Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.10.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-10-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19041028026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904102802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904102802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-10
- Tag1904-10-28
- Monat1904-10
- Jahr1904
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
904. MV ishlW, eosel. idv.! tte. r eit. r »»»«»» Reichs tr. 16. Originell. V8t. rod »u»r. ?lied. er. eben. IKljkll. ler. u»« >. 4307. 'S Sog lagen ngen lw nng 19. >08 ildern. um. n. Herrn >t « orträge : »Die ». rche). »I». »«le aligen leger, irtig. rtig. BezugS-PreiS in d« Hauplexpedition oder deren Ausgabe» stellen abgeholt: vierteljährlich 3.—, bei zweimaliger täglicher Zustellung in-Hau- xl 3.75. Durch die Post bezogen für Deutsch, land u. Oesterreich vierteljährlich 4.50, für die übrigen Länder laut Zeitunqspreisliste. Diese Nummer kafter auf allen Babnhösen und III I bei den ZeitungS-Berkäufern I * Redaktion und Expedition: , 153 Fernsprecher 222 JohanniSgasse 8. Ftlialexpedittonen: BlfredHahn, Buchhandlg., UniversitätSstr. S (Fernspr. Nr. 4046), L. Lösche, Katharinen straße 14 (Fernsprecher Nr. 2935) u. König». Platz 7 (Fernsprecher Nr. 7505). Haupt-Atliale Dresden. Marienstraße 34 (Fernsprecher Amt I Nr. 1713). Haupt-Filiale Berlin: CarIDunck e r, Herzgl.Bayr.Hofbuchbandlg^ Lützowstraße 10(FernsprecherAmtVI Nr.4603). Abend-Ausgabe. eipMer TaMatt Anzeiger Amtsblatt des Hönigkichen Land- und des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Rates und des Volizeiamtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 25 Reklamen unter dem Redaktionsstrich (»gespalten) 75 nach den Familiennach- richten (6gespalten) 50 Tabellarischer und Zifferniatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Ossertenannahme 25 -H- Aunahmeschlusr fs»r Anzeigen: Abend-AnSgabe: vormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: nachmittag- 4 Uhr. i Extra-Vcilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Abgabe, ohne Postbefvrderung X 60.—, m't Postbesörderung 70.—- Anzeigen sind stet- an die Expedition zn richten. Tie Expedition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Truck und Verlag von V. Polz in Leipzig (Jich. Nr. B., R. k W. Klinkhardt). Nr. 552. Freitag den 28. Oktober 1904. 98. Jahrgang. Vas lvitdligrle vom Lage. * Auf der Weltausstellung in St. Louis hat Deutsch land im Berhältnis die meisten Preise erhalten; von 2200 Ausstellern wurden 1720 prämiiert. * Die Entlassung des österreichischen Finanz ministers und des Handelsministers ist durch kaiserliche Handschreiben vollzogen worden. (S. polit. Tagesschau.) * Der Mi nist er rat in London war auf N Uhr vor mittags angesetzt. In Gibraltar hat das Kanalgeschwader seeklar gemacht, die ganze Flotte wird zu einem Schein angriff auf Gibraltar in See gehen. Eine Division der Mittelmeerflotte wird erwartet. Das Pacific- und das Atlantische Geschwader in Esguimault und Halifax haben Befehl erhalten, kriegsbereit zu sein. (S. russ.- engl. Konfl.). * Türkische Soldateska hat in zwei bulgarischen Grenzorten Plünderungen und Mordtaten begangen. Die Regierung hat in Konstantinopel Beschwerde erhoben. (S. Ausland.) ver fabneneiä. Artikel 57 der Reichsverfassung sagt: „Jeder Deutsche ist wehrpflichtig und kann sich in Ausübung dieser Pflicht nicht vertreten lassen." Die Art und Weise, wie diese Pflicht zu erfüllen ist, ist in den Militärgesetzen näher geregelt. Seit Alters leistem die deutschen Soldaten den Fahneneid einige Zeit nach ihrem Diensteintritte. Die Eidesleistung wird herkömmlich zu einer erhebenden Feier gestaltet. In den verschiedenen