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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.09.1904
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-09-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040913018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904091301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904091301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-09
- Tag1904-09-13
- Monat1904-09
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Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 28 Reklamen unter dem RedakttonSstrtch (4 gespalten) 7b nach den Famtliennach- richten c6 gespalten) bO Tabellarischer und Zisserniatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Ofsertenannahme 2b Nnnahmeschlnh sttr Anzeigen: Abend-Ausgabe: vormittag» 10 Uhr. Morgen-Au-gab«: nachmittag» 4 Uhr. i-rtra-veilageu (gefalzt), nur mit der Morgen-Au-aabe, oha« Postbefvrderuag 60.—, mit Postbesvrderung ^l 70.—. Anzeigen sind stet» an die Expedition zu richten. Die Erpedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck nnd Verlag von G. Pilz in Leipzig (Inh. Or. V, R. L W. Kltnkhardt). Nr. 487. Dienstag den 13. September 1904. 88. Jahrgang. Var Wichtigste vom tage. * Die sächsische Regierung lehnt die Gewährung van Not- standStarifrn für die Industrie endgtlttg ad. (S. Sonverartikel.) * Daß Kürst Herderi Bismarck ernstlich erkrankt ist und sein Zustand zu vesargutssen Anlaß gibt, wird jetzt auch von oe» „Hamb. Nachr.", dem Organ der Familie Bismarck, be stätigt. (S. Dtsch. Reich.) * Der Reichskanzler Gras v. Bülow ist gestern von Norderney nach Berlin abgereist. * Di« auf Platbeer in Deutsch-Südwestafrika ver schanzte Abteilung Stempel ist nach Leutweins Meldung entsetzt worden. (S. Ausst. d. Herero.) * In Berlin wurde heute der 5. internationale Dermatopathologen-Kongreß eröffnet. (S. Feuilleton.) * Der Landschaftsmaler Prof. Rettich ist gestern in Lübeck gestorben. * In Mailand beschloß am Sonntag eine von 4000 Mann besuchte Arbeiterversammlung, die ges amte Arbeiter schaft Italiens zu einem allgemeinen Ausstand auf. zufordern. (S. Ausld.) * In Marseille haben die Hafenarbeiter zum großen Teil die Arbeit wieder ausgenommen. (S. Ausl.) * Der Zar hat Kuropatkin den Befehl zugehen lassen, Liauiang auf alle Fälle wieder zu nehmen. (S. russ.- jap. Krieg.) Saure crauben. Die nationalliberale Jugend hat mit ihrem Leipziger Schulprogramm ins Schwarze getroffen. Das beweist nicht bloß die allgemeine Zustimmung, welche das Be- kenntniS zur Simultanschule im liberalen Lager ge sunden hat, das beweist noch mehr das merkwürdig wider spruchsvolle Verhalten der schwärzlich angehauchten Presse. Hier wechseln Liebe und Haß, Zorn und Güte lieblich miteinander ab. Während die einen aus ihrer Enttäuschung kein Hehl machen, haben andere ganz genau gewußt, daß es so kommen mußte. In dec Hauptsache läuft der Trost, den man sich in diesen Kreisen gegen seitig spendet, auf den Hinweis hinaus, daß es auch ohne die Nationalliberalen geht Die Zentrumspresse stellt sich, als sei ihre Partei bisher durch das nationalliberal, kreikonservative Schulkompromiß „ausgeschaltet" gewesen und gebe, sobald das Kompromiß in die Brüche gegangen lei, von neuem den Ausschlag. Und die konservativen Blätter stimmen dieser Gcschichtsklitterung vergnügt zu. „Zerfällt