Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.10.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-10-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19041022028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904102202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904102202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-10
- Tag1904-10-22
- Monat1904-10
- Jahr1904
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
BezugS-PreiS t» dir HrupterpedÜio» »der deren «»«gab»- stelle» ab geholt: vierteljährlich ^4 3.—, bei iwrimaliger täglicher Zuftellang in» Hau« 3.7b. Durch die Post bezogen für Deutsch- land ». Oesterreick vierteljährlich 4.50, für die übrigen Länder laut Zeitung-Preisliste. Diese Stummer kostet auf allen Bahnhöfen und III I bei den Zeitungs-Berkäufern Nrbaktton uu» Extzestlton: 1L3 Fernsprecher 222 Johannirgafle 8. Ftltalerpedttianen: IlfredHahn, Bnchhandlg., Universttätrstr. S jFernspr. Nr. 4046), L. Lösche, Katharinen- kratze 14 (Fernsprecher Nr. 293b) u. Königs platz 7 (Fernsprecher Nr. 7505). Haupt-Ailtale Dresden. Marienstratze 34 (Fernsprecher Amt 1 Nr. 1713). Haupt-Filiale Berlin: TarIDunck e r, Herzgl.Bayr.Hofbuchbandla^ Lützowstratze 10(FernsprrcherAmtVI Nr.4603). Nr. 5«. Abend-Ausgabe. MMer IllMalt Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, -es Rates und des Rolizeiamtes der Ltadt Leipzig. Sonnabend den 22. Oktober 1904. Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 2V Reklamen unter dem Redaktionsstrlch (4 gespalten! 7ä -4, nach den Familiennach» richten l6gespalten) 50 Tabellarischer und Aisterniap entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Ofsertennnnahme 25 /ij. Annahmeschlus; sür Auzrlgen: Abend-Ausgabe: vormittag« lO Uhr. Morgen-Ausgabe: nachmittag» 4 Uhr. Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen.A.saabe, ohne Poslbeförderung X 60.—» m^t Postbefördriung 70.—. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von srüh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig (Inh. vr. V.. R. L W. Klinkhardt». 98. Jahrgang. Var Wchtigrte. vom rage. * Der in Leipzigs eingetroffene Staatsminister v. Metzsch besichtigte heute vormittag die Anlagen, Pläne und Modelle des Völkerschlachtdenkmals. (S. Leipz. Angel.) * Die sächsische Regierung hat den Wunsch der Be teiligung an den Beratungen über die Eisenbahnbetriebs- mittclgemeinschaft ausgesprochen. (S. Dtsch. Reich.) * Der Salviacsche Landesverratspro- zeh ist eingestellt worden. (S. Dtsch. Reich.) * Die außerordentliche Generalversammlung der Bergwerksgesellschaft Hibernia hat das Kaufangebot der preußischen Staats- regierung abermals abgelehnt. (Siehe volks wirtschaftlicher Teil.) * Die englische Negierung in Kairo schickt eine Erpedition von 2000 Sudanesen nach Central- afrrka ab, welche die englische Autorität sichern soll und schweren Kämpfen entgegengeht. (S. Ausland.) * Durch Erlaß des Zaren sind zu Formierungen in den Bezirken Warschau, Wilna, Kiew, Moskau, und zur Vervollständigung der sibirischen Reservebataillone in 120 Bezirken die Reservisten einberufen worden. (S. russ.