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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.08.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-08-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040817029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904081702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904081702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-08
- Tag1904-08-17
- Monat1904-08
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BezugS-PretS bl der Hauplexprdttton oder deren Ausgabe stellen abgeholt: vtertrljLhrltch 3.—, bei zweimaliger täglicher Zustellung in» Haus 3.7b. Durch die Post bezogen für Deutsch- land u. Oesterreich vierteljährlich 4.50, für die übrigen Länder laut ZeitungSpreiSlistr. Diese Nummer kostet auf allen Bahuhäfrn und I bei den ZeitungS-Berkäufern " ^1* Nebakttou und Expedition: 153 Fernsprecher 222 JohanntSgasie 8. Haupt-Filiale Dresden: Mariensttaße 34 (Fernsprecher Amt l Nr. 1713). Haupt-Filiale Berlin . CarlDuncker, Hrrzgl.Bayr.Hofbuchbandlg., Lützowstraße 10(FernsprecherAmtVI Nr.4603). Abend-AuSgave. ÄMM JaMM Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Rates und des Rolizeiamtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 2V Reklamen unter dem RrdaktionSstrich (4 gespalten) 7b -H, nach den Famittennach- richteu (6 gespalten) bO Tabellarischer und Zisfrrnsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Ofsertenannahme 25 /H. Annahmeschlutz für Anzeigen: Abeud-AuSgabe: vormtttagS 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: nachmittag- 4 Uhr. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne PostbefSrderung 60.—, mrt Postbeförderung 70.—. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag- ununterbrocheu geöffnet vou früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Pol; in Leipzig (Inh. vr. V., R. L W. Klinkhardt). Nr. iI8. Mittwoch den 17. August 1904. W. Jahrgang. Var Wichtigste vom Lage. * Die Meldung, zu Anfang der Angelegenheit Mirbach sei von diesem ein Abschiedsgesuch eingereicht, aber vom Kaiser nicht angenommen worden, wird von der „Neuen Pol. Korresp." auch dem Dementi der Münchner „Allgem. Ztg." gegenüber aufrecht erhalten. * Eine deutsche Patrouille ist südlich von Waterberg von Herero überfallen worden und hat schwere Verluste erlitten. (S. Aufst. d. Herero.) * Südlich von Oran ist eö zu einem Zusammenstoß zwischen Marokkanern und Franzosen gekommen, wobei 45 Marokkaner getötet wurden. (S. AuSld.) Nochmals Oie Vorbereitung liir cien bSberen ZustirOienrt in Sachsen. In Nr. 105 unseres Blattes vom 27. Februar 1904 brachten wir einen Aufsatz über die Neuregelung des Vorbereitungsdienstes der sächsischen Referendare durch die Verordnungen vom 1. und 2. Februar dieses Jahres. Die Wirksamkeit dieser Verordnungen ließ sich bei ihrem Erscheinen nicht absehen. Doch glaubten wir bei unserer Kenntnis der sächsischen Justizver- hältnifse, daß ihnen gegenüber einiger Skeptizismus am Platze sei. Wir betrachteten die Verordnungen zunächst als eine papierene Frucht der Landtagsverhandlungen. Die nach folgenden Ereignisse haben uns in der Hauptsache Recht gegeben. Die Verordnung untersagt die Beschäftigung der Refe rendare beim Untersuchungsrichter, weil sich ihre Tätigkeit dort auf daS mechanische Niederschreiben von Aussagen be schränkt. Gleichwohl werden bei fast allen sächsischen Land gerichten die Referendare den Untersuchungsrichtern als Pro tokollanten zugewiesen. Denn es besteht Leutenot. Das Ministe rium weist den Gerichtspräsidenten nicht das nötige Subaltern personal zu, um die Verordnung in diesem Punkte auch nur dem Buchstaben nach zu erfüllen. Nach der Verordnung soll ferner den Referendaren nicht angesonnen werden, Pro tokolle nach Diktat zu