die in dieser Frage angebahnte Annäherung der evangelischen Parlamentarier", schreibt der „Reichs bote", „so ist auf lange Zeit jedes politische Zusammen wirken wieder gestört und die Schulfrage muß dann durch eine gemeinsame Aktion der Konser vativen mit dem Zentrum gelöst werden." Wir wollen gar nicht davon reden, daß hier vom „ReichSb." selbst indirekt zugestandcn wird, wie reaktio när das Gchulkompromiß seiner Tendenz nach gewesen sein muß, wenn es jetzt ohne weiteres durch ein mit Hülfe dcS Zentrums zustande gebrachtes Schulgesetz abgelöst werden soll. Denn man wird den Konservativen doch wohl nicht nachsagen können, daß sic in Schulfragcn keine ganz bestimmten Ziele und Absichten hätten. Es ist viel mehr klar, daß sic auch mit den Krücken des Schulkom- promisseö zu ihrem Ziele gelangen zu können hofften, wobei ja zugestanden werden mag, daß sie, um einen Teil der Nationalliberalen zu gewinnen, einen Pflock zurück gesteckt haben. Aber die Frage, wer beim Schulkompromiß eigentlich der Angeführte gewesen sei, kann auf sich be ruhen bleiben. Uns interessiert vielmehr in erster Linie, ob der Liberalismus, indem er das Schulkompromiß prcisgibt, wirklich ultramontane Geschäfte besorgt. Zweifellos, wenn eS nach dem Herzen der meisten konservativen Politiker in Preußen geht, dann kommt eine Verständigung über die Schule zwischen Junkertum und Zentrum zustande. Tenn beide Teile haben starke gemeinsame Interessen: beide wollen vor allen Dingen den Einfluß der Kirche auf die Schule nach Möglichkeit verstärken und auch sonst einen Damm gegen allzutief gehende Volksbildung errichten-, denn Wissen blähet auf. Da andererseits die konfessionellen Ansprüche durch eine möglichst radikale Beseitigung der Simultanschule be friedigt werden sollen, so stehen einer konservativ-ultra- montanen Kooperation keine unüberwindlichen Schwie rigkeiten im Wege. Ob allerdings von konservativer Seite nicht dieser nnd jener Bedenken trägt, au diesem schwarzen Kartell teilzunehmen, das ist die Frage. Und zumal unter den Frcikonservativen gibt cs viele, die in der Auslieferung der Schule an die Kirche eine schwere Gefahr für den Staat erblicken. Immerhin ist da preußische Drciklasseuadatordnetenhaus so reaktionär zu sammengesetzt, daß sich dom noch eine konservativ-klerikale Mehrheit finden würde, selbst wenn einige politisch kon servative Abgeordneten au- ihrem evangelischen Bewußt- sein heran- beim schwarzen Schulkartcll nicht mittun würden. Soweit stimmt dis Rechnung. Dia L'iedectwlung der Tchulkampagne von 1893 ist gemäß dec parlamen- torischen Machtverteilung möglich. Aber damit allein ist eS noch nicht getan. Es muß auch der Feldherr da sein, der die schwarze Garde zu Kampf und Sieg führt. Damals hatte der Kultusminister v. Zedlitz-Trützschler das Wagnis unternommen — ein frommer und tüchtiger Mann, der nur leider noch nicht genug Staatsmann war, als er das Schulgesetz entwarf. Er mußte einem Sturme der Volksentrüstung, einem Sturme von ge radezu unerhörter Kraft und Wucht, weichen, trotz seiner parlamentarischen Mehrheit, über die er verfügte. Und heute? Man braucht sich nicht darüber zu täuschen, daß der jetzige Kultusminister Studt genau so konservativ und konfessionell gesinnt ist, wie damals 'v. Zedlitz war; man kann sogar zugeben, daß der Durch schnitt des preußischen Ministeriums noch