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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.11.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-11-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19041110025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904111002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904111002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-11
- Tag1904-11-10
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Anzeigen-Preis die «gespaltene Petitzeile SS N«klam«n unt«r dem Redaktion»strich (4g«spalt«n) 7b nach den Familienuach- rtcht«n l« gespalten) bü Tabellarischer und Ziffer»!«- nwrd«» ent sprechend höher berrchnet. G«bühr,n für Nachweisungen und Offerts»- annahme Lb Annatzweschlutz fiir «»iri,«,: Ab«nd-Ausgabe: vormittag« 10 Uhr. Morgen-Au«gabe: nachmittag« 4 Uhr. Anzeigen sind siet« an die Expedition zu richte». Extra-Veil«,r« (nur mit der Morge»- Ausgab«) «ach besonderer Vereinbarung. Tie Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 di« abend« 7 Uhr Druck und Berlaa von G. Pol» in Leipzig (Inh. Dr. R. L W. Kttukhardt). Nr. 57L Dormer-tag den 10. November 1904. ———WWSSSSSM--I —s—» 98. Jahrgang. Var Äicdligilr vom cagr. * Dir deutsch-serbischen HandelSvertragSvrr- handlungea werden in den nächsten Tag in Wien be ginnen. * Der Kaiser Franz Josef hat in einem geheimen Er laß, der durch die Ermordung de« Maler« Pezzey verursacht wurde, befohlen, daß vom Bajonett nur bei verletzter Waffeuehre Gebrauch zu machen sei. (S. den bes. Artikel.) * Di« Verlegung d«r Innsbrucker RechtsfakultLt ist, wie au« Wien gemeldet wird, deren Dekan vom Statt- Halter anaesagt worben; danach würde die Eröffnung in Trient, Nicht in Triest beabsichtigt. (S. den bes. Artikel.) * Nach einer Meldung au« London soll die Kabel verbindung mit Frankreich infolge des Unwetter« unterbrochen sein. * Beim Lordmayorbankett in der Londoner Guildball hat Laasdvwne über den Konflikt mit Rußland gesprochen und verkündet, daß ihn der amerikanische Botschafter gebeten hab«, einen Tchiedsvertrag mit der Union zu unter- or«tt«n. (T. Ausland.) * Der Admiral Roschdjestwensky hat laut einem Tagesbefehl dem Zaren geamwortet, daß da« Geschwader .einmütig zum Throne Ew. Majestät" stehe. (S. russtsch- jap. Krieg.) stgrarirche Marche. Man erinnert sich der außerordentlichen Schwierig keiten, die dem Abschluß von Handelsverträgen entgegen standen. Sie sind noch nicht einmal alle behoben, denn der Vertrag mit Oesterreich-Ungarn steht noch aus. Die Schwierigkeiten, die dem Abschlüsse von Verträgen ent gegenstanden — nur dem Abschlüsse von Verträgen an sich, nicht einmal günstiger Verträge — lagen in der Ein- stellung der hoch gespannten agrarischen Forderungen. ES scheint nun, daß die agrarischen Forderungen bei den Vertragsverhandlungen im wesentlichen durchgesetzt wor den sind. Die bevorstehende Veröffentlichung der neuen Verträge wird ja in Kürze erweisen, welche Opfer darin der Industrie zugemutet werden. Man sollte nun meinen, daß diejenigen wenigstens auf billige An erkennung Anspruch hätten, die' im Interesse des Gemein- und des agrarischen Wohles solche Opfer gebracht und durchgesetzt haben. Aber weit entfernt: „Einige Erleichterungen der land wirtschaftlichen Gewerbslage sind, wenn die deutschen Unterhändler ihr Aeußerstes getan und das noch möglich Beste erreicht haben, zu erwarten — eine grundlegende Umgestaltung aber nicht." Tas schreibt, als Quittung für die unglaublichen Anstrengungen der Regierung, ihren agrarischen Freunden zu Willen zu sein, die „Deutsche Agrarkorrespondenz" ihr ins Stammbuch. Einige Erleichterungen! Weshalb sie nicht schreibt, einige unwesentliche oder unerhebliche Erleichterungen, wissen wir nicht. Vielleicht vertieft sie den Begriff noch in dieser Richtung! Die Gelegenheit, fllr die, die ev angeht, so erfreuliche Betrachtungen anzustellen, gibt dem genannten Organe die angekündigte Absicht der preußischen Regierung, ihre agrarische Politik um einen neuen Programmpunkt zu be ¬ reichern, eine Entschuldungsaktion großen Stils für die Landwirtschaft einzuleiten. Der mehrfach geäußerten Vermutung liberaler Blätter, daß diese Entschuldung«' aktion im Interesse des „deutschen Bauernstandes" vcr> mutlich bei den Bauern der östlichen Provinzen vom Schlage der Herren Graf Kanitz und Genossen begin nen würde, haben zwar bisher di« offiziösen „Berl. Pol. Nachr." mit einem ziemlichen Aufwande an sittlicher Ent rüstung widersprochen. Die Form jedoch, in der sich die in der Wolle gefärbten Agrarblätter dieses Projektes annehmen, läßt jedenfalls darauf schließen, daß die „Freunde der Landwirtschaft", auch soweit sie ihren Grundbesitz an Morgen mit vierstelligen Zahlen be nennen, nicht geneigt sind, sich eine so günstige Gelegen heit zur Aufbesserung ihrer „Notlage" entgehen zu lassen. Die „Deutsche Agrar-Korr." holt deshalb schon jetzt aus ihren Akten einen fertigen Entwurf mit festen Pro grammsätzen hervor, der der Regierung die Reiseroute vorschreiben soll. Ein Entwurf, der 1895 vom Bunde der Landwirte aufgestellt ist und eine Reihe höchst bemer kenswerter Leitsätze enthält, die sich mit dein Real- und Personalkredit des eingehenderen beschäftigen. Bemer kenswert ist besonders Punkt 5 dieser Leitsätze: „Sind Grundstücke über die Taxgrenze hinau« ver schuldet, so ist st a a t l i ch e r s e i t s den betreffenden Besitzern in jeder Weise entgegenzukom men, um es ihnen zu ermöglichen, sich auf ihrer Scholle, — sei eS auch auf vermindertem Umfange der- selben — zu halten." Dieser Punkt eröffnet eine recht erbauliche Perspek tive. Er setzt mit klugen: Bedacht überhaupt keine Grenze der Verschuldung, verlangt aber anderseits, daß der Staat in jeder Weise den Besitzerau f der Scholle zu erhalten habe. Mehr kann man wirklich nicht verlangen! Man wird, wenn es sich um die praktische Erörterung agrarischer Forderungen handelt, auf diesen Punkt noch des öfteren hinzuweisen Gelegen heit haben. Daß auch Herr Dr. Oertel die Gelegenheit benutzt, wieder einmal auf ein anderes, in seiner Wir kung jedoch nicht zu unterschätzendes Mittel, der Land- wirtschaft zu helfen, hinzuwcisen, nimmt nicht Wunder. In einer pathetischen Sonntagsbetrachtung fordert er wieder einmal, das „werdende Geschlecht so lange an seinem Wurzelboden fcstzuhalten, bis cS wenigstens einigermaßen erzogen und gefestet ist", mit anderen Wor ten propagiert er damit nichts mehr und nichts weniger als eine Beschränkung der Freizügigkeit, um billige Ar beitskräfte auf dem Lande festzuhalten. Nachdem das Kontraktbruchgesetz im Preußischen Landtage angenom- men ist, und der Kanalvorlage durch den Vorschlag, betr. das Schleppmonopol der Regierung, ihr Schrecken ge nommen worden ist, gleichzeitig leider aber auch ihre Be deutung