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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.08.1904
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-08-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040820013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904082001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904082001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-08
- Tag1904-08-20
- Monat1904-08
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Bß-«k-.Prei- i» he» tzaupwxpedttion oder deren An«gaf>e- stelle» «bgeb glt: pffrt«i,ährlich 3.-. bet zweimaligez täglich,r Zuftfliung In« -au« »t S.7L. Durch die Post brzogen Nir Peutlch- land u. Oesterreich vierteliäyrltch 4.k>0, ssir dir übrigen Länder laut Zettunqsvrettlist« tzieir Rzimmer ksfttt * «,i all,« Pahnh«,»n «ad III I b«^de» Aet»u»a«.B«rkäuiern KV ^r 1 t^'IM lilu l Redattta» «n» Erpehttta«: 1K3 Fernsprecher LSS Johanni-gaff« K Püttpt-Mljal« Tre««e»- Marienftraß» 44 iKerns »racher Amt l Nr. Z713Z. H«a»h-rüU«1s Vrrli« . sariDun ck er, Hrrzgl.Bat>r.tzofbuchbandlg„ Lützowstrqtz« lOiFernsprecherAmtVl Nr 4603». Morgen-Ausgabe. MipMtr.TagMM Anzeiger. Amtslilakt des Königliche« Land- und -es Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Rates und des Rolizeiamtcs der Stadt Leipzig. Anzeigeri-PrelS die 6gespaliene Petttzcile 25 Rekta mau unter dem Redaktion«ftrich («gespaltea» 75 aach den Familienuach- richteu ,6 gespalten, 50 Tabellarischer und Ziffern'ay entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen nnd Osfertenannahme 25 -E- «nnahmeschlutz sör A»zrt,r». Abrnd.Au«gabe: »ormittags lO Uhr. Morgrn-Au-gabe: uachmitlag» 4 Uhr. <krtra-Vetlage» »gesalzt», uux mit der Morgen.Äuagabe, ob ne Postbeförderung 60.—, Mtt Postbesörberung ut 70.—. Anzeigen find stet« an dir Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abend« 7 Uhr. Druck und Verlag von 8. Palz iu Leipzig iJnh. l)r. B., R. L W. Kiiuldardt). Nr. 423. Sonnabend den 20. August 1904. 88. Jahrgang. o« lVichstgrit vsm ragt. * Die Etuisarbeiter und .Arbeiterin nen Leipzigs haben beschlossen, heute, bezw. am nächsten Montag die Arbeit nieder.', «legen. (2. Leip.,. Angelegenheiten.) * Ter N o t st a n d - t a r i s für Futtermittel auf den sächsischen Eisenbahnen tritt beute auch für Sendungen au« preußischen Stationen in Kraft. iS. Polksw. Teil.) " Tie Anschuldigungen gegen den Sanität 8- Unteroffizier Kossgk wegen grausamer Lötung ein es Negers werden offiziös rektifiziert. (Siehe Deutsches Reich.) * Ein ö ft erreicht sch-englischer Schieds- vertrag ist von britischer Seite angeregt worden. (Siebe Ausland.) * Der türkisch« Aroßvezior hat seine Ent lassung eingereicht. (Siebe Auülanfi.) * Ein russische- Kanonenboot vom Typ vtwasckmi stieß auf eine Mine und fank m der Höhe von Ltautefchan am Donnerstag abend 8 Uhr. vceana. Der Gedanke einer größeren Britannien ist bereits Jahrzehnte alt. Am 28. Oktober 1885 erschienen vor der UntersuchungSkommission, die sich mit dem Nieder gange des britischen Handels beschäftigte, Delegierte aus Birmingham, und nach einer langen Jeremiade schloffen sic ihre Tarlegungcn mit folgenden, vielsagenden Sähen: „Wir sehen nur ein Heilmittel für den traurigen Stand der Dinge: die Handelseinigung mit den Kolonien. Zwischen ihnen allen und dem Mutterland müßte eine Art Union geschaffen werden, ähnlich wie der deutsche Zollverein. Don