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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 31.08.1904
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-08-31
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040831016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904083101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904083101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-08
- Tag1904-08-31
- Monat1904-08
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Morgen-Ausgabe S8. Jahrgang. Mittwoch den 31. August 1904. Annahwefchluß kür A», eigen: Abend-Au-gabe: vormittag« 10 Uhr. Morgen-Au-gabr: nachmittag- 4 Uhr. Redaktion und Expedition: 153 Fernsprecher 222 Johannisgasse 8. Ailtalrxpeditionen: Alfred Hahn, Buchhandlg., Universitüt-str.8 (Fernspr. Nr. 4048), L-Lüsche, Katharinen straße 14 (Fernsprecher Nr. 293b) u. König«. Platz 7 (Fernsprecher Nr. 7505). Haupt-Filiale Dresden. Marienstraße 34 (Fernsprecher Amt 1 Nr. 1713). Haupt-Filiale verltn: LarlDuucker, Herzgl.Bapr.Hofbuchbandlg„ Lützowsttaße lOlFernsvrecherAintVI Nr.4603'. BezugS-PreiS in der Hanptexpedition oder deren Ausgabe stellen abgeholt: vierteljährlich 8.—, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins Hau- ^l S.7Ü. Durch die Post bezogen für Deutsch- land n. Oesterreich vierteljLhrltch 4.50, für die übrige» Länder laut ZeitungSprriSlistr. Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 28 Reklamen unter dem Redattionsftrich (4 gespalten) 7b »ach de» gamtltrnnach- richten (v gespalten) 50 Tabellarischer nnd Zissrrnsatz entsprechend Hüber. — Gebühren für Nachweisungen und Ossertroannahm« 2b Diese Nummer kostet auf allen Bahnhöfen und III I bei den Zrstung-.Berkäufern tMMr.TllgMM 0 Extra-Veilagen (gefalzt), nur »st der (U MM m G Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. - _ - Die Expedition ist Wochentag- ununterbrochen Amtsblatt des Königliche« Land- und des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, «»< ->--»»« ? »v des Nates und des Nolizeiamtes der Stadt Leipzig. Var lvichstgrte vom Lage. * Die Ergebnisse des Reichshaushalts für 1903 sind um 6,35 MillionenMark hinter dem Etatsanschlage zurückgeblieben. (S. Dtsch. Reich.) * Der BerlinerMetallarbeiterstreikist durch Vergleich beendet. Die Arbeit wird heute wie der ausgenommen. (S. Dtsch. Reich.) * Das Reichsgericht verhandelt am 4. Oktober über die R e v i s i o n im Trakehner Schul- Prozeß. * In Anwesenheit von 240 Delegierten wurde gestern in Basel der zweite internationale Kon greß für allgemeine Religionsgeschichte eröffnet. (S. Feuilleton.) * In den armenischen Provinzen der Türkei wird für September der Ausbruch einer größeren revolutionären Bewegung er- wartet. (S. Ausland.) * Vor Liaujang begann gestern morgen 5 Uhr die große Entscheidungsschlacht, in der die Russen nach eigenem Eingeständnis recht bedeu tende Verluste erlitten. (S. Russ.-jap. Krieg.) * Die Entwaffnung der in Shanghai lie genden russischen Kreuzer „Askold" und „Groso- voj" wurde gestern beendet. feräinancl Larralle alr politisier. Heute vor vierzig Jahren, am 31. August 1864, starb an den Folgen der sckfwcren Verwundung, die er im Duell mit dem Bojaren v. Racovitza erhalten hatte, Ferdi nand Lassalle. Mit ihm schied unstreitig einer der begabtesten Männer ans dem Leben. Und die Nachwelt hat das in seltenem Maße anerkannt. Seine Ideen und Anschauungen sind längst überwunden und als irrig er kannt worden. — Dennoch ist ihm in nichts fein