Kontingenten sind verschiedene Eidesformeln üblich. Die Reichsgesetze er wähnen den Fahneneid nicht, nur in Artikel 64 der Rcichsverfassung ist angeordnet, das; die Verpflichtung zum Gehorsam gegen den Kaiser in den Fahneneid anszu- nehmen sei. Tos Treuegelöbnis im Eide wird jedoch dem Landesnerra geleistet. Wie au vielen Stellen, zeigt sich auch hier die Unzulänglichkeit der Gesetze und Vor schriften. Bei den Eidesleistungen werden vielfach die Rekruten nach der Belegenheit ihres Geburtsortes in Abteilungen gesondert. Wer in Sachsen geboren ist, schwört dem Könige von Sachsen Treue, wer in Detmold geboren ist, dein Fürsten von Lippe-Detmold. Ter Ge burtsort zeigt aber die Staatsangehörigkeit keineswegs an. In Sachsen werden unzählige Preußen, Bayern ufw. geboren. Man kann mit Sicherheit behaupten, daß im Deutschen Reiche jährlich einige Tausend Rekruten nicht auf den zuständigen Bundesfürsten vereidigt werden. Auf die mehrfache Staatsangehörigkeit wird nie Rücksicht genommen. Bekanntlich kann ein Deutscher gleichzeitig in mehreren Bundesstaaten staatsangehörig sein, also Bayer und Preuße zugleich. Tie Fälle sind nicht einmal selten. Sie kommen insbesondere bei solchen Leuten vor, die nach einander mehreren Bundesstaaten gedient haben. Die mehrfache Staatsangehörigkeit erstreckt sich auch auf die Kinder dieser Leute. Keiner Militärbehörde wird es einfallen, den Sohn eines Professors, der aus Hessen kommt und von München nach Leipzig berufen worden ist, auf den Großherzog von Hessen, den König von Bayern und den König von Sachsen zu vereidigen. Und doch wäre das eigentlich das einzig Richtige. Die Neuvereidigungen bei Thronwechseln bieten große Schwierigkeiten. Durch das ganze Reich besteht die soge nannte militärische Freizügigkeit. Man braucht nicht im Heimatstaate zu dienen; man kann ja auch in mehreren Staaten beheimatet sein. Man dient dort, wo man sich gerade stellt. So sind denn die Angehörigen der Bundes- staaten über das Reichsgebiet weit verstreut. Stirbt zum Beispiel ein reußischer Fürst, so müßte von Rechts wegen bei jeder Kompagnie, Eskadron, Batterie im Reiche fest- gestellt werden, ob nicht ein neu zu vereidigender reußischer Staatsangehöriger da ist. Das gleiche hätte bei sämtlichen Kontrollversammlungen im gesamten Reichsgebiete zu geschehen. In der Regel wird nun diese Neuvereidigung nur in dem Lande des verstorbenen Bundesfürsten vorgenommen. Die Staatsangehörigkeit wird nach dem Geburtsorte gemutmaßt; eine genauere Feststellung läßt sich aus der Stammrolle und dem Mili tärpasse nicht erzielen. Welche rechtliche Bedeutung hat nun der Fahneneid? Antwort: Nicht die geringste. Die Dienstpflicht besteht für jeden Deutschen auf Grund der Verfassung. Wer sich der Dienstpflicht nach seiner Einstellung entzieht, wird wegen 'Fahnenflucht nach dem Militärstrafgesetzbuchc ge straft. Dabei ist völlig gleichgültig, ob er schon den Fahneneid geleistet hat oder nicht. Tie Pflichten des Soldaten entstehen unabhängig vom Fahneneide. Rein tatsächlich freilich ist der Eid noch von Wert. Dem jungen Soldaten wird durch die feierliche Handlung zu Gemüte geführt, welch' ernste Pflichten ihm das Gesetz auferlegt hat. Diese Wirkung behält die Eidesleistung, wenn sich auch hinterdrein ergeben sollte, daß die Treue dem nicht zuständigen Fürsten geschworen, dem zuständigen coec einzelnen von mehreren zuständigen nicht geschworen worden ist. Immerhin dürfte es sich empfehlen, wenn die Ersatzbchörden sich der hier und da nicht geringen Mühe der Ausmittelung der richtigen Staatsangehörig keit unterziehen würden. Die Lage des Geburtsortes in diesem oder jenem Staate ist nur ein sehr schwaches Indiz für die Staatsangehörigkeit eines Rekruten. Tic Frei zügigkeit besteht schon