für Industrie und Handel, hätten die Agrarier alle Veranlassung, mit ihren Erfolgen zufrieden zu sein: durch hohe Zölle setzen sie die ausländische Konkurrenz matt und sichern sich hohe Preise, durch Gpezialgesetze suchen sie sich billige Arbeitskräfte zu sichern, durch iveitere Gesetze billigen Kredit. Nun fehlt bloß noch der Antrag Kanitz mit garantierten Verkaufspreisen, dann ist es erreicht. „Und wo", fragt man in deutschen Lan den, „bleiben Industrie, Handel und Gewerbe?" Der MManck in ZüaivrrtaMka. Die neuen Verftärknng»transpsrte. Wie seinerzeit angekündigt, war alsbald nach Aus bruch des Hottentotten-Aufstandes das Absenden weiterer Verstärkungen für die in Südwestafrika kämpfenden Truppen beschlossen. Es ist daher jetzt vielleicht eine Uebersicht darüber willkommen, in welcher Weise man diese Verstärkung vornehmen will. Am 12. November tritt zunächst mit den Dampfern „Erich" und „Eduard Woermann" das IV'. Bataillon 2. Feld-Regiments, sowie der Stab eines ebenfalls neu aufgestellten „Etappenkommandos Süd" die Ausreise nach dem Schutzgebiet mit dem Ziel Lüderitzbucht an. Die Stärke des ganzen Transportes beläuft sich auf rund 50 Offiziere, Aerzte und obere Beamte und 600 Mann nebst ebensoviel in Deutschland beschafften Pferden. Am Tage der Ausreise dieses Transportes formiert sich auf dem Truppenübungsplätze Munster ein neuer Transport von 23 Offizieren und 850 Mann. Er gliedert sich, nach der „Rh.-Westf. Ztg.", in 5 Transportkompagnien und ist in der Hauptsache zur Auffüllung der durch Krankheit und Gefechtsverluste in den Reihen unserer drüben kämpfenden Truppen entstandenen Lücken bestimmt. Ter Dampfer „Professor Woermann" wird diese Ersatzmann schaften nach Swakopmund überführen, ohne die erforder lichen Reittiere, wie sonst üblich, mitzunehmen. Man geht in der Annahme wohl nicht fehl, daß die Verluste an Pferden nicht derartig große gewesen sind, wie man ursprünglich erwartet und befürchtet hatte. Reittiere werden sich vielmehr noch in ausreichender Zahl bei den Truppenteilen, in deren Reihen die Ersatzmannschaften Aufnahme finden sollen, vorfinden. Während dieser Er- satztransport die Ausreise am 22. November antriit, ist die Absendung eines weiteren Verstärkungs-Transportes — 6. und 7. Transport, sowie 1 Etappenkompagnie — für die Zeit nach dem 26. November in Aussicht ge nommen. Der Dampfer „Palatia", welcher diese Truppen überführt, wird außerdem 500 Pferde aufnehmen und die Truppen — 7 Offiziere, 300 Mann — in Swakopmund, den Rest — 8 Offiziere, 170 Mann — in Lüderitzbucht landen. Außer diesen Truppen wird am 8. Dezember in Berlin noch je eine Feldtelegraphen- und Funkentele graphenabteilung zusammentreten, deren Ausreise in der Stärke von rund 16 Offizieren, 400 Mann und 600 Pferden für den 12. Dezember festgesetzt ist. Reiseziel und Transportdampfer sind für diese Truppen noch nicht bekannt, doch kann man als ersteres mit ziemlicher Sicher- leit ebenfalls Lüderitzbucht bezeichnen. Im ganzen werden im Lause des alten Jahres also noch etwa 100 Offiziere, 1500 Mann und fast 3000 Pferde die Ausreise nach Südwestafrika antreten und ihr Ziel auch hoffentlich noch vor Beginn des neuen Jahres erreichen. Liesen Verstärkungen gegenüber steht ein allerdings seit Beginn des Ausstandes allein an Toten eingetretener Verlust von 671 Mann, der mit Jahresschluß sicherlich das 7. Hundert erreicht haben