-japan. Krieg.) Vas strinrip ller meinen Pastete. Tie Entwicklung der Dinge in Südwestafrika wird, wie schon erwähnt, augenscheinlich die Nachsendnng nicht unbedeutender Truppentransporte notwendig machen. Angesichts dieser Notwendigkeit wird nun in der Presse die Frage erörtert, ob für den Truppentransport wie derum das Prinzip der „kleinen Pakete" in Anwendung kommen, oder ob auf einmal ein größerer Trnppcnkörper auf den Kriegsschauplatz entsandt werden soll. Wir sind der Ansicht, daß dem letzteren Verfahren der Vorzug ge geben werden sollte. Hätte man rechtzeitig eine größere Truppenzahl nach der Kolonie entsandt, so wäre es viel leicht — wir sagen nicht: sicher — möglich gewesen, den Aufstand in seinen Anfangsstadien niederzuschlagen. Zu einer so großzügigen Auffassung vermochte inan sich aber an leitender Stelle nicht zu bekennen und so tröpfelten denn die Transporte in weit bemessenen Abständen nieder. Nun berichtet aber die „Swakopniunder Ztg." von dort: Wie gut die Landungsflösse sich bewährt haben, er sieht man aus folgenden Zahlen: In der Zeit vom 2. bis 16. September sind damit 3150 Tiere gelandet worden. Die höchste Zahl wurde am 13. Septeniber erreicht mit 418 Pferden. Die Dampfer „HyadeI" und „Eduard Bohlen" mit 607 Maultieren und 200 Ochsen sind innerhalb zweier Tape etwa entlöscht worden. Tas ist doch ein Beweis, daß die Landungsverhält nisse keine unüberwindlichen Schwierigkeiten bieten,, und wir erachten Ls, wie schon ausgeführt, nicht für richtig, am „Paket"-Modns festzuhalten, stimmen vielmehr einer Anregung bei, die das „Berl. Tgbl." gibt. Wir stehen ja mit England in besten Beziehungen, die sich durch die Kieler Illumination erst wieder besonders leuchtkräftig dokumentiert haben. Vielleicht sucht unsere Regierung die Erlaubnis nach, die Truppen in der Wal- fisch-Bai landen zu dürfen. Tas wäre ein gleiches Ent gegenkommen, wie es die Italiener den Engländern im Feldzuge gegen den tollen Mullah bewiesen haben. In der Tat hätte hier unsere Diplomatie wieder einmal Ge legenheit, einen der so selten gewordenen „Erfolge" her beizuführen. Sie bedarf eines solchen wirklich sehr, um ihr Prestige wieder zu heben oder, wie unhöfliche Leute meinen, ihre Existenzberechtigung nachzuweisen. Daß man einen derartigen Schritt augenscheinlich nicht wagt, läßt allerdings keinen günstigen Schluß auf unser Ver hältnis zu England zu und zeigt, wie wenig Monarchen- Entrevuen geeignet sind, den Gang der Politik zu be einflussen. Denn vermutlich würde, wenn man wirklich in London sondieren wollte, die Antwort der englischen Regierung ein höfliches Bedauern enthalten, schon des- halb, weil die öffentliche Meinung in England gegen jede Konzession an den kontinentalen Rivalen sehr empfindlich ist. Wir hegen also in dieser Beziehung nur schwache Hoffnung auf das erwähnte Entgegenkommen und heben Len Vorschlag des „B. T." hauptsächlich hervor, weil er ein Licht auf die deutsch-englischen Beziehungen wirft. Inzwischen haben nun auch schon die Diskussionen über die Kosten des Kolonialkrieges — denn ein solcher ist es — begonnen. Mit fettem Druck und großherzig abgerundeten Zahlen wird uns die Situation zu Ge- miite geführt. Zn gleicher Zeit erfahren wir, daß Süd- Westafrika eine Sandwüste ist und daß es sich nicht lohnt, für die Entwicklung dieser Kolonie einen Groschen zu be willigen. Wir haben an dieser Stelle schon des Oefteren abweichende Urteile von Fachmännern veröffentlicht und halten auch heute noch daran fest, an die Entwicklungs- Möglichkeit der Kolonie zu glauben. Die Aufwendungen, die gemacht werden, können sich allerdings erst in Jahr zehnten rentieren; indessen muß jede Kolonialpolitik sich entschließen, mit langen Fristen zu arbeiten. Für den Augenblick gibt es jedenfalls nur ein Gebot: den Auf stand niederzuwerfen und uns die Kolonie zu erhalten. Alles übrige ist eura posterior. Wir halten es auch nicht für würdig und klug, setzt über die entstandenen Kosten zu greinen. Wir müssen zunächst einmal die Suppe ausessen, dann allerdings werden wir uns der Frage nicht entschlagen dürfen, wer sie uns denn eigent lich eingcbrockt hat? * Die militärische Lage. Die „D. Kol.