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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.10.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-10-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19041011026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904101102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904101102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-10
- Tag1904-10-11
- Monat1904-10
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Teil.) * Jni Lippischen Landtage teilte gestern Minister Gcvekot unter allgemeiner Bewegung des .Hauses mit, daß er vom Kaiser zur Einweihung des Kaiser Friedrich-Den km als in Berlin eingeladen sei. * In Brünn haben gestern neue Straßen - ö c m o n st r a t i o n c n stattgefunden, bei denen Mili - tär einschritt; Verhaftungen erfolgten. (S. Ausland.) * Tic Offensive Kuropatkins, die durch seinen Tagesbefehl angckündigt war und bisher zu einem größeren Zusammenstoß nicht führte, bat in Petersburg aufgeregte Siegeszuversicht verursacht. (S. russ.-jap. Krieg.) stominten, vetmold. Homburg. Tas Schreiben des Reichskanzlers an den Vizepräsi denten des lippischen Landtages hat die lippische Ange legenheit um einen bedeutenden Schritt vorwärts ge bracht. Tenn es geht daraus zunächst hervor, daß die preußischen Stimmen inr Bundesrate für die Einsetzung eines Schiedsgerichtes zur endgültigen Entschei dung des lippischen Erbstrcites werden instruiert werden, daß also der Bundesrat selbst die endgültige Entscheidung nicht fällen wird. Diese Tatsache ist unter der selbstver ständlichen Voraussetzung, daß das Schiedsgericht von beiden Parteien angenommen wird, mit Genugtuung zu begrüßen. In Bezug auf die Verweigerung der Truppender- eidigung wird in der Presse und auch an sonst gut unter- richteten Stellen immer noch übersehen, daß der Kaiser Wilhelm in seiner Eigenschaft als deutscher Kaiser dabei gar nicht in Frage kommt, sondern lediglich der König von Preußen. Wenn Graf Bülow in seinem Schreiben au den Vizepräsidenten des lippischen Landtages den Ausdruck „der Kaiser" gebraucht, so entspricht das ledig lich der auch sonst im Leben geiibten Gepflogenheit, von zwei einer Person zustehenden Titeln den höheren zur Bezeichnung zu wählen. Aus diesem Grunde können wir cs auch nicht für richtig erklären, wenn man aus den Worten des Bülowschcn Schreibens, es liege außerhalb der Absicht des Kaisers, „der derzeitigen Ausübung der Regentschaft durch Graf Leopold irgendwelches Hinder nis zu bereiten", der Schluß gezogen wird, die Vereidi gung der Truppen auf den Grafen Leopold müsse nunmehr erfolgen. Mit vollem Recht begründet Graf Bülow die „vorläufige" Nichtvcreidigung der Truppen mit deni Umstande, daß der Kaiser zu „der Auffassung des Bundesrates, daß die Rechtslage noch ungeklärt sei", sich nicht in Widerspruch habe setzen können. Wenn von manchen Seiten darauf hingewiesen wird, daß im Jahre 1895 die Rechtslage nicht weniger „ungeklärt" war als heute, und daß damals trotzdem die Vereidigung bor Truppen auf den Prinzen von Schaumburg als Regenten, trotz des Protestes des lippischen Landtages gegen diese Regentschaft, stattgefunden hat, so kann man dem nur cntgcgenhalten, daß dann damals nicht korrekt verfahren worden ist. Der Grafregent Leopold selbst, der übrigens nicht in Kassel erkrankte, ja nicht einmal dort hingereist ist, er klärte einem Vertreter der „B. Morgenztg." in einer Unterredung, daß er für den zweiten Teil des Kaiser- telegrammes keine Erklärung, ja, nicht einmal irgend einen greifbaren Anhaltepunkt habe. Ter Gedanke, das Telegramm für eine persönliche Verletzung zu halten, sei ihm indes nicht gekommen. Hätte er es als eine Kränkung aufgefaßt, so wäre es, ohne zu jemandes Kenntnis ge kommen zu sein, von ihm vernichtet worden. Er habe die Aeußerung aber als eine Stellungnahme des Kaisers dem Lipper