Apo- statischen Autorität" als „Irrtum unserer Zeit" die Be hauptung: „Ter römische Papst kann und soll sich mit dem Fortschritt, dem Liberalismus und der modernen Bildung versöhnen und verständigen". Und in dem Rundschreiben (jnanra curu befiehlt der Papst, datz diese Behauptung als eine der von ihm verurteilten „schlechten Meinungen und Lehren" „von allen Söhnen der katho lischen Kirche schlechthin als verworfen, geächtet und ver dammt" angesehen werde. Der Syllabus ist aber aner kanntermaßen, wie Paul Graf von Hoensbroech in einer soeben erschienenen Schrift „Ter Syllabus, seine Auto- rität und Tragweite" (München, I. F. Lehmann? Ver lag) nachweist, heute noch „für jeden Katholiken eine im Gewissen absolut bindende Norm, deren Befolgung stets und unter allen Umständen für ihn geboten, deren Außer- achtlassung für ihn Sünde ist". „Ter Papst kann und darf sich nicht mit dem Fort schritte, dem Liberalismus und der modernen Bildung versöhnen und verständigen", da» ist positive, allgemein verpflichtende römische Kirchenlehre. Tie vom ultra montanen Papsttum vertretenen „extrem-kirchlichen Ideen" stehen also in einem unversöhnlichen Gegensätze zur modernen Kultur und zu deren .Hauptträger, dem modernen Staate. Wer an die Möglichkeit einer Ver söhnung dieser Gegensätze glaubt, gibt sich somit einer ge fährlichen Illusion hin. Dasselbe gilt von dem, der da erwartet, der baye rische Episkopat werde angesichts der Tatsache, daß die bayerische Zentrumspartei für die bevorstehenden Land- tagswahlcn mit der Sozialdemokratie ein Bündnis abge schlossen hat, die ihm unterstellte Geistlichkeit vor „politi schen Extravaganzen" warnen und die Gelegenheit er greifen, um „seine Autorität zu Gunsten der ordnungs erhaltenden Tendenzen im Staatsleben einzusctzcn". Solche Gelegenheiten sind dem bayerischen Epitzokpat, namentlich in letzter Zeit, wiederholt geboten worden, er hat aber noch nie davon Gebrauch gemacht. Er hat ge- schwiegen zu den „politischen Extravaganzen" der Datier, Schädler, Pichler, Hebel, Kohl, Gcrstenbergcr und der anderen klerikalen Zentrumsabgeordneten. Seine Ver treter in der Kammer der Reichsräte, die Erzbischöfe von München-Freising und Bamberg und der Bischof von Passau, lzaben die ihnen durch den bekkmntcn Antrag des Grafen von Moy gebotene Gelegenheit, sich über die poli tische Tätigkeit des Klerus zu äußern, schweigend vor übergehen lassen. Sic werden auch das Zusammengehen der klerikalen Politiker mit der vom Syllabus als „Pest- scuchc" verdammten Sozialdemokratie nicht offen miß- billigen. Tenn die Sozialdemokratie unterstützt ja das Zentrum, die politische Fechterschar des Ultramontanis mus, im Kampfe gegen den Liberalismus, und im Ver gleich zu diesen ist sie daher das kleinere Uebel. Tas ultramontane Interesse ist auch für die Bischöfe allein entscheidend, und es würde diesem Interesse zuwider sein, wenn der bayerische Episkopat unter den gegenwärtigen Verhältnissen in noch so milder und diplomatischer Form seinem Klerus zur Erwägung anhcimgeben wollte, „ob es sich mit dem Ansehen des klerikalen Standes, mit den beschworenen staatsbürgerlichen Pflichten des Priester tum» vertrage, geistliche Parlamentarier dem Umsturz die Hand zu gemeinsamem Kampfe bieten zu sehen." Also keine Illusionen! Olvricus elericum uou lloei mat, gilt auch auf politischem Gebiete. ll. Innrbruckr. In, Innrbru^er Genreindevnt brachte, nach der „N. Fr Pr.", Tr. Winkler die Behand lung Dt. Erlcrs durch Tr. v Koerber zur Sprache. Liese und die Rücksichtslosigkeit der Regierung gegenüber