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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.10.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-10-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19041014020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904101402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904101402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-10
- Tag1904-10-14
- Monat1904-10
- Jahr1904
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Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 28 Reklamen unter dem Redaktionsstrich (4gespalten) 75 -H, nach den Familieoaach« richten (6gespalten) 50 -H. Tabellarischer und Zissernsotz entsprechend höher. — Gebühren sur Nachweisungen und Ossrrtenannahme 25 -H- Annahmeschlutz für Anzrlgen. Nbend-Ausgabe: vormittags 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: nachmittags 4 Uhr. Extra-Boilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, m' t Postbeförderung 70.—. Anzeigen sind slels an die Expedition zu richten. Tie Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Truck und Verlag von E. Pol, in Leipzig (Inh. Ur. V., R. LW. Klinkhardt). Nr. 528. Freitag den 14. Oktober 1904. 98. Jahrgang. Var Wichtigste vom Lage. * Im Befinden des Königs Georg ist eine weitere Verschlimmerung eingetreten. (S. Sachsen.) * Im Hause Pfaffendarfer Straße 24 zu Leipzig wurde heute früh der Kaufmann Linke er hängt aufgefundcn; seine Ehefrau wurde m i t durchschnittener Pulsader, aber noch lebend, in dqs Krankenhaus geschafft. (2. Leipziger An gelegenheiten.) * In S e i f h c n n c r s d o r f wurde heute Nacht ein l7jähriges Mädchen erwürgt im Straßen graben aufgefunden. Es wird Lustmord an genommen. (S. Sachsen.) * Offiziös wird die Kündigung aller Han delsverträge mit denjenigen Staaten angctündigt, mit denen keine neuen Verträge zustande kommen sollten. (S. Politische Tagesschau.) * Tie deutsche Kolonie in Barcelona trifft bereits Vorbereitungen für den Besuch des Kaisers, der angeblich auf seiner Mittclmeerfabrt im kommenden Winter in Vigo landen und Madrid und Saragossa besuchen wird. Vie Lehre von Zerichsiv. Im Wahlkreise Jerichow haben sich bei der Nomi nierung eines neuen Kandidaten an Stelle des ver storbenen Fürsten Herbert Bismarck sonderbare, jedoch höchst charakteristische Vorgänge ereignet. Man wollte hier der Sozialdemokratie einen „Block" gegenüber stellen, den man aus der konservativen Partei, dem Bunde der Landwirte und den Nationalliberalen zu bilden gedachte. Tie Nationalliberalcn und die Konser vativen wollten für den Rittergutsbesitzer Klewitz ein treten. Herr Klewitz war der Kandidat der Konser vativen, die Nationalliberalen wollten ihn aber accepticrcn und auf eine eigene Kandidatur verzichten. Am 4. Oktober sollte das Kartell endgültig vereinbart werden, Herr Klewitz weilte aber in Italien und war auch telegraphisch nicht zu erreichen. Tic National- liberalen forderten nun, daß noch eine kurze Frist zur Erwartung seiner Antwort gegeben werden solle. Die konservativen aber traten plötzlich mit der neuen Kan didatur des Herrn von Brauchitsch hervor. Gegen dieses junkerliche, „etwas plötzliche" Verhalten ver wahrt sich nun die „Nationallibcrale Korrespondenz" mit ungewohnter Energie. Sie schreibt: „Zum Kartell gehöre» aber auch die Naiionalliberalcn. Wenn nun die beiden anderen Parteien in anmaßender Gc- lingsckxihung des dritten Kontrahenten, ohne dessen Zustimmung abzuwartcn, eine