um eine Nuance dunkler ist als vor elf Jahren, aber damit ist noch gar nicht gesagt, daß sich Herr Studt und seine Kollegen nun danach drängten, das heiße Eisen der kon fessionellen Volksschule anzufassen. Ja, wenn man ihnen selbst die Anregung gibt, wie eS im Schulkom promiß geschah, wenn man die Zustimmung gleichsam auf dem Präsentierteller überbringt, dann läßt sich das Ministerium vielleicht herbei, die Wünsche auf eine weitere Konfessionalisierung der Volksschule zu erfüllen. Aber aus eigener Initiative diese große und schwer wiegende Frage aufwcrfen und lösen zu wollen, dazu dürfte der preußischen Regierung, wie sie heute ist, doch die nötige Initiative fehlen. Denn sie weiß ganz genau, daß es heute wie beim Zedlitzschen Entwurf gehen würde; das Volk würde sich um die bedrohte Volksschule scharen, eS gäbe auf alle Fälle einen großen Lärm, der nur zu leicht bis zum Thron gehört wird. Graf Bülow aber will keine inneren Krisen. Er wird sich besonder- vor einem Schulkampfe hüten, weil er weiß, daß seiner zeit Graf Caprivi dabei das preußische Ministerpräsidium und damit seine sicherste Grundlage verloren hat. Und ein solches Experiment sollte jetzt, in der Zeit der Flotten vorlage, Graf Busow wiederholen, nur weil sich die Konservativen darijder ärgern, daß ihnen die national liberale Partei dukch die Lappen zu geben droht? ErcckatXpella Ein Schulgesetz ist heute in Preußen ohne die nationalliberale Partei nicht zu machen, daS ist das Er gebnis einer unbefangenen Prüfung der politischen Situation. DaS wissen, auch die Konservativen wie die Ultramontanen sehr gut. Deshalb kann man die Drohungen der klerikalen Presse mit Gleichmut er dulden; in allen diesen Auslassungen zorniger Wallung spricht nur der Aerger darüber, daß die Trauben eine- konfessionellen Schulgesetzes zu hoch hängen. Vie riicdrirchr Regierung «na Oie Nstrtanartarife. Die ablehnende Haltung der sächsischen Regierung gegen über der aus Handels- und Industriekreisen gewünschten Ein führung von NotstandStarisen wirb in einer längeren, von den beiden sächsischen Regierungsblättern veröffentlichten Er klärung wie folgt zu rechtfertigen gesucht: „Zunächst liegt unbestreitbar eine gewisse Unbilligkeit darin, wenn diejenigen, denen in regelmäßigen Zeiten die Wasserstraße zur Verfügung steht, durch Frachtermäßigungen für die Dauer des Ausfalls der Wasserstraße begünstigt werden, während die fern von der Wasserstraße angestedelten Unternehmer jahraus jahrein die vollen ordnungsmäßigen Frachten bezahlen müssen ... Da» Anführen, e« sei ein Gebot der Billigkeit, daß der Staat den Gewinn, der ihm durch ver mehrte Zuführung von Eisenbahntransporten infolge Einstel lung der Frachtschffsahrt zustieße, den betroffenen Interessenten wenigstens teilweise zurückzugeben habe, kann nicht als zu treffend angesehen werden. Einmal handelt e» sich hier um auf Grund der ordnungsmäßigen Tarife eingehende Staatseinnahmen, Uber welche die Regierung auch insoweit, als darin wirklich ein „Gewinn" liegt, in Rücksicht auf ihre Steuerzahler keineswegs willkürlich zngunsten einrelner Kreise von Interessenten verfügen kann. Die Aner kennung auck nur eine» BilligkeitSanspruche« auf Heraus gabe emeS Anteil» der Fracht an diejenigen, die infolge besonderer Konjunktur zu vermehrter Bahnbenutzung ver anlaßt sind, würde zu den bedenklichsten Konsequenzen führen. Sodann bat speziell die sächsische StaatSeisenbabnver- waltung selbst durch Einstellung des Elbumschlags-Ber- kehres nicht unerhebliche Einbußen zu erleiden. So werden z. B. die bisher für Leipzig usw. und auch für Schlesien über die sächsischen Umschlagsplätze gehenden Hamburger Sendungen nunmehr nach Einstellung dech Schiffahrt ganz ohne Berührung der sächsischen Staat««senbaynen abge fertigt. . . . Von den geringen Frachtanteilen aber auch noch einen Nachlaß zu beanspruchen, ,st gewiß nicht billig. Im Juli diese« Jahre« haben d,e Einnahmen der sächsischen StaatSbahnen au« dem Güter verkehr nur die ganz unbedeutende Zunahme »in rund 67 000 erfahren. Auf den Kilometer der Be- triebslänge berechnet ergibt dies eine Mindereinahme von 2 .6 sür das Kilometer. . . . Weiter swürde die nachgesuchte Tarifermäßigung ven großen Fehler haben, daß sie weite Kreise, die ebenso oder noch härter von der Dürr« betroffen werden al« die zu Benutzung rcsBabnwege- veranlaßte» Wasscrinlercsseiikeii, nicht berücksichtigt. E« gilt die« vornehmlich von dem zunächst unmittelbar betroffenen Gchiffahrt«grwerbe, besten Lag« durch ein« Ermäßigung der Eisenbahnfrachten gar n, 'KOK Km Anteile an der Strecke Leipzig ll-Annaberg mit >36 km »u berechnen. Ein Verfahren, da» zu so großen, rein zu fälligen Ungleichheiten führen würde, läßt sich schon au- eher noch eine Verschlechterung erfahren würde, insofern durch Ablenkung der Transporte vom Wasser- auf den Bahnweg die Aussicht auf guten Verdienst beim Wieder aufgehen der Schiffahrt geschmälert wäre. Dem Vernehmen nach sind schon jetzt von der Schiffahrt für den Fall des WiederaufgehenS des ElbwegeS Wasser frachten auSbedungen worden, die den Tarif sätzen der Eisenbahnen für die billigeren Güter klassen wenig nachstehen Außerdem aber würden sich neben vielen anderen auch diejenigen beschwert fühlen, die, nicht an der Wasserstraße liegend, Wasserkräfte für ihren Betrieb benutzen und infolge der Dürre zn vermehrtem Koblenbezuge mit der Eisenbahn genötigt sind. Tatsächlich sind Gesuche um entsprechende Frachtermäßigungen von solchen Interessenten bereits ein gegangen. Sonach stünde man bei Eingehen auf die nach gesuchte Frachtermäßigung in der Tat vor der Frage einer allgemeinen Herabsetzung der Staatsbahn- tarife, eine Wirkung, wesche nn Interesse der Finanzen des Landes unbedingt vermieden werden muß. Andererseits aber würde die Ermäßigung der gegenüber den ElbschiffahrtSfrachten in Betracht-kommenden Eisenbahn tarifen infolge der Einstellung der Schiffahrt dazu führen, daß sie vielen Verfrachtern zugute käme, die einer Unterstützung sicher nicht bedürfen. Aber auch die von der Handelskammer zu Dresden vorgeschlagene Bedingung, daß die Ermäßigung nur den jenigen zu gute gehen soll, die nachweisen, daß sie bei offener Schiffahrt den Wasserweg benutzt haben würden, ist ebenso im Tariswege in vielen Fällen als geradezu nndurchsührbar zu bezelchnen. ... Bor allem aber muß eS aus volkswirtschaftlichen Gründen als ausgeschlossen angesehen werben, daß die Eisenbahntarife für sämtliche auf dem Wasserwege zur Beförderung kommende Wagenladungsgüter ermäßigt wer den. ES stände in schroffem Widerspruch mit der bis herigen Eisenbahn-Tarif-Politik der deutschen Eisenbahnen, wenn auf diese Weise für ausländische Güter zum Nach teil der inländischen Produktion, die mit jenen im Wett bewerb steht, und die nunmebr durch die Gunst der Konjunktur vielleicht auf besseren Absatz hofft, außergewöhn lich billige Tarife eingeführt würden . ... Andererseits er scheint es jedoch geradezu unmöglich, zumal bei der Kurze der Zeit, dir zn begünstigenden Güter in zutreffender Weise auszuwählen. Es sei hier nur erwähnt, daß sür sämtliche Güter, welche vorstehend als nicht zu begünstigen aufgefllhrt worden sind, bereits mehr oder minder dringende Gesuche um Frachtermäßigungen vorliegen. E« kann also in keinem Falle etwas geschaffen werden, was den Er wartungen der Interessenten entspräche, vielmehr würden unbedingt Klagen und Berufungen in größtem Umfange hervorgerufen werden. Vom rein tariftechnischen Standpunkt aus zeigt sich sodann noch da« Bedenken, dvß der Tarif wegen der Notwendigkeit der Einhaltung einer sechswöchigen Frist für Einführung von Tariferhöhungen auf die Dauer der Schiffahrt-Unterbrechung, wie beantragt, nicht beschränkt werden kann. Man müßte ibn mithin von vornherein nur sür eine bestimmte Kalenderzeit in Geltung setzen, wobei man Gefahr liefe, daß man den Zeitraum zu lang bemißt und daß dann die Ermäßigung noch zu einer Zeit gewährt wird, wo kein Bedarf dafür mehr vorliegt. Hiernachkonnte sich die Staatsregierung nicht zu einer HülfSaktion entschließen, die, abgesehen von den unabsehbaren Konseisuenzen, zahlreichen durch die Dürre geschädigten Interessenten, so insbesondere der Schiffahrt, nicht zugute kommen, dagegen vielen Ver frachtern ohne besonderen Bedarf Vorteile bringen würde und die überdies neben ganz außerordentlichen tarif technischen Schwierigkeiten auch volkswirtschaftlich in hohem Grade anfechtbar erscheinen müßte. Wollte man sich aber auch über alle diese Bedenken hinwegsttzen und doch in Würdigung der mißlichen Lage eine« Teils der auf den Wasserweg angewiesenen Industrie einen Versuch mit Einführung allgemeiner oder auch be sonderer Tarifermäßigungen macken, so ist nach der geo graphischen Lage Sachsens die Haltung der Preußi schen Staatseisenbahnverwaltung in der Frage von ausschlaggebender Bedeutung. In den weitaus nieisten Fällen nämlich und sicher in den Fällen, wo eine Frachtermäßigung am dringlichsten begehrt wird, kommt die Elsenbabnstrecke von Hamburg nach Sachsen in Betracht. Die Entfernung Hamburg— Elsterwerda beträgt 403 km, diejenige Elsterwerda — Dresden 53 km (über Röderau stellt sich die preußische Entfernung auf 52l, die sächsische auf 47 km). Entfallen somit von einer Frachtermäßigung etwa »/, auf Preußen und uur »/» auf Sachsen, so liegt e« auf der Hand, daß eine irgend wirksame Herabsetzung der Tarife nur unter Beitritt der preußischen StaatSeisenbahnverwaltung möglich ist. Nun hat aber bekanntlich der Preußische Minister der öffentlichen Arbeiten die ein schlagenden Gesuche ausnahmslos abgelehnt unv es hat die sächsische StaatSregierung die bestimmte Ueberzeuguna erlangt, daß Preußen jenen Standpunkt festhalt und sich an einer etwaigen Frachtermäßigung für die Dauer der Sperrung der Wasser straßen unter keinen Umständen und in keiner Weise be teiligen wird Weiter aber hastet der Maßnahme der große Nachteil an, daß sie in Rücksicht auf die bestehende Gütcrleitnng außerordentlich ungleich wirken würde. Für die Strecke Hamburg—Zittau z. B. (526 km- kommt nur die sächsische