einer Kolonie zur anderen, oder von den Kolonien zum Mutterlande müßten alle Zölle aufge hoben werden und gegen ausländische Produkte müßte man eine Zollgrenze errichten. So würden wir den Kolonien für ihre Rohstoffe den Alleinbcsitz unseres Markte? gewähren und sie würden uns für unsere In- dnstrieprodnkte ihre Märkte öffnen." Ganz in diesem Sinne äußerten sich die Delegierten von Sheffield. Der Gedanke eine? Grcater Britain entstand also nicht im Hirn eines Denkers beim Schein der Lampe, über Büchern und Papier, sondern er erwuchs auS harten wirt schaftlichen Notwendigkeiten. Solche Notwendigkeiten pflegen auch Menschen erstehen zu lassen, die ihr ganzes Sein in den Dienst der neuen Idee stellen, und zwei solcher Persönlichkeiten von verschiedenster Prägung, aber von gleicher Bedeutung, fand auch der Gedanke der panbritischen Union. Ter eine von ihnen ist ein urwüchsiger Dichter, der reichste Schöpfer von Gestalten, Gedanken und Worten, den England feit Shakespeare besessen hat. Das Wort Rudyard Kiplings gleicht einem wilden Strom, der alles mit sich reißt. Die „Oceana", das Weltreich, das I. A. Froude vor seinen Lesern erstehen ließ, dessen Herr lichkeit verkündigte er in den stärksten und innigsten Tönen. Ter vielgestaltige Poet vermag in allen Idiomen der angelsächsischen Menschheit zu sprechen. Man vernimmt seine Stimme von London bis Kalkutta, von Sidney bis New Jork: in den Palästen, in den Kneipen, in den Kasernen, in den Bars, in den Kirchen, in den Werkstätten, allüberall wird er gelesen, allüberall weiß er zu begeistern. Er predigt den Stolz auf die Kraft, aut den Reichtum, auf die Sittlichkeit, — denn auch diese Note darf in England nicht fehlen —, den Fanatismus der nationalen Sendung, der Überlegenheit der angel- sächsischen Nasse, die Verachtung alle? Fremden. Dem ungeheueren Reiche, das so weiträumig, so zerstreut ist, das sich der Zusammenfassung nnd der Pcreinheitlichung völlig zu entziehen scheint, gibt er anschauliche Gestalt. In seinen Merken erblichen wir Indien mit seinen mäch tigen Strömen, mit den Hochgebirgen und Dschungeln. Wir erblichen die Seen Kanadas, den glühenden Sand des ?vdan, die blauen Berge Tstafrikas. Kipling gestaltet das Imperium zu greifbarster Plastik und er schafft dem Les«r. der sich vergebens gegen den stärkeren Willen sträubt, eine imperialistische Seele. Ter andere große Manager des Imperialismus ist Ehamberlain, der Mann von Birmingham. Er hat den Imperialismus wie ein Geschäft „lanciert", etwa wie Herr Rotslein eine russische Anleihe, oder Herr Gurtnionn die BergwerkSversiaatlichung Aber auch er schlägt fast dichterische, stolze Töne an, wenn er von Englands zivili satorischer Mission spricht. Dergleichen gehört nun ein mal drüben zum politischen Cant. Er ruft den Kolonien zu: „Tausende von Jahren glorreicher Tradition habt ihr hinter such, bewahrt euch die Erinnerung an daS alte Heim der Familie I" Er. der einst den „vulgären PatriHtSin>«S dar Tingeltangsl" geißelte, glaubt jetzt an dj« Zukunft des weltweiten Reiches, „von dem ein Eng länder nicht ohne einen Schauer des Enthusiasmus « sprechen kann". Diese Töne sind echt, und wir fühlen, daß der praktische Joe selbst von der Größe der weltge- schichtlichen Vision ergriffen ist, dann aber wendet er sich wieder an den nüchternen Wirklichkeitssinn feiner Lands- leute und erklärt mit einer charakteristischen Abänderung