wissen- schaftlicher Ruhm geschmälert worden, und obwohl er nur wenig mehr als ein Jahr auf dieArbeiter - schaftin Deutschland einwirkte, wird er doch unbestritten der Gründer der deutschen Sozialdemokratie genannt. Marx und Engels, Liebknecht und andere haben sich bei weitem nicht den Nachruhm eines Lassalle erringen können, und die jetzt lebenden Sozialistenführcr, Bebel eingeschlossen, werden nicht glücklicher sein. Dabei weiß alle Welt, daß Lassalle nicht nur wissenschaftlich, sondern auch in mancher andern Hinsicht irrte, und jeder, der sich nur einigermaßen mit der Geschichte der Arbeiter- bewegung beschäftigt, erkennt bald, daß cs eine solche längst vor Lassalle gegeben hat. Aber liest man seine Schriften und betrachtet nian seinen ganzen Lebensgang, so gelangt man doch immer wieder zu dem Endergebnis: Der Name Lassalle ist mit Recht auf die Nachwelt über kommen. Er war eben ein außergewöhnlicher Mann. Für uns soll heute nicht der Sozialist, sondern nur der Politiker bei Lassalle in Betracht kommen. Seine erste politische Periode fiel in die Zeit der 48er Be- wegung. Es ist ohne weiteres verständlich, daß der da mals 23jährigc Lassalle der demokratischen Richtung ganz und gar ergeben loar. Es konnte gar nicht anders sein, und auch Lassalle hatte, wie mancher andere, der damals an die Leffentlichkeit trat, seinen „Hochvcrratsprozeß", der übrigens schließlich für ihn einen günstigen Ausgang nahm. In der nun folgenden Reaktionsperiode trat Lassalle politisch so gut wir gar nicht hervor. Der Pro zeß der Gräfin Hatzfeldt und sein Werk über „Heraklit" nahmen ihn ganz in Anspruch. Erst nachdem ihm im Jahre 1857 durch Vermittlung Alexander v. Humboldts die Uebersiedelung von Düsseldorf nach Berlin gestattet worden war, erwacht bei ihm der politische Ehrgeiz. Zwei Triebfedern waren es, die das ganze politische Denken und Fühlen Lassalles beeinflußten. Auf inner- politischem Gebiete war er ein Gegner des libe ralen Bürgertums, das damals in Preußen in der parlamentarisch sehr mächtigen Fortschrittspartei seine Vertretung fand. Was aber das Gebiet der äußeren Politik betrifft, so war er ein fanatischer Feind Oesterreichs, dessen Zertrümmerung er mit allen Mitteln herbeigeführt wissen wollte. Maßgebend für diese politische Richtschnur war ihm tps ideale Ziel der EinigungDeutschlands. Sie sollte, fiel Oester reich, durch Preußen bewirkt werden. Das Jahr 1859 gab ihm erwünschte Gelegenheit, poli tisch an die Ocffentlichkcit zu treten: Es geschah das mit der Broschüre „Der italienische Krieg nnd die Aufgabe Preußen 8". Der Standpunkt, den er vertrat, ist bekannt: Preußen dürfe unter keinen Um ständen dem Bundesstaate Oesterreich zu Hülfe kommen; denn eine Niederlage Oesterreichs könne für die Entwick- lung der deutschen Verhältnisse nur von Vorteil sein. Dagegen solle Preußen, wie e? ini Süden geschehe, so auch im Norden die Landkarte revidieren, die Elbherzogtümer vom dänischen Joche befreien und das nationale Banner dem deutschen Volke vorantragen. Tie Ausstoßung Oesterreichs aus dem deutschen Bunde und die Proklamie rung des deutschen Kaiserreichs müßten das anzu strebende Ziel sein. Man möchte, wenn man von diesen Anschauungen Lassalles Kenntnis nimmt, fast versucht sein, ihn einen Vorkämpfer Bismarcks zu nennen. Als solcher ist er auch mehrfach hingestcllt worden — aber mit Unrecht. Zunächst ist zu beachten, daß die Ideen, die Lassalle da mals entwickelte, in ihrer Ursprünglichkeit gar nicht von ihm herrührten. So sei