Lande gegenüber angesehen, und dies sei Staatsangelegenheit. Auf die Frage, wie sich der Graf zu dem erneut anzusprcchenden Richterspruch stellen werde, antwortete der Grafregent, daß ihm das Reichs gericht, als das höchste Forum, das liebste sei; aber auch darin wünsche er, daß dem Bundesräte ganz freie Hand gelassen werde. Zum Schluß sagte Graf Leopold, daß es ihm leid tue, wenn im weiteren Fortgänge der Thron frage ein scharfes Wort fallen sollte gegen die höchste Pflicht aller Deutschen, die Treue zum Deutschen Reich. Tie Prcßäußerungen zum Schreiben des Reichs kanzlers an den Vizepräsidenten des lippischen Land tages sind durch eine auffallende Zurückhaltung gekenn zeichnet. Die „Kreuzztg." schweigt sich ganz aus, die ihr einigermaßen nahestehende „Post" schreibt: „Tas Schreiben des Reichskanzlers an den Vize präsidenten des lippischen Landtages ist wohl geeignet, beruhigend auf die durch das kaiserliche Telegramm erregten Gemüter zu wirken. Auch dem weiteren Um sichgreifen der Unzufriedenheit auf die anderen Bun desstaaten dürfte durch dieses Schreiben vorgebeugt werden. Aus dem Inhalte des Schreibens geht her vor, daß der Reichskanzler jedenfalls auf eine andere, keinen Mißdeutungen ausgesetzte Fassung des kaiser lichen Telegramms hingeNnrkt haben würde, wenn ihm hierzu Gelegenheit gegeben worden wäre. Es ist aber müßig, heute noch zu bedauern, daß dies nicht geschehen; freuen wir uns, daß jetzt eine abschwächende, beruhigende Erklärung vorliegt, und hoffen wir, daß recht bald nach dem jetzt von allen Seiten prokla mierten Grundsatz: „Recht muß Recht bleiben", dem leidigen Streite ein gründliches Ende gemacht wird." Eine Auffassung, die sich mit der von uns vertretenen völlig deckt, äußert das „Berl. Tgbl.", wenn es sagt: Nach der Darstellung des Kanzlers wäre das Tele gramm eine völlig private Mitteilung des Kaisers an den Regenten, ja, wenn man will, ein Akt der Höflich keit gewesen. Ter Kaiser erklärt dem Regenten die Gründe, weshalb er außerstande sei, die Truppen auf den Regenten vereidigen zu lassen. Nach der Interpre tation des Kanzlers bedeutete das Kaisertelegramm lediglich die Mitteilung: „Da der Bundesrat die Rechtslage als keineswegs geklärt ansieht, bin ich ge zwungen, die Truppen nicht vereidigen zu lassen." Wenn das der Sinn der Tcpesche war, so ist es be dauerlich, daß der Hinweis auf die Stellungnahme des Bundesrat als der Grund der Nichtvereidigung im Wortlaut des Kaiscrtelegramms gefehlt hat. Ein solcher Hinweis hätte das Telegramm jeder mißver ständlichen Deutung entzogen, und die scharfen Protest kundgebungen, die in Lippe von allen Parteien gegen den Kaiser gerichtet wurden, wären unterblieben. Die „Voss. Ztg." findet Widersprüche zwischen dem Wortlaut des Romintener Telegramms und der ihm vom Reichskanzler gegebenen authentischen Interpretation und meint schließlich: Alle Erörteningen wären vermutlich unnötig ge wesen, wenn der Reichskanzler, der verantwortliche Ratgeber des Kaisers, an der Abfassung der Kund gebung voni 26. September Anteil gehabt hätte. Don wem die Fassung, die zu Mißverständnissen geführt hat, herrührt, ist der Leffentlichkeit nicht bekannt. Ange- nommen, die „authentische Interpretation", nicht des Telegramms, sondern der Absichten des Kaisers, sei zutreffend, so hat diejenige Person, die den Auftrag des Herrschers zur Abfassung und Absendung des Tele gramms ausführtc, die Anschauungen deS Monarchen mißverstanden, und daraus sind dann die weiteren Mißverständnisse entstanden. An dem Reichskanzler sollte es sein, Einrichtungen zu treffen, daß derlei Miß verständnisse, die zu schwerer Mißstimmung, nicht nur im Lippischen, und nicht nur bei den Massen führen können, sich in Zukunft nicht wiederholen. Sehr scharf präzisiert der „B. B.