eigene Kandidatur aufstcllen, so muß llar und entschieden fcstgeskcllt werden, daß dadurch die Konser vativen und der Bund der Landwirte das Kartell gebrochen bal-cu. Die Nationallibcralen haben sich durchaus auf den Standpunkt des Kartells gestellt und sind zu Zugeständnissen bereit gewesen, soweit diese mit ihrer Würde im Einklang waren. Die Brüskierung aber, die in der überhasteten Auf stellung eines bündlcrischcn und konservativen Kandidaten lag, und der direkt verletzende Ton, der von einem der Herren Wortführer beliebt wurde, lagen außerhalb jeder Verkehrsfern!, wie sic Parteien eines Kartells beobachten müssen." Alle diejenigen, die für ein Zusammengehen zwischen Konservativen und Nationallibcralen cintretcn möchten, werden diesen Vorgang als eine Warnung empfinden. Die Nationalliberalen werden eben stets von den Kon servativen als Gefolgschaft behandelt werden. Wie sollte cs auch anders sein? Die Konservativen fühlen sich stark und meinen des Beistandes der National- liberalen entraten zu können. So trefflich der Gedanke ist, die konservative Partei zu modernisieren, so unaus- führbar ist er. Unausführbar so lange wenigstens, wie nicht an der Spitze des preußischen Staates eine Per- sönlichkcit von durchgreifender Energie steht, die den Herren zeigt, daß man die „Autorität der Junker", um mit Friedrich Wilhelm dem Ersten zu sprechen, auch heute noch „ruinieren" kann. Unter den Konservativen sind eben zu wenig Ele mente, die die Notwendigkeit dlzs Zusammenschlusses der Sozialdemokratie und dem Zentrum gegenüber wirklich begreifen. Was die Sozialdemokratie an- betrifft, so stehen sie auf dem einfachen Standpunkte: „Gegen Demokraten helfen nur Soldaten", und sie glauben, der Armee jetzt und für alle Zukunft sicher sein zu dürfen. Daß das Zentrum für die deutsche Ent- Wickelung eine Gefahr bedeutet, erkennen sie nicht, denn Kulturintercssen liegen ihnen unendlich fern. Unter solchen Umständen müßten sie wirklich, wie Herr von Miquel meinte, „die größten Esel sein", wenn sie den Nationalliberalen cntgegenkommcn wollten. Oder aber: von oben her müßte ein ganz anderer Wind wehen, der ihnen die Richtung nach links aufzwängc oder sic von dem Platze an der Sonne wcgzusegcn drohte. Lippe. Wie bereits kurz gemeldet, verlas Staatsminister Gcvekot im lippischen Landtage vor der Vertagung eine Botschaft des Grafregenten, in der dieser zunächst sein Befremden darüber ausspricht, daß die Vorlage betr. Ergänzung des Negentschaftsgesctzes vom 2t. April 1895 vom Land tag nicht angenommen worden ist. Er habe in der Vorlage nicht das Seinige gesucht, sondern nur das Wohl des Landes; er vertraue auf Gott, daß Fürst Alexander am Leben erhalten bleibe, bis eine richterliche Schließung der Sache erfolgt. Sollten aus dem uner warteten Ableben des Landesfürsten plötzlich Schwierigkeiten entstehen, so treffe die Verantwortlichkeit dafür nicht ihn und die Staatsregierung; er werde auch dann und in der schwierigsten Lage jederzeit konstitutionell handeln und keinen Schritt von dem Wege des verfassungs mäßigen Rechts abweichen. Nachdem der Landtag die durch die Vorlage nachgesuchte Hülfe versagt habe, müsse er sich alle Entschließungen Vorbehalten, welche durch die gegebene Lage, durch seine Pflicht und sein Reckt wie durch seine Wahl und die Selbständigkeit des Landes geboten seien. So sehr er aus freiem Entschluß gewillt sei, sick einem unparteiischen Richter von neuem zu unterstellen, so könne die Tatsache der bloßen