darauf hingewiesen, daß kein anderer als Napoleon III. gerade in diesem Sinne die öffentliche Meinung in Deutschland zu beeinflussen suchte. Ihm kam es darauf an, nachdem Rußlands westeuro päischer Einfluß durch den Krimkrieg einen gewaltigen Stoß erhalten hatte, nun auch die Machtstellung Oester reichs herabzudrücken. Kam diesem aber Preußen zur Hülfe, so war er verloren. In Preußen also einen Gegner Oesterreichs erstehen zu lassen, mußte ihm das Willkommenste sein. Am preußischen Hofe selbst gab es eine starke Partei, die in dieser Richtung tätig war, natür- lich nicht aus dem Grunde, um der bonapartistischen Politik zu dienen, sondern um Preußen der Machtstellung Oesterreichs zu entrücken und ihm zur Führung im übrigen Deutschland zu verhelfen. Das alles ändert aber nichts an der Tatsache, daß Lassalle von Anbeginn seines selbständigen politischen Auftretens an eine entschieden nationale, ja noch mehr: eine preußisch-deutsche Politik verfolgte. Er sah in Oesterreich das Haupthindernis zur GesundungDeutschlands, und gerade- zu prophetisch mutet es unS an, wenn er in jener Bro schüre schreibt: „An dem Tage, wo der Sonderstaat Oesterreich vernichtet ist, erblassen zugleich die Farben auf den Schlagbäumen Bayerns, Württembergs usw. A n diesem Tage ist Deutschland konsti- t u i e r t." Die Broschüre „Die Aufgabe Preußens und der ita lienische Krieg" erschien zunächst anonym mit der sehr verwirrenden Bezeichnung: „eine Stimme aus der De mokratie". Alk es ruchbar wurde, daß Lassalle der Ver fasser war, erfuhr er die herbsten Angriffe, namentlich aus dem demokratischen Lager. Tort hielt man sich zwar weniger an die Bundestreue, von der ein Teil des deut schen Bürgertums erfüllt war, sondern man haßte in Napoleon III. den Staatsstreichler von 1851, den Unter drücker der Demokratie, auf da? Allerbitterste. Es war Verrat an der eigenen Sache, irgend eine Aktion des selben zu begünstigen. Als nun von Marx und anderen in dieser Richtung Vorwürfe erhoben wurden, pfockte auch Lassalle zurück, ia er griff (in seinen Briefen an M vrr) zu den unglaublichsten Ausreden, wie z. B.: „er sei in seinem Innersten für den Krieg gegen Bonaparte gewesen, aber er habe den Krieg unpopulär machen wollen: damit wäre der revolutionären Entwickelung genützt worden, wäh rend ein populärer Krieg der Sache der Demokratie einen unberechenbaren Schaden zugefügt hätte usw." Selbst Bernstein, der beste Biograph Lassalles, wird hier stutzig und sagt: „Man könnte freilich mit einem gewissen Schein von Recht die Frage aufwerfen: „Ja. wenn der Stand punkt, den Lassalle in seinen Briefen an Marr ent wickelt, so grundverschieden ist von dem, den er in der Broschüre vertritt, wer garantiert dann, daß der erstere der wirklich von Lassalle im Innersten seines Gerzens eingenommene ist? Kann Lassalle nicht, da er doch das eine Mal sein wahres Gesicht verhüllt, dies Marx gegenüber getan haben?" Bernstein meint, gegen diese Annahme spräche Haupt- sächlich der Grund, daß der Widerspruch zwischen Bro- schüre und Briefen nur ein „scheinbarer" sei, und er sucht, um das nachzuweiscn, einige Stellen der Broschüre ge waltsam zurechtzulegen. Die Tatsachen reden eine andere Sprache. Fast genau um dieselbe Zeit, da L""""e jenen Brief an Marx richtete (Bernstein nimmt, da Lassalle sehr selten einen Brief datierte, den 20. Juni 1859 an), schrieb er an seinen Verleger Franz Duncker, den bekannten Führer der Fortschrittspartei und späteren Reichstags abgeordneten, folgendes: „Die Anzeige der zweiten Auflage der Br^-büre „Italienischer Krieg", ist vorläufig weder in den an deren Zeitungen noch in der „Volks-Zeitung" zu lesen gewesen. Es eilt aber jetzt wegen der neuen Schlacht umsomehr, denn diese kann sehr leicht eine Ueberstürzung der Ange legenheit durch Preußen herbei führen." Die Zeit, in welcher dieser Brief abgefaßt wurde, er gibt sich von selbst. Er muß zwischen der Schlacht von Magenta (4. Juni) und Solferino (24. Juni) geschrieben worden sein und zwar, da die „neue Schlacht" m Aussicht stand, kurz vor der letzteren. Der ganze Brief kann aber nur so gedeutet werden, daß Lassalle mit seiner Broschüre unbedingt ein Eingreifen Preußens zu Gunsten Oester reichs verhindern wollte. Einen anderen Sinn kann die „Ueberstürzung der Angelegenheit durch Preußen" abso lut nicht haben. Stammt also der Brief an Marx aus der Zeit vom 26. Juni 1859, so ist klar, daß Lassalle den Adressaten über seine wahren Absichten hinters Licht zu führen suchte — um keinen stärkeren Ausdruck zu ge brauchen. Marr dürfte die Lassallesche AuSrede auch kaum geglaubt haben. Zwischen beiden trat denn auch später eine vollständige Trennung ein. Der Abschluß des italienischen Kriege« ist bekannt. Oesterreich zog es noch der Schlacht von Solferino vor, ohne da- Eingreifen Preußen« zu einem Frieden mit Frankreich zu gelangen. Lassalles Erwartungen gingen also nur in einem sehr geringfügigem Maße in Erfüllung. Wie sehr er aber von der Idee der „Zertrümmerung Oesterreichs" beherrscht war, geht daraus hervor, daß er — nach allen übereinstimmenden Zeugnissen — bei einem Besuche, den er im Spätsommer 1861 dem General Garibaldi aus Cavrera machte, diesen zu einem Frei- scharenzuge nach Wien zu überreden sucht«. Wir wenden un« nun der Haltung Lassalles in i n - nerpolitischen Fragen zu. Preußen . das hierbei hauptsächlich in Betracht kommt, stand damals an der Schwelle der sogenannten Konfliktszeit. Die liberale und später die Fortschrittspartei waren herrschend. Da wir auf Einzelheiten nicht eingeben können, so müssen wir unS über die Stellungnahme Lassalles kurz fasten: Er suchte seine Aufgabe darin, daß er daS liberale Bürger tum nach Kräften bekämpfte. DaS konnte natürlich nur geschehen von einem radikaleren Standpunkte au«: für den Liberalismus, der auf parlamentarischem Wege zum Siege gelangen wollte, war das immerhin sehr un bequem. Die Produktivität Lassalles in Bezug auf Bro schüren, war in jener Zeit (1862/63) geradezu erstaun lich, allein trotz der rednerischen und schriftstellerischen Tätigkeit konnte Lassalle der Fortschrittspartei kaum ge fährlich werden, so lange er keine Anhängerschaft besaß. Zwar hatte er sich mit seinem „Arbeiterprogramm" an die Arbeiter gewandt, allein in ihren Kreisen war sein Name so gut wie unbekannt. Ein Zufall schaffte ihm den so sehnlichst gewünschten Boden unter den Füßen. Von Leipzig aus wurde im Jahre 1862 die Einberufung eines deutschen Arbeitertages geplant und da man er fuhr, daß in Berliner Arbeiterkreisen ein gleicher Plan gehegt wurde, so setzte sich das Leipziger Komitee mit Ber lin in Verbindung. Die Leipziger Delegierten (erst Fritzsche und Vablteich, dann l)r. Dammer und Vabltcicb) wurden hierbei von dem radikalen Fortschrittler Ludwig Löwe auf Lassalle aufmerksam gemacht und nach länge ren Verhandlungen kam am 23. Mai 1863 im Kolosseum zu Leipzig (jetzt „Pantheon") die Gründung des All- gemeinen deutschen Arbeitervereins zu Stande. Programm: Allgemeines