schreiben. Wer öfter Gelegenheit hat, bei Gerichtsverhandlungen, insbesondere Zeugenvernehmungen anwesend zu sein, der kann selbst sehen, wie viel die Referendare noch nach Diktat zu schreiben haben. Es sieht sich bisweilen kurios an, wenn so einem dreißigjährigen Herrn eine Zeugenaussage in die Feder diktiert wird. Man kanns aber noch alle Tage erleben. Zur theoretischen Fortbildung der Referendare sollten Vorlragskurse eingerichtet werden. Man hat auch hier und da damit begonnen. So recht in Fluß ist die Sache aber nicht gekommen. Die Richter sind eben mit Dienst geschäften überlastet. Man müßte ihre übrige Arbeit ver ringern, wenn sie im Geiste der Verordnung Gedeihliches wirken sollen. Die Verordnung gestattet weiter die Beschäftigung der Referendare bei öffentlichen Anstalten und gewerblichen Unter nehmungen. Bisher haben unseres Wissens Iustizreferendare von dieser Füglichkeit noch nicht Gebrauch gemacht. Während der hieraufzu verwendenden Fristvon höchstens 6 Monaten nützen die Referendare dem Unternehmer blutwenig und werden selbst nur geringen Nutzen davontragen. Um eine Uebersicht über einen größeren Bank- oder Fabrikbetrieb mit seiner weit gehenden Arbeitsteilung zu gewinnen, ist die Frist eben zu kurz. Für einen hervorragend intelligenten Menschen mag sie ausreichen. Dieser bedarf der Anregung aber so gar dringend nicht. Eine Neuerung war 'es auch, daß die Verordnung den Vorbereitungsdienst auf 3^/, Jahre für solche Referendare abkürzte, die 3»/, Jahre studiert hatten. Man hat dies nicht zu Unrecht als eine Maßregel gegen den Fleiß bezeichnet. Wer auf der Universität seineZeit ausntzt und tüchtig arbeitet, so daß er nach drei Jahren in Ehren seine Prüfung besteht, muß zur Strafe ein halbes Jahr länger Referendar sein als der Kommili tone, der während der letzten drei seiner sieben oder acht Semester sich vom Repetitor einpauken ließ. Sei dem aber wie ihm wolle. Mit dem 3i/zjährigen Vorbereitungsdienst ist es doch nichts. Nach Ablauf der 3»/, Jahre meldet man sich zur Prüfung. Die Zulassung erfolgt erst viele Monate später. Warum, weiß niemand recht zu sagen. Nach manchen fehlt es an Prüfungsarbeiten, nach anderen sind die Mitglieder der Prüfungskommission überlastet. Eine positive Wirkung hat die Verordnung aber doch gehabt. Die Referendare müssen bei der Meldung zur zweiten Staatsprüfung nämlich sechs von ihnen im Justizdienste ge fertigte größere schriftliche Arbeiten vorlegen. Für die Her stellung der Abschriften haben sie nun selbst zu sorgen. Hier eröffnet sich für die Kopisten eine Perspektive auf einen dauernden Nebenverdienst, den man ihnen von Herzen gönnen wird, auch wenn er bisher das einzige positive Ergebnis der Reform des Vorbereitungsdienstes in Sachsen ist. Or. 8. ver lluktancl Oer Herero. Die Offizrerrverlufte bei Waterberg. Ueber die militärische Laufbahn der bei Waterberg ge fallenen und verwundeten Offiziere macht die „Kreuzztg." folgende Angaben: Hauptmann Rudolf Gäusser war am 26. April 1866 in Wiblingen in Württemberg geboren. Am 24. September 1885 trat er beim Infanterieregiment Nr. 125 ein. Zum Hauptmann wurde er am 15. April 1899 befördert und kam am 20. März 1904 zur Schutztruppe. Oberleutnant Egmont v. Lekow war am 26. Dezember 1874 zu Gluski in Posen geboren, kam aus dem Kadettenkorps am 22. März 1893 als Fähnrich ins Regiment Elisabeth. Schon 1899—1902 war er zur Schutztruppe kommandiert. Er wurde am 18. August 1894 zum Leutnant und am 27. Januar 1904 zum Oberleutnant befördert. Seit dem 18. April 1903 stand er beim 3. Garde-Ulanenregiment und kam am 22. Januar d. I. zur Schutztruppe. Leutnant Wols Werner Graf v Arnim, ein Sohn des freikonservativcn Abgeordneten Grafen Arnim-Mnskau, war am 11. April 1876 zu Berlin geboren. Am 1. Oktober 