seit mehreren Generationen und Sie Bevölkerung ist immer im Fluß. I)r. Zl. ver ruzrisch-engliscde lZonllilrt. Drei neue Tatsachen sind seit gestern nacht gemeldet worden, das Eintreffen der Roschdjestwenskyschen Berichte, das der Agentur Reuter übertragene Dementi der Meldung vom Ultimatum und der französische Vermitt lungsantrag. Der Eindruck, den die Haupttatsache, die Ankunft von RoschdjestwenslyS Telegrammen, in London hervorgerufen hat, ist nicht klar. Einesteils wird versichert, daß, nachdem der Admiral die volle Verantwortung für den Zwischenfall von Hüll übernommen habe und ihn ernstlich bedaure, beschlossen werde, nicht auf die Abberufung Rosch- djeftwenskys zu bestehen, um es Rußland zu ermöglichen, die übrigen englischen Forderungen zu erfüllen. Nach wnterer Version erregt der Bericht Erstaunen. Die englische Reme- rung weiß genau, daß keine Torpedoboote in der Nahe der Fischerflotille waren. Selbst wenn welche dort waren, meint sie, sei Rofchdjestwensky doch strafbar, da er auf Fischerboote schoß. Der russische Botschafter kann nicht viel mehr run, als Noten austauschen, obwohl er den Ernst der Lage einsieht. Detaillierte Telegramme -crGescbwaderHefr. Die entscheidenden und merkwürdigen Depeschen, die wir nach den Londoner Auszügen mitteilten, sind heute morgen in Petersburg durch den General st ab der Marine be kannt gemacht worden. Die erste lautet: „Die Affäre in der Nordsee wurde durch 2 Torpedoboote hervorgerusen, die, ohne Lichter zu zeigen, im -Schutze der Dunkelheit das an der Spitze des Geschwaders fahrende ^Schiff an griffen. Das Geschwader ließ die Scheinwerfer spielen und eröffnete das Feuer. Dabei zeigten sich einige kleine Dampfschiffe, die Fischdampfern ähnelten. Das Geschwader versuchte, diese Dampfer zu schonen und stellte das Feuer ein, sobald die Torpedoboote aus dem Gesichts kreis verschwunden waren. Die englische Presse ist darüber empört, daß das am Ort des Zusammenstoßes vom Ge schwader bis zum Morgen zurückgelassene Torpedoboot den Beschädigten keine Hülfe geleistet habe. Beim Geschwader befand sich nicht ein Torpedoboot. Niemand wurde am Orte des Zusammenstoßes zurückgelasfen. Folglich blieb bei den kleinen Dampfern dasjenige von den 2 Torpedobooten, das nicht in den Grund gebohrt, sondern nur beschädigt wurde. Das Geschwader leistete den kleinen Dampfern keine Hilfe, da cs sie im Verdacht hatte, daß sie Beihilfe leisteten; denn sie versuchten hartnäckig, die Linie der Schiffe zu durch brechen. Einige von ihnen zeigten gar keine Lichter, andere erst sehr spät." — Das zweite Telegramm meldet: „Das Geschwader stieß auf viele Hunderte von Fischern, denen es immer die nölige Aufmerksamkeit schenkte, nur nicht, als unter den Fischern fremde Torpedoboote annctrosfcn wurde». Eins von den Torpedobooten ist verschrvnuden, das andere ist nach den Aussagen der Fischer bis znm Morgen bei ihn«'" g-blieb-m. Sie hielten es für ein russische« uud waren empört, daß eü den Beschädigten teure Hülfe leistete. Es war aber ein sremdes, das bis zum Morgen blieb, entweder um das anvere zu suchen oder nm Beschädigungen auszu bessern, wobei es fick' nicht getränte, sich denen, die nicht seine Genossen waren, zu erkennen zu geben. Wenn auch die Fischer unvorsichtiger Weise in die Affäre hereingezogen worden sind, so bitte ich im Namen des Geschwaders, den unglücklichen Opfern unser aufrichtigstes Beileid aus drücken zu wollen. Wie aber die Sache lag, konnte kein Xlriegsschrfi, auch nicht im tiefsten Frieden, anders handeln." Die FrerrndschaftsHienHte der französischen Reztnvzik. Aus Paris wird über das Vermittlungsangebot, durch das Herr Delcasse, der nun sehr bedrängte Urheber des englisch-französischen Abkommens, fick) aus der Affäre zu ziehen