-K." die Lage, indem er sich äußert: Täuscht nicht alles, so würde ein Gerichtshof, der nach Recht und nicht nach Politik entscheidet, zu dem gleichen Ergebnis wie das erste Schiedsgericht ge langen. Daß damit zugleich die Rechtsauffassung des jetzigen deutschen Kaisers abgewiesen ist, hat eine psychologische und politische, aber keine juristische Be deutung. Wie immer der Hergang und die Entschei dung sich gestalten mag, schon der Umstand, daß das kaiserliche Telegramm derartige Rechtsfolgen nach sich zog, beweist zur Genüge, daß dieses Telegramm einen Rcgierungsakt darstcllt. An dieser Tatsache ändert auch die VUlowsche Interpretation, die gestern ver öffentlicht wurde, nichts. Anordnungen und Ver fügungen des Kaisers aber bedürfen nach Artikel 17 der Reichsverfassung zu ihrer Gültigkeit der Gegen zeichnung des Reichskanzlers, welcher dadurch die Ver antwortlichkeit übernimmt. Tie Gegenzeichnung ist ausgeblieben. Ter Kaiser hat es verschmäht, dem Reichskanzler eine Kundgebung vorzulegen, welche nichts Geringeres enthält, als die Nichtanerkennung einer Regentschaftsllbernahme und als die Verweige rung. der Truppenvereidigung. Diese Uebergehung interessiert zunächst den Grafen Bülow, der von neuem über seine Einflußlosigkeit dem Kaiser gegenüber nach- denken kann. Aber auch der Reichstag ist hierbei be teiligt, und er dürfte nicht ermangeln, den Reichs kanzler darüber zu befragen, welche Konsequenzen der selbe ziehen will. Noch spitzer schreibt begreiflicherweise der „Vorwärts": Wenn es dem Grafen Bülow nicht gelingt, die lippische Angelegenheit so zu bugsieren, daß sie schnell vor das in Aussicht gestellte Schiedsgericht gelangt und hier frühere Erledigung findet, bevor der Reichstag in der Angelegenheit sprechen kann, so muß der Reichs kanzler die Auslegungskünste seines Schreibens noch erheblich steigern und die unantastbare Berechtigung des Telegramms so erweisen, wie es die Aufgabe deS verantwortlichen Beamten eines persönlichen Herrschers ist. Man kann schließlich nur der „T. R." Recht geben, wenn sie ihre Betrachtungen über den Fall Lippe in fol genden Sätzen gipfeln läßt: Am meisten zu beklagen ist jedenfalls, daß der Bun desrat im Jahre 1898, als Schaumburg gegen den Erlaß des jetzt in Kraft getretenen Regentschaftsge- setzes Protest einlcgte, sich nnr für zuständig erklärt, irgendeine Entscheidung aber nicht getroffen hat. Wenn damals formale Bedenken oder gar die Scheu vor einer Stellungnahme die Beschlußfassung vereitelt haben, dann haben diese Bedenken äußerst beklagens werte Folgen gehabt. Nur die Hoffnung, daß jetzt schleunigst und endgültig Klarheit in allen Fragen gc- schaffen wird, kann über dies bittere Gefühl Hinweg trösten. ver Humana aer Herero. Die Meldung -er Generals von Lrstha, daß sich zahlreiche Herero bei Oljimanangombe gezeigt haben, läßt erkennen, daß die allgemeine Rückzugsrichtung weiter nach Süden gebt. Sind dies dieselben, die vordem am Eisev bei Osombo-Windimbe und Erindi-Ombake gemeldet waren, so deutet es, wie ein Mitarbeiter der „Kreuzig." meint, darauf hin, daß sie sich hier nun doch voraussichtlich dem Britisch-Betschuanaland zuzuwendeu beabsichtigen. Otji- manangombe liegt am Epukiro, 100 km abwärts von der Station dieses Namens, und es befinden sich auf der ganzen Strecke nur zwei Wasserstellen, deren letzte, Omuhanu- min(o, noch 60 km von Otiimanangombe entfernt ist, so daß also schon bis dort erhebliche Schwierigkeiten für die Kolonne Deimlings entstehen, die er durch Vorschüben von Wasser mit Ochsenwagen zu überwinden hofft. Noch größer werden voraussichtlich die Durststrecken, die bei eurer weiteren Verfolgung Eiseb abwärts enlsleben würden. Noch l20 km weiter flußabwärts liegt schon Nietfontein oder Otjimbinde, der letzte Punkt des deutschen Schutz gebietes. Jenseits beginnt schon Britisch-Vetschnana- land. Nietfontein liegt an dem Wege, der von GobabiS zum Ngami-See führt, den zum ersten Male vor fünfzig Jahren Andersson gezogen ist. Nach