1896 trat er beim Kürassier-Regiment Nr. 2 ein. Am 18. August 1897 wurde er Leutnant und im März 1899 zum Regiment der Gardes du Corps versetzt. Er befand sich vom 1. April 1901 bis 1902 bei der Botschaft in Washington. Am 5. April 1904 kam er zur Schutztruppe. Leutnant Friedrich Leplow war am 28. Juli 1877 zu Plauen i. V. aeboren; er trat am 1. April 1897 als Ein jährig-Freiwilliger beim Infanterieregiment Prinz Moritz von Anhalt-Dessau (5. pommersches) Nr. 42 ein. Am 19. Juni 1900 wurde er zum Leutnant befördert. Am 25. März d. I. kam er zur Schutztruppe. Leutnant Otto See deck war am 3. Mai 1875 zu Berlin geboren. Er trat am 17. März 1894 beim Infanterieregiment Nr. 17 ein, wurde 18. August 1895 Leutnant. Von 1900 bis 1901 war er beim 4. ostasiatischen Infanterieregiment und kam am 23. März 1904 vom Infanterieregiment Nr. 138 zur Schutztruppe. Der schwer gestürzte Oberstleutnant Karl Max Mueller ist am 19. Oktober 1852 zu Friedrichsthal in Pommern geboren. Am 28. Juli 1870 trat er beim Ostpreußischen Grenadierregiment Nr. 4 ein. Am 17. Mai 1904 wurde er zum Oberstleutnant be fördert. Am 5. Juni 1904 wurde er unter Ernennung zum Kommandeur des 1. Feldregiments in der Schutztruppe angestellt. Major Karl Ludwig v. Mühlenfels ist am 26. Mai 1855 zu Greifswald geboren. Am 1. Oktober 1873 trat er als Avan tageur beim Großherzogl. Mecklenburgischen Jäger-Bataillon Nr. 14 ein. Am 17. Dezember 1898 erfolgte seine Beförderung zum Major. Am 5. April d. I. trat er in die Schutztruppe ein. Major Karl Osterhaus ist am 31. Mai 1859 zu Lebanon in Nord-Amerika geboren und trat am 21. April 1879 als Avantageur beim Feldartillerie-Regiment Nr. 18 ein. Er war 1900 beim Ostasiatilchen Feldartillerie-Regiment in China und wurde 1902 dort Etappenkommandant. Am 11. September 1903 erfolgte seine Beförderung zum Major. Als Abteilungs-Kom mandeur im Feldartillerie-Regiment Nr. 4 trat er am 5. Juni dieses Jahres zur Schutztruppe als Kommandeur des 1. Feld artillerie-Regiments über. Oberleutnant Alfred Streccius ist am 3. Juni 1874 zu Mülhausen i. E. geboren, kam aus dem Kadettenkorps als Fäbnrich am 22. März 1893 zum Infanterieregiment von Man- stein (Schleswigschen) Nr. 84. Am 18. August 1894 wurde er Leutnant, am 27. Januar 1904 Oberleutnant. Am 20. März d.J. trat er zur Schutzrruppe über. Leutnant Ernst Frhr. v. Matter ist am 26. April 1876 zu Heidenheim in Württemberg geboren. Am 2. März 1896 trat er aus Beförderung beim 2. Württembergischen Feldartillerie regiment Nr. 29 Prinzregent Luitpold von Bayern ein, wurde am 20. Juli 1897 Leutnant und trat am 20. März d. I. zur Schutztruppe. Sein jüngerer Bruder ist ebenfalls Offizier in der Schutztruppe und jüngst nach Südwestafrika abgereist. Leutnant Hermann Runkel ist am 19. November 1879 in Einbeck in Hannover geboren. Am 15. März 1898 trat er beim Infanterieregiment Nr. 152 ein, wurde am 18. August 1899 Leutnant und trat am 25. Februar 1904 zur Schutztruppe über. Zur Erläuterung des amtlichen Berichts über die Er stürmung von Waterberg bringt die „Norvd. Allgem. Ztg." noch folgende Daten in Erinnerung: Die Hauptabteilung des 1. Feldregiments (unter Oberstleutnant Mueller, den jetzt Major von Mühlenfels vertritt) stand ungefähr seit dem 26. Juli bei Erindi-Ongoahere, südlich von Hamakari, wo nach den Erkundigungen die Hauptmasse der Herero (wohl unter Samuel Maharero) sich befand, und das jetzt Ziel des Angriffes war. Bei ihr war nach einer Meldung vom 1. August General leutnant v. Trotha kurz zuvor eingetroffen. Nordöstlich davon stand seit Ende Juli Major v. d. Heyde in Ombujo-Wakune, östlich von Hamakari. Nach weiter im Nordosten an der Südostecke des Water bergplateaus stand schon seit etwa Mitte Juli Major v. Eitorfs. Während dieser nach dem