sucht, von heute folgendes gemeldet: Delcasfe beauftragte den französischen Botschafter in London, Eambon, im Bedarfsfälle der englischen Regierung seine guten Dienste anznbieten. Cambon wohnte der Unter redung Lansdownes mit Benckenborff bei, er berichtete darüber nach Paris. Man erwartet, daß nach dem heutigen, englischen Ministerrat eine weitere Unterredung Cambons mit Lansdowne und Bencken- dorff erfolgt. Heute findet unter Vorsitz LoubetS ein Ministerrat statt. Die englische Regierung. Nach einem sich hieran unmittelbar anschließenden Tele gramm aus London dauerte die Konferenz zwischen Balfour, Lansdowne, Benckendorff und Cambon gestern bis zum Abend ununterbrochen fort. Der amerikanische Geschäfts träger besuchte ebenfalls das auswärtige Amt und drückte der englischen Regierung die vollste Sympathie der Union regierung aus, ihre moralische Unterstützung zusagend. (Dies ist der Borwand, um die offizielle zu umgehen. D. Red.) Das Parlamentsmitglied für Hüll, Sir King, hatte eine Konferenz mit Lansdowne, wobei er diesem auseinandersetzte, daß der russische Bericht, wonach die Fischerdampfer aus die russischen Kriegsschiffe zugekommen seien, nicht richtig sei; Fischerdampser mit hcrabgelasfenen Netzen liegen so gut wie vor Anker. Die heutigen Londoner Morgenblätter berichten, daß der Termin, der von England der russischen Regierung behufs Gewährung der verlangten Genugtuung gesetzt wurde, mit heute Mittag 11 Uhr abläuft. Zu dieser Stunde ist der Ministerrat einberufen. Sollte eine be friedigende Antwort bis dahin nicht eingelroffen sein, so wird die englische Regierung energische Maßregeln treffen, die gestellten Forderungen zu unterstützen. Der Be schluß der Negierung wird alsdann von Balfour in einer großen Rede, die wohl in Southampton gehalten werden wird, verkündet werden. Im Ministerium des Aus wärtigen und im Marineamt war man gestern eifrig beschäftigt. Spät abends kam der russische Bot- sckafter noch in die P r i v a t w o b n u n g Lansdownes. Die englische Klette. Nach einer Rentcrmeldung aus Gibraltar machte das Kanalgeschwader gestern nachmittag seeklar. Es geht das Gerücht, die ganze Flotte, ausgenommen das Schlachischiff „Caesar", gehe heute früh westwärts in See, um angeblich einen Scheinangriff aufGibraltar auszufiihren. Nach mittag sind einige Torpedoboote nach Tanger abgegangen. Die Tätigkeit im Arsenal wird kräftig fortgesetzt. Die Division der M i t t e lm e e rf l o t t c, welche erwartet wird, besteht aus 6 Schlachtschiffen, sämtliche» Panzerkreuzern und 20 Torpedobooten und Torpedvbootszerstörern. Einer zweiten Depesche aus Gibraltar gemäß erklärte der Kapitän des Dampfers „Talbot", gestern gegen Mittag nahe bei Kap St. Vincent 2 russischen Kreuzern begegnet zn sein, die Havarie erlitten hätten. Der Kapitän frng an, ob sie Hülse brauchten, doch wurde dies verneint. In Malta sind zwei britische Schlachtschiffe, ein Kreuzer und 6 Tsrpedoboots- zerstörer, von Korfu einHetroffen. Das Schlachtschiff „Oueen" und 9 Torpedobootszerstörer sind mit unbekannter Bestimmung von dort abgegangen. Nach einem Telegramm ans Athen erhielt der in den griechischen Gewässern befindliche Teil des englischen Mittelmeergeschwaders den Befehl, diese Gewässer mit aller Beschleunigung zu verlassen. Nack einer Meldung aus Montreal endlich haben bas Pazifik- und das Atlantische Geschwader in Esquimault und Halifax Ordre erhalten, sich kriegsbereit zu hallen. Die übrigen Beteiligten. Beschießung eines deutschen FischdampscrS. Auch die Exzesse russischer Kriegsschiffe gegen dänische und schwedische Fahrzeuge werden in London benutzt. Eine amtliche Note besagt, die englische Regierung habe mit großem Znleresj'e Kenntnis genommen von der Mit teilung, daß ein Kreuzer