deS Napoleonischen Wortes: „Das Reich ist der Handel und diese beiden Worte sind gleichbedeutend." Warum wir heute auf diese beiden Männer Hin weisen? Weil Chamberlain vor einigen Tagen wieder vor zwölftausend Personen seine Pläne erörtert hat, und weil die Rede, die er hielt, in unserer freihändlerischen Presse allerhand ironische Kommentare hervorruft. Nun ist es nicht schwer, sich über den eleganten Gehrock und die Knopflochorch'dec deS großen Demokraten lustig zu machen, obwohl sich unserer Ansicht nach die demokratische Gesinnungstüchtigkeit nicht gerade immer in Gummi wäsche und ungepflegtem Haupthaar zu äußern braucht. ES ist auch nicht schwer. Chamberlain nachzuweisen, daß er von dem Mut der Inkonsequenz, der bekanntlich auch bei uns ziemlich hoch im Kurse steht, ganz ungewöhnliche Beweise gegeben hat. Es ist aber ganz töricht, über solchen Spielen deS Witze« den Ernst der Situation zu verkennen. Die Korrespondenten unserer Presse wissen, was die Abonnenten hören wollen und was in den Nahmen des Blattes paßt; infolgedessen spötteln sie zum Teil über den Vorgang, der eine objektive Bericht erstattung dringend erheischt, denn daß der JmperialiS- muS in seinen Zielen und in seinen Folgen vor allem Deutschland bedroht, wie er ja im wesentlichen durch die industriellen Erfolge Deutschlands hervorgerufen ist, ließe sich leicht nachweisen. Sine derartige Entwickelung, wie. Chamberlain sic anbahnen will, vollaicht sich nicht von heute auf morgen und nicht ohne starffr Widerstände Für unS ist die nüchternste, unbefangenste Beobachtung angezeigt. Jeder Optimismus, jede Unterschätzung der imperialistischen Bewegung könnte nur verderbliche Folgen haben. S. ver lurrttch-japailkche Krieg. Lsrt Arth«». Die bisherigen japanisckenBerlustebeider Belagerung von Port Arthur, bei Takuscdan und im Norden der Stadt einbegriffen, werden insgesamt auf 500 0 geschätzt. — Granaten schlagen fortwährend in Port Arthur, messt in der alten «Stadt, em. Es wird behauptet, baß der rechte Flügel der Japaner bis zu den nicht mehr im Ge brauch befindlichen chinesischen Arsenal l»/, Meile östlich von der Stadt vorgedrungen sei. Die meisten Gebäude auf der Werst seien schwer beichädigt. Der japanische Major, der die Uebergabebedingungen nach Port Arthur überbracht hatte, ist vom General Stössel in jeder Beziehung höflich behandelt worden. Der General gab fevoch sofort eine ablehnende Antwort. Der Major bat darauf um einen dreitägigen Waffenstillstand zur Beerdigung der Gefallenen, wurde jedoch abschlägig be>chieden. Darauf wurde der Kamps am l7. August um 10 Uhr wreder ausgenommen. In Tschifu eingetroffene russilche Flüchtlinge hegen die Zuversicht, daß sich die Festung halten werde und erklären, man erwarte in Port Arthur binnen l4 Tagen die Ankunft von Verstärkungen au« der Armee Kuropatkin«. Die von den Japanern auf dem rechten russi schen Flügel genommenen inneren FortS sind die Forts Nr. 3 und 4. Flüchtlinge aus Port Arthur erzählen: Während des großen Angriffes der Japaner am 15. August explodierten unter ihren Füßen zahlreiche Minen. Eine Batterie reitende Artillerie, zwei Schwadronen Kavallerie und mehrere Regi menter Infanterie seien angeblich vollständig vernichtet worden. In Liaujang ist nach dem „L.