Gefechtsbericht südwestwärts bis nach Otjosongombe, etwa 6 km nordöstlich von Waterberg, vorrückte, stand Major v. d. Heyde während der Nacht zum 12. bereits nur einige Kilometer südöstlich von Waterberg. Der zwischen diesen beiden Stellungen von Waterberg ostwärts dem Hamakari zu fließende Wasserlauf scheint die Richtung anzugeben, in der die Herero zu entkommen suchen. Oberst Deimling (2. Feldregiment), dessen Angriff gegen die Stellung Michaels, des Kapitäns von Omaruru, bei Omuweroumue gerichtet war, stand noch nach der Meldung vom 8. d. M. bei Omusema-Uarei und Okateitei, etwa 40 km südwestlich von der Stellung des Feindes. Hauptmann v. Fiedler hatte bereits am 21. Juli Otjiwarango und Orupemparora, westlich vom Water berg, erreicht, Oberleutnant Volkmanu hielt seit Anfang August Otjenga im Norden des Plateaus besetzt. Ueberfall einer PatrsnMe. Wie man jetzt — in gewohnter Weise nicht von amt licher Seite, sondern durch den „L.-A." erfährt, ist am 6. d. M. westlich von Waterberg eine Patrouille unter Lt. v. Bodenhausen überfallen worden, wobei leider der Führer der Patrouille und 8 Mann ihr Leben haben lassen müssen. Das betr. Telegramm lautet: Zwischen Osondjacheberg und Waterberg wurde am 6. August eine Patrouille unter dem Befehl des Leutnants v. Boden hausen von den Herero überfallen, v. Bodenhausen und 8 Mann sind tot, 2 werden vermißt. Nachdem das Hauptquartier am 9. August in Ombuatjipiro eingetroffen war, wurde am 10. August ein Erkundigungsritt auf Homalari unternommen. Hierbei wurde Leutnant Salzmann am rechten Unterschenkel unge fährlich verwundet. ver russisch-japanische Weg. An Bord der „Ask-ld". Ueber einen Besuch an Bord des russische» „ Askold " berichtet der Vertreter deS Reuterschen BureauS in Shanghai vom l4. August: „Man nimmt an, daß der „Askold* heute abend inS Dock geht. Es war unmöglich, Erlaubnis zur Be sichtigung zu erhalten. Eine bewaffnete Wache auf der Schiffstreppe antwortete auf jede Bitte, ganz gleichgültig in welcher Sprache sie vorgebracht wurde, mit dem einzigen Worte „Nein". Endlich gab mir der Kapitän mit Zustimmung des Admirals Reitzenstein die nötige Er laubnis. Als ich auf dem Deck des Fahrzeugs ankam, fand ich alles in Verwirrung. Es war kein Versuch gemacht worden, das Schiff wieder in Ordnung zu bringen. Alles zeugte von der eiligen Flucht und von dem beständigen Kampf, den der Kreuzer durchgemacht hatte. Es fiel mir jedoch die bemerkenswert gute Stimmung und die Vertrauens seligkeit, die überall herrschte, auf, umsomehr, als ich erwartet hatte, allgemeine Niedergeschlagenheit zu finden. Die Mannsckaft machte im allgemeinen einen gesunden, starken Eindruck. Die Leute waren in vorzüglicher Stimmung. Nur einige waren etwas niedergeschlagen und hatten einen zerstreuten Blick. Ueberall wurde ein herzlicher Händedruck mit einem freundlichen Wort beantwortet. Man konnte leicht erkennen, daß viele Russen die Tapferkeit und Tüchtigkeit der Japaner vollständig zu würdigen wußten. Unter der Mannschaft befand sich eine ganze Anzahl von Leuten, die etwas Englisch, Französisch oder Deutsch konnten. Ueber den AusganH des augenblicklichen Krieges machen sie sich trotz der verhängnisvollen Eröffnung für die russischen Waffen keine Sorge. Sie betrachten es als ein fach unmöglich, daß das große Rußland dem kleinen Japan unterliegen könnte, und sie sagen: „Für jeden Mann, der stirbt, kommt ein anderer. Für jedes verlorene Schiff wird ein anderes kommen, und daß wir schließlich siegen, ist sicher". Wenn man nach den augenblicklichen Verlusten fragt, so antworten sie einfach: „Kismet". Sie betrachten es auch gar nicht als hart, für ihr Land zu sterben. Der „Askold" verlor einen Offizier und 12 Mann an Toten und hatte etwa 50 Verwundete. Die am schwersten Verwundeten