Stimmrecht und Produktivastoziationen mit Staarskredit. Es ist hier nicht angängig, die Geschichte des All gemeinen Deutschen Arbeitervereins weiter zu ver- folgen. Nur so viel sei gesagt, daß Lassalle die Erfolge, die er vereinzelt in Versammlungen erzielte, ins Maß lose übertrieb. Das entsprach nicht nur seiner Eitel keit, sondern auch seinen Zwecken. Viel mächtiger als alles das ist aber die Beantwortung der Frage: „Schritt Lassalle zur Gründung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins, um der Sache der Demo kratie, der Sache des Volkes zu nützen, oder sollte der Verein nur ihm ein Piedestal sein, gleichviel für welche Zwecke?" Selbst bei der günstigsten Beurteilung Lassalles kann man nur zu einem Ergebnis inletzterein Llnne kommen. Allem wie stark auch immer seine persön lichen Interessen ins Spiel kommen mögen, eins steht über jedem Zweifel: Die Arbeiterbewegung sollte bei ihm der Förderungdeutsch, nationaler Zwecke dienen. Dieser Zweck brachte ihn auch zu den Unterhandlungen mit Bismarck. Sie fanden statt im Winter 1863/64, und es darf als sicher angenommen werden, daß Lassalle dem damaligen preußischen Ministerpräsidenten einen Pakt angeboren hat. Es läßt sich schwer sagen, auf welche Voraussetzungen er gegründet werden sollte, aber im Geiste Lassalles mochte wohl der Plan lebendig gewesen sein, an Stelle des bestehenden Dreiklassenwahl rechts das allgemeine Stimmrecht zu oktroyieren, natür- lich zunächst für Preußen. Durch die Mitberufung der Arbeiter an die Wahlurne glauote Lassalle vor allem die Herrschaft der verhaßten Fortschrittspartei brechen zu können. Wenn der Pakt nicht zu Stande kam, so lag die Schuld nicht an Lassalle. Bismarck, der sich über die Unterhandlungen in der Reichstagsrede vom 17. September 1878 mit großer Offenheit und mit ebenso großem Wohlwollen für Lassalle auSsprach, fand die Rechnung zu prekär. Er sah voraus, daß ihm die Verwirklichung des „ungeheuerlichen Gedankens", wie er die Oktroyierung des allgemeinen Wahlrechts nannte, keinen Vorteil bringen würde, denn Arbeiter, und selbst Bauernstand standen damals völlig im Bann der Fortschrittspartei. Die Tätigkeit Bismarcks wurde übrigens bald von einer anderen Angelegenheit voll in Anspruch genom men: in den Vordergrund des Interesses trat die schleswig-holsteinische Frage. Diese gab auch Lassalle wieder Anlaß zu öffentlicher Stellung, nähme. Es ist erinnerlich, welche Begeisterung damals für den „verlassenen Bruderstamm" in allen deutschen Gauen herrschte. Schleswig-Holstein sollte den Dänen entrissen und seinem angestammten Fürsten (man nannte ihn kurzweg den „Augustenburger") wiedergegeben wer den. Lassalle fühlte sich auch in dieser Frage als ein „Großdeutscher". „Wir können uns", so schrieb er an einem Bevollmächtigten des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins, „unmöglich für das Erbrecht des Her zogs von Augustenburg schlagen. Ist es national zu den 33 deutschen Fürsten noch einen 34. zu schaffen? Ist das Drang nach deutscher Einheit?" Und überall ließ er von den Vereinsmitgliedern eine von ihm in diesem Sinne ausgcarbeitet Resolution an nehmen. Gefordert wurde die Einverleibung der Her- zogtllmer „in Deutschland". Als Schleswig-Holstein dann erobert war, ging Lassalle noch einen Schritt, und zwar einen sehr vedeutsamen, weiter. Er beabsich- tigte die Einberufung einer großen Volksversammlung in Hamburg von der eine Nesoluiion des Inhaltes be schlossen werden sollte, daß Bismarck verpflichtet sei, die Herzogtümer gegen den Willen Oesterreichs und der übrigen deutschen Staaten von Preußen annek- tieren zu lassen. Es ist selbstverständlich, daß ihm Bernstein hier- auS den größten Vorwurf macht. Allein wenn ihm Bernstein objektiv gerecht geworden wäre, so hätte er gerade anerkennen müssen, daß Lassalle damals genau so, wie fünf Jahre vorher beim italienischen Kriege, Preußen als die Vormacht für Deutsch lands Einheit ansah. Dieser Standpunkt mag sich mit dem der heutigen sozialdemokratischen Geschichts- auffassung nicht vertragen — Lassalle iss ihm aber immer konsequent treugeblieben, gleichviel welche- Ministe- rium die Leitung in Preußen hatte. Zur Ausführung dieses „Coup" in Hamburg, wie Lassalle seinen Plan nannte, ist eS nicht gekommen. Ab gearbeitet, nervös überreizt und körperlich krank ging Lassalle im Juli 1864 nach der Schweiz, um sich zu erbolen. Dort ereilte ihm sein Geschick. Er konnte eS nicht ertragen, einem unbedeutenden Menschen in der Gunst eines Mädchens weichen zu sollen, und so stürzte er sich fast wahnsinnig in ein Duell, dessen AuSaang für ihn tödlich sein sollte. Jedoch sein Ende ist für seine Bedeutung ohne Belang. Wie wir schon einleitend bemerkten, nicht der ganzen Bedeutung Lassalles sollte an seinem heutigen Todes ¬ tage dieser Aufsatz dienen, sondern wie schieden aus dem Politiker den Sozialisten aus. Und da kann eS nur ein Urteil geben: Lassalle fühlte sich zu allen Zeiten als Deutscher, und nur eine deutsche Politik hat er zu allen Zeiten verfolgt. U. vrr -HiMana 4er Herero. Verlrrftllste. Die Liste über die Verluste im Gefecht bei Water berg vom ll. ds. wird nunmehr endlich (nach fast genau drei Wochen!) ergänzt durch folgende Meldung des General leutnants v. Trotha: Es fielen im Gefecht bei Waterberg am 11. August: Leutnant Otto Seebeck aus Berlin vom 138. Regiment, Oberleutnant v. L^kow, Feldwebel Robert Jendis (Vater Johannes Jenbis-Schweinitz, Kreis Grünberg in Schlesien), Gefreiter Robert Wolf (Mutter Theresia Wolf-Frankenberg, Kreis Hirschberg i. Schl.), Reiter Karl Schlegel, geboren an« 19. August 1882, früher im 6. Husaren-Regiment (Adresse Otto Schlegel, Gleiwitz in Oberschlesien), Reiter Gottlieb Waclawzyk, Regiment 13 (Adresse Bergmann Waclawzyk in Bottrop), Gefreiter Eduard Rudolph, geb. am 15. März 1882 in Hagen, früher bayerisches Artillerie- Regiment Nr. 6. Schwerverwundet: Leutnant Hermann Runkel auS Einbeck, Regiment Nr. 152, Knochenschuß in den linken Unterschenkel, Gefreiter Ludwig Grzegorz, Dragoner-Regi ment Nr. 8, Schuß durch den Kehlkopf, Unteroffizier Heinrich Reese aus Hannover, Regiment Nr. 164, Knocheuschuß in den linken Oberarm, Reiter Otto Pi lk aus Harburg, Ulanen- Regimenl Nr. 10, Fleischschuß in den linken Oberarm. Unter offizier Max Kun zig aus Insterburg, Ulauen-Regiment Nr. 8, Fleischschuß in den linken Oberschenkel. Leicht verwundet: Major OsterhauS, Unteroffizier Hermann Schönemann, Streifschuß an Kopf (Vater Franz Schönemann, Bitterfeld bei Berlin, Grünstr. 2l), Gefreiter Stanislaus Goulnik, Schuß durch den linke» Fuß (Vater Joseph Witkowsly, Kolmar i. Pr., Grünstr. 1), Gefreiter Emil Beide, Schuß durch beide Waden (Vater Franz Beide, Altbelz, Kreis Köslin), Reiter Robert Nowak, Schuß durch den imken Unterarm (Mutter Magdalene Nowak, Kahlau, Kreis Meseritz', Reiter Wilhelm Reddig aus Güldenbode», 17. Husaren-Regiment, Streifschuß am linken Oberarm, Reiter Adolf Tuch mann aus Zabern im Elsaß, 7. Husaren-Regiment, Prellschuß in die linke Hand, Reiter. Heinrich Wilke aus Consrade vom 18. Dragoner- Regiment, Streifschuß im linken Unterarm, Reiter Karl Grube aus Lützen, 5. Dragoner-Regiment, Streifschuß in den linken Unterarm, Gefreiter Arthur Würtemberger auS Cassel, Regiment 31, Streifschuß am rechten Unterarm, Gefreiter Wilhelm Klett aus Bromberg, Artillerie-Regi ment 17, Streifschuß am rechten Knie, Gefreiter Max Mefser)chm id t, Gottschdorf, Gardereiter-Regiment, Streif schuß an der rechten Hand, Reiter Paul Würker, geboren 2. Januar 1882, Kopfwunde und Wunde am rechten Ober schenkel (Vater Ernst Würker in Zehma bei Altenburg), Ge freiter Karl Schröter, geb. 5. Dezember 1882, früher Husaren-Regiment Nr. 12 (Vater Kari Schröter in Köthen- AnhalO, Streifschuß an der rechten Brustseite. — Vermißt: Gefreiter Karl Hummel (Vater Hermann Hummel, Nobitz, Kreis Leipzig) und Reiter Friedrich Köhler (Vater Fritz Köhler, Goßlar a/Harz, Kettenstraße 13). Leutnant Vsyfen» Veisetznng. Die Beisetzung des ersten in Südwestafrika am 13. Januar 1904 bei Okahandja gefallenen Offiziers,, des Leutnants der Reserve Boysen, Vorsitzenden des Kriegervereins Windhuk, dessen Leiche nach Deutichland überführt worden ist, findet beute auf dem Friedbofe in Ulderup in Schleswig-Holstein statt. Die Militärischen Ehren erweist der Kampfgenossen- verein „Alsen-Sundewith" m Sonderburg. Im Auftrage des KyffhäuserbundeS, der Deutschen LandeS-Kriegerverbändc und des Preußischen Landes-Kriegerverbandes werden Kränze mit Schleifen am Grabe des gefallenen Kameraden nieder gelegt werden. ver liurirch-japanircbe Krieg. Schwere Aäinpfe vor Liaujaug. Während es von Nachrichten über Port Arthur ganz und gar still geworden ist — ein Zeichen, daß die russische Zensur estrig arbeitet —, kommen auS der Gegend von Liaujang verschiedene Meldungen, deren Quintessenz die ist: die Rusten haben den Rückzug von Liaujang nach Mukden angctrcten und suchen diesen durch kleinere Gefechte gegen die nachrückenden Japaner zu decken. Gegen die russische Absicht bat sich aber aus den Nachhutkämpsen eine große ent scheidende Schlacht entwickelt, in der die Russen nach ihrem eigenen Eingeständnis „recht bedeutende Verluste" er litten haben, während die Japaner dis unmittelbar an di« russische Vorhut vorgedrungen sind. Der Petersburger Berichterstatter de- „Daily Expreß' meldet untcrm 28. August: Die russische Armee begann de« Rückzug von Liaujang auf Mukdeu. Seit Sonnabend sind lange Transportzüge nach Norden abgegangen und Truppen auf dem Marsche. Liaujang liegt zu niedrig für eine erfolgreiche Verteidigung, alle Lebensmittel und andere Vorräte sind weggeführt und eine beträchtliche Truppenmacht in den Stellungen bei Liaujang zurückgelassen worben, um den Rückzug des GroS durch Nachhutkämpfe zu decken. Es bestätigt sich, daß die Japaner die Bahnbrücken nördlich von Liaujang zerstört haben Nack einem Teiegrammldt-Generallkutnant-Ssacharow an den russischen Generastab eröffneten die Japaner am Nachmittag des 29. August von den Höben im Süden von Wanbatai, 12 Werst südöstlich von Liaujang, eine heftige Kanonade auf die russische Stellung. DaS Feuer dauerte bi» 7 Uhr abendS. — Auf dem rechten Flügel der Südabteilung der russischen Armee war eine russische Kavallerieabteilung ätig, die am 28. August den Vormarsch einer feindlichen Kolonne tufhrelt, die den russischen rechten Flügel umgehen wollte. Die Kavallerieabteilung mußt« « sebr schwierig« Gelände
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