den Forderungen der Deutschen bedeute für die Stadt eine Beleidigung. Er beantragte folgende Resolution: „Der Gemeinderat lveitz sich mit Abgeordneten Tr. Erler völlig einig. Dieser bat durch sein mannhaftes Auftreten anläßlich der letzten Ereignisse den Willen der Bevölke- rtmg zum Ausdrucke gebracht. Ter Gemetnderat pro- testiert daher gegen die Versuche der Regierung, da» Vor gehen dieses Abgeordneten ins Unrecht zu setzen. Inns bruck trat das Antworttelegramm des Ministerpräsi denten, worin er förmlich Tr. Erler die Schuld gibt, sowie die schroffe Ablehnung jeder Genugtuung als Be leidigung empfunden. Der Gemeinderat erklärt, daß er cd für die Pflicht der Regierung hält, der Stadt für die Freveltaten der Italiener Genugtuung zu geben, und er wartet von allen deutschen Abgeordneten tatkräftige Unterstützung." Diese Resolution wurde einstimmig angenommen Aein Univerfftätrstreik. AuS Graz wird gemeldet: Seit vier Tagen waren Verhandlungen zwischen den Vertretern der Wiener deutschnationalen Studentenschaft und den hie sigen Hörern der Universität im Zuge, um durch ein gleichzeitiges allgemeines Ein stellen des Besuches der Vorlesungen auf die Regierung einen Druck auSzuiiben, in der Frage der Innsbrucker Universität aus der Rolle eines passiven Zuschauers herauszutrcten. Diese Verhandlungen haben.sich sowohl wegen der an der Grazer Universität herrschenden Un einigkeit, als auch deshalb zerschlagen, weil den Studenten von maßgebender Stelle bedeutet wurde, daß die so erzwungene Schließung der Universitäten sehr geraume Zeit währen und unbedingt mit dem Verluste eines Senicsters enden würde. Demonffratisnen in Mailand. Wie von dort der „N. Fr. Pr." gemeldet wird, be teiligten sich an der Volksversammlung, die Dienstag zum Zwecke des Protestes gegen die Vorgänge in Inns- druck stattfand, etwa 2000 Personen. Zehn Redner hielten herzlich unbedeutende Ansprachen. Miceli, Redak teur des „Secolo", hielt eine Rede gegen die Tripel- allianz, welche er ein dreifaches Mißverständnis nannte, das von keiner der betroffenen Nationen gewünscht werde. Ein sozialistischer Redner wurde niedergeschrien und im Saale wurden einige Püffe auSgetcilt. Nach Beendigung der Versammlung begaben sich die Teilnehmer im Zuge zum österreichisch, ungarischen Konsulat. Die Zugänge waren aber von Militär bewacht, so daß die Demonstranten unverrichteter Dinge umkebreu mußten. ver surrkcd-iapanirckie Krieg. Vie »nsffsehen Schiffe. Die Russische Telegraphen Agentur meldet ans Liban, daß dort am Mittwoch die Ergänzungsabteilung des baltischen Geschwaders, bestehend aus den Kreuzern „Oleg", „Izumrud", „Rion", „Dnjevr" und „Terek", sowie 8 Torpedobooten ausgelaufen sei. Nack einer Depesche a»S Allinge passierten zwei russische Panzerkreuzer, drei Hilfskreuzer und fünf Torpedoboote am Donnerstag mittag di« Nordspitze von Bornholm. Die tage am Schah». Der Tokioer Berichterstatter de« „Standard" meldet nach der „Bost. Ztg." am 15. November: Die Lage am Schaho ist unverändert. Militärische Sachverständige neigen zu der Annahme, daß die Stellungen der Russen für sie selber gefährlich seien, da es unmöglich sei, die Offensive zu ergreifen, während der Rückzng noch ver bängniSvoller sein würde. — Schanghaier Drabtmelbungen vom Schaho besagen, daß Dienstag mittag ein russisches RekognoSzierungskorp«, bestehend au« 3000 Mann Infanterie, Kavallerie und Artillerie, die japanische Stellung am Haitaho angrisf. Die Japaner batten keine Verluste. Ein anderes gemischtes russisches Korps griff Pinkiatun am 15. November gegen Mitternacht an, wurde aber zuruck geschlagen. Aus Muk-en bestätigen verschiedene Meldungen, daß die Japaner die Eisenbahn von Dalny nach Liaujang zweigleisig aus gebaut haben. Es verkebren dort täglich dreißig Züge- Wie dem „B. L.