Bestreitung des Thronfolgerechts ihn nicht der Pflicht entheben, das aus dem unbestreitbaren Recht deS Vaters aus ibn selbst übertragene und bis jetzt noch nicht widerlegte Reckt in der Stunde der Gefahr als ein vor läufiges und unveräußerliches Recht in Anspruch zu nehmen und demgemäß alle Maßnahmen zu treffen, welche die Ord nung und die Rechtssicherheit im Lande erfordern. Daß er bei diesem Bestreben sich des starken Schutzes des deutschen Reiches erfreuen tönne, dessen lebe er zuversichtlich gewiß. Von nock höherem Interesse als *diese Botschaft ist eine andere Mitteilung, die der Minister dem Landtage machte, nämlick die, daß die Verordnung des Fürsten Waldemar, betr. Anordnung einer Regentschaft für den Fall seines Ab lebens, auf einem Gehcimvertrag mit der Sch aum- burger Linie beruhte. Dieser Vertrag, der bei dem heute an der Lippiscken Frage vorhandenen Interesse im Wortlaut mitgeteilt zu werden verdient, besagt: Seine hocksürstliche Durchlaucht der regierende Fürst Günther Friedrich Waldemar zur Lippe, von dem Wunsche beseelt, die Thrvn- falgeangclcgenheit im Fürstentum Lippe in einer die Interessen des iürillichen Hauies, wie das Wohl des Landes gleichmäßig wahrenden Weise noch bei höchstibrenLebzeiten geordnet zu sehen, und seine hochsürst- liche Durchlaucht der regierende Fürst Adolf Georg zu Schaumburg- Lippe, von diesen Absichten unterrichtet, dieselben billigend und von dein Bestreben geleitet, deren Ausführung durch verwandtschaftliches Entgegenkommen tunlichst zu fördern, haben auf Grund vorgängiger Verständigung über die Grundzüge eines bezüglichen Ueberem- kommens nachstehende Vereinbarung getroffen. Art. 1. Se. hochfürstliche Durchlaucht der Fürst zur Lippe werden ein Thronfolgegejetz erlassen, in welchem für Len Fall des Erlöschens des regierenden fürstlich lippischen Hauses im Mannes- üamm das ausschließliche Sukzejsionsrecht des fürstlichen Hauses Sckaumburg-Lippe anerkannt wird. Art. 2. Ta Se. hochfürstliche Durchlaucht der Fürst zur Lippe mit Rücksicht auf die bestehende Reichsverfassuug das Fürstentum Lippe als souveränen Bundesstaat erhalten zu sehen, wünschen, so wird in diesem Thronfolgegesetz bestimmt werden, daß für Len Fall des Aussterbens der regierenden Linie des fürstlich lippischen Hauses die Sukzession im Fürstentum Lippe auf einen nachgeborenen Prinzen des fürstlich jchaumburg-lippischen Hauses, und zwar auf Se. Durchlaucht Len Prinzen Adolf zu Schaumbnrg-Lippe, über gehen soll. Art. 3. Selbstverständlich soll der künftig im Fürstentum Lippe regierenden Linie aus Lein Schaumburg«Lippischen Hanse ihr eventuelles Sukzcssionsrecht im Fürstentum Schaumburg-Lipve un- verändert erholten bleiben. Dasselbe gilt bezüglich der event. Suk- zessionsrechte im Fürstentum Lippe für die Nachkommen der älteren Brüder Sr. Durchlaucht des Prinzen Adolf zu Schaumburg - Lippe iin Falle des bcu.gterbens der durch ven letzteren oegrüudelen fürst lich lippischen Linie. Art. 4. Mit dem Aussterben der jetzt regierenden Linie des fürstlichen Hauses zur Lippe soll die Eigenschaft als Chef deS fürst- lich-lippischen Gcsamthauses, welche bisher dem regierenden Fürsten zur Lippe zukam, auf den regierenden Fürsten zu Schaumburg- Lippe übergeben. Art. 5. Tie Bestimmungen dieses Vertrages sollen den Inhalt eines besonderen, von Sr. hochfürsllichen Durchlaucht dem Fürsten zur Lippe der Landesvertretung im Fürstentum Lippe zur Beratung und Entschließung vvrzulegcnden Thrvnsvlgegesetzes bilden. Art. 