-A." ein russischer Offizier, der Port Arthur am 12. August verlassen Hal, eingetroffen. Er schildert die Lage in der Festung etwas weniger ungünstig, als man nach den früher erngegangenen Meldungen annebmen mußte. Au Munition und LedenSmstteln herrsche in Port Arthur noch keinerlei Mangel. vrukschrs brich. Leipzig, 19. August. * Kleinigkeiten. Schon oft Haben wir darüber klagen müssen, daß man an den leitenden Stellen unserer Re gierung, mögen diese leitenden Stellen diesem oder jenem Ressort angehören, nicht genügend darauf achtet, unnütze Berstimmungen zu vermeiden. Es handelt sich da oft um Kleinigkeiten und gerade deswegen wird die Oeffentlichkeit doppelt empfindlich, weil sie wahrzunedmen glaubt, daß man selbst in geringfügigen Dingen nicht di« Rücksichten nimmt, di« da« Volk wohl mit Recht erwarten dürfte. Jetzt lesen wir wieder von einem derartigen Fall. Die „Neue Vogt ländische Zeitung" teilt mit, daß die Eltern de« bei Water berg gefallenen Leutnant« Leplow di« Nachricht von dem Tode ihre« Sobne« nicht «ffiziell, sondern erst durch die Press, erbalten haben. Trotha« Depesche, die dies« M«ldung enthielt, ist am 12. August au«Hamakari abg«gang«n; am IS. mittag« wurde sie in Berlin amtlich veröffentlicht. Daß sie vier Tage unterweg« gewesen sei, können wir nicht annehmen. Es war allo vollständig Zeit aenug vorbanben, vom Au«- wänigen Amt au« vor b«r Veröffentlichung durch di« Presse dl« Eltern de« gefallenen Offizier« prwat'M zu benachrichtigen. Wir haben von irischster Stelle Pa« viel -stierte Wort ver nommen, unier JahrtznndeN siebe im Zeichen de« Verkehr« Für »ie Reichsbehörven scheint aber dieie« Wort, wie »wie ander« Kaiserworte, ungihSrt iwphallt zu sei». Vvrttn, t9. August. * Dementi. Zu den im gestrigen Morgenblatt erwähnten schweren Anschuldigungen gegen den SanitätSunter- offlzier Kossak schreibt die „Nordd. Allgem. Ztg." mit schätzenswerter Promptheit: Im Anschluß an einen Artikel der „Kolonialen Zeitung" bringt eine Anzahl Zeitungen Artikel, die schwere Anschuldigungen gegen die Gerichtsbarkeit und Verwaltung des sübweslafrika- nischen Schutzgebietes erheben. Die Tatsache, daß gegen einen gewissen Gröneöeld von dem Bezirksgerichte in Rees- man-dorp in der ersten Hälft» 1903 wegm verschiedener An schuldigungen aus Freiheits- und Geldstrafen lautende Urteile gefällt worben sind, die von der Berufungsinstanz im Schutz- gebiete teil« erheblich gemildert, teil« gänzlich aufgehoben wurden, wird von den erwähnten Blättern damit in ursäch liche Verbindung gebracht, daß Gröneveld über die Ermordung eines Neger«, nachdem eine Beschwerde an dieBehörde fruchtlos verlaufen war, der Presse di» Nachricht gegeben halte, die ebenfalls keine Notiz davon nahm. — In Wirklichkeit hat Gröneveld sich mit Anschuldi gungen gegen einen den DiftriktSchef von Bethanien zeitweilig ver tretenden Sanitätsunteroffizier an die deutsche Presse gewendet, ehe er der Behörde des Schutzgebiets Anzeige erstattete. Nachdem Gröneveld dem Distriktschef nach dessen Rückkehr auf leinen Posten Anzeige gemacht hat, ist sofort da- kriegsgerichtliche Verfahren gegen den beschul digten Unteroffizier eingeleitet worden. Das Verfahren hat zu der Feststellung geführt, daß der Unteroffizier sich der M ißhand- lung des Eingeborenen schuldig gemacht bat. Das Kriegsgericht hatte jedoch aus ein ärztliches Gutachten hin den Tatbeslaud der Paragraphen 226 und 223» de« ReichSstrafgeietzbuckes und damit den ursächlichen Zusammhang zwischen der Miß handlung und dem Tod des Eingeborenen verneint und