des baltischen Geschwaders noch Feuilleton. Die heili-e Taecilie. j- Roman von Mari-e Bernhard. x. Nachdruck verboten. Aber wie verstand Tante Kühne auch zu geben, trotzdem sie selbst wahrlich keine reiche Frau ist und auch ihre Sorgen hat! Ich sehe sie deutlich im Geist vor mir, mit ihrer breiten, blauen Leinenschiirze, vor dem mächtigen Küchenschrank stehend, in dem immer allerlei gute Dinge verwahrt wurden, — ich höre sie rufen: „Annemi, komm' mal her!" Und dann mit diesem lieben, mütterlichen Lächeln: „Hier, nimm den Korb voll Obst für die Kinder mit!" oder: „Wir haben gestern gebacken, da sollt Ihr schmecken, ob der Kuchen geraten ist!" Dann küßte ich sie und sagte vergnügt: „Dank' schön, Tante!" Und sie lachte iiber das ganze Gesicht: „Keine Ursache, Kind! Ist gern geschehen!" Ach, — eben! „Ist gern geschehen!" In den drei Worten liegt wohl alles! Ich bin überzeugt, daß es auch in Berlin eine ganze Menge Menschen gibt, die eine gute, schlichte Art zu geben haben — leider nur bin i ch an solche nicht gekommen! — Warum diese hohen Herrschaften sich verpflichtet haben, für mich zu sorgen, wenn sie es doch nicht freudigen Herzens tun? ES ist nicht so sehr schwer, die Antwort darauf zu finden? Erstens einmal wollten sie ihrem Verwandten, dem Direktor Mentzel, gegenüber nicht als geizig oder kleinlich erscheinen, — zweitens war ihnen diese Art Wohltätigkeit ein neuer, amüsanter Sport, — drittens hoffen sie, ich werde etwas erreichen und sic können iyrc Eitelkeit sättigen, indem sie dann aller Welt verkünden, s j x hätten mich ausbildcn lasjen, ich sei gewisjermaßen ihr Werk! — Sie sind nicht unfreundlich mit mir, — o Gott bewahre! Bankier Ringhaupt und Gemahlin sprechen so liebenswürdig zu mir, sie haben mir schon ein Billett zur Oper geschenkt, — „Figaros Hochzeit" — entzückend! — und einen feinen seidenen Regenschirm, der viel zu elegant für mich ist, — auch Oberst Brückner begegnet mir sehr freundlich, Herr und Frau Geheimrat Weisel sind voller Wohlwollen aber gönnerhaft und herab ¬ lassend sind sie alle miteinander. ES liegt weniger in den Worten, die sic an mich richten, als in dem Ton, in dem Blick, der diese Worte begleitet! Bin ich vielleicht zu mißtrauisch? Ich weiß es nicht, — aber ich fühle immer die unausgesprochene Frage hindurch: Bist du auch dankbar? Fühlst du auch in vollem Umfang, was wir für dich tnn? Bist du dir auch dessen bewußt, welche Stellung wir einnehmen, — welch' ungeheurer Unter schied ist zwischen dir und uns? Und das müßte doch nicht seist! Meine Mutter hat mich gelehrt, daß wahre Herzensbildung, wahre Vornehmheit der Ge sinnung nicht danach fragt: Wer bist du und wer bin ich? Wie habe ich zu geben, wie hast du zu empfangen? Mutter hat während ihrer Erzieherin laufbahn verschiedentlich in sehr feinen Häusern, die dem höchsten Adel angchörten, gelebt, sic hat mir viel von der Zeit erzählt, und ich konnte nie genug hören! Da sind so echte, schlichte Naturen unter dieser Aristokratie gewesen, hochgebildet und auch sittlich hochstehend, — die haben sich so einfach gegeben, der Mensch zum Menschen, — nie ist es denen in den Sinn gekommen, zu wägen und zu messen, wer höher steht! Ini allgemeinen komme ich mit den Männern besser zurecht, als niit den Frauen und Töchtern! Ich weiß, es liegt etwas in meiner Erscheinung, in meinem Blick, als möchte ich mich gern beschützen lassen, — Asta hat es mir gesagt und hat hinzugesetzt, daß das den Männern bejon ders gefällt! Ich will das aber gar nicht, ich werde mich schon selbst zu beschützen wissen, — wer arm und hübsch ist, wie ich, der hat das früh zu lernen! Asta hat aber recht, — die alten Herren sind sehr freundlich gegen mich und die jungen sind galant, das heißt, mit einem Stich ins