6. Seine hochfürstliche Durchlaucht der Fürst zu Schaum burg-Lippe erklären höchstihre Bereitwilligkeit, das in Art. 5 er wähnte, auf Grundlage und nach Inhalt dieses Vertrages zu er lassende Thronwlgegcsetz in: Fürstentum Lippe nach dessen Zustande kommen auznerkennen. Art. 7. Dieser Vertrag wird mit beiderseitiger Uebereinstimmnng bis zur Vollziehung des für das Fürstentum Lippe zu erlassenden Thronfolgegesetzes geheim gehalten. Detmold, 27. Januar 1886. Woldemar, Fürst zur Lippe. (Siegel.) Freiherr v. Richthofen, fürstlicher Kabinettsminister. Bückeburg, 27. Februar 1886. Adols Georg, Fürst zu Schaum burg-Lippe. (Siegel.) Spring, Präsident der fürstlichen Landesregierung. Tie unterzeichneten Agnaten des hvchsürstlicken schaumburg»Iippi- schcn Hauses bekennen durch Vollziehung höckstihrer eigenhändigen Namensuuterschriil hierunter, daß sic von den vorstehenden, zwischen ihren hochfürstlichen Durchlauchten dem regierenden Fürsten Günther Friedrich Woldemar zur Lippe und dem regierenden Fürsten Adolf Georg zu Schaumburg-Lippe abgeschlossenen Sukzessionsverträge ck. ck. Detmold, 27. Januar 1886 und Bückeburg, 29. Januar 1886, Kenntnis genommen und dem Inhalte in allen Teilen höchstihre Zustimmung erteilen, auch das auf Grundlage und nach Inhalt dieses Vertrages demnächst beim Landtage des Fürstentums Lippe zur Vorlage gelangende Thronfolgegrsetz nach dessen Zustandekommen anerkennen wollen. Bückeburg, 28. März 1886, Georg, Erbprinz zu Schaumburg- Lippe, Hermann, Prinz zu Schaumburg-Lippe, Otto, Prinz zu Schaumburg-Lippe. Die Veröffentlichung dieses Vertrages ist für die Schaumburger Linie ein schwerer Schlag. Denn die Publikation beweist, daß die Schaumburger Linie 1886 der Ansicht war, die Thronsolgesrage in Lippe könne durch ein Landesgesetz geregelt werden, eine Auffassung, die auch heute noch in Lippe geteilt wird, während die Schaumburger heute entgegengesetzter Ansicht sind. Zwei bedeutsame Ereig nisse sind allerdings inzwischen eingetreten: Das Dresdener Schiedsgericht von 1897 hat sich zu Ungunsten der Schaum burger ausgesprochen, und 1895 hat sich Prinz Adolf von Schaumburg mit des Kaisers Schwester Viktoria vermählt. In diesem Zusammenhänge sei mitgeteilt, daß der Uppische Minister Gevekot gestern den Staatssekretär Grafen v. Posa- dowsly besucht hat, mit dem er früher schon wiederholt in der lippischen Angelegenheit Besprechungen hatte, die sich wohl in erster Linie auf das neue Schiedsgericht bezogen haben werden. Für nächste Woche ist eine Sitzung des Bundesrats angesetzt, an der die leitenden Minister Bayerns, Württembergs, Sachsens und der meisten anderen Bundesstaaten persönlich teilnehmen werden. In dieser Sitzung soll über die lippesche Angelegenheit ent schieden werden. Voraussichtlich wird sich der Bundesrat abermals für ein besonderes Schiedsgericht entscheiden. Man nimmt an, daß Graf Bülow in dieser Sitzung den Vorsitz führen wird. Der Aufstand Orr Herero. Der Heliograph in Dentsch-Sii-«vestafrika. Ein „alter Heliographist" schreibt der Deutschen Kolo- nialgescllichaft über Heliographie und Funkentelegraphic in Deutsch-Südwestafrika aus dem Schutzgebiete folgendes: „Die Linie Windhuk-Keenpanshoop ist mit Anfangs- und End station mit zwölf Stationen besetzt, nicht mitgerechnet ist dabei die Station Gibeon, weil dieselbe eine Abzweigung der Haupt linie ist und nur von einer Seite angeleuchtet wird. Man kann mit den hiesigen Apparaten nicht nur früh morgens, sondern zu jeder