-Ztg.", das Organ der Deutschen Kolonial-Gesellschaft, läßt sich über die gegenwärtige Lage wie folgt aus: „Während im Nordosten des Damaralandes em Tefl der Truppen des Generals v. Trotha die be deutendsten Wasserstellen am Omurantba Uamatako und südlich der Omahete bis Kalkfontein am Eputcro be>etzl hält, folgen Oberst Deimling und Major v. Estorff in zwei Kolonnen den osnvarts.fliehenden Herero längs des Epuliro- und Eisebslusses. Die Operationen der Truppen sind m diesen Gegenden mit Mühsalen, Anstrengungen und Entbehrungen vertnüpft, von denen man sich emen säMachen Be griff machen kann, »venn man vernimmt, datz mehr tägige Durststrecken aus der Verfolgung zu überwinden lvaren. Dementsprechend weifen auch alle Meldungen vom Kriegssckfauplatze daraus hin, wie große Verluste die Herero auf ihrer nunmehr zweimonatlichen Flucht erlitten haben. Die Wldecstanosfählgteit oe,s Volles, das so viel Unheil über unser Schutzgebiet gebracht Hal, ist gebrochen. Daran ist nicht mehr zu zweifeln, aber noch bleibt ein t-artes Stück Arbeit zu lun: Die Haupt- linge, die Treulosesten der Treulosen, die ohne Frage noch starte Scharen und wohl die besten der Krieger um sich gesammelt haben, müssen gefangen und gerichtet werden! Gelingt es ihnen aber m der Tat, bei Riet- sontem die östliche Grenze zu gewinnen und in das Britlsch-Betschuanaland uberzutreten, so werden die englischen Behörden dafür zu sorgen l>aben, daß die Morübuben entwaffnet und der deutschen Gerichtsbarkeit überliefert werden. Es muß übrigens betont werden, Latz die Landschaften der Omahete, durch welche die Ver folgung sich nach Osten zog, bisher gänzlich unerforscht und unbekannt waren. Kaum ein Weißer wußte nördlich des Epukiroflusses Bescheid, und auch von den Herero wird nur ein kleiner Teil mit den Verhält- nissen in diesen entlegenen Landstrichen bekannt ge wesen sein. Allgemein aber galt das Sanbfeld mit Ausnahme dreier Wesl-Ost-Skraßen für absolut wasserlos und demgemäß auch die Absicht der Herero, hier durchzustoßen, für undurchführbar, falls sie nicht eineni der oben erwähnten Wege folgten. Plan hat sich jedoch insofern geirrt, als der Eisebjluß, der nicht zu diesen Wegen gezählt wurde, genügend bis dahin unbekannter Wasserstellen besaß, um wenigstens einem Teil der Herero den Abzug nach Osten zu sichern. Für die Lage an der Nord grenze des Damaralandes ist es bemerkenswert, daß die Stationen Grootfontein, Otjrtno, Naidaus, Otcwi und Ämutoni (am Etosa-Salzsee) stärker oder wieder be setzt worden sind. Durch diese Maßregeln wird den versprengten Teilen der Herero der Zugang zum Ovaniboland gesperrt und zugleich etwaigen Gelüsten der gegen die portugiesischen Truppen siegreichen Ovambo, nach Süden vorzustoßen, entgegengetreten. Aus den portugiesischen Berichten über das unglück liche Gefecht am Kunene bleibt zu verzeichnen, daß die Ovambo als gut bewaffnet und kriegerisch geschildert werden. Wenn daher auch der Hauptteil, dec inner halb unserer Grenzen wohnenden Stämme als bisher ruhig und kriegerischen Unternehmungen abhold be zeichnet wird, so bleibt zu bedenken, daß eine Maß- regel, wie die für die Zukunft beabsichtigte und un abänderlich notwendige Entwaffnung aller Ovambo auch die fetzt noch friedlichen dazu treiben kann, in die Fußstapfen des Nechale-Stammes zu treten, dessen ver räterischer Ueberfall der Station Amutoni seinerzeit ein Eingreifen der gesamten Ovambo in den Herero- aufstand befürchten