den Angeklagten, gegen den der als Staatsanwalt fungierende Ober richter, Richter, der als strenger Beurteiler solcher Verfehlungen bekannt ist, drei Wochen Gefängnis beantragt hatte, zu einer Geldstrafe verurteilt. Sobald hier der Tatbestand bekannt ge worden ist, hat das Oberkommando der Schutziruppen die sofor tige Aufhebung der Kapitulation und die Heimsendung de« Unteroffiziers verfügt. ' Priuz Heinrich von Preußen beflißt sich heute abend zum Kaiser nach WilhelmShöhe urrd wird von dort als dessen Vertreter zur Teilnahme an der Taufe des russischen Thronfolgers nach Petersburg reifen. * Deutsche Auslanpschulen. Die Direktoren der vier höheren deutschen AuSlanvschuten zu Antwerpen, Brüssel, Bukarest und Konstantinopel sind üvereingekommen, die für dieies Jahr geplante erste Auslandschulkonferenz, die im September in Berlin zuiammentrelen sollte, zu ver tagen. Wie die Mitteilungen des Allgemeinen Deutschen SchulvrreinS berichten, ist der hauptsächlichste Grund sür die Vertagung der bedauerliche Umstand, daß es dem Aus wärtigen Amt nicht möglich ist, zu der angegebenen Zeit amtliche Vertreter zu der Konferenz abzuordnen. Da nun die Leiter der in Betracht kommenden brunchen Schulen im Ausland den größten Wert daraus legen, nur in Verbindung und im Einvernehmen mit der Reichsregierung zu handeln, so haben die Einberufer der Konferenz belchlossen, diese zu vertagen bis zu einem Zeitpunkt, wo die Gewißheit einer amtlichen Beteiligung des Reiches gegeben ist. * Entsagung überschreibt die „Voss. Ztg.* einen Leit artikel, der sich mit der Hamelner Kaiser rede besaßt und diese vergleicht mit der Rede des Kaisers in Dortmund bei Eröffnung des Dortmunb-EmskanalS am l l. August 1899. Der Vergleich fällt natürlich nicht zu Gunsten der neuesten Ansprache aus, mit Recht klagt daS Blatt: Nicht am Kaiser liegt es, daß seine Dortmunder Rede keine Verwirklichung in der Gesetzgebung gefunden hat. Nur den Ministern fällt zur Last, daß den starken Worten der Regierung schwache Taten folgten. Wann hätte sich die Regierung „mit voller Wucht" für da« große Werk eingesetzt? Sie hat nie den Versuch gemacht, von der Mehrheit der Volksvertretung an das Volk zu appellieren; ja, noch bei den jüngsten Wahlen wurde von den Offi ziösen ängstlich gegen di« Zumutung proteslirrt, daß drr Kanalplan zur Wahlparole gemacht werde. Am besten sollte von ihm garnicht gesprochen werden. Dir neue Vorlage aber ist nichts al« ein Rückzug vor den Agrariern, eine Kapitulation vor den Kanalgegnern, wenn auch vielleicht mit der rvssrvatuo wsvtLtis, zu günstigerem Zeitpunkt aus den alten Mittellandkanal zurückzukommen. Zu günstigerem Zeitpunkt? Wer weiß, wie dann die Minister heißen? Man kann e« dem Kaiser nachsühlen, mtt welchen Empfindungen er seinen ehrmal« zuversichtlichen, festen Ton jetzt dämpft und mildert. Da mal« Entschluß, jetzt »ur noch Hoffnung, eine schwache Hoffnung, daß seine Anregungen mehr und mehr verwirklicht werden. Die Minister der Kron« haben nicht die Kraft gehabt, den Widerstand zu überwinden; di« Konservativen sind Sieger geblieben, und es steht noch nicht fest, daß sie auch nur den jetzigen Kanaitorfo be willigen. Tun sie e« nicht, so wird e« gleichwohl keine Krisis geben; denn Graf Bülow ist ein — „konstitutioneller Minister". * Erlöschet» eines Teile» »er Hapger «onventip». In aller Stille, ohne daß die Oeffentlichkeit davon irgendwelche