ihm hat Schinz in den achtziger Jahren den Weg gemacht. Wasser ist hier sehr selten, und diese Forscher batten Durststrecken von 120 bis 140 km zurückznlegen, wobei sie manchmal dem Ver dursten nahe waren. Die Eingeborenen wissen auch hier natürlich etwaige Wasserstellen leichter z» finden, aber für eine verfolgende deutsche Truppe würde die Wasserversorgung wohl kaum sicher zu stellen sein. Jenseits Nietfontein beginnt die Kalahariwüste, die von dort bis zum Ugamisee nur von Forschern und einzelnen Händlern durchquert ist, und nord westlich daran stößt das jetzt oft genannte Sandfeld. Erst nördlich davon ist daS Gebiet wieder durch die Reisen von Schinz aufgeklärt, der hier von Grotjoutein zumNyamüee reiste. ES wird sich nunmehr zeigen müssen, ob die Herero sich in die Kalahariwüste oder das Sandfeld zurückzuziehen beabsichtigen, oder ob sie etwa gar sich nach Süden durchschlagen wollen. Unmöglich erscheint letzteres nicht, und es wäre nicht ausgeschlossen, daß die Unruhen bei den WitboiS hiermit im Zusammenhänge ständen. Srrin -rshen-en Wltbsi-Aufftan-. Die Station Hoacbana», die von den WitboiS ange- «griffen sein soll, liegt 300 km südwestlich des Epukiro und ist I über GobabiS zu erreichen. Weitere 50 km südwestlich lieat I die angegriffene Station Kuis. Di« WitboiS sind ebenso wie die BondelzwartS, ZwartboiS u. a. eine der vielen Hottentottenstämme, die zu Beginn des vorigen Jahrhunderts aus dem Kaplande verdrängt nach Norden zogen und dort mit den Herero jahrzehntelange Kämpfe^ auS- fockten, die erst durch die deutsche Herrschaft beendet wurden. Der Hottentotteuname der WitboiS ist Kowesin, die Holländer nennen sie nach ihrem Hauptpunkte Gibeoner. Schinz schätzt die ungefähre Zahl der StammeS- glieder, aber ohne den sich stets ändernden Troß, auf 600. Die Gesamtzahl der StammeSglieder der verschiedenen Hotten tottenstämme in unserem mittleren und südlichen Schutzgebiet schätzt Schinz auf 8000. Wenn dieselben sich auch untereinander vieliach bekriegt haben, so erscheint doch ein Zusammenschluß derselben bei günstiger Gelegenheit immerhin nicht aus geschlossen. Zunächst würden die dort befindlichen Teile der Feuilleton. ii) Am Ende der Welt. Eine Hochwaldidylle von Nataly von Eschstruth. Nachdruck verbot«». „Der Feuerdrach! — Jessas Maria! — er kimmt!" — Tie Post hielt am Bahnwärterhaus vor der geschlossenen Barriere, der Zuq sanfte mit schrillem Pfiff heran und rasselte wie ein Spick so traumhaft geschwind vorüber. Der Toni znckte Wohl zusammen, aber er saß hoch aufgerichtet und starrte voll brennender Neugierde jenes Ungeheuer an, welches er lange Jahre hoch, hoch vom Ge birge herab voll Furcht und Grausen angestarrt l>atte. Wunderlich genug war es auch in der Nähe und der Atem konnte einem wohl stocken bei seinem Anblick, aber es war schnell vorbeigerast, dicke, weiße Dampfwolken hüllten momentan die Post ein, dann öffnete der Wärter den Schlagbaum und die Pferde zogen gelassen an. Toni atmete hoch auf und weil der Gendarm über das entsetzte Dirndel lachte, so lachte auch der junge Bursch, aber weil das Cenzerl gar so elendig schluchzte, freute er sich der Gelegenheit, cs bei der Hand nehmen zu können, und aus lauter Vergeßlichkeit hielt er seine bebenden Fingerchen fest, — immer zu, bis sie in die Stadt kamen. Daß sic sich derselben näherten, merkten sic bald an dem lebhaften Getreide, welches sich plötzlich ans der Straße entwickelte. Mehr und mehr Wagen fuhren daher. Auf vielen saßen Landleute und junge Burschen mit Bändern und Sträußchen an den Hüten, — viele wanderten auch zu Fuß vorbei, den Stock mit dem geknüpften bunten Sack- tllchel auf der Schulter. Wenn die Post sie überholte, taten sie zum Gruß einen Hellen Juchzer und schwenkten die Grünhütel, und Reiter trabten vorbei und klopften übermütig mit Hand oder Stock an die Fensterscheiben der Post. Ein paar Burschen