beliebigen Tageszeit arbeiten, vorausgesetzt, das; nicht der Himmel bewölkt ist, oder sich, wie jetzt regel mäßig, eine Dunstschicht zwischen die Stationen legt, welche das Licht über ein großes wasserführendes Rivier geben müssen. Die mehrfach geäußerte Annahme, daß gegen Mittag durch das Flim- mern der Luft das Heliographieren unmöglich sei, ist irrig und wohl darauf zurückzuführen, daß bei der Errichtung der Linie und Aufsuchen der einzelnen Stationen die Berge, die am Morgen ge sehen wurden, verschwanden, und man darum glaubte, auch das Licht würde ebenso gegen Mittag nicht zu sehen sein. So ist es z. B. gerade auf unserer Station; gegen Mittag ist von der von uns nach Norden liegenden Station auch nicht ein Schimmer zu sehen, aber das Licht, wenn der Apparat dort in Tätigkeit, sehr deutlich. Daß mau in der Minute nur zwei Worte weitergeben kann, ist auch nickt richtig. Ich getraue mir, „und von meiner Sorte aibt es viele Heliographisten hier im Süden", ein Heliogramm mit hundert Worten in fünfzehn Minuten aufzunehmcu; es muß dann aber auf der Gegenslation ein meinen! Lesen entsprechender Geber sein. Ein Hcliogramm von der angeführten Länge würde dann, bei Feuilleton. ui Am Ende der Welt. Eine Hochwaldidylle von Nataly von Eschstruth. Nachdruck verboten. Mehr sprechen konnte der Toni nicht, denn schon hatte er das Cenzcrl wieder umgefaßt und busselte es ab, daß ihm der Atem ausging. „No guck' mal an!" sagte der Wildhütcr und kratzte sich halb betroffen, halb freudig entzückt Hinterm Ohr. . Ich sag's ja immer, nix wie Hallodria treibens in der Welt drunten! Gott sci's geklagt, daß ich euch fort' laßt hab'!" Aber er uahm die Brautleute mit über strömenden Augen an die Brust und murmelte: „Alle Heiligen scgnen's euch diese Stunde! Zwei Jahrdeln bätt's noch Zeit gehabt, — aber das Mntterl hat ge plauscht . . . und . . . Gott hab's selig . . . a Glück hat's doch g'scbafsen." Der Toni und das Cenzerl haben nie im Leben wieder Lust verspürt, in die Welt hinab zu gehen Vom Lattcnzaun aus gefiel sie ihnen am besten, und wenn auch der Toni des öfteren zum Törfchen hinab ge mußt hat, lang aufgehalten bat er sich niemals dort. Als der Aloys hoch bei Jahren war und sein Ende nahe fühlte, Hal er's dem Sohn anheim gegeben, daß er sich doch solle von seinem Geld einen Bauernhof kaufen, aber der Toni hat den Kopf geschüttelt. „Ich für mei' Person nie nit, Vota, ich bleib mit dem Eenzerl auf mein' Berg', dahier will ich leben und sterben. Tas Geld is für die Kinder, die leben in der Welt und können es gut brauckxm." Und er hatte recht. Als das Cenzcrl so jung freite hat der Alops ihm eine ältere, erfahrene Jnfran gedingt, die blieb bei ihm und half ihm vier kleine Haschcrln großziehen. Die Zeiten änderten sich und alles ward strenger in der Welt, auch die Schulgesetze. Toni und Creszcnz waren ausgewachsen wie die Pilze im Wald und kein Huhn und kein Hahn hatte danach gekräht. Ihre Kinder aber sollten cs nicht so gut haben, die mußten hinab ins Dorf, in die Schule und wurden gar klug und anstellig und fühlten sich daheim in der Welt und mochten nicht allzulang in der Bcrgeinsamkcit Hausen. Da ward cs vor der Zeit wieder still in dem Wild- hütcrhäuschcn und wie Toni und Cenzerl ehemals ver lassen und allein droben auf ihrem winzigen Erden- winkelchcn gehaust, so lebten sie auch wieder als alternde Menschen, still nnd vergessen hoch droben im Herzen des Hochwaldes. Da standen sie oft Arm in Arm an der Stelle, wo ehemals der