Notiz nahm, ist am 2t». Juli die Gültigkeit der einen der drei von der Haager Konferenz beschlossenen Deklarationen erloschen, betreffend da« Verbot de« Wersen« von Ge- schoisen und Sprengstoffen au« Lufttchiffen. Der letzte Friedenskongreß in Rouen batte, wie wir der „Friedens Warte" entnehmen, eine Resolution gefaßt, worin die Signatarmächt« per Haager Konveution dringend gebeten wurven, diese» Vertrag zu erneuern. Die Erneuerung ist nicht erfolgt. * * Posen, 19. August. Di« nächst» Tagung de« dieser Lag, hier zujammrnaetrelenrn Reicksverbande« landwirtschaft- licher Genossenschaften findet i» Straßburg i. E. statt. * Lasset, 19. August. D«r Kaiser hörte in Wilhelms- höbe am Freitag vormittag den Vortrag de« Ebes« des EivilkabinetS ». Lucauus, empfing um 129, Uhr den Direktorialasststenten an den König!,chen Museen vr. Solde- wey zu einem Vortrag über AuSgrabnngen in Babylon unv den Oberingenieur vr. Schumacher zu einem Vortrag über die Palastfassade von Msckatta. — Wie die „C. Allg. Zig." meldet, hat der Kaiser dem Oberpräsivium zur Uebermittelung an die Abgebrannten in Herborn eine Spende von 6 00 überwiesen. firer. * Tolüateumitzhandlnngen. Eine Trierer Meldung, der kommandierende General des a len Armeekorps habe wegen der Zustände im Infanterie-Regiment Nr. 29 in Koblenz an den Kaiser berichtet, ist nach der „Frkf. Zig." nicht ganz zu treffend. Weder der kommandierende General v. Deines »och fein Vertreter, der Kommandeur der 15. Division v. Pioctz, haben in dieser Sache berichtet. Nach den bestehenden Vorschriften bat der Garnison-Aelteste über die zur Meldung kommenden Mißhandlungen Untergebener sofort und direkt au den Kaiser zu berichten. In dem gegebenen Falle war es der damalige Kommandeur der 16. Division in Trier, Generaileuinani v. Trotha. Der Kaiser erkält somit noch vor der gerichtlichen Verhandlung Kenntnis über vorkommende Mißhandlungen Untergebener. Die Unterluchungen über Mißhandlungen im Infanterie-Regiment Nr. 29 greifen letzt auch aus da« erste Bataillon über. Gegen einen Feldwebel und einige Unteroffiziere der vierten Kompagnie richtet sich jetzt dje Uniersuchung wegen Mißhandlung Untergebener in weit über >00 Fällen. Der Feldnnbel soll die ihm gemachten Meldungen wegen Mißhandlung unterdrückt haben. Ruslana. Oesterreich Ungarn. * vesterreichisch-rnglisch«r rchiepsqarichtsvertrag. Gegen- über dem Gerücht, daß in Marienbad ein SchlrdSver- trag zwischen Großbritannien und Oesterreich- Ungarn vorbereitet worden sei, erfährt die „N. Fr. Pr.*, daß an der Meldung nur soviel richtig isi, daß daS eng lische Kabinett bei dem Wiener Auswärtigen Amt eine daraus bezügliche Anregung gegeben bat, die gegenwärtig in Wien den Gegenstand eifrigen tuviums bildet. Daß der Schievsgerichtsverlrag zwischen den beiden Monarchen m Marienbad besprochen worden sei, dürfte lediglich Ver mutung sein. Frankreich. * Jaurd« Fiasko in Amsterdam. Biele Pariser Blätter besprechen den Mißerfolg JaurSS' auf dem Amsterdamer Kongresse. Jaurös antwortet in dxr „Humanits", Vie repu blikanische und demokratische Metbode der Franzosen sei noch in der Minderheit, aber da Republik und Demokratie bei allen sre-en Völkern Fortschritte machen, so werde auch ihre Methode angeuommen werden. Görault Richard antwortet in der „Petite Röpubligue" in demiclben Sinne und verweist Bebel darauf, daß die Franzosen besser wüßten al« er, was für den