ließ. Die Lage im Süden des Schutzgebietes — im Groß-Namaland — bedarf zwar noch der Klärung, dennoch aber scheint em allgemeiner Aufstand aller Hottentottenstämme unausbleiblich, wenn nicht bereits in allen Landesteilen ausgebrochen zu sein. So müssen die Zustände im Süden des Schutzgebietes denn .zweifellos als ernst bezeichnet werden, aber eins dürfen wir nicht vergessen: Daß die Entwaffnung aller Hottentottenstämme das dringendste Gebot nach der Niederwerfung der Herero bildete. Taß sich diese Entwaffnung in gütlicher Weise abgespielt haben könnte, werden nur krasse Optimisten zu behaupten wagen. Wenn die Hottentotten uns jetzt die Hand- habe geben, energisch gegen sie vor^ugehen, so ist nur der Zeitpunkt als ein zu früher bedauerlich, für uns aber bleibt die Hauptsache die, endlich Herren im eigenen Hanse zu werden! Tas ist die erste und vor nehmste Bedingung für die spätere gedeihliche Ent wickelung unseres Schutzgebietes!" ver wsrizch-javaniscde strieg. Line Asnkurrentin der „Linier". De Lorbeeren des Dr. Morrison baden die konservative „St. James Gazette" nickt schlafen lassen. Sie behauptet, Rußland sei entschlossen, die Schwarz-Meer-Flo tle mit ter Oüsee-Flotte nach Ostafien zu entsenden, und habe ceskalb seinenDruck aus diePforte zur Erlangung der freien Durchfahrt durch die Dardanellen erneuert. EsversprechederPfortedajür.die Reorgannationsmaßregeln der Mächte in Makedonien auszuhalten. Falls die Pforte sich weigere, werde eS die Durchfahrt erzwingen. In englischen diplomatische» Kreisen glaube man, es wolle einen Konflikt mit England herbei- iübren, um seine Niederlage durch Japan zu verbüllen. Die Haltung Deutschlands erhöhe die Besorgnis vor Ver wicklungen. Die Arbeit der „St. James' Gazette" ist noch gröber als die ihres Vorbildes. Von» Schauplatz. Aus Petersburg wird dem „Petit Journal" telegraphiert, beide Armeen wateten in einer ungeheuren Pfütze berum, okne Schutz gegen Ziegen oder Käste. Außerdem erbielten die Soldaten nur ungenügende Nahrung, >>>0 00" Mann schliefen aus eisiger, platter Erde. Noch klüger als dieser Reporter istdie „Agenzia libera",wonach Kuropatkin unbOhama einen 28 stündigen Waffenstillstand abgeschlossen hätten, um die Truppen aüsruben und die Toten begraben zu lassen. Die „Russische TelegrapheN'Agcutur" erklärt eine auS Kobe vom 21. Oktober datierte Meldung des „Daily Chronicle" als unrichtig, daß unter den in Moji eingetroffenen russischen Gefangenen sich hauptsächlich der Garde angehörige befunden haben sollen, da sich aus dem Kriegsschauplatz über haupt kein Truppenteil der Garde befände. Die „Dailn Mail" meldet aus Tokio vom 2l. Oktober: Generalleutnant Sameyika, Kommandant der Festungsartillerie in Tokio, ist mit Verstärkungen sür die Belagerungs-Arti llerie vor Port Arthur abgegangen. Ein Teil der 8. Division wurde ebenfalls zur Belageruugs-Armee geschickt ; der Rest der Division hat Marsch order. — Rach einer Rculerdepesche aus Tokio haben die Japaner die russischen Lazarcttgebülfen und verstümmelte Soldaten aus der Gefangenschaft entlassen und sie zu dem russischen Konsul in Skangbai gebracht. Es soll die Absicht bestehen, alle dauernd kampfunfähig gewordenen Gefangenen nach ihrer Heilung zu entlassen. — Der „Daily Telegraph" erfährt von seinem Bericht erstatter, der den Ussuribezirk bereiste, vom 2l. Oktober aus Soul, daß au den Ufern des Tumen keine Verteidigungs einrichtungen getroffen worden seien; an zwei Stellen bauten die Russen Brücken. Die Garnison Wlad iw ostot sei nicht sehr verstärkt worden, aber eifrig mitVerteidigungsarbeitrn deschäftigt, wobei als Arbeiter meist Koreaner verwendet würden Feuilleton. Die heilige Caecilie. 