-A." gemeldet wird, hat der chinesische General Ma seine Truppen neuerdings vermehrt und wiederum japanische Offiziere als Instrukteure ein gestellt. Seine Haltung ist verdächtig; russischersritS würden scharfe Maßregeln zu seiner Ueberwachung getroffen. Vsnr General Stoffel. Eine Schanghaier Drahtung des „Daily Telegraph" besagt: Die russischen Behörden wollen Kenntnis von einem Komplott zur Ermordung Stössels erlangt haben. Acht japanische Abenteurer sollen sich als Chinesen ver kleidet nach Port Arthur in einer Dschunke begeben haben, Stössel aber, der von ihrem Borbaben verständigt war, traf die notwendigen Maßregeln für die Ankunft der Verschwörer. Mangelhafte Blockade von Port Arthnr. Der Korrespondent der „Birshewija Wjebomosti" in Mukden meldetseinemBlatte unter dem Datum des Mittwoch: Ein aus Tientsin hier angekommener Fremder erzählt, die Blockade Port Arthurs sei in letzter Zeil viel weniger wirksam als bisher, die Schiffe liefen obne Schwierigkeit von Port Arthur aus und kämen an. Dies erkläre sich daraus, daß Admiral Togo einen Teil seiner Flotte nach Japan geschickt habe, wo die Schiffe Reparaturen vornehmen sollten, um dem baltischen Geschwader ent gegengehen zu können. Die TorpevobootSflotille habe Befehl erhalten, nach Einnahme von möglichst Viel Kohlen nach einem unbekannten Bestimmungsort abzugehen; man nehme an, daß ein Teil dem baltischen Geschwader ent gegenfahre. Veulsches Feicff. * Leipzig, 17. November. * Treitschke über Kirchenpolitik. Ein Freund unseres Blattes schreibt uns: Sic baden kürzlich zur Beurteilung der französischen Kirchenpolitik die Ansicht Hegels zitiert, die Kuno Fisckier mitgeteilt und erörtert hat. Vielleicht ist es Ihren Lesern nicht uninteressant, sich auch zu ver gegenwärtigen, wie Heinrich v. Treitschke vom Standpunkt des Historikers in seiner „Politik" (Band 1, Seite 334) über die Institution der K 0 n k 0 r d a t e ur- teilt. Er sagt dort: „Luther sprach den großen Gedanken aus, daß der Staat an sich eine sittliche Ordnung sei, ohne daß er der Kirche seinen schützenden Arm zu leihen brauche. Hierin liegt sein größtes politisches Verdienst. Alle Versuche der katholischen Kirche, diesen Satz zu widerlegen, sind bis jetzt ohne Erfolg geblieben, wenn sich auch Nach- klänge jener alten Anschauung von der eivltus 6ei tu der neueren Geschichte noch vielfach vorfinden, so in der Unsitte der Konkordate, die sich fortgeebrt t-aben bis in unsere Zeit. Wenn der Staat souverän ist, kann er keiner Genossenschaft, die unter seiner Oberhoheit steht, gestatten, vertragsweise mit ihm zu vereinbaren, wie weit seine, des Staates Rechte reichen sollen. Er kann einer Kirche weite Rechte einräumen, aber nur nach seinem Ermessen. Ein Konkordat ist ein Vertrag von Macht zu Macht; der Staat aber darf sich das Ein- greisen des römischen Papstes in seine Machtbefugnisse nicht gefallen lassen. Er muß, um ein Bismarckischcs Wort zu gebrauchen — das freilich angowendct wurde in einem nicht gerade ernsthaften Zusammenhänge — die Klinke der Gesetzgebung in der Hand behalten. Hierzu kommt, daß die römische Kurie geradezu unebr- lich fein muß bei Abschluß solcher Konkordate. Beide Parteien stehen sittlich auf einem ganz verschiedenen Standpunkt. Man soll heute nicht den guten alten Mann im Vatikan «einer besonderen Schändlichkeit be schuldigen, aber die römische Kurie kann nach ihren« Wesen gar nicht ganz ehrlich sein. Da sie sich allein für die civitu.8 ckei hält, so faßt sie alle Verträge als In- dulgenzen und Grazien auf, die der eigentliche Herr scher, der Papst, ausnahmsweise einem sündigen Welt kinde gewährt. Alle Grazien und Indulgenzen kann man aber zurücknehmen. Tas ist immer die Anschau- ung gewesen: man ma«g in ultrainontanen Blättern heucheln, soviel man will. Daraus folgt denn, daß eine Staatsgewalt, die so leichffinnig ist, ein Konkor dat zu schließen, regelmäßig betrogen werden muß und sich dann bisweilen nur durch nicht gerade anständige Winkelzüge heraushelfen kann." * „Einmal deutsch — immer brutscht" Unter dieser Spitzmarke weist die „Dtsch. Kol.-Ztg." erneut darauf bin, daß der Gesetzentwurf über Erwerb und Verlust der deutschen ReichSangehörigkeit schon seit zwei Jahren in Arbeit ist, aber gleichwohl nicht recht vom Flecke kommt. Da« Blatt mabnt wiederholt, daß man e« nicht darauf ankommen lassen solle, ob die Deutschen im Auslande durch Eintragung in die Matrikel des deutschen Konsulats sich selbst die Angehörigkeit als Reichsdeutsche sichern, sondern daß umgekehrt der Grund satz aufgestellt werden müsse: Wer einmal deutsch ist, bleibt immer deutsch, wenn er nicht ausdrücklich auf seine deutsche RffchSangebörigkeit verzichtet, bezw. sich in einem anderen Staate naturalisieren läßt. Berlin, 17. November. * Leutschc Liebenswürdigkeit gepen Frankreich Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt: In einem „Parole ä'oncnn- i-agomont" überschriebenen Leitartikel vom 12. November teilt der „Gaulois" den Wortlaut einer Ansprache mit, die rer Kaiser vor einige» Wochen in einem Ofsilier- kasino über die französische Armee gehalten haben soll. Da« Blatt macht diese Ansprache zur Unterlage für Ausfälle gegen die Politik der französischen Re gierung. Wir sind zu der Feststellung ermächtigt, daß, wie der ganze vom „Gaulois" geschilderte Vorgang in dem Offizierkasino, so auch die Vein Kaiser in den Mund gelegte Ansprache von Anfang bis zu Ende erfunden ist. Man muß in Berlin Gründe haben, dem offiziellen Franl reich gefällig zu sein, sonst wäre diese Hilfeleistung schwer zu erklären. * Vom Bundesrat. In der heutigen BuiideöratSfitznug wurde den Entwürfen de« OffizterS-Pensionsgesetzes und des MannschaftS-BersorgungSgesetzeS die Zu stimmung erteilt. In der auf morgen anberaumten Plenar sitzung des BundeSrateS, die in der lippi sch en Frage Br- schluß fassen soll, wird dem Vernehmen der „Nordd. Allg. Ztg." nach, Reichskanzler Graf v. Bülow den Vorsitz führen. * Tic Vereidigung des lippischen Bataillan«. Am Sonn abend um 10 Uhr vormittags findet, wie die »Frkf. Ztg." aus Paderborn meldet, die Vereidig» ngdeS llppischen Bataillons auf den Grafregenten im Sennelager statt. ' Mehr Rückgrat! Ucber 2000 Polen haben in einer Versammlung einstimmig fölgendc Resolution ange nommen : „Tic Berliner Polen protestieren aufs entschiedenste gegen die Maßnahmen des Provinzialschulkollegiums gegen den hie sigen 2okol und erklären, daß dieser Verein durch sein Ver. halten nicht den geringsten Anlaß zu seiner Ausweisung ge geben hat. Tein sogenannten freisinnigen Berliner Bkagistrat drücken sie, wegen seines Verhaltens gegenüber dem Gesuch des Lokols um Ueberlassung anderer städtischer Räumlich keiten, ihr tiefstes Bedauern au« und werden ihm bei den näch sten Stadtverordnctemvaylen die gebührende Antwort nicht schuldig bleiben." Ter Ton dieser Resolution ist so überaus fdecks, daß der Berliner Magistrat Wohl daraus die Kraft schöpfen wird, sich den Sokols gegenüber auf den Standpunkt der Negierung zu stellen und ihnen in Zukunft Räumlich keiten, die der Stadtgemeinoe gehören, nicht mehr zur Benutzung zu überweisen. Es wäre besser gewesen, wenn man diese .Haltung immer eingenommen hätte, aber leider war man gegen die Intentionen der Regierung zu nachgiebig, als Herr von Koscielski der erste Edelstein in der preußischen Krone hieß. Damals gab man dem Truck von oben her nach und jetzt, da der Wind von der anderen Sette weht, muß man es erleben, daß ein so übler Dank die Nachgiebigkeit lohnt. Hoffentlich ziehen die Berliner Kommunalbehörden daraus den Schluß, der sich in zwei Worte zusammenfassen läßt „Mehr Rückgrat!" Es ist eben doch im politischen Leben ratsam, ein Prinzip zu haben und an diesem Prinzip fcst- zulialten, wenn auch seine Durchführung sich einmal als unbequem erweist. Tic städtischen Behörden haben eben allzulange in ihren, Verhalten das Wort des Kanzlers „Nur keine inneren Krisen!" betätigt. Tiesc Schwachmütigfeit rächt sich jetzt und die Stadtväter sitzen wieder einmal zwischen zwei Stühlen. Uebrigens ist die Kunde zu verzeichnen, daß der Staat im Schulstreit eine etwas versöhnlichere Haltung einzu nehmen beginnt. In einer Bezirksvereinsversammlung des sozialsortjchrittlichen Kommunalvereins, der unter Vorsitz des Stadtverordneten Deutsch eine Agitationsver- sammlung abhielt, kam, nach dem „B. T.", auch der Schulkonflikt zur Sprache. Rektor Kahlisclwr teilte nut. daß die Regierung im Schulkonflikt der Stadt gegenüber insofern nachgegeben hat, als sie die Erlaub nis erteilte, der freireligiösen Gemeinde die Benutzung der Aula in der 69. Gemeindeschule vom nächsten Sonntag ab für Ertoachsene — unter Ausschluß der Jugendlichen — wieder zu gestatten. * Aufgeschoben, aber nicht aufgehoben: Die „Nat.-Ztg." erklärt die kürzlich gebrachte Meldung Über die Schaffung eines ReichSkolonialaMte«, nach Informationen „aus bester Quelle" als durchaus unrichtig. Der demnächst er scheinende Etatvoranschlag enthalte keine Mittel für rin neues Reichsamt, dessen Errichtung aber natürlich trotzdem an gesichts der fortwährend steigenden Arbeitsbelastung ter Kolonialabttilung de« Auswärtigen Amte« von den maß gebenden Kreisen schon seit geraumer Zeit erwogen wird. * Berliner SN aßeubahnpdlitik. Bekanntlich sine vor kurzem in Berlin einige Jagddenkmale am Großen Stern enthüllt worden. Ein künstlerisches Ereignis war e« nicht. Die Denkmäler sehen nicht ander« au«, al« der „künstlerische Schmuck", mit dem man einen Biergarten verschönert. Die Vorgeschichte aber ist interessanter al« di« Denkmäler selbst. Maximilian Harden erzählt in der „Zukunft" darüber: Di« Große Berliner Straßenbahn gibt da« Geld für die Denkmäler» die Monumentalbänke, die Gärtnerarbeit. Und die Aktionäre dieser oft gescholtenen Berkehrsgesellschaft werden das Bronzeopfer gern bringen, denn der Straßenbabnverwaltung war brfohlen worden, für dir Strecke am Großen Stern auf die Ober leitung zu verzichten und den elektrischen Strom von unten herauf- zuleiten. Das wäre sehr teuer geworden. Der Befehl aber wurde zurückgenommen, al« die Gesellschaft sich bereit erklärte, den Platz auf ihre Kosten nach dem Plan de- Kaiser« zu schmücken, und dabei Anzeigen 1-g- Ssnntags-Annnner l insbesondere größere Geschäftsempfchlungen bitten möglichst schon heute zu überreichen, damit auf wirkungsvollen 5atz und gute Plazierung größt- I Mögliche Sorgfalt kann verwendet werden.
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