französischen Sozialismus, der bandeln wolle nnd werde, gut sei. Mustland. * Ter Mörder Plehwes. Der Polizei ist e« nach dem „B. T." nunmekr gelungen, die Persönlichkeit de« Mörders des Ministers von Plewe sestzustellen. Es ist ein gewisser Sasonow (neulich wurde der Name Wwonvw genannt), ein früherer Student der Moskauer Universität, Sobn eines Holzbändlers aus dem Gouvernement Saratow. Die bis herige Untersuchung stellte auch die Mitschuld Srkorilis fest, welcher am Altentakvtagc ein geheimnisvolles Kästchen in die Newa versenlle. Dagegen scheint ein dritter Inhaf tierter, namens Braunstein, obgleich politisch stark kompro mittiert, nickt am Atientat beteiligt gewesen zu sein. Da die Untersuchung noch leineSwegs abgeschlossen ist, läßt sich noch nichts Näheres mitteilen. Türket. * Rücktritt de« ütrofzvrziers. Der Großvezier Ferid- Pascha hat nach der „Franks. Ztg." infolge des türkisch amerikanischen Zwischenfalls den Sultan am Dienstag seine Demission unterbreitet. Dem Temiisionsgesuche war ein l2 Seiten langer Bericht über die Gründe beigegeben, welche Kerid-Pascka zum Rücktritt veranlaßten. Im Palast dringt man in den Großvezier, seine Demission zurückzunehmen. Ferid-Pascha erichien vorgestern nicht im Ministerrat, weil er tatsächlich leidend ist, ließ jedoch im Uilkiz K>o«k mitteilen, daß er nicht länger als bis Sonntag im Amte bleiben werde. Internationaler Sorialirtrn-fiongrett. (Fünfter Tag. Schluß.» 8. L L Amfter»««, 18. August. Der heutigen fünften Plenarsitzung deS Kongresse« präsidierten Piet Eurran-Engiand, Knudfen-Dänemarck unv Niemee- Böhmen. Da« Bureau teilte mit, daß die gestern abend ab gebrochene Diskussion über das Thema: „Trusts und Kartelle" nicht fortgesetzt werd.» könne, da sich die Unmöglichkeit herau«- gesiellt habe, in einer Rewlutton beide Fragen erschöpfend zu be handeln; man habe daher beschloßen, nur zur Frage der Trust« Stellung zu nehmen und dir Frage der Kartelle überhaupt au« der Debatte auSruschciben. Diese Reiolution soll ,edoch erst am Nach mittage zur Vethandlung gelangen und zunächst di« Kaloniatpoltttk, der Generalstreik, die Auswanvcrunq«srage und die Maifeier besprochen werde». Die Frage der Taktik soll morgen früh, also zwei Tage vor Schluß des Kongresses, erst zur Behandlung kommen. Der heutigen Sitzung wohnt u. a. der bekannte Anarchist Hollands, Domela Nieuwenduis bei, der bei dem holländischen Generalstreik gegen die holländischen Sozialisten den Vorwnrs des Arbeiterverrat« erbob und heute nur als Berichterstatter eines anarchistischen Blattes Zutritt finden konnte. Wit feinem greisen Bastorenkopse ser ist betannllich früher Geistlicher gewesen» macht er durchaus nicht den Eindruck eine« wütenden Propagandisten der Tat, sondern sieht eher wie «in Modell für einen Lhristu«- köpf aus. Der Referent zum erste» Punkte der heutigen Tagesordnung: „Die Kolonialp o litii" war van Kol-Holland Er führte au«, da« mit her fortschreitenden Entwickelung der sozia listischen Bewegung diese von ihrem trüber inn,gehabten Stand- vnnkt der unbedingten Verwerfung jeder Kolvnialpoiittk mehr und mehr znrückgetommkn sei. Man steh« beut« nicht an. positive Vorfchlüq« t« dieser Richtung zu machen und zu mrkiüren, daß man nicht für dir Abschaffung aller Kolonie» sei. Rur für dir gewatt- sam» Erwerbung und für di» Unterdrückung h«r eingeborenen Ve-
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