7j Roman von Marie Bernhard. Nachdruck verboten.» Mit einem verbissenen Lächeln auf ihrem hungrigen, verkniffenen Gesicht hörte die glorreich Ueberstimmte zu, wie nach und nach die Paragraphen für das neue Projekt entwickelt wurden. Onkel Alfreds „Ent deckung" sollte der Schützling des Familientages werden, — jedes Oberhaupt sollte und wollte sich anheischig machen, eine bestimmte Verpflichtung bei der Ausbildung des jungen Mädchens zu übernehmen. Lohne die Sache wider Erwarten nicht, so könne man immer, nach Ab lauf einer näher zu bestimmenden Probezeit, die junge Novize in ihre Heimat zurückschicken, eventuell, ihr hier in Berlin, wo schließlich jeder zu seinen. Recht käme, eine ihren Fälligkeiten angemessene Beschäftigung suchen. Tas aber sei so gut wie ausgeschlossen, denn die Geschichte werde sicher glänzend aussallen, und man werde Ehre cinlegen mit Onkel Alfreds Sängerin, — mit der Protegö des Familientages! — Es fand sich mit der Zeit etwas wie Begeisterung für die Angelegenheit. Es konnte hübsch werden, wenn alles nach Wunsch ging, wenn aus dem kleinen, unbekannten Mädchen eine große Künstlerin wurde! Und warum nicht? Erika Wedekind war auch ganz jung zu Ruhm und Größe gekommen, und sic war nicht das einzige Beispiel! Natürlich, fleißig mußte die Kleine sein, — und strebsam und fügsam, — ja, gewiß, — vor allem fügsam! Bankier Ringhaupt erklärte sich bereit, um einen soliden Anfang zu machen, die Pension sür das „Wunder- kind" zu bezahlen, unter der Bedingung, daß seine Frau diese Pension aussuchen und nähere Bestimmungen treffen durfte; es follte eine anständige Pension mittlerer Güte, nur mit Frühstück und Abendessen sein, — die Mittagsmahlzeit könne das junge Mädchen abwechselnd bei den verschiedenen Gönnern einnehmen, — auf diese Weise behalte man cs gewissermaßen unter Aufsicht, be komme die notwendige Fühlung und könne die Kleine beliebig dirigieren, ihr manchen schätzenswerten Wink geben und dergleichen. „Na, ich danke? All die Winke! All das Dirigieren!" flüsterte Rolf Hennig seinem Vetter Oswald zu. „Das arme Ding! Wenn man bloß wüßte, ob sie hübsch ist!" Geheimrat Wessel machte sich, verbindlich, den Unter richt des Mädchens zu bezahlen, — die Wahl des Lehrers oder der Lebrerin sollte natürlich seine Sache sein, — seine Tochter Margot sei hochmusikalisch und werde nach dieser Richtung hin tadellos Sorge tragen. Oberst Brückner übernahm die Toilettenfrage, — seine Ge mahlin hoffte in der Stille, die Künstlerin in werde ungefähr Melanies Größe und Figur haben, damit die Sache nicht zu teuer würde. Man durfte Brückners nicht zuviel zumutcn, - hatten sie dock noch zwei Kadetten zu erziehen, und Melanie mußte eine gute Partie machen, --- das Suchen danach erforderte keine geringen Mittel! — Die beiden Tanten, Elise und Ida Wessel, stritten sich mit Vollmars und Mentzels darum, wer von ihnen das Taschengeld des Schützlings bezahlen und wer die erforderlichen Reisekosten hergeben sollte. In Frau Vollmars Herzen war ein schwerer Kampf entstanden, welches von beiden Uebeln das kleinere sei, — sie entschied sich endlich für die Reise, denn das Ausgabegeld durfte nicht zu knapp bemessen sein, — die ganze Familie würde es kontrollieren wollen! — Direktor Mentzel, als dem glücklichen Finder des voraussichtlichen Kleinods, blieb nichts weiter übrig, als für die zunächst notwendige Reise-Equipierung der Kleinen zu sorgen und ihr baldmöglichst auf schriftlichem Wege ihr Glück zu verkündigen. Der