vertrauliche, den sic sich so einem armen Ting gegenüber, dem Schützling von sechs Familien, glauben herausnehmen zu dürfen, und den ich empörend finde! — Diese Vollmars, — das ist eine entsetzliche Faniilie! Ich bin erst zweimal bei ihnen zu Tisch gewesen aber wenn ich da nicht mehr hingehen dürfte, ich wäre glückselig! Der Herr des Hauses ist dies nur dem Namen nach, er ist ein richtiger Pantoffelheld, so imposant er aussieht! Und die drei Damen, — diese geizige Frau mit den hungrigen, bösen Augen in ihren: Raubvogelgesicht und die beiden Töchter mit ihrer Gefallsucht und ihrer geistigen Beschränktheit wie sie mich ansehen, — mich mustern, — wie sie mit mir sprechen, — lieber Gott, ich bitte dich, gib, daß ich mir dies nicht lange mehr bieten lassen darf, — ich weiß nicht, wie ich es er tragen soll! Auch diese beiden alten Fräulein Wessel, die mich auS- fragen, austwrckien möchten, mich peinigen bis aufs Blut mit ihren taktlosen Bemerkungen! Sie leben still, da die Taubheit der einen es ihr verbietet, viel unter Menschen zu gehen, und die andere zu ökonomisch ist. um sich allein in Unkosten irgend welcher Art zu stürzen. Sie scheinen es für selbstverständlich zn halten, daß ich ihnen haar klein alles und jedes berichte, was bei ihren Verwandten vorgeht, — was ich bei Brückners zu Mittag gegessen habe, welches Kleid Frau Bankier Ringhaupt trug, ob es wahr ist, daß ihre Schwägerin, Frau Geheimrat Wessel, einen so schweren Anfall ihres Asthmas gehabt hat und ob ihrer Nichte Thea das neue Kostüm gut sitze! Ist das erledigt, — mit äußerster Knappheit oder ausweichender Geschick!ichkeit meinerseits! daun kommt das persönliche Gebiet d'rau: „Nicht ivahr, Melanie Bruckner, ist ein recht hübsches Mädchen? Oder finden Sie Bianka Vollmar vielleicht besser aussehcnd? Hat sich Rolf Hennig, unser Neffe, der Leutnant, denn auch nut Ihnen unterhalten? Gefällt Ihnen die Wohnung unserer Schwester Mentzel? Nicht ivahr, unser Neffe Oswald ist ein sehr begabter junger Mann? Und doch auch wunderhübsch, — finden Sie nicht auch? Die jungen Damen sind schrecklich hinter ihm her, — kein Wunder! — so genial beanlagt, wie er ist! Haben Sie etwas von seinen Kompositionen zu hören bekommen? Hat unsere jüngste Nichte neulich ge sungen, und wie gefiel Ihnen die Stimme?" Wer sind diese Menschen, — was denken sic sich von mir, um mich derartig zu behandeln? Aber dies ist noch lange nickst das Schlimmste! „Mein liebes Fräulein, — Sie haben wohl eine traurige Häuslichkeit daheim mit all' dcu kleinen Geschwistern? Müssen sich wohl sebr ein schränken? Was ist doch Ihr Vater? Kopist? O, o, wie traurig! Und die Mutter, — wie lange ist sie tot? Fast zwei Jahre? Da waren Sie ja noch ein Kind! War Ihre Mutter auch die Tochter eines Kopisten? Nicht? Eines SauitätSrates? Wirklich? Habe ich recht ver standen? Eines SanitätSrateS? Aber wie konnte sie denn eine solche Ebe schließen, die — nehmen Sie es mir nicht übel! — so ganz unter ihrem Staude unr? Er zieherin ist sie gewesen? Wo? Wie lange? Bei wem?" Und das Hörrohr wird lang und länger, rückt mir nahe und näher die Brillengläser funkeln, die Augen bobrcu sich förmlich test in meinem Gesicht, die Hände legen sich un Eifer auf meinen Arm. Dutzendweise schwirren die Fragen um mich herum, — dazwischsn er munternde Aeußelungen: ..Liebes Kmd, Sie müssen nicht so einsilbig sein, - nicht so scheu! Wir meinen es gi»t mit Ihnen! Immer heraus mit der Sprache!" — Ach, ich bin weder einsilbig von Natur noch scheu, und ich möchte schon erzählen von zu Hause, aber nicht von unserer A rmnt, von unterem Reichtum möchte ich reden! Welch' herzensguter, fleißiger, ehren werter Mann mein Vater ist, wie begabt Heinz, wie
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite