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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.09.1904
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-09-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040905011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904090501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904090501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-09
- Tag1904-09-05
- Monat1904-09
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Anzeigen-PretS die «gespaltene Petitzelle 2S Reklame» untrr dem Rrdaktiou-sirich («gespalten) 78 nach drn Fainilieuiimh- richten (6 gespalten) 80 rabeilarischer und Zisfrrnsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Osfrrtrnaunahme 2b -4. Auuatzmeschlutz für Aujeigeu: Abend-Ausgabe: vormittag» 10 Uhr. Morgru-Au-gabe: nachmittag» 4 Uhr. Ertru-veUaU« (gefalzt), nur »tt der Morgeu-Autgabe, ohu« Postbef-rdernng 60.—, mit Postbefördernug 70.—. Anzeigen sind stet» an die Expedition zu richten. Di» Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» abends 7 Uhr. Druck und Verlag von U. Balz tu Leipzig (Inh. vr. v„ R. L W. »ltuthardk 98. Jahrgang. Var MGtigrie vom Lage. * Die Verlobung des Deutschen Kron prinzen mit der Herzogin Cecilie, der jüngsten Schwester des Großherzogs von Mecklen burg-Schwerin, wurde gestern offiziell bekannt gegeben. (S. Deutsches Reich u. Letzte Nachr.) * Auf dem Vertretertage -er jungnationalliberalcn Vereine zu Leipzig wurden gestern die Richtlinien für ein Schulprogramm festgelegt. Die erste Forderung des Programms bildet die Ltmultanschule. (S. Bericht.) * Die Aussperrung derArbeiter in denElbsand- steinbrücheu bei Pirna wurde aufgehoben. (S. Sachs.) * Durch einen Erlaß des Zaren werden die Be stimmungen über die Aufenthaltsrechte derIuden in Rußland gemildert. (S. Letzte Nachr.) geichrverbana Oer Vereine aer «atisnalliberalen Menü. Der Leipziger Vertretertag hat in der Hauptsache ge- zeigt, daß die nationalliberale Jugend trotz aller scharfer Betonung ihres liberalen Standpunktes weder das natio nale Moment im Geringsten zurücktreten lassen, noch ihre Zusammengehörigkeit mit der nationalliberalen Partei lockern oder gar ausgeben will. Das aber ist von der allergrößten Wichtigkeit, denn es ist das Zeichen für die Entwickelung des Verbandes in der Richtung und Ab sicht, die bei der Gründung maßgebend waren. Damit sind aber auch alle Befürchtungen hinfällig geworden, die bei der Einberufung des Tages sich vernehmen ließen. Der Tag erhielt fein Gepräge durch die Stellung- nähme zur Volksschule. Wir hatten bei der Be grüßung des Vertretertages gesagt, die nationalliberale Jugend habe den Beweis für ihre unerschütterliche libe- rale Gesinnung hier in Leipzig zu erbringen. Wir be kennen uns hiermit ausdrücklich dazu, in diesem Punkte ein wenig Scharfmacherei getrieben zu haben, und wahr- scheinlich unnötigerweise. Jedenfalls ist der Beweis glänzend erbracht und wird in seinen folgen und Wir- kungen hoffentlich von weitgehender Wirkung sein. Es muß dabei besonders das Wort des Vorsitzenden I)r. Fischer-Köln hervorgehoben werden, daß die Arbeit für die Volksschule zwar in liberalem Sinne erledigt, aber in ihrer Absicht ganz hervorragend national sei. Für die Einwirkung auf die nationalliberale Partei ist es vielleicht von Bedeutung, daß absichtlich jedes scharfe Wort gegen sie vermieden worden ist. Die Jugend hat bei aller Schärfe der in ihren Schulrichtlinien liegenden Kritik doch darauf verzichtet, dieser Kritik auch noch eine besondere, antiparteiliche Form zu geben. Zum Teil ist Las zwar geschehen, um nicht durch die Beschränkung auf die praktischen, preußischen Möglichkeiten eine Ab- schwächung eintreten zu lassen — bezüglich der Wirkung aber ist hervorzuheben, daß dadurch der Fraktion ein Einlenken erleichtert wird. Tie preußi schen Nationalliberalen haben nun ihre Folgerungen zu ziehen. Zum Schlüsse wollen wir noch unsere ehrliche Freude ausdrücken, daß Lieser Vertretertag in Leipzig laut in das Land hinausgerufen hat: Im Nationallibe- rallsmus ist Raum für das freie Wort. Und das wird uns hier in Sachsen besonders wohltun. III. * Leipzig, 4. September. Den heutigen öffentlichen Versammlungen ging eine vertrauliche Besprechung vor aus, in der das Verhältnis der Verbands zeitschrift geregelt wurde. Im allgemeinen kam man dahin überein. Laß dieses Verhältnis das bisherige bleiben und nach Kräften gefestigt werden solle. Dann begaben sich die Vertreter zum Bismarck- Denkmal im Johannapark, woselbst Herr vr. P ö n s- gen- Berlin für den Verband einen schönen Lorbeer kranz mit Schleife niederlegte und mit treffenden Wor ten die Verdienste des großen Kanzlers zeichnete, dabei gelobend, Laß der Verband der nationalliberalen Jugend treulich den Weg wandeln werde, den Bismarck den: deut schen Volke für seine Entwickelung gewiesen habe. Die öffentliche Versammlung im Künstlerhause, der u. a. auch Graf Hoensbroech beiwohnte, wurde kurz nach i/rl t Uhr vom Verbandsvorsitzenden. Herrn I)r>. Fischer- Köln, mit einem Hinweise aus die Tagesord- nung eröffnet. Mit dem Referat über die Arbeits - kammern solle gezeigt werden, daß der Verband für eine gesunde gewerbliche Entwickelung unseres Volkes eintrete. Was aber das Referat über Las SchuIvro - gramm betreffe, so sei beabsichtigt, heute zu Richt- linien für ein solches zu gelangen. Man könne nicht hoffen, daß die Beschlüsse sofort Gesetzessorm annehmen würden, sondern man wolle nur zeigen, welche Wege man hinsichtlich der Entwickelung unseres Schulwesens gehen wolle, ^n Richtlinien wolle man in der Partei Geltung zu ver- waffen suchen, um dahin zu gelangen, daß die national- .iberale Partei auch ein festes Schulprogramm besitze und so keine Meinungsverschiedenheiten mehr entstehen konnsn über Las, was man in der Schulfrage wolle. ES ergriff hierauf Herr Lehrer Bühl er-Zwei- brücken das Wort zum Referat über die Richtlinien für ein jungliberales S ch u l p r o g r a m m. Ter Redner gab zunächst einen Uederblick dec historischen Entwickelung des Schulwesens und stellte dann allge meine Forderungen für die Schule auf. Unbedingt sei zu verlangen, daß die Schule, die der Bildung des gan zen Volkes diene, als ein Stück des staatlichen Lrganis- muS gelte. Sie müsse der geistlichen Aufsicht entzogen werden, denn der Staat könne nicht dulden, daß — und hierbei komme namentlich die fremden Einflüssen ge horchende katholische Geistlichkeit in Betracht — staats- feindliche Tendenzen einen Rückhalt in der Schule ge winnen. Aber auch der Lehrer müsse frei von der Auf sicht eines anderen Standes sein. Die Leitung des Schul- wesens dürfe deshalb nur Fachmännern in die Hände ge geben werden. Nachdem der Redner noch ein größeres Wohlwollen des Staates für die Schule, namentlich in finanzieller Hinsicht, gefordert hatte, wendete er sich mit Entschiedenheit gegen jede Konfessionalität der Volks- schule. Wer letztere wolle, müsse konsequenterweise auch mit vr. Schädler die Konfessionalität der höheren Schulen gutheißen. Des Ferneren trat Redner für die Unentgeltlichkeit des Unterrichts ein. Für den Besuch der staatlichen Volksschule verlangte er Zwang. Ter Sohn des Ministers habe neben dem des Tagelöhners, die Tochter des Katholiken neben der des Freireligiösen zu sitzen. Tie insgesamt aufzustellende Forderung sei: Staats schule mitFachleitung und simul tanem Charakter. Hiervon dürfte mit keinem Iota zurückgegangen werden, denn auf kulturellem Ge biete könne es kein Paktieren geben. Auch materielle For- Lerungen dürfen nicht erkauft werden mit Konzessionen an die Konservativen. Redner schloß unter großem Bei fall mit den Worten: Liberal, rücksichtslos liberal, bis das Werk vollendet ist, das ist unsere Aufgabe in der Zu kunft. Tas zweite Referat über diesen Punkt der Tages ordnung erstattete Herr Rechtsanwalt Falk-Köln. Derselbe hob einleitend hervor, daß nach dem preußischen Landrecht die interkonfessionelle Schule die Regel, die konfessionelle Schule die Ausnahme sein solle. Tie Ver- »valtungspraxis habe diesen Grundsatz geradezu auf den Kopf gestellt. Nach der offiziellen Statistik von 1901 gebe es in Preußen 98 Prozent konfessionelle und 2 Pro zent interkonfessionelle Schulen. Was nun das Schul kompromiß betreffe, so werde in 8 2a beantragt, „daß in der Regel die Schüler derselben Konfession an gehören und von Lebrern ihrer Konfession unterrichtet werden sollen". Von einem Fachmanne sei berechnet worden, daß, wenn man nach diesem Grund sätze eine Scheidung in konfessionelle und interkonfessio nelle Schulen vornehme, dann von den 36 000 Schulen Preußens 10—12 000 Schicken interkonfessionell sein würden. In 8 2e des Kompromisses werde nun ver langt, daß, wenn die Zahl der schulpflichtigen Kinder einer ronfeMonellen Minderheit eine „angemessene Höhe" erreicht habe, diese Minderheit den Anspruch auf Errichtung einer Schule ihrer Kon fession habe. Von welcher Wirkung dieser 8 2e sein müsse, lasse sich berechnen, wenn wir annehmen, daß in etwa 10—12 000 Schulen die Schüler nicht derselben Konfession angehören. Als eine höchst bedenkliche Kon zession an die geistliche Schulaufsicht müsse auch 8 2ck be zeichnet werden, nach dem der Kirche Vertretung in den Schuldeputationen und Schulvorständen einzu räumen sei. Dazu dürfte sich der Liberalismus nie ver steigen, denn die gesetzliche Einräumung einer solchen Vertretung werde gleichbedeutend mit der Herrschaft der Geistlichkeit in der Schicke sein. Der Redner verbreitete sich dann eingehend über die Aufgabe der Schule, die namentlich darin bestehe, eine innere Einheit der deut schen Volksseele zu schaffen. Wenn die Schule im Sinne des Kompromißantrages umgemodelt werde, so werde sie bei dem Einflüsse des Klerus diesem Zwecke nicht mehr dienen. Für den Eindruck des Kompromißantrages sei der Katholikentag in Regensburg das beste Barometer. Mit wohlgefälligem Schweigen habe man ihn hinge nommen. Und noch bezeichnender sei das Zedlitzsche Wort, „daß durch das Kompromiß mancher Gegensatz zwischen den Mittelparteien und dem Zentrum aus der Welt gesck-afft werde". Nun werfe man von gegnerischer Seite den Anhängern der Simultanschule vor, daß sie unter dieser Maske jeden Religionsunterricht aus der Schule verbannen wollten. Das sei nicht wahr, aber eins wolle man: Befreiung von jedem religiösen Zwange. Nachdem noch der Redner sich für die geistige und materielle Unabhängigkeit des Lehrerstandes ausge sprochen hatte, legte er der Versammlung die nach stehenden Richtlinien vor: Die allgemeineVolksschule ist eine welt liche Einrichtung, deren Leitung ausschließlich dem Staate zusteht. Die Schulaufsicht muß durch Staatsbeamte im Hauptamt ausgeübt werden: als Schulinspektoren dürfen lediglich Fachmänner angestellt werden. Das Staatsinteresse fordert für die Volks- und Lehrerbildung eine allen Bekenntnissen ge meinsame Schule (Simultanschule). Dem Religionsunterricht, der im Auf trage und unter Aufsicht des Staates erteilt wird, ist im Lehrplan in gebührendem Umfange Raum zu ge währen: entsprechend dem Grundsätze der Gewissens freiheit, dürfen die Kinder gegen den Willen der Eltern zur Teilnahme am Religionsunterricht nicht an gehalten werden. Gründliche Vorbildung und angemessene Besoldung müssen dem Lehrer die notwendige geistige und wirt schaftliche Unabhängigkeit sichern. Der Redner legte schließlich dagegen Verwahrung ein, daß durch die Aufstellung von Richtlinien eine Disziplin losigkeit begangen werde. Man handle damit im Gegen teil im Interesse der Partei. Bei dem Kampfe um die Schule handele es sich um einen Kampf um die geistige Freiheit, und eS mülle alles getan werden, hierbei dem Liberalismus zum Siege zu verhelfen. (Lebhaft. Beifall.) Nachdem der Vorsitzende beiden Referenten für ihre Ausführungen Dank gesagt hatte, trat gegen V22 Uhr eine kurze Mittagspause ein. In der Nachmittagssitzung gab der Vorsitzende zu nächst bekannt, daß an die Reichstagsabgeordneten Vr. Hammacher und l>r. Bassermann Danktele gramme abgesendet worden seien. Die Debatte wurde eröffnet durch Herrn Strecker- Bochum, der, seinem gestrigen Standpunkte entsprechend, dagegen war, Laß man sich durch scharfe Richtlinien auf die Simultanschule festlege. Die liberale Partei werde davon keinen Gewinn haben, sondern der Ultramontanis- mus. Er, Redner, sei persönlich Anhänger der Simultan schule, aber er könne versichern, daß man in seiner Heimat von der Einführung derselben nichts wissen wolle, weder jetzt, noch in den nächsten Jahrzehnten. Die folgenden Redner sprachen sich fast alle für Richtlinien aus. Herr Assessor Or. Pönsgen - Berlin begründete zunächst einen von ihm und Redakteur B r ü e s - Krefeld ausgearbeiteten ausführlichen Pro- grammentwurf. Redner vertrat die Ansicht, daß das Programm in sich eine Begründung enthalten müsse. Rücksichten auf die Konservativen dürften nicht genommen werden. Herr Landgerichtsrat Schwörer -Freiburg erörterte die badischen Verhältnisse. In Baden habe sich selbst die Geistlichkeit mit der seit Jahrzehnten bestehenden Simul- tanschule auf guten Fuß gestellt. Herr Lehrer S ch m i ü t - Crefeld erhob Einspruch dagegen, daß die Kirche stets als tue Mutter der Schule bezeichnet werde. Redner wünschte, daß sich die Sinml- tanschule auf das Vertrauen der Eltern stützen möge. Herr Professor v. H i p p e l - Göttingen hob hervor, daß man allerwärts mit Len Simultanschulen nur gute Erfihrungen gemacht habe. Herr Dr. Go l d s ch m iü t. München: Er freue sich darüber, daß der Abgeordnete Dr. Friedberg erklärt habe, die nationalliberale Landtagsfraktion sei keine Gegnerin der Simultanschule. Aber der Sündenfall sei doch oa, und er sei darin zu suchen, daß die Fraktion die Bedeutung des ganzen Zusamtnengehens mit den Konservativen verkannte. Und dann: wer lax bei der Volksschule sei, werde ss auch sein bei den Mittel, und Hochschulen. (Zustimmung.) Redner erklärte sich gegen den vr. Pönsgenschen Entwurf und ersuchte schließlich unter großer Heiterkeit darum, zur „Falkschen Schul- gesetzgebung" zurückzukehren. Herr Johannes-Köln sprach sich ebenfalls für Annahme der Richtlinien aus. Man werde dort, wo die evangelische Arbeiterbewegung stark sei, allerdings mit den Richtlinien auf Widerstand stoßen, allein der selbe müsse überwunden werden. Es sprachen noch im Sinne der Richtlinien die Herren I>r. Siebert-München, Heß-Köln und Dr. Koch- Mannheim. Von letzterem wurde hervorgehoben, daß man in manchen Kreisen von Hurra-Patriotismus rede. Es gebe aber auch einen Hurra-Katholizismus und einen Hurra-Evangelismus. Gegen beide müsse man Front machen. Die Kinder dürfen durch die Kon- fession sich nicht'entfremdet werden. Im Schlußworte der Referenten sprach sich Herr Lehrer B ll h l e r - Zweibrücken dafür aus, daß die staatliche Schulaufsicht eine gründliche sei und daß der Lehrer gegen alle Spionage, von welcher Seite sie auch komme, geschützt werde. Herr Falk-Köln legte dar, weshalb die Simultanschulen im Rheinlande in manchen Städten wieder eingegangen seien. Die Schulen ent standen in der Folge der Falkschen Gesetzgebung, zum Teil gegen den Willen mancher Bevölkerungskreise. Als Falk fiel, fielen auch die Schulen, denn die späteren Minister stützten sie nicht mehr. In Baden und anderen Teilen Deutschlands entwickelten sich die Simultan schulen auf gesicherter Grundlage, und die Erfolge waren überall gute. Darauf erreichte die Generaldebatte ihr Ende. Die Versammlung beschloß darauf, nur in einer Spezial debatte über die Richtlinien des Referenten vr. Falk einzutreten, womit sich die Or. Pönsgenschen Anträge erledigten. Die Absätze 1, 2, 3 und 5 oer Falkschen Richtlinien wurden sodann nach kurzer Debatte en bloe angenommen. Eine längere Diskussion entstand jedoch über Absatz 4, die Erteilung des Reli - gionsunterrichts betreffend. Hier platzten die Meinungen stark aufeinander, namentlich wurde die eventuelle Ersetzung des Religionsunterrichts durch eine Moralunterweisung stark bekämpft. Schließlich gelangte Absatz 4 in folgender Fassung zur Annahme: „Dem Religionsunterricht, der unter Aufsicht des Staates nur durch von ihm zuaelasfene Lehrer erteilt wird, ist im Lehrplan in gebührendem Umfange Raum zu gewähren: entsprechend dem Grundsätze der Gewissensfreiheit dürfen jedenfalls die Kinder von Dissidenten gegen den Willen der Eltern zur Teilnahme am Religrons- unterricht nicht angehalten werden." Dann wurden die gesamten Richtlinien bei nochmaliger Abstimmung gegen die Stimme des Vereins Bochum angenommen. (Langanbaltender Beifall.) Ein von Herrn Professor v. Hippel-Göttingen gestellter Antrag, das Schulkompromiß betreffend, wurde nach kurzer Debatte zurückgezogen, da man eine Stellungnahme hierzu durch die angenommenen Richt- linien aös erübrigt ansah. Ueber den Punkt „Arbeits kammern" er stattete Herr RatSassessor Sau der-Augsburg ein wegen der vorgeschrittenen Zeit nur kurzes Referat, worauf eine Resolution angenommen wurde, in der sich die Versammlung für die Errichtung von pari tätischen A r b e i t s k a m m e rn als ein wichtiges Mittel zur Ausgleichung sozialer Gegensätze aussprach. Die baldige Einbringung eines entsprechenden Gesetz entwurfes werde von der Reichsregierung erwartet. Ein Antrag Berlin, in eine verstärkte Agitation für die Vermehrung der deutschen Kriegs- flotte einzutreten, fand einstimmige Annahme. Sodann schloß der Vorsitzende die öffentliche Ver treterversammlung mit einem Hoch auf die nationalliberale Partei. In der sich anschließenden nichtöffentlichen Vertreterversommlung beschloß man, daß im nächsten Jahre keine Dertreterverfammlung stattfinden solle. Als Ort der nächsten Versammlung wählte man Stuttgart. Zum Vorsitzenden des Verbandes wurde Herr Rechtsanwalt, vr. Fischer-Köln durch Zuruf und unter großem Beifall wiedergewählt. Ebenso wurde Herr Generalsekretär Zimmermann wiedergewählt. Mit der Wahl der Beisitzer erreichte die nichtöffentliche Sitzung ihren Abschluß. Dem Vertretertaae folgte ein Festessen, das in sehr anregender Weise verlief. Es ist übrigens noch zu bemerken, daß in dem Bericht 17 über die Verhandlungen vom Sonnabend bei Begründung des Antrages Aachen Herr Schumacher nicht gesagt hat: Zu einem von allen angenommenen Schulprogramm werde man nicht ge langen. Dieser Aurspruch ist irrtümlich Herrn Schumacher zu- geschrieben worden. ver ruzrirch-japaiürche Weg. Liarrjang gefallen. Am gestrigen Sonntag ist Liaujang in die Hände der Japaner gefallen. Marschall Oyama telegraphiert darüber nach Tokio: „Nach dem Kampfe, welcher diese Nacht und heute früh statt fand, fiel uns Liaujang um 9 Uhr vor- mittags vollständig in die Hände. Unsere Verluste sollen groß fein, über die Lage am rechten Ufer des Taitseho habe ich keinen Bericht erhalten." Der Verlauf -es Aainxfe». General Kuropatkin berichtet an den Kaiser: In der Nacht zum 3. September ging der Feind zum Angriff über und b emächtigte sich des größten Teils der von uns bei Sikwantau besetzt gehaltenen Stellungen. Unsere Truppen, die diese Stellungen besetzt hielten, zogen sich auf eine Nachhutstellung auf der Linie der Dörfer Tschansutun-Chitschentsie auf dem halben Wege zwischen