wird. Unsere gesamten Streitkräfte werden omit unter Berücksichtigung all der Erkrankten und Ver wundeten am 1. Januar 1905 kaum mehr als 7500 Mann betragen. Kommen keine neuen Verwickelungen hinzu, so ist zu erwarten, daß — abgesehen von etuxngen Ersatztransporten für in die Heimat zurückkehrende ausgediente Mannschaften — keine wetteren Truppen über das große Wasser gesandt werden müssen. Die durch die anscheinend endgültige Niederwerfung der Herero sehr erleichterte Kriegslage gestattet dem General Trotha in noch größerem Umfange, als wie dies hier vor einiger Zeit als möglich bezeichnet wurde. Truppen aus dem Norden ans dem Norden nach dem Süden marschieren zu lassen. Sehr vorsichtig wird hierin verfahren werden müssen, denn sonst könnten wir doch allzu leicht ein Aus leben des eben niedergeworfenen Aufstander erleben. Sehr günstig für die allgemeine Kriegslage ist der Um- stand, daß außer von, Norden auch vom Westen, von Lüderitzbucht aus gegen Witboi operiert werden kann. Es ist nur zu hoffen, daß unser alter Freund und neuer Gegner sich ebenso ruhig abwartend in den DorrnSbergen, vereinigt mit dem Räuberhauptmann Morenga, aufhält, wie die Herero es im Tafellande des Waterberaes getan haben. Tann wird eS möglich sein, auch hier einen ent- scheidenden Schlag zu führen. Weitere Erwägungen über die Kriegslage anstellen, wäre müßig, da die Nachrichten aus Südwestafrika spär licher denn je fließen. Getadelt werden muß aber das allmähliche, „kleckerweise" Einsetzen — um einen be liebten Frontausdruck zu gebrauchen das bei der oben gegebenen Uebersicht über die herauSgehenden Verstär kungen auffallen muß. Dieses tropfenweise Einsetzen ist an und für sich auf das äußerste zu bedauern, denn mit jedem Tage, um den sich das Eintreffen und Landen in Südwestafrika verzögert, wird auch die endgültige Nieder werfung des Feindes hinausgeschoben. Und dieses Auf schieben kostet nicht nur das blank« schöne Geld des Steuerzahlers, es ist auch geeignet, das Ansehen und die Geltung des Deutschen Reiches gerade bei allen unzivili- fierten Völkern ernstlich zu gefährden. Der Witboiauf- stand wäre uns aller Wahrscheinlichkeit nach erspart ge blieben, rnenn über die schließliche Niederwerfung der Herero nicht fast Jahre vergangen wären. Der Grund fllr die langsame Abschiebung der einmal als notwendig erkannten Verstärkungen liegt nach offiziöser Auslastung in den miserabelen Landungsverhältnissen in Swakop- mund. Die natürliche Frage: Wer trägt die Schuld an derartigen Verhältnissen? soll hier nicht aufgeworfen werden. Ein Hinweis darauf, wie sehr solche Versäum- niste in jahrzehntelanger Verwaltungstätigkeit die Arbeit des Soldaten erschweren, wie sie dazu beitragen, die Opfer an Gut und Blut nur unnötig zu vergrößern, ein solcher Hinweis kann in unserer kurzlebigen Zeit und im Hinblick auf die mannigfaltigen Aufgaben, die in mili tärischer Beziehung in nächster Zukunft zu lösen sind, nicht schaden. Feuilleton. Dir heilige Caeeilie. Roman von Marie Bernhard. Nachdruck d«rb«t«n. Lächelnd und händereibend nahm der Gefeierte die Lobsprllchc hin und dankte nach allen Seiten: „Ja, — seht Ihr! Seht Ihr wohl, meine Lieben! War mir gar nicht bange um den Erfolg! Hatte es erwartet, durchaus erwartet! Ich denke, es darf dem Familien- tag nicht leid tun, daß ich ihm meine Entdeckung zu- führtet" Er ging auf Annemarie zu, tätschelte ihre Hand: „Gehr brav, mein liebes Kind! Außerordentlich schön! Sie haben tüchtig gelernt und berechtigten zu den besten, aller besten Hoffnungen .... wenn" .... er hob warnend den Zeigefinger „wenn Sie auf dem einge schlagenen Wege fortfahren, fleißig weiter studieren und mir Ehre machen!" Sie hatte auf den Lippen, zu fragen: „Ihnen Ehre machen? Mir selbst doch wohl vor allen Dingen!" Gie blieb aber stumm und sang nur noch, auf Verlangen, Schubert« reizende« Ständchen, da- die Wendung in ihrem Lehen herbeigcführt und das sie bet ihrer Lehrerin seither studiert hatte. Hatte da» erste Lied in seiner ernsten Schönheit. Staunen und Bewunderung erregt, so entfesselte die« hier einen wahren Beifallssturm. Niemand im ganzen Gaql vermochte es, sich dem Zauber zu entziehen, den diese quellfrische Stimme mit ihrer bestrickenden Süßigkeit aus- übte. Fortgerissen sprangen sie fast alle von ihren Stüh- len auf und applaudierten, — umringten die Sängerin, sprachen hastig, aufgeregt in st« hinein, und Annemarie hatte immer nur zu wiederholen: „Ich dank«, — ich danke sehr! ES freut mich, daß cs Ihnen gefallen hat, — ich weiß, ich habe noch viel zu lernen!" Im ganzen war man jetzt wohlwollend gestimmt gegen „die Kleine". Es würde etwa» aus ihr werden, das war sicher, man würde stolz sein können auf sie! Selbst Frau Mathilde Mentzel mußte es zugeben, das Mädchen Habs gut gesungen: .... aber eben darum, .... um so leichter würde sie «S haben, Oswald in ihre Schlingen zu ziehen! Zwar stand er anscheinend teil- nahmlo» beiseite, hatte seine Geige aus dem Kasten ge nommen und wickelte sie bedächtig aus ihrer seidenen Hülle, da er demnächst spielen sollte aber wer konnte wissen, ob diese Ruhe nicht nur eine geschickt angenommene Maske war? In der Tat. — «k tobte in ihm! G o also sang dies Mädchen? Da» steckte in ihr! Nicht etwa eine frische, hübsche kleine Stimme, bi« sich angenehm ins Ohr schmeichelte, — Oswald war musikalisch gebildet genug, um sich zu sagen, daß hier ein ungewöhnlich schöne» Material, sowie ein« ganz bedeutende Begabung vor handen war! — Wie ein Rausch packte es ihn! Er stürzte ein Glak Wein hinunter, da» in seiner Nähe stand, und gab seiner Schwester Thea, die einstweilen vom Klaviersessel auf- g,standen war, «inen herrischen Wink.... er wollte jetzt spielen, — sein neuestes Werk, — seine Romanze! — ES gab ein atemlose» Lauschen, — jeder hatts jetzt seine Erwartungen auf da» Höchste gespannt. Oswald Mentzel, d«r in Wien und Pari» studiert, der seinen Eltern soviel Geld g«kost«t hatte, --- Oswald Mentzel, da» Genie, das sich bisher so rar gemacht mit seinen Kom positionen, — höchstins «in kleine« Lied einmal gelegent lich zum Besten gegeben, .... endlich, nun endlich sollte man dazu kommen, ihn beurteilen zu können, durch An- hören dieses Werkes, das eine musikalische Koryphäe ge- loht hatte, das dem Komponisten vielleicht die Wege in «in« große Zukunft wi«s. --- Bst wußten es all«: dieselbe Koryphäe, die die Romanze gepriesen, wollte in nächster Zeit Oswalds Quartett kennen lernen, — gefiel dies gleichfalls, dann war dem jungen Genie die Fürsprache und Förderung des großen Mannes gesichert. ES steckte Verve und Feuer in dieser Romanze, — kein Zweifel! Gie war hübsch komponiert, voll blühen den Lebens, — nicht originell, nicht geistreich, aber reiz voll für's Ohr. Gleich einer Blumenranke wand sich die anmutige Melodik dahin, sie