wurden in das Hospital gebracht. Der Kapitän befahl ihnen, sich bereit zu halten, in etwa Wochenfrist wieder auszufahren. Wenn man den Zustand des Schiffes be- Feuilleton. Der Fall Lelotti. Roman von Woldemar Urban. Nachdruck verboten. Es war schon spät und auf der Straße brannten schon die Laternen, als Andrä sich wieder entfernte, um, wie er sagte, die Karten noch rechtzeitig zur Post zu geben, damit sie am nächsten Morgen ausgetragen würden. Das hätte natürlich ein Diener oder irgend jemand auch besorgen können, aber Andrä vermutete, daß Herr Meunier, der ihm durch die Depesche des Herrn Lejeunc angekündigt war, mit dem Abendzuge in Paris eintreffcn könnte, und brauchte diesen Vorwand, um sich zurückzuziehen, um Meunier nicht zu verfehlen. Da dadurch auch ein Bestich der Comädie fran?aise, den Madame de Blois vorge- schlagcn hatte, auf den nächsten Tag verschoben wurde, so war es im Hause des Senators bald still. Die Be wohner zogen sich früh iw ihre Zimmer zurück und bald nach zehn Uhr lag das Haus finster in schweigender Nacht ruhe da. Nur Florence kam, wie schon so manches Mal, zu keinem ruhigen Schlaf. Unruhig lief sie in ihrem Zim- mer auf und ab. als ob die Aufregungen und Beäng stigungen des Tages init der Stille der Nacht nur um so .lauter und vernehmlicher in ihr getobt hätten. Dann setzte sie sich ans Fenster und sog die kalte Nachtluft ein, als ob ihr schwül und heiß wäre. Auf der Straße vor ihr, der Avenue d'Austerlitz, war alles still, nur von weither im Süden und Osten, wo die Riesenstadt lag, drang das verworrene Geräusch der Weltstadt schwach und dumpf herüber, schlugen Helle Lichtwellcn der elektrischen Be leuchtung in den Nachthimmel hinein wie ein Phantom, das die laute, vergnügungssüchtige Aufregung der lustig sten Stadt der Welt verkündete. Und ihr war so traurig, so herzbrechend bang, als ob sie mit all ihrem Glück der Jugend und der Liebe vor einem Rätsel, vor einer Sphinx stände, die ihr mit Tod und Untergang drohte, wenn sie das Rätsel nicht lösen könnte. Da hörte sie plötzlich eine Stimme sagen: „Ja, ja, morgen!" Ihr war, als ob ihr Blut zu Eis erstarren müßte beim Klange dieser ÄZorte. Das war die Stimme ihres Vaters, leise und flüsternd, aber doch klar und scharf dran- gen die Töne an ihr Ohr, von unten herauf oder neben ihr, aber ganz nahe bei ihr wurden diese Worte gesprochen. Es war ihr ja, besonders in der ersten Zeit, nach ihres Vaters Tode, öfter geschehen, daß sie im Traume seine Gestalt gesehen oder seine Stimme gehört, aber jetzt wachte sie. Sie sah und hörte mit haarscharfer Deutlich keit, was um sie herum geschah. Sie sah sich erschrocken um, aber sie bemerkte niemand, der die Worte gesagt haben konnte. Sie hörte auch nichts mehr. Es mußte an der Akustik des Hauses liegen, daß man Worte, die an einem bestimmten Ort und in einer bestimmten Stel- lung gesprochen wurden, an einem weit entfernten Ort so deutlich hörte, daß man glauben mußte, es würde nahe bei gesprochen. Der Vorgang hatte etwas Gespenstisches, aber Florence ließ sich nicht abschrecken. Und wenn sie auf der Stelle sterben mußte — sie wollte wissen, waZ vorging, wollte des Rätsels Lösung kennen. Leise drückte sie die Tür ihres Zimmers auf und trat hinaus in den finsteren Korridor. Wie damals in der Jolilotte zitterte sie auch jetzt vor Schreck und Furcht am ganzen Leibe, aber heute wich sie nicht zurück vor dem Ge heimnis. Heute wollte sie wissen, was sich zutrug, mußte es wissen, wenn sie leben sollte. Als sie noch mit klopfendem Herzen atemlos lauschend auf dem Korridor stand, hörte sie die Stimme wieder, diesmal aber etwas entfernter, sagen: „Laß' nur. Es wird schon gehen. Sie sollen es haben." ES war ihr Vater! Wort für Wort, wie er zu sprechen Pflegte, seine Stimme — alles ec! Sie hätte schreien mögen vor Schreck, aber sie hielt sich den Mund mit der Hand zu und tappte sich im Finstern weiter, dem Schalle nachgchend. Ein weißer Punkt an der Wand fiel ihr auf und als sie näher kam, bemerkte sie, daß es ein Lichtschein war, der durch das Schlüsselloch aus ihrer Mutter Zim- mer drang. Rasch und entschlossen legte sie die Hand auf die Klinke, im nächsten Augenblick stand sie im Zimmer. Zuerst blendete die plötzliche Helle ihr ans Dunkel gewöhntes Auge etwas. Sie sah, wie ihre Mutter bei ihrem Eintritt ins Zimmer plötzlich aus einem Sessel aufsprang und sich vor einen Mann mit kurzem Vollbart zu stellen bemühte, der mit dem Ueberzieher und hochge schlagenen Rockkragen, aber ohne Hut am Tische stand und sie wie ein Gespenst anstarrte. „Florence!" hörte sie ibre Mutter leise rufen. Die Lampe stand hinter dem Mann, so daß der Schat- ten seines eigenen Kopfes auf seinen Gesichtszügen lag und Florence, die nicht gleich mit voller Schärfe sehen konnte. Dann aber schrie sie laut und erschreckt auf: „Vater!" Sie ivar einer Ohnmacht nahe und hielt sich nur müh sam an einer Stuhllehne fest. „Ob mein Gott", seufzte sie dann leise, „was ist ge schehen? Was geht hier vor? „Sie nimmt mich für Ihren Mann, Frau Schwäge rin", sagte jetzt der Mann nach einer kleinen Pause, „sagen Sie ihr, wer ich bin." Aber Madame de Blois war so erschrocken über das plötzliche und unerwartete Eintreten ihrer Tochter, daß sie kein Wort hervorbrachte. So fuhr er dann nach Florence gewandt fort: „Ich bin Antoine Belotti, der Bruder Ihres ver storbenen Papa, Florence. Erschrecken Sie nicht. ES geschieht hier nichts, was Sie zu erschrecken hätte." Rasch trat Florence noch näher heran und stellte sich zwischen ihn und die Lampe, so daß deren Schein ihm voll ins Gesicht fiel. „Helfen Sie ihr aus ihrem Irrtum, Frau Schwägerin, fuhr der Mann zu Madame de Blois gewendet fort. Es ist ja durch die große Achnlichkeit zwischen mir und Ihrem verstorbenen Mann wohl erklärlich, daß sie mich für ihn hält, aber der Irrtum könnte unter Umständen gefährlich werden. Klären Sie sie also auf." „Ich kann nicht mehr, stöhnte Madame de Blois, es ist zu viel, nun ist alles verloren." „Vater", sagte Florence fest und entschlossen, „du willst mich betrügen, wie du alle Welt betrogen hast. Wo zu? Sein Kind betrügt man nicht. Und wenn du hundert Brüder hättest, ich würde dich aus allen heraus erkennen. Glaubst du, ich kennte den Mund nicht wieder, den ich so oft geküßt, das Auge, das mir so oft gelächelt, den Hals, um den meine Kinderarme so tausende von Malen lagen? Sei's, wie cs sei, noch weiß ich nicht, wie alles zusammen hängt. Ems nur ist gewiß: Du bist mein Vater!" Einen kurzen Moment starrte Belotti schweigend vor sich auf -en Boden, dann hob er mit einem entschlossenen Blick die Augen wieder auf Florence, ging rasch auf sie zu, und küßte sie auf die Stirn: „Glaube, was du willst, Florence, sagte er leicht seuf zend, als wenn er die Partie verloren geben wolle, da sie doch nicht mehr zu halten war, aber schweige Uber das, was du hier hörst und siehst, mein Kind. Es kommt nicht darauf an, für wen du mich hältst, so lange du verschwie gen bist. Und ob dein Vater für dich sorgt oder dein Onkel, das kann dir auch gleichgültig sein, wenn nur für dich gesorgt wird." „Für mich sorgt!" wiederholte Florence, ihren Vater noch immer fassungslos und verständnislos ansehend. Das Rätsel stürmte offenbar zu plötzlich, zu verblüffend und verwirrend ein, als daß sic sich die Vorgänge gleich erklären konnte. „Tu darfst dciiwn Vater ohne Furcht und Grauen an- sehen, Florence", begann Belotti wieder clnxis enttäuscht und verlegen, wohl nie ist von einem Vater für seiox Ki^-
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