Familientag, endigte höchst fidel, die Lust ging in hohen Wogen, die guten Weine und das prachtvolle „echte" des Hausherrn schürten tapfer mit. Man sprach, lachte, debattierte durcheinander, — man kam dahin, sich auf den „Schützling" zu freuen. Onkel Alfred war der Mann des Tages, — seine Gattin stand stolz neben ihm, ihren Arm in den seinen gelegt; sie war mit ihm zu frieden! Leutnant Rolf Hennig iaß dicht neben Rose Vollmar, die ein hübsches, üppiges Mädchen war, und sagte ihr leise einige gewagte Komplimente, die sie mit Worten ablcbnte und mit Blicken annahm. Der Leutnant weigerte sich auf dns entschiedenste, heute noch Violine zu spielen. — er behauptete, besseres zu tun zu haben. Mutter Vollmar warf mahnende Blicke auf ihre unvor- sichtige Tochter, was sollte dies Kokettieren mit einem kleinen Leutnant? Sie rechnete ängstlich die Reisekosten zusammen, — dritter Klaffe natürlich, — gut, daß sie nicht das Taschengeld hatte übernehmen muffen, — das hatten nun die Tanten zu bestreiten! Einmal in der Woche Mittagessen — nun, cs mochte hingehen! Einen zu großen Appetit würde ja solch' junges Mädchen nicht haben, undAnsprüche durfte es natürlich gar keine machen! Oswald saß zurückgelehnt in eineni Sessel und ließ sich von der kleinen, pikanten Melanie Brückner allerlei vorplaudern, ließ sich auch erbitten, ihr mit halber Stimme die Melodie seines frisch komponierten Früh lingsliedes ins Ohr zu singen. Es kam dem musika lischen Dämchen merkwürdig bekannt vor, — Schubert, Robert Franz? — aber das mußte natürlich ein Irrtum sein, Oswald war ja ganz „neue Richtung"! Sie fand die Melodie „einfach wunderbar"! Heute wurde wenig musiziert. Fran Iadrviga spielte aus dem herrlichen Steinway ein Impromptu und eine Polonaise von Ctwpin, die Hausfrau ließ sich lange bitten, ehe sic eine LrSztsche Tarantclle zum besten gab sie spielte sehr fertig, mit bemerkenswerter Technik, — endlich sang Melanie Brückner die „Feld einsamkeit" von Brahms, wobei der geniale Vetter Oswald sehr konzentriert zuhörte. Es wurde ein Maffenausbrnch, wie gewöhnlich an den Familientagen. Direktor Mentzel wurde von allen Seiten ermahnt: „Also, Alfred, du schreibst gleich morgen an un'ern Schützling!" „Lieber Alfred, ich schicke dir per Rollrpost Bescheid wegen der Pension!" „Onkel, ich komme bald zu dir wegen der Lehrerin!" „Sobald, wie möglich soll sie kommen, — hörst du Alfred?" Auf der breiten Treppe schob sich ein Arm in den des Direktors: „Onkel, jetzt stehst du uns endlich Rede, mir und Oswald: ist sie wirklich hübsch?" Ter alt? Herr kniff ein Auge zu und zwinkerte pfiffig mit dem andern: ..Apart, Jungens,—apart sag' ich euch!" „Wirklich? Genre von Melanie oder von Rose oder" — „Gar kein genre, lieber Sohn! Wenigstens hier bei unserem Familientag nicht vertreten!" „Ta bin ich aber neugierig!" „Glaub' ich dir, lieber Rolf Hennig! Ah! Wie einem die frische Nachtluft wohl tut!" Fünftes Kapitel. Es war ein Bries in dem Häuschen am See an gekommen. - aus Berlin ein Brief: den las die Familie Loinvardi und die Familie Kübnc immer von neuem. „Mein geehrtes Fräulein, Sie erinnern sich wobl unseres neulichen Beisammen seins, — Ihres und in eines Versprechens! Ich befinde mich in der angenehmen Lage, das meine un gesäumt einlösen zu können. Die verschiedenen Mit glieder meiner Familie Koben sich bereit erklärt, sick siir Ihre musikalisch? Ausbildung zu interessieren, Ikncn die Wege zu ebnen, — mit einem Wort, die ganze Sache in vollstem Unffang zu übernehmen. Unterkunft — Lehr-
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite