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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.10.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-10-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19041021027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904102102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904102102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-10
- Tag1904-10-21
- Monat1904-10
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BezugS-PreiS t» der Haaptexpeditto» oder deren Ausgabe stellen ab geholt: vierteljährlich 3.—, bei iweimaliger täglicher Zone Nun g in» Hau» 3.75. Durch die Post bezogen für Deutsch ¬ land u. Oesterreich vierteljährlich 4.50, sür dir übrigen Länder laut ZeitunqSpreiSliste. Diese Nummer kostet auf allen Bahnhöfen und III I bei den ZeitungS-Verkäufern I * Nedaktion und Ex-edttton: 153 Fernsprecher 222 JohanniSgasse 8. Filtalerpedtttonen: AlfredHahn, Buchhandlg., Universität»str. S (Fernspr. Nr. 4046), L. Lösche, Katharinen« jtraße 14 (Fernsprecher Nr. 293k) u. König»- platz 7 (Fernsprecher Nr. 7505). Haupt-Atltale Dresden: Marienstraße 34 (Fernsprecher Amt I Nr. 1713). Haupt-Filiale Berlin: CarlDuncker, Herzgl.Bayr.tzofbuchbandlg., Lützowstraße 10(FernsprecherAmtVI Nr.4603)., Abend-Ausgabe. leipMerTaMalt Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Rates und des Rokizeiamtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 28 Reklamen unter dem RedaktionSstrich (4 gespalten) 75 nach den Faniiliennach- richten (6 gespalten) KO Tabellarischer und Zifsernsay entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Ossertenannahme 25 Annahmefchlutz sür Anzrlnen. Abend-Ausgabe: vormittag- 10 Uhr. Morgen.Ausgabe: nachmittags 4 Uhr. Ertra-Veilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ac-gabe, ohne Postbesörderung 60.—, m ' t Postbesörderung 70.—. Anzeigen sind siel- an die Expedition zu richten. Tie Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöstnet von (ruh 8 bi» abends 7 Uhr. Truck und Verlag von K. Polz in Leipzig Quh. 0r. V., R. L W. Klinkhardt). Nr. 53S Freitag den 21. Oktober 1904. 98. Jahrgang. Var Aichtigrte vsm rage. * Gestern nachmittag Uhr erfolgte im Taschen- berg-Palais zu D r e s d e n in Gegenwart des Königs, der Prinzen und Prinzessinnen des königlichen Hauses, sowie der Minister v. Seydewitz und Dr. Otto die Eröffnung des Testaments des Königs Georg. * Die Sächsischen Stände werden ans den 22. November zur Neuregelung der Apanage verhältnisse der Mitglieder des königlichen Hauses einberufen werden. (Siehe deutsches Reich.) * Zum kommandierenden General des XII. (1. K. S.) Armeekorps ist der Generalleut nant von Broizem, bisher Kommandeur der 23. Division in Dresden, ernannt worden. (S. Sachsen.) * Die K a n a l k o m m i s s i o n des preussischen Ab- gcordnetenhauses begann heute mit der Beratung der eigentlichen Wasserstrabenvorlage. (Siehe deutsches Reich.) * In Bremerhaven sind die japanischen Flüchtlinge mit offiziellen und privaten Freund schaftskundgebungen verabschiedet worden. (S. russ.-jap. Krieg.) * Nach Iaur^s' Organ soll durch einen sozialistischen Abgeordneten in der italienischen Kammer eine Kundgebung für den Frieden in Ostasien er folgen. (S. russ.-jap. Krieg.) Vie Iippi5che frage. Wie verdienstlich die Presse wirken kann, zeigt sich recht deutlich in der lippischen Frage. Wie wäre diese Angelegenheit wohl verlaufen, wenn wir nicht eine un abhängige Presse besäßenI Indessen mutz vor allem darauf hingewiesen werden, datz diese Aufmerksamkeit der Presse nicht erlahmen darf. Die Taktik der Partei der Schaumburger, woraus sie übrigens gar kein Hehl macht, ist dilatorischer Natur. Sie will zunächst das Feuer, das sie für ein Strohfeuer hält, ruhig aus- brcuneu lassen und arbeitet indessen vor allein in dem Ländchen Lippe selbst im Stillen. Schon jetzt ist manches erreicht. Tie Zwiespältigkeit im lippischen Landtag hat in der öffentlichen Meinung befremdet. Fernstehende hatten geglaubt, der Landtag würde wie ein Mann zur Regierung halten. Tas ist leider nicht geschehen und man braucht kein tiefer Menschenkenner zn sein, um vorauszusehen, datz die Spaltung im Landtag sich immer mehr verschärfen wird, je länger das Interim andauert. Ein Vertrauensmann der Schaumburgec hat ausge sprochen, daß die schaumburgische Linie die Berufung eines Schiedsgerichts gern sehen würde, dessen Vorsitz der älteste deutsche Fürst übernehmen solle. Dieser älteste deutsche Fürst würde der P r i n z r e g e n t von Bauern sein. Indessen diese Wahl erscheint angeb lich den Schaumbnrgern deshalb nicht zulässig, weil der Prinzregent nur Verweser, nicht regierender Fürst ist. Sie denken an den Grotzherzog von Baden, wahrscheinlich in der Ansicht, daß der Großherzog von dem Recht der schaumburgischen Linie bereits heute fest überzeugt sei. Es wird notwendig sein, das Labyrinth dieser Minengänge unermüdlich zu durchwandern, wenn nicht eines Tages die Öffentlichkeit durch höchst sonder bare Ereignisse überrascht werden soll. Recht wenig auf der Höhe der Situation zeigt sich der lippische Landtag. Die lippische Regierungsvorlage hatte bekanntlich ge fordert, der Bundesrat möge auf dem Wege der Reichs gesetzgebung ein Gericht bestimmen. In dem Anträge der Kommission des lippischen Landtages ist aber ganz im Sinne des Herrn Kekulä von Stradonitz gerade diese Bedingung der reichsgesetzlichen Regelung gestrichen worden. Ter lippische Landtag scheint nicht zu verstehen, daß die Angelegenheit nur dann im Sinne der überwäl tigenden Majorität des lippischen Volkes erledigt werden kann, wenn sie die breiteste Öffentlichkeit erhält und wenn gewissermaßen das deutsche Volk jeden einzelnen Vorgang zu kontrollieren in der Lage ist. Im Anschluß hieran sei gleich das täglich sich neu er gebende positive Material der Frage wiedergegeben. Die schon kurz erwähnte Auslassung dec Post über die Stel- lung des Bundesrates zur lippischen Frage lautet vollständig: Die nächste Sitzung (des Bundesrats) war ur sprünglich auf heute anberaumt, ist aber nachträglich auf Sonnabend, den 22. d. Mts., verschoben worden. Man kann sich nicht wundern, wenn an diese Sitzung bereits allerlei abenteuerliche Vermutungen geknüpft werden. So glaubt eine hefige Korrespondenz heute verraten zu können, der Bundesrat werde in der Sonn- abend-Sitzunq sogleich die lippische Frage vornehmen. Tas ist nichts weiter als eine leere Vermutung. Natür- lich ist jeder Bundesratsbevollmächtigte berechtigt, auch in dieser Sitzung schon zur lippischen Angelegenheit das Wort zu nehmen, geschäftlich aber liegt die Sache zur- zeit so, daß die Ausschüsse VI und X des Bundesrates, also der Ausschuß für das Justizwesen und der für Ver- fassungsfragen, mit der Prüfung der Anliegenheit be. schäftigt sind. So sehr hier nun auch die Angelegenheit beschleunigt wird, bis zum nächsten Sonnabend wird die Materie für das Plenum des Bundesrates auf keinen Fall schon spruchreif sein. Ter Ausschuß für I u st i zwe s e n setzt sich folgen- dermaßen zusammen: Es vertreten: Preußen: Tr. Schönstedt; Bayern: Miltner; Sachsen: Dr. Graf v. Hohenthal und Bergen; Württemberg: Dr. v. Breitling; Baden: Gras v. Berckheim; Hessen: Dr. Dittmar; Lübeck: Dr. Klügmann. — Stellv. Braunschweig: Frhc. v. Cramm-Burgdorf; Schwarz- burg-Nudolstadt: Frhr. v. d. Recke. — In dem Aus schüsse für Verfassung vertreten: Preußen: Dr. Graf v. Posadowsky-Wehner; Bayern: Frhr. v. Pode- wils-Tücniz; Sachsen: Metzsch von und zu Reichenbach; Württemberg: Dr. v. Breitling; Baden: Graf v. Berckheim; Oldenburg: Bucholtz; Sachsen- Meiningen: v. Ziller. Wenn nun weiterhin behauptet wird, Graf Hohenthal sei bereits als Referent über die lippische Angelegenheit im Bundesrate bestellt, so liegt auch hier wieder nichts weiter als eine Vermutung vor, die sich zweifellos dar- auf stützt, daß Graf Hohenthal auch das vorige Mal, als der Bundesrat sich mit dieser Angelegenheit be- faßte, Referent war. Es ist allerdings wohl anzu nehmen, daß Gras Hohenthal auch diesmal das Reserat wieder erstatten wird. Wenn die oben envähnte Kor- respondenz dann auch noch wissen will, datz die Mehr zahl der Bundesratsbevollmächtigten schon mit genau vorgeschriebenen Direktiven von ihren heimischen Regie- rungen versehen sei und datz der Beschluß des Bundes rates auf eine Abstimmung über verschiedene, auch schon bis auf das Redaktionelle genau umschriebene Rege- lungsmöglichkeiten hinauslaufen werde, so ist das freie Phantasie. Keiner von den Bundesratsbevollmächtig ten ist bisher mit gebundener Marschroute in der lippi schen Frage nach Berlin gekommen, sondern es handelte sich für die Regierungen und ihre Bevollmächtigten zu- nächst nur darum, Fühlung zu nehmen und sich über die Stimmungen zu orientieren. Während nun die Aus schüsse tagen, kann natürlich daneben ein Austausch der Ansichten zwischen den beteiligten Staaten einerseits und dem Reichskanzler oder dessen Vertretern ander seits stattfinden. So hat denn auch Minister Gevekot Gelegenheit gehabt, außer mit dem Reichskanzler und dem Grafen Posadowsky auch noch mit einer ganzen Anzahl weiterer Bundesratsbevollmächtigter in einen Meinungsaustausch zu treten. Dabei hat inan weder von der einen noch von der andern Seite versucht, Stirn- mung zu machen, und insbesondere hat, wie wir hören, der Minister Gevekot diejenige Zurückhaltung bewahrt, welche von Anfang an auf feiten der gegenwärtigen Re gierung in Lippe so angenehm ausgefallen ist. Wir glauben, daß Herr Gevekot die Neichshauptstadt im Ge fühle vollster Befriedigung über das, was er hier ge hört, verlassen haben wird. Tas eine wird er nämlich zweifellos lraben feststellen können: Tie Vertreter sämt licher Regierungen werden sich eifrig bemühen, diesen Streit ohne Leidenschaft in aller Ruhe zum Austrage zu bringen, und sie haben das redliche Bestreben die Frage ausschließlich nach Rechtsgrundsätzen, wie es der Reichskanzler in seinem Schreiben an den Abgeordneten Hoffmann verkündet hat, ihre Erledigung finden zu lassen. Demnach dürfte die lippische Regierung heute auch nicht mehr die geringsten Zweifel daran haben, daß die Sache hier korrekt und bundesfreundlich behan- delt wird. Die Fassung der vorstehenden Ausführungen legt die Vermutung nahe, daß sie „bundesrats-ofsiziös" sind. Bei dieser Gelegenheit sei auch eine in der „Biesterseldsch" gesinnten „Lipp. Landesztg." vorliegende Erklärung des Abgeordneten Hoffmann, eines der Führer der Schaum- bnrgischen Partei, über die Depesche des Herrn Kekul6 von Stradonitz erwähnt. Darin heißt es: Die fragliche Depesche, die ohne Namensunter schrift, datiert Berlin, den 8. Oktober, 4 Uhr 34 Miu. nachmittags, aufgegcben nnd erst am Sonntag, den 9. Oktober mittags, in meinen Besitz gelangt ist, habe ich weder veranlaßt noch erwartet. Dieselbe enthält nach meinem besten Wilsen und Gewissen lediglich die rein persönliche, für mich absolut nicht maßgebliche Anschauung des Absenders. Tie Echtheit der (von uns in Nr. 532 abgedruckten) Tepesche ist nirgends bestritten worden, auch von Herrn Keknlä nicht, sie ist also authentisch. Ausfällig und schwer erklärlich ist dagegen die Auffassung des Herrn Hofs mann, datz „lediglich die rein persönliche Anschauung des Absenders" in einem Telegramm zum Ausdruck komme, das wörtlich besagt: „als besondere Gesahr wird dies seits angesehen" usw. ver suttirch-iapankche Krieg. (ra» Yang und die größten Schlachten feit hundert Jahren. Aus Paris, 19. Oktober, schreibt uns ein Mitarbeiter Der „Matin" giebt heute morgen folgende interessante Statistik über die größten Schlachten in den letzten hundert Jahren, die Zahl der Sieger und Besiegten, sowie die Ber- lustziffern, die von beiden Seiten zugegeben wurden: Schlachten Starte Sieger Besiegte Verluste Sieger Besiegte Austerlitz 70 000 84 000 12 000 26 000 Jena 40 000 70 000 4 000 27 000 Moskau 120 000 125 000 23000 51000 Leipzig 300000 171000 47 000 60 000 Waterloo 116000 78000 22 000 29 000 Solserino 124 000 163 000 15 000 22 000 Sadowa 141000 150000 9 000 24 000 Gravelotte 270 000 126 000 35 000 27 000 Sedan 190000 124 000 30000 38 000 Liao Dang 145 000 140000 30 000 30 000 Vie japanische fresse über j)ort Arhur. Unter dem niederdrückeuden Eindruck der blutigen Opfer, die die japanischen Stürme auf die Festung bisher gekostet haben, rieten kürzlich einige Blätter des Jnselreiches an, die Bestürmung Port Arthurs durch die methodische Belagerung und Aushungerung der unbewinglichen Festung zu ersetzen. Gegen diesen Vorschlag erhebt die „Dsidsi", wie der „Köln. Ztg." mitgeteilt wird, energischen Einspruch, der die Besorg nis erkennen läßt, die das nunmehr auf der Ausreise be griffene baltische Geschwader in Japan erweckt. Das japanische Blatt erklärt: „Ter Feind in Port Arthur solle nur eine Ratte in der Falle sein, und es tue nicht not, sich mit ihm besonders zu beeilen; denn es sei töricht, sich dadurch unnötigen Schaden zuzuzieben, daß man ihn zu sehr reize. Dies ist der Standpunkt, den ein Teil des Publikums eingenommen hat, und den wir entschieden verurteilen. Tie Notwendigkeit, Port Arthur zu nehmen, ergibt sich nicht an der Gegenwart des Feindes in Liajang, sondern daraus, daß es wichtig ist, die Marinebasis des Feindes zu zerstören. Obgleich an Zahl der Schiffe sehr geschwächt, besitzt der Feind in Port Arthur doch noch eine Flotte, die, sich selbst überlassen, noch immer imstande ist, großen Schaden anzurichten, folglich müssen Feuilleton. Die heilige Caecilie. 6j Roman von Marie Bernhard. Nachdruck verboten. „Pfui, Oswald! Ach, fragen wir doch einfach seine Schwestern! Beate und Thea, — sagt Ihr!" Tie Angerufenen schüttelten lachend die Köpfe, zuckten die Achseln. „Wir wissen von nichts! Uns erzählt er überhaupt nichts! Briefe bekommt er genug, aber was drin steht" ..... „Oswald, ist das wahr, daß dein Vater eine Neber- raschung für uns hat? Tas wenigstens kannst du uns doch sagen!" Bianka Vollmar richtete ihre großen dunkeln Augen erwartungsvoll auf das „Genie". „TieS würde ich dir sagen, Eousinchen, wenn ich cs nnr selber wüßte! Ter Alte tut fürchterlich geheim nisvoll. Wenn wir mit Essen fertig sind, wird ja wohl die Bombe platzen'" „Geigst du uns etwas, Oswald? Bitte!" Melanie Brückner machte ein spitzes Mäulchen und legte den Kopf auf die Seite. „Kein Gedanke, meine liebe Melly! Ich hab' zu Hause gerade genug zu fiedeln, hab' die Geige gar nicht mit hergebracht'" „Ach, darum! Rolf Hennig hat seine Violine da, — wenn du also" — „Ich spiele grundsätzlich auf keinem fremden Instru ment, Eousinchen!" Melanie schwieg verletzt. Tie Unterhaltung der älteren Herrschaften ging in hoben Wogen. Mau hörte Bruchstücke, wie: „Nichts über Karlsbad", — handbreiter Volant von flandrischen Spitzen", „nächste Reichstags- session", — „Wohltätigkeitskonzert, von dec Carenno arrangiert", — „beim Rennen iu Oos", — „Bachsche U-woll-Messe", — „geradezu süßestea — gown, blaß- lila mit gestickten Bordüren!" Tie Jugend warf sich nunmehr mit Feuereifer auf die Musik. Was der Winter bringen würde, — welche „Stars" man zu erwarten hätte, — ob neue Opern an gekündigt wären, — sie redeten lebhaft durcheinander, warfen von Zeit zu Zeit verstohlene Blicke auf Oswald, der mit Ostentation schwieg. Mein Gott, das war doch sein Beruf, — das mußte ihn doch interessieren! „Latz ihn nur! Er spricht nicht gern von Musik!" raunte Beate Mentzel ihrer Nachbarin Rose Vollmar ins Ohr. „Er ist oft reichlich unliebenswürdig, unser lieber Bruder Oswald, aber die Eltern verwöhnen ihn in Grund und Boden, sie finden alles an ihm schön!" „So! Noch dies Glas Sekt als Abschluß, Kinder! Die Tafelfreuden haben jetzt ibr Ende!" erklärte Leutnant Brückner, nickte den Cousinen der Reihe nach zu und leerte sein Glas in kleinen, schlürfenden Zügen. „Der Heidsieck von Onkel Ringhanpt kann sich mit Ehren sehen und trinken lassen. Ta! Onkel Alfred bläst zum Appell! Jetzt kommt das Geheimnis!" In der Tat war Direktor Mentzel in die Mitte des Saales getreten, hatte dreimal hell und scharf gegen sein Glas geschlagen und mit lauter Stimme begonnen: „Meine Damen und Herren! Vielgeliebte Freunde und Anverwandte" — „Hört, hört!" rief der Hausherr aufmunternd da zwischen. - ' ' e „Ihr alle, meine Lieben, seid, das merke ich schon, mehr oder weniger auf die Tatsache vorbereitet, daß ich etwas für Euch in petto habe! Wie Ihr zu dieser Kennt nisnahme gekommen seid, wäre mir nicht uninteressant, zu erfahren, — ich muß aber, um der Sache selbst willen, die eine nicht ganz unwesentliche Spanne Zeit bean spruchen dürfte, darauf einstweilen verzichten!" „Tas ist brav von dir, Alfred!" warf Oberst Brückner ein. „Verzichte du! Dazu ist der Mensch auf der Welt! Cousine Ellinor, nicht wahr. Sie geben dem Mann der Entsagung ein frisches Glas Sekt für diesen vielver sprechenden Anfang!" „Man unterbreche den Redner nicht!" bemerkte Doll- mar mit seinem dröhnenden Baß. „Zur Sache! Zur Sache!" Darauf bekam der Direktor sein Wort zurück und be- hielt es unangefochten während der nächstfolgenden Viertelstunde. Alfred Mentzel war als ein guter Gelegen- heitsredner bekannt, und heute bewährte er sich vollauf als solcher. War es die zu behandelnde Angelegenheit, die ihn derartig erwärmte, — war es der Heidsieck, . . . er sprach schwungvoll, er sprach überzeugend, er sprach so gut, daß seine Gattin sogar mit ihm zufrieden war, und das wollte viel sagen! Gewöhnlich war das Gegenteil der Fall. Es versteht sich von selbst, daß der Redner ein wenig stark auftrug, Das Häuschen des Kopisten, seine Kinder, der Mann selbst, vor allem natürlich Annemarie und ihre Stimme, das alles wuchs beliebig in die Höhe oder schrumpfte zusammen, je nachdem der Direktor dies für angezeigt fand. Nacheinander zog er die Register der Satire, des Humors, der Rührung, der Begeisterung, bis er endlich folgendermaßen schloß: „Und so frage ich Euch denn, meine lieben, wohl meinenden Freunde und Anverwandten, deren gütige Hilfsbereitschaft ich bei den verschiedensten Gelegenheiten schon erproben durfte: könnt Ihr — wollt Ihr sie auch hier bewähren? Wollt Ihr diesem jungen Talent, das in der Knospe steckt, und stecken bliebe, ohne Eure Hülfe, die Wege ebnen, daß es sich frei und schön entfalten kann, — sich selbst, — uns allen, — der ganzen musika lischen Welt zur Lust und Freude?" Es blieb zunächst eine kleine Weile still nach diesem direkten Appell an die Güte und — selbstverständlich! — den Geldbeutel der Anwesenden. Endlich ermannte sich Bankier Ringhaupt, der Hausherr, und begann, wohl in der richtigen Voraussetzung, daß seine „erprobte Hülfs- bereitschaft" am meisten in Anspruch genommen werden würde: „Sehr gut gesprochen, lieber Alfred, wie ich wohl im Namen unser aller konstatieren darf, — auch sehr warmherzig, — menschenfreundlich. — ohne Zweifel! Fragt sich nur, ob diese Knospe, — du gestattest, daß ich im Gleichnis bleibe! — ob also diese Knospe wirklich Anwartschaft auf Entfaltung zu einer herrlichen und außergewöhnlichen Blume bietet." „Erlauben Sie. lieber Ringhaupt, dies ist ein Miß- traueusvotum, welches Sie in das musikalische Urteil meines Mannes setzen!" ließ sich die scharfe Stimme Frau Mathilde Mentzels vernehmen. „Keineswegs, liebe Cousine! Ich wäre nur dafür, datz wir, die wir zn dieser Angelegenheit herangezogeu werden sollen, auch unsrerseits prüfen könnten, — ob" — ES gab einen kleinen Tumult. Man sprach eine Weile aufgeregt durcheinander. Es wurden Stimmen laut, die den« Bankier recht gaben, — Stimmen auch, die behaupteten, der gute Ringhaupt verstehe viel zu wenig von Musik, uni von einer „Prüfung" mitreden zu können. In Geldangelegenheiten, Börsenmanövern, ja, da stand er seinen Mann hier aber .... Das Hörrohr der Tante Ida Weisel wurde imnier länger nnd länger, es fuhr aufgeregt durch die Luft, während seine Besitzerin von Gruppe zu Gruppe ging und unaufhörlich fragte: „Was hat er zuletzt gesagt?" Frau Vollmar hielt ihren Mann beim Arm gepackt, wahrscheinlich, uni durch den Truck ihrer Persönlichkeit etwaigen vorschnellen Versprechungen seinerseits Vor beugen zu können, und flüsterte ihm aufgeregt ins Ohr, der gute Alfred verstünde es doch vorzüglich, seinen Mit menschen das Geld aus der Tasche zu holen! Nicht um- sonst habe er von „bewährter Hilfsbereitschaft" ge sprochen, — bereits mehrmals hätte er den FamiUentaa
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