waren sonderlich dreist und schrit- ten neben der Kutsche her, dieweil diese langsam den Berg auffuhr. Sie schauten auf das Cenzerl, nickten ihm zu und fingen voll Uebermut an zu singen. Dem Toni schoß wieder das Blut in die Stirn und er packte den Alpstock fester mit der Rechten, der Gendarm aber legte ihm die Hand auf das nackte Knie und sagte streng: ,,Ka' Faxen, Toni! Tie jungen Leut sind nit un- eben und singen eins, — dös kann ka Mensch ihnen ver wehren. Halt dich fein stad, dös d' ka Rauferei anfängst, sonst stecken sie dich ins Loch und das Cenzerl is mutterseel verlassen unter den Mannern!" — Das half. Der junge Beckhaber biß die Zähne zusammen und schaute fortan sehr gleichmütig drein, das Dirndel aber klammerte sich noch ängstlicher an ihn und flüsterte: „Hätt'st mich nnr daheim gelassen, Toni! Dahier hab' ich doch ka Freud nit!" „Tie kimmt scho'!" flüsterte er entgegen, „is dös nit a Spaß, daß wir jclband bis ans Ende der Welt kommen sind? Guck, gleich is so weit, — ich sieh schon den Berg himmelhoch vor uns ragen und die Stadt meld' sich auch schon an!" — Ja, sie meldete sich, einzelne Häuser in prächtigen Gärten tauchten auf, und bald schrumpften diese zusam men und die Häuser drängten sich enger und enger zu- sammen, wurden so hoch, daß man kaum noch das Dach sah, und die Wagen rasselten durcheinander, Menschen über Menschen eilten daher, so viel an einem Fleck, wie sie beiden einsamen Hochwaldkinder im ganzen Leben noch nicht beisammen gesehen hatten. Das Cenzerl schaute mit großen, weit offenen Augen umher. Seine Bangigkeit schien sich plötzlich zu verlieren, lachende Ucberraschung, größtes Staunen malte sich in seinen Blauaugen, und plötzlich blies es die Backen auf, drückte die Hand mit den gespreizten Fingern vor den Mund und prustete in schallender Heiterkeit loS: „Jennerl über so was! Sind's denn allesamt verrückt dahier, die Weibslcut? Ta schau Toner!, was für a narrscheS Werk sie auf'n Kopf setzt haben! und die Gewandung schlampert um die Füß bis auf die Erd' und schleift in allem Dreck daher!" Auch der Toni starrte die modernen Staütdamen höchst betroffen an und murmelte: „Ja, an' gesunden Verstand können die nit haben!" — Aber er lachte nicht so lustig wie das Dirndel, welches soeben über einen scncrrolcn Sonnenschirm vollends außer sich geriet. „Und die da hat ein' Vogel dcrwürgt uns ihn auf'n Ltrohdeckcl jetzt und tragt ihn nun auf'm Kopf daher! und jene da hat Blümcln gerauft, so viel, dös a Kuh sich 'n Magen dran verplatzt, die bringt's auch wieder auf'm Kopf daher . . . und die Haar hangen ihr allweil in die Augen und von den Ohr'n bat's sie auch nit wcgkämmt! Tonerl, guck nur ... ich mein', die ganze Welt hat an' Rappel kriegt!" Der Gendarm lachte, daß er sich bog, nnd sagte nur: „Willst wohl bischbcrn, Dirndel! Wann die Damen hören, wie d' ihre Gewandung schimpfierst, kratzen s' dir die Augen aus!" — Aber das Cenzerl schien ganz außer dem Häuschen. Es hob den Finger und deutete erstaunt auf ein paar schmucke Soldaten: „O meil und da die Mannerleut! — die sehn aber viel schön aus! — Guck. Tonerl, a Wamms mit blanken Knöpfen und grün und rot. . . döS kann ein' wohl ge fallen, gel?" „Nir gefallen kann's ein'!" schrie der Toni zornmutig und drückte den Zeigefinger vom Dirndel unwirlch herab: „tat grad noch fehlen, dös d' auf solche Flanken schaust! Sag'S ihr, Gendarm, dös a reputierlicheS Madel nie nit nach'n Soldaten schaut!" „Sell iS wahr!" nickte der Sendarm, schnäuzte sich abermals und rollte das erschrockene Cenzerl über's Sack- tuch hinweg gewaltig mit den Augen an. „Allweil weg mußt gucken, wann solch arge Gesellen daher kommen! Aber dös is pudclnarrsch. Toni, dös selbst die niijchuldig. stenDirndeln allsoalci' vom bunten Tuch einistmgen sind! — Na, und nu' jieigts auS, Leut; dahier ist die Post;
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