morsclw Lattenzaun geragt, und scl>au- tcn hinab in die Talcbene und gedachten vergangener Zeiten. Die Eisenbahn blieb für sie ewig der schlimme Fcuerdrach, nnd oft fragte Cenzerl bang und leise: „Toni, denkst auch noch daran, wie wir die weile, weite Reise machten, bis an's Ende der Welt?" Der Wildhütcr mit dem ergrauenden Kopf und dem Kinderhcrzen nickte gewichtig. „Da schau — bis dahinten am Berg sind wir mal 'gewest, Cenzcrl!" „Wie a Wunder deucht's mir, döß wir die Gefahr- nis so gut überstanden haben, Toni!" Der wiegt nachdenklich das Haupt. „Und a schöne Erinnerung is' doch für's ganze Leben! Wie oft schwatz'n ma' noch davon, un' wie viel stolz macht so an' Gedank — dös ma die ganze Welt z'sehn kriegt hat!" Eines Tages war an der Extra-Postkutsche ein Strang gerissen. Der Postillon hielt vor dein Wildhütevhaus und der Toni Bcckhabcr half mit einem neuen Strick aus. Er und sein Weib saßen auf der Bank vor der Türe, und die Fahrgäste stiegen aus und plauderten derweil mit dem einsamen Mcnschenpaar. Eine Touristin schüttelte beinah entsetzt den Kopf. „Zeit Lebens wohnen Sie hier in der Waldeinsam keit? Sind Sic denn niemals von hier fort gekommen?" Ta sah sich das alte Paar mit gar geheimnisvollem Schmunzeln an, und Cenzcrl hob die geblümte Schürze an die Wange und kicherte halb verlegen, halb schämig: „O mei'! Was d' daher schwätzt, Frau! — Ter Toni nnd ich sind grausig weit von dahier fort gewest! Eine Reis' haben wir gemacht, bis an's End' der Welt!" „So weit?" staunte die Dame und sah den Wild hütcr fragend an, der aber, nickte- nur ernsthaft mit dem Kopf und wiederholte wie in träumerischem Sinnen: „Akrad so, wie das Cenzerl sagt! Stadtleut wie ihr hab'n ma genug geschaut und bis ans End' der Welt sind 'ma kommen!" Auf weitere Fragen haben sie sich aber nicht ein gelassen, sondern in ihrer wortkargen Weise nur genickt und gelächelt: „Hm, hm!" Der Postillon knallte mit der Peitsche, die fremde Dame stieg in die Post ein, nahm noch einmal die Lorgnette vor die Augen und musterte interessiert dar schlichte Paar in seiner Bauerntracht. „Seltsam!" sagte sie zu ihren Reisegenossen: „Wie die Wanderlust doch selbst die geringsten Leute erfaßt! Jene beiden Waldmenschen dort sind weit, weit ge reist, ich denke mir, bis nach Amerika, oder gar noch weiter, bis Australien! Aber das .Heimweh! Ja, wenn das nicht wäre! Sicher ist's die Sehnsucht nach ihrem stillen Wald gewesen, welche die beiden Wandervögel hcimgezogcn!" Und die Umsitzenden stimmten dem bei und cS erhob sich ein lebhaftes Gespräch über soziale Verhältnisse, über die Unruhe und die Unzufriedenbeit, welche bereits ihren Weg bis in die fernsten Alpwälder findet. Toni und Cenzerl aber saßen Hand in Hand vor ihrem Häusclien und lauschten lächelnd auf das Tannen- rauschen und das Lied der Vögel. „Die armen Welt menschen!" sagte Toni leise, „sic ahnens gar nit, wie da-s Glück aussckMit! Wir aber wissen's, gelt mei Cenzerl?" Das lelmte den Kopf an seine Schulter und atmete so leis und friedlich wie im Traum. Weit ab lag die Welt mit all ihrem Treiben, Jagen und Drängen, mit ihrer Sünde und ihrem Unfrieden, mit Lnq. Trug, Haß und Feindschaft, — stier droben im Wald aber äste die Hirschkuh zutmulicst an der Cic-Szenz Gartenzaun und die Vögel flogen nicht scheu davon, und die Blumen blüstten nnzertretcn. Hier droben rastete das flüchtige Glück und ließ sich lächelnd nieder im weichen Moos. (Ende.)
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