Strecke Niknsch —Zittau (24 km), für Hamburg—Werdau (45l km) nur die sächsische Strecke t^era Werdau (38 km) in Frage; für die an der preußische» StaalSbahu liegenden Stationen des Lande« aber (z. B. in Leipzig, Plagwitz- Lindenau. Kamen» usw.) entfiele im Verkehre mit Hamburg gar niHtS. Bei der Relation Hamburg—Annaberg ^50k kmi dagegen wäre die Erstattung vom dem sächsischen »u berechnen. Ein Verfahren, da» zu so großen, rein fälligen Ungleichheiten führen würde, läßt sich schon diesem Grunde nicht empfehlen. . . . Für Transporte zwischen Böhmen und Sachsen, wobei eS sich vornehmlich um Kohlen handelt, bat nicht einmal die Handelskammer Dresden Frachtermäßigungen besiirwortet. Sie erscheinen auch in Rücksicht auf die deutsche Kohlenproduktion recht bedenklich, ganz abgesehen davon, daß, dem Vernehmen nach, die böhmischen Kohlen werke sich anschicken, die Mehrkosten des Bahntransportes ihrerseits durch Preis-Nachlässe teilweise auSzngleicben. Eine Frachtermäßigung dürfte mithin aller Voraussicht nach nur den böhmischen Werken, welche jene Preis ermäßigung voraussichtlich sofort wieder aufheben würden, zugnte geben ..... Die Staatsregierung hat noch erwogen, ob eS etwa an gängig wäre, der durch Einstellung deS ElbverkehrS zweifellos in gewissem Umfange in Bedrängnis geratenen sächsischen Industrie durch eine zeitweilige allgemeine Ermäßigung der Kohlentarife beizusprinyen. Leider aber erwies sich bei näherer Betrachtung auch dieser Weg nicht als gangbar. Eine solche Ermäßigung würde, wenn anders sie nicht geradezu verschwindend gering sein sollte, ganz erhebliche Einnahmeausfälle sür die StaatS eisenbahnverwaltung verursachen, andererseits aber für die Beteiligten fast ohne Belang bleiben. Man hat berechnet, daß eine solche Ermäßiguna, wenn man sie nur auf 3 aus 10 t annimmt, der Staatskasse im Verlauf von zwei Monaten etwa 600 000 kosten würde, daß sich aber für einen größeren Betrieb nur eine Ersparnis um etwa 80 bis lOOim Monat Herausstellen würde, ein Betrag, der gewiß als Mittel zur Behebung einer Notlage für solche Betriebe gar nicht in Betracht kommen kann. Sodann aber würde die Ermäßigung auch zahlreichen, weder durck die Sperre des ElbwegeS, noch sonst durch die Dürre betroffenen Unternehmern, die einer Unterstützung gar nicht bedürfen, zugute geben, während die am meiste» geschädigte Schiffahrt und z. B. auch die ohne Dampskraft arbeitenden Waffermüller ganz leer auSgehen würden. Endlich war auch nock die Unterstützung der betroffenen Industriellen jdurch bare Mittel au« der Staats kasse in Betracht zu ziehen. Diese Maßregel hätte den großen Vorzug, daß man auf der einen Seite diejenigen, die überhaupt keinen Schaden erlitten haben, ausschließen und auf der andere» Seite die wirklich Geschädigten mit größerer Sicherheit treffen könnte. Nur aus diesem Wecze würde eS beispiels weise möglich sein, die oft erwähnte Schiffahrt zu unter stützen. Aber auch dieser Maßregel stehen Vie größten Schwierig keiten entgegen: jeve Aktion, die an einzelne Fälle anru» knüpsen bat, ist mißlick, weil sic dem behördlicken Ermessen einen so weiten Spielraum zu lassen hat, daß Fehlgriffe und in nock höherem Maße Mißdeutungen unvermeidlich sind. Klagen über zu reichliche Entschädigungen der einen und zu knappe Entschädigungen der anderen würden in großer Menge erhoben werden. West schwerer aber würde noch ins Gewicht fallen, daß die Regierung da mit der sich immer mehr verbreitenden und an sick in vielen Richtungen sehr bedenk lichen Neigung Vorschub leisten würde, für jede Not nnd für jeden Schaden den Staat haftbar und ersatzpflichtig zu machen. Denn da- unmittel bare Eingreifen durch Gewährung barer Geldbeträge würde den Charakter der Staatsunterstützung viel schärfer hervor treten lassen, al« die« bei Frachtermäßigungen der Fall wäre. Auch ist eS gewiß, daß diese Art der Abhülfe der Mehrzahl der Interessenten, nicht nur wegen de« ihr anhaftenden soeben erwähnten Charakter« der direkten Unterstützung au« Staatsmitteln, sondern vor allem wegen der individuellen Beurteilung der einzelnen Fälle mit den daran« unvermeidlich kervorgehenden Untersuchungen der geschäftlichen Verhältnisse durchaus nnwillkommen sein würde. . . . Schließlich aber wird man bei unbefangener Beur teilung der Sachlage doch wohl nicht verkennen dürfen, daß die durch die zeittPilige Einstellung der Schiffahrt geschaffene Lage gegenwärtig nicht «ne derartige ist, baß ein Eingreifen des Staates durch Gewährung barer Znscküsse ohne vorheriges Gebör der Landstände unbedingt geboten wäre. Schon jetzt sind vielfach Stimmen laut geworden, die fick mit Entschiedenheit gegen jede Not- standsaktion auSsprechen, und e« kann wohl damit gerechnet werden, daß nach Verlauf einiger Zeit, wenn der Verkehr wieder die gewohnten Bahnen eingeschlagen hat, die öffentliche Meinung des Landes es nur billigen wird, wenn die Regierung sick gegen eine Belastung der Steuer zahler zugunsten der'vorübcrgebend geschädigten Interessenten ablehnend verbalten bat." Es ist ganz zweifellos, daß sich gegen alle Notaktionen de« Staate« die schönsten Bedenken vorbringen lassen, und da« ist im vorliegenden Falle auch in außergewöhnlicher Ausführlichkeit geschehen. Fragt sich nur, ob nicht doch der Notstand so groß ist, daß alle jene Bedenken hin fällig werden. Die Regieruna bestreitet e«, die be teiligten Kreise und die ausschlaggebenden bürgerlichen Parteien bejahen eS. Wir erinnern nur daran, daß auch daS konservative Parteiorgan Sachsens die Notwendigkeit einer Hilfe für die bedrängte Industrie anerkannt hat. Immer hin ist die Aufrichtigkeit anzuerkennen, mit der die Regierung ihren eigenen ablehnenden Standpunkt dargelegt bat. Sie hätte sick noch weit mehr, al« hier geschehen, hinter Preußen ver schanzen können. Denn daß jegliche auf Sachsen beschränkte Tarifermäßigung beinahe wirkung-lo- bleiben muß, ist ohne weitere« klar und wird auck von keiner Seite bestritten. Da aber drängt sich doch der Eindruck auf, daß eine Hülfe, di« in der hier vor liegenden Weise von der eigenen Regierung beanstandet und für bedenklich erachtet wird, nicht mit Nachdruck von einer fremden Regierung gefordert werden kann. DaS ist dann keine dringliche Vorstellung mehr, sondern eine Anfrage mit der schon halb und halb suggerierten Antwort nei». Damit soll gar nicht einnial gesagt werden, daß der preußische Babnfi-kuS nun unter allen Umständen bei stärkerem sächflscken Nachdruck sein pangermanisches Gemüt entdeckt hätte, dazu ist un« denn doch auch di« sonstige preußische Bahnvolitik schon zu viel Entgegenkommen schuld,§ geblieben. Aber schwerlich war eine lauwarm« Vartrettr»«
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