Liaujang und Sikwantau zurück. In derselben Nacht z 0 g sich das erste sibirische Armeekorps, das in den letzten fünf Tagen schwere Verluste erlitten hat und dem die Gefahr drohte, von überlegenen Streitkräften umgangen zu werden, um mehrere Werst westwärts zurück. Unter diesen Umständen habe ich den Befehl gegeben, Liaujany zu räumen und nach Norden zurückzu gehen. — Em weiteres Telegramm Kuropatkins an den Kaiser vom 2. September meldet: Heute steht ein großer Teil der Armee einschließlich des ersten sibirischen Korps südlich von der Zweigbahn, die von der Station Iantai, 17 Werst nördlich von Liaujang, zu den Gruben von Iantai führt. Die Japaner befanden sich zwar heute in unmittelbarer Nähe von unseren Truppen, beschränkten sich aber darauf, aus dem hohen Grase zu schießen. Unsere in Liaujang stehenden Truppen setzen auf das rechte Ufer des Taitse-Flusses über. DaS Operations gebiet der Truppen ist durchweg mit hohem Grafe be deckt, welches unsere Aktionen ungemein stört. Der gestrige Rückzug der Abteilung des Generalmajors Orlow erklärt sich hauptsächlich daraus, daß die Ab teilung von den Japanern aus dem hohen Steppengrase beschossen wurde. Die Verluste dieser Abteilung sind bedeutend. Ein Regiment hat allein 1500 Mann ver loren. Deutsches Keich. Berlin, 4. September. * Verlobung -cs Kronprinzen. Die Nachricht von der Verlobung LesKronprinzen mit der Her zogin Cecilie von Mecklenburg.Schwerin, oer jüngsten Schwester des Großherzogs Friedrich Franz, hat hier allgemeine freudige Ueberraschung hervorgerufen. Diel besprochen wird, daß der Kron prinz sich ebenso wie sein Vater, der Kaiser, In verhält nismäßig jungen Jahren verlobt hat. Kaiser Wilhelm stand im Anfang des 23. Lebensjahres, als er heiratete, der Kronprinz, der am 6. Mai 1882 im Marmorvalais bei Potsdam geboren wurde, steht jetzt ebenfalls im 23. Lebensjahre. * Der Kall Mirbach un- -er Reichskanzler. In einigen Blättern ist angedeulet worden, da^ der Reichskanzler bei der Erledigung, die der sogenannte „Fall Mirbach" jetzt ge sunden hat, mitgewirkt habe. Diese Andeutung wird mit dem Hinweise darauf unterstützt, daß die „Köln. Ztg." früher sehr scharf und entschieden siegen den Oberhof meister ausgetreten ist und nach semem Rücktritte von der Schatullenvcrwaltung nochmals die Notwendigkeit dieser Entschließung hervorgehoben hat. Man glaubt, daß die „Köln. Ztg." in diesen ihren Darlegungen offiziös gewesen sei. Die „Deutsche Tageszeitung" behauptet, daß die „Köln. Ztg." neuerdings zu dem Reichskanzler keine nahen und besonderen Beziehungen hat. Das Blatt meint: Ob Graf Bülow in der Angelegenheit des Oberhofmeisters überhaupt gehört worden ist oder dazu irgendwie Stellung genommen hat, entzieht sich unserer Kenntnis. Sollte er aber seine Bedenken wirklich geäußert und auf die Notwendig keit der nun eingetretenen Konsequenz aufmerksam gemacht haben, so würde er lediglich seine Pflicht als preußischer Ministerpräsident getan haben. * Der Priifi-ent -es Reichstage» Graf v. Balleftrem vollendet am 5. September sein 70. Lebensjahr. Im Jahre l872 ist er in das parlamentarische Leben eingetreten und hat für den 4. Wahlkreis Oppeln (Lubkinitz-Tost-Gleiwitz) mit einer fünsjährisien Unterbrechung im Reichstag (von 1872 bi» 1883 und seit 1888) an der Spitze des Zentrums gewirkt, 1890 di» 189» die Stellung de« ersten Bizrpräsi- denten bekleidet. 1898 ließ ihn wegen seine» Eintretens zugunsten der Militärvorlage seine Partei fallen. Seit 1898 ist er Präsident de« Reichstage«. Au« Anlaß der Zolltarif- kämpfe legte er fein Amt nieder. Die Mehrheit de« Reicks- tage« erwreS jedoch durch seine Wiederwahl, daß da- Ver trauen zu seiner GeschäftSfübrung unerschüttert geblieben ist. 3m preußischen Abgeordnetenhaus« saß er von 1891 bi« 190»
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