nahm die Sinne gefangen. Und wie der Komponist sie spielte! Nie noch hatte seine schöne Geige so weich und schmelzend gehaucht, so lieblich gesungen, — so feurig getönt! Nie noch hatte Oswald so interessant au-gesehen beim Spiel! In seinem blassen Gesicht loderten gleich Flammen die oft so müde blicken den Augen, die feinen Nasenflügel bebten, um den genuß süchtig weichen Mund spielte ein eigenes Lächeln! Die jungen Mädchen, die ihm zunächst saßen, flüsterten es einander in s Ohr, daß die Mutter de» jungen Mannes es hört«: „Er ist entzückend, — entzückend! Und wie er komponiert! Und wie er spielt! Und wie er dazu aussieht I!" Alle, alle umdrängten sie ihn, als er, nach einer schwungvoll hingeworfenen Schluhkadenz, den Bogen sinken ließ, alle, bi» auf die eine, die er sich am heißesten an seins Seite wünschte, und die doch kein Recht hatte, zu ihm zu treten und ihn ob seines Erfolge» zu beglückwünschen noch kein Rocht! — Er erwiderte wenig auf all' di« exaltierten AuSruf«, Fragen. Lobsprüche, — stand da, mit einem Giegeslächeln. wie «in junger König, und ließ sich bejubeln! Und war es auch nur die Familie, die ihn so stürmisch feierte, .... sein Erfolg war ihm dennoch zu Kopf gestiegen, — haupt sächlich der Gedanke: daß sie ihn mit erlebt hat! Frau Mathilde Mentzel mischte sich die Freudentränen aus den Augen. Nie hatte sic es je bezweifelt, daß ihr Abgott Bedeutendes leisten würde, — aber dieses erste Debüt, angesichts der ganzin Familie, macht« doch ihr Mutterherz vor freudiger Rührung erzittern. Ihr Oswald, — ihr Einziger, das Wunderkind, da» mit sechs Jahren schon den Oarnsv»! äs Vvnis« auswendig gespielt, das sich als Zehn-, Zwölfjähriger reizende kleine Melo dien ausgesonnen hatte, — ihr Schmerzenssohn, dem sie in aller Stille einen Teil um den andern ihres Ver- mögens geopfert hatte, ... nun endlich, — endlich kam das Glück, — das Gold, — der Ruhm! Vater Mentzel strahlte! Heute feierte er einen doppelten Triumph! Das Pathenkind der Familie und sein Sohn, — beide gewissermaßen sein Werk! Ihm schwoll das Herz im Busen! Ja, ja, — umringt ihn nur alle, ihr hübschen Mädchen und stattlichen Frauen! Blast dem jungen Genie sein Lob in die Ohren, bittet, — fleht mit gefalteten Händen um „mehr — um noch ein einziges — einzige» Stück!" Denn das taten sie! Ein Chaos von Stimmen, von Ausrufen: „Ach, Oswald!" „Bitte, lieber Oswald! ' „Nur eines — eines noch!" „Er tut es, — er ist ja so bezaubernd!" „Sieh, wie «r lächelt! Es kommt ihm doch keiner gleich!" „Tante Mathilde, hilf du uns bitten, daß er noch etwa» spielt!" Und da, wie die vielen Mädchenhände, die bittenden Mädchenaugen ihn umschmeichelten und er doch immer wieder verstohlen nach dem weißen Kleide, nach „seiner Mignon" herüberblickte, da fuhr «» durch seine leiden- schaftlich erregte Seele, wie ein glühendes Verlangen: „Spiele jetzt noch, - spiele ihnen allen — spiele ihr — ihr die Serenade!!" 8s hatte in Pari» einen jungen Menschen gegeben, Belgier von Geburt, den hatten sie alle gekannt, die zünftigen Musiker dort, — er hatte eine Zeitlang auf einem der Konservatorien studiert, flüchtig, unregel- mäßig, — dann war er immer mehr einem in seiner Famili» angeerbten Laster, dem Trunk, verfallen: er machte Schulden recht» und link», niemand wußte mehr zu sagen, wi« und wovon er eigentlich lebt«. Aber er
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