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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.07.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-07-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040708028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904070802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904070802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-07
- Tag1904-07-08
- Monat1904-07
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Anzeigen-PrriS die 6 gespaltene Petitzeile 28 Reklamen »nler dem Rrdaktiou«ftrich l«gespalten) 7K nach den Fenuiliennach- richten <6 gespalten) bO 4^. Tabellarischer und -)issernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Ossertenannahme 2ö Ortra-Vetlagn» (gefalzt,, uur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbrfürderung 60.—, mrt Postbeförderung 70.—. klunahmefchlutz n« ««zeigen: Abend-Ausgabe: vormittag» 10 Uhr. Marge»-Au-gab«: nachmittag« 4 Uhr. Anzeigen find stet« an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochenmgs uuuvterbrochen geöDiet von früh S bis abeud« 7 Uhr. Druck und Vertag von G. Pott tu Leipzig (Inh. Or. B., R. L W. Lliukhardt). 98. Jahrgang. Var MStigrtt vsm rage. * Das ComitS für das Leipziger Richard Wagner-Denkmal hat einstimmig beschlossen, MaxKlinger mit derAusfllhrung des Denk- mals zu beauftragen. (S. Feuilleton.) * Die Jacht „H o h e n z o l l e r n" mit dem Kaiser an Bord ist wegen starken Weststurmes bei Kap Skagen vorAnker gegangen. * Die deutsche Schlachtflotte wird die eng lischen Häfen Plymouth und Devenport an laufen, hat sich aber öffentlicheKundgebungen verbeten. (S. Dtsch. Reich.) * Zur Frage der Handelsverträge verlautet setzt offiziös, über den Termin des Inkrafttretens könnten noch keine Angaben gemacht werden. (S. Dtsch. Reich.) * Der preußische Minister des Innern, Frhr. v. H a m- merstein, beabsichtigt, im Zusammenhang mit seiner Reise nach London auch Paris zum Studium der kom munalen Einrichtungen zu besuchen. (S. Dtsch. Reich.) * Der demokratische Konvent in St. Louis entschied sich für die Beibehaltung der Goldwährung in der gegenwärtigen Form. erschwerte Isriegrberichterrtattung. Von unscrm auf den russisch-japanischen Kriegsschauplatz entsandten Berichterstatter wird uns geschricken: Schimonoseki, 31. Mai 1904. Auf -er Reise nach Rsrea. In den Brstimmungen für die Kriegsberichterstattung, die von den japanischen Behörden herausgegeben sind, ist es vorgeschrieben, daß die ausländischen Korrespondenten von ihren Gesandtschaften angemeldet werden. Trotzdem ich sofort nach Ausbruch des Krieges von Deutschland ab- gereist war und nur einige Tage später in Bokohonia ein traf, als der nächstmögliche deutsche Postdampfer, fand ich bei meinem Eintreffen die Liste derKriegskorrespondentcn geschlossen. Zwar waren erst zwei deutsche Kriegs korrespondenten, deren Auftrag es war, zur Front zu gehen, eingetroffen, indessen hatte der deutsche Gesandte es unterlassen, sich bei Schluß der Liste noch einige weitere Korrespondcntenstellen vorzubehalten, obgleich die Zahl der englischen und amerikanischen Kriegsberichterstatter bereits auf über 80 angegeben wurde. Als ich daher in Tokio unmittelbar nach meinem Eintreffen in Japan an den deutschen Gesandten, Grafen von Arco-Valley, das Ersuchen richtete, mich auf dem vorgcschricbencn Wege anzumelden, bedauerte er, nichts mehr für mich offiziell tun zu können, und inoffiziell tat er ebenfalls nichts für mich, obgleich er anfangs sich so ausdrücktc, daß ich an- nehmen konnte, er würde für mich auf privatem Wege Schritte ergreifen. Nur der Tatsache, daß ich mich bereits am 15. Februar d. I. in Berlin bei dem Militärattache der japanischen Gesandtschaft, Oberstleutnant Oi, ange meldet und von diesem eine Karte mitbekommen hatte, verdanke ich es, daß ich noch nachträglich auf die Liste der Kriegskorrespondenten notiert worden bin. Dazu in dessen, daß der deutsche Gesandte sich doch noch auf Grund meiner Vorarbeit bei den japanischen Behörden entschloß, die geforderte nachträgliche Anmeldung für mich zu be sorgen, bedurfte es erst der Tatsache, daß ich auf japa nischen Umwegen erfuhr, daß er einen andern deutschen Korrespondenten, der ebenso wie ich nach «Schluß der Liste eingetroffen, ihm aber besonders empfohlen war, noch an gemeldet hatte. Ich wurde schließlich ohne weitere Schwierigkeiten notiert. Rtit der bloßen Erlaubnis, „den Aktionen der japanischen Armee folgen zu dürfen", wie es in meinem Zulassungsschein heißt, konnte ich aber allein nichts anfangen. Denn ich mußte gewärtigen, in Japan als einer der zuletzt Angekommenen belassen zu werden, bis der letzte Korrespondententransport abge gangen wäre, wenn nicht seitens der deutschen Gesandt- schäft bei den japanischen Behörden besondere Schritte getan und vor allen Dingen betont worden wäre, daß die deutsche Presse, obwohl sie der Zahl der Korrespon denten nach wesentlich geringer vertreten ist als die eng lische und die amerikanische, doch nicht hinter dieser zu- rückstehen dürfe. Leider erwiesen sich mündliche Vor stellungen, die ein energisck>eres (Anschreiten der deutschen Gesandtschaft bezweckten, beim Herrn Gesandten als un- fruchtbar. Schließlich, als ich erfuhr, daß der einzige deutsche Korrespondent, der sich bisher an der Front be fand, Herr von Gottberg vorn „Berliner Lokalanzeiger", wegen eines rheumatischen Leidens sich genötigt gesehen hatte, nach Tokio zurückzukehren, glaubte ich, es nicht länger verantworten zu dürfen, daß die deutsche Presse wegen der übergroßen Liebenswürdigkeit des deutschen Gesandten, wenn auch vielleicht nicht formell, so doch tatsächlich, hinter der er drückenden Ueberzahl der englischen und ame rikanischen Presse zurückstchen sollte. Ich besaß somit die unerhörte Dreistigkeit, beim Herrn Gesandten in einem privaten Schreiben aus eine energischere Vertretung der deutschen Interessen, speziell der Interessen der deutschen Presse zu dringen. Die allerdings ungeschminkte Aus- drucksweife meines Briefes findet sicherlich darin ihre Erklärung, daß ich nertü»S darüber wurde, nun schon über 5 Wochen ein tatenloses, meinen Zeitungen recht teures Dasein in Japan verbringen zu müssen, ohne ihnen irgendwie mit der Erfüllung meiner Aufgaben dienen zu können, die für Korea und die Mantschurei lauten. Bis heute ist noch nicht einmal der zweite Trans port der Kriegskorrespondenten ins Feld gegangen. Folgender Briefwechsel wird ergänzen, was zum Ver ständnis des Zusammenhanges an sachlichen Mitteilungen nötig sein dürfte: (Wir drucken aus Raummangel und anderen Grün den von diesem Briefwechsel vorläufig nur die Antwort des Kaiserl. Gesandten Graf v. Arco Valley ab, behalten uns aber vor, auf die Angelegenheit zurückzukommen, wenn das nötig sein sollte. Zur Erklärung ist noch not wendig anzuführen, daß sich Herr Zabel besonders darüber beschwert fühlte, daß der Herr Gesandte sich für einen an deren deutschen Kriegskorrespondenten, und zwar Herrn Baron Binder v. Krieglstein vom „Berl. Lok.-Anz.", der ebenfalls erst nach Schluß der Korrespondentenlisten in Japan eingetroffen war, bemüht hatte. Ferner auch dar- über, daß der Herr Gesandte Herrn Zabel den Gruß ver weigert hatte. — Red.) Kaiserliche Deutsche Gesandtschaft in Tokio 852 Tokio, den 23. Mai 1904. Wenn Sie an einen Kaiserlichen Gesandten eine Bitte zu stellen wünschen, so haben Sie eine anständige und angemessene Schreibweise zu wählen. Auch haben Sie nicht das Recht, in einem an mich gerichteten Sclweibcn meine amtliche Tätigkeit zu kritisieren. Ich sende deshalb Ihre durchaus ungeeignete Eingabe vom 22. d. M. beifolgend zurück, und ich lehne es ab, dieses Schriftstück zu den Gesandtschaftsakten zu nehmen oder darauf irgendwie zu verfügen. Ich habe jedoch von Ihrer Eingabe Abschrift genommen, um diese dem Herrn Reichskanzler vorzulegcn und ihm das weitere anheim zugeben. Der Kaiserliche Gesandte E. Graf von Arco Valley. Herrn Rudolf Zabel, Kanagawa Takashima I)ama 22. Ich habe nur noch anzufügen, daß der Herr Gesandte die Notwenüigkeit, eine öffentliche Diskussion dieser An gelegenheit zu vermeiden, offenbar nicht für dringlich hielt. Er hat sich bei mir innerhalb der gestellten Frist nicht wegen der Grußverweigerung entschuldigt. Aller dings hat er den deutschen Generalkonsul Herrn Frei herrn von Syburg in Yokohama gebeten, zu vermitteln. Er ließ mir sagen, er sei auch jetzt noch bereit, nut mir den persönlichen Verkehr wieder aufzunehmen und meine Angelegenheit zu fördern, wenn ich die beiden vor stehenden Schreiben an ihn zurücknehme. Ich meiner seits erklärte dein Herrn Generalkonsul, der persönlich der Auffassung war, die Form meines ersten Schreibens sei zu schroff gewesen, ich wäre bereit, mich wegen dieser Schroffheit dem Herrn Gesandten gegenüber zu er klären, wenn der Herr Gesandte gleichzeitig sich wegen seiner Grußverweigerung entschuldigte, was doch sicher lich nicht zu viel verlangt war. Sachlich bedauerte ich allerdings nichts zurücknehmen zu können, indessen wäre ich bereit, meinerseits die Angelegenheit als private auf- zufassen und nunmehr auf sich beruhen zu lassen, wenn der Herr Generalkonsul mir versichern könne, daß der Herr Gesandte in der Angelegenheit nicht an den Herrn Reichskanzler berichten bezw. diesem mein erstes Schreiben unterbreiten werde. Der Herr General- konsul, dem ich im übrigen für die taktvolle Erledigung der Angelegenheit mir gegenüber nur verbindlichsten Dank weiß, war offenbar nicht befugt, mir im Namen seines Auftraggebers diese Bedingungen zuzugestehen, die letzte vermutlich deshalb nicht, weil der Herr Ge sandte die Kopie meines Schreibens wohl schon an den Herrn Reichskanzler abgefandt hatte. Letzteres ist mir insofern auch lieber, weil dadurch der Herr Reichskanzler sowieso Kenntnis erhält von meinen Beschwerden, die bei ihm direkt vorzubringen ich meinerseits unterlassen hätte, weil ich der Ansicht bin, daß der Leiter der politischen Geschicke Deutschlands mehr zu tun hat, als sich darum zu bekümmern, welche Beschwerden ein deutscher Kriegskorrespondent in Japan bei dem dortigen Herrn Gesandten vorzubringen hat. Jetzt aber sehe ich mich genötigt, der Öffentlichkeit, der i ch diene, diese An gelegenheit zu unterbreiten und ihr das Urteil über die Schritte zu überlassen, die ich inihrem Interesse unter nommen habe, und zwar ursprünglich mit der Absicht, daß sie im Verborgenen bleiben sollten. Ich selbst habe unterdessen — des langen Wartens müde — bei den japanischen Behörden, bei denen ich bis- her wesentlich mehr Entgegenkommen fand, als bei dem deutschen Gesandten, mir die Erlaubnis ausgewirkt, in ganz Korea zu reisen. Ich fahre zunächst nach Fusan in Korea, und beabsichtige von dort aus über Land nach der Hauptstadt Söul zu reiten. Mit dem japanischen Ärmeestab habe ich die Verabredung getroffen, daß ich dort telegraphische Nachrichten vorfinde, wenn ich mittlerweile einem Truppenteil an der Front zugewiesen sein sollte. Daß auch dieses mit besonderer Be schleunigung gehe, schmeichle ich mir bei den Japanern ausgcwirkt zu haben. Sollte bis zu meiner Ankunft in Söul eine solche Nachricht nicht eingetroffen sein, so reise ich nach dem Norden und habe ja Kriegspraris genug, um hoffen zu können, daß ich bald in der Lage sein werde, meinen Lesern über den Krieg als Augen zeuge berichten zu können. ver llutttana aer Herero. Die Aussagen des englischen Händlers Wallace, der vorgibt, er sei der Gefangenschaft von Samuel Maharero entronnen, decken sich, einem Berichte des Hauptmanns a. D. D a n n h a u e r im „B. L.-A." zufolge, mehrfach nicht mit den Aussagen anderer Leute. Wallace war bereits 1896 verdächtigt, den damaligen Aufstand der Herero begünstigt zu haben. Er stand mit ihnen immer in freundschaftlichstem Verkehr. Missionar Eich und andere bezweifeln, daß Wallace wirklich Gefangener Samuels gewesen sei: sie betonen demgegenüber seinen vertrauten Verkehr mit Samuel. Der Store-Besitzer Michels behauptet, Anfang Dezember habe er hier Samuel aus geschäftlichen Gründen aufgesucht: er mußte im Vorzimmer warten, da gerade eine Versammlung der Häuptlinge skattfand, der auch Wallace beiwohnte. Er will nur gehört liaben, daß der Dolmetscher Samuels, Schulmeister Wilhelm, zu Wallace holländisch sagte: ..Es bleibt dabei, es fängt an allen Orten zugleich an." Eins halbe Stunde später habe Michels den Wallace daraufhin zur Rede gestellt. Wallace behauptete, es habe sich uni den Ankauf seiner Farn, gehandelt, fügte aber hinzu: „Mir kann passieren, was will, die Herero werden mich nicht untergehen lassen!" Michels ist der festen lieber- zeugung, daß Wallace die Herero freiwillig begleitete. Eine Hererofran erzählt, Wallace habe freie Be- wcgung gehabt: er sei zu den Beratungen der Großleute zugezogen worden, ini Gefecht aber stets hinten bei den Weibern verblieben. Frau Bremen bestätigt dies und fügt hinzu, Wallace habe fortwährend Samuel be stürmt, ihn fortzulassen. Ein Hottentotte be zeichnet Wallace als argen Mädchenjäger: er glaubt ferner, daß die Herero ihm eine ganze Kiste geraubtes Geld geschenkt hätten, welche Wallace vergraben habe. Der Hä n d l e r V o i g t s meint, Wallace sei allerdings intim befreundet mit den Herero gewesen, aber Geld hätten sie ihm schwerlich geschenkt. Landeskenner schilderten den Wallace als einen durch Trunk herunter gekommenen Menschen, dem ein großer Einfluß ans die Herero, namentlich bezüglich des Aufstandes, nicht zuge- sprochen werden könne. Wallace dürfte tatsächlich nur mäßig orientiert sein-, besonders scheint seine Stärken angabe des Gegners nut 2000 Gewehren wesentlich zu I niedrig gegriffen. Wallace führt ein Geleitschreibcn Samuels nut, welches ihm freies Passieren durch die Linien der Herero gewährleisten soll. Feuilleton. Die Entgleisten. Roman von Caroline Deutsch. Nachdruck Verbote». Im letzten Jahre seines Studiums war's gewesen, daß ein Mitschüler, der nicht wie die meisten Zöglinge im Seminar wohnte und demzufolge mehr Freiheiten genoß, ihm eines Tages im Geheimen ein Büchlein zu steckte; es war Büchners: „Stoff und Kraft." Er hatte es zuerst zurückgewiesen; denn es war ein profanes Buch; aber der Freund hatte zugeredet, „Lies und du wirst staunen!" waren seine Worte gewesen. Dem einen Buche waren ähnliche andere gesolgt, die Andreas nachts in seiner Zelle mit Heißhunger ver schlang. Die erste Wirkung war auch Staunen, aber mit Schrecken vermischt. Er glich einem Kinde, das einen fremden Garten betritt; furchtsam und zaghaft sind seine ersten Schritte, dann aber, kühner gemacht, geht es immer weiter und weiter! . . . Der Schrecken verminderte sich, die Neugier, das Interesse wuchs ... Als er zum Bewußt sein gelangte, daß sein Tun ein Unrecht, war es zu spät geworden. — Der Boden, auf dem er bis jetzt gestanden, erschien ihm nicht mehr so sicher und fest wie sonst, und dann kam alles ins Wanken, was dieser Grund bis dahin getragen. Der arme Andreas! Er verarbeitete so langsam Ein drücke, kam schwer über Dinge hinweg, die weniger wogen! Er glich keinem Ucbermenschen, so sehr diese ihm auch imponierten: denn alles nahm den Weg durch sein Herz ... am meisten der Kummer, den er andern bereitete. Zwei Kräfte waren vorwiegend in ihm: ein großes Liebes- und Freiheitsbcdürfnis; ihm aber war die Fähigkeit versagt, sich zu äußern, und der Mut, für etwas zu kämpfen. So war es ein Feuer, das nach innen brannte. — Er gedachte seines Aufenthalts im Kloster. Wenn er sich mit den Mönchen im Klosterhof erging und über die Maner, von der Wiese her, das Lärmen und Jauchzen der Knabenstimmen zu ihm drang, dann stieg das heiße Verlangen in ihm auf, sich unter sie zu mischen, es ihnen gleich zu tun in freiem, fröhlichem Tummeln. Aber selbst, wenn die Pforte offen und er allein gewesen wäre, er hätte den Weg nicht herausgefunden. — Es be durfte immer des Anstoßes von einem andern, um ihn aus sich herauszubringen. Un- das hatte von jeher am besten Marischka ver standen. Marischka!!... Und mit den Gedanken an sie stieg etwas anderes in der Seele des jungen Mannes auf, etwas, das ihn mit ganz fremden Augen ansah . . . das verändert gegen früher war ... ein schmerzliches, quälendes Gefühl. Wenn er jetzt an sie dachte, war es immer das eine Bild, das sich mit peinvoller Lebendigkeit in sein Herz gegraben: wie er sie an jenem Sonntag nachmittag zum erstenmal neben dem Grafen Lavadi gesehen . . . Die Erinnerung war nicht wegzuwischen. In den Stämmen neben ihm rannen und pochten die Säfte, ließen die Blätter sich dehnen und die Blüte zur Frucht sich bilden, so rang sein junges Leben nach Freiheit und Glück. — Ein einziges Mal hatte auch er an die Pflegemutter die Frage gestellt, warum sie ihn für den geistlichen Stand bestimmt. Es war dies zur Zeit gewesen, als er zu zweijährigem Aufenthalte nach Kloster St. Sebastian mußte Denn er ahnte cs schon damals, ohne, daß je darüber gesprochen wurde, daß Frau von Torma nichts weniger als eine kirchlich gesinnte Frau tvar. — „Es war der Wille deines Vaters vor seinem Tode," hatte sie ihm geantwortet. „Und ich habe ihm schwören müssen, daß es geschieht." Diese Worte hatten ihm die Lippen geschlossen, aber auch das Dankbarkeitsgefühl für die Pflegemutter. Seit er zurückdenken konnte, hatte sie ihn mit Liebe und Zärt lichkeit wie mit einer warmen, schützenden Decke umgeben. In Andreas Denken hinein tönte eine Helle, kräftige Männerstimme. „Grüß Gott, Herr Kaplan, es freut mich, daß ich gerade Sie treffe!" Zwischen den Stämmen trat Beth- len hervor. Er hatte im Walde gejagt und trug die Flinte über die Schulter gehängt. Eine Anzahl blutender Vögel war wie ein Büschel an seinem Gewehrknauf be festigt. War es der Schall, der so unvermittelt sein Ohr traf, oder weil es gerade diese Stimme war? Andreas fuhr zusammen, sprang dann auf und beantwortete kaum ver ständlich den Gruß. Der junge Graf legte die Flinte ins Gras und ließ sich daneben nieder. „Bitte, Herr Kaplan, laufen Sie mir nicht davon!" sagte er in seiner gewinnenden Weise. „Wir gehen dann zusammen, ich will nur ein Bissel ausruhen." Andrea? stand zögernd da, wie einer, der nicht weiß, was er tun soll. „Fürchten Sie das Gewehr, Herr Kaplan? Es ist unschädlich, alle Patronen sind verschossen." Jetzt errötete Andreas. „Ich bin nicht furchtsam," versetzte er und ließ sich wieder auf seinem alten Platz nieder, nian sah ihm aber einen gewissen Zwang dabei an. „Mich stört nur der Anblick der blutenden Tierchen . . . Hätten Sie den fröhlichen Geschöpfen ihr ohnehin so kurzes Dasein nicht gönnen können, Herr Graf?" „So weichinütig sind wir Weltkindcr nicht! Beson ders wir Soldaten! Bei unscrm Berufe handelt es sich noch um ganz anderes als um kleine Dogclleichcn." „Ja, im Kriege, da kann ich's mir noch eher denken . . . da ist'? Notwehr! . . . Begeisterung! . . . Vergessen der eigenen Persönlichkeit!" . . . sprach Andreas in seiner stockenden, unsicheren Art. „Aber so, aus Kurzweil! . . . Zum Vergnügen .... Und gar kleine, fröhliche Vögel! . . . ich hätte >>as Gefühl, als vergriffe ich mich an hülf- losen Kindern." — Bethlen Lavadi lachte nicht mehr. Ein Schatten flog über sein Gesicht Es war wie stets noch: die Nahe dieses jungen Priesters ließ kein freies, frohes Gefühl auf kommen. Und doch war cs keine unangenehme Em-, pfindung, die ihn ergriff; etwas wie Mitleid regte sich in ihm, als er in dies junge, hagere Antlitz sah, dem noch mehr wie sonst ein Zug tiefen Leidens aufgedrückt war. Der arme Mensch! Ob er wohl Befriedigung in seinem Berufe fand? Ob sein junges Herz nicht nach anderm verlangte? . . . „Wie alt sind Sic, Herr Kaplan?" fragte Bethlen nach einem Schweigen aus diesen Gedanken heraus. „Ich werde dreiundzwanzig Jahre." „Sie sind um drei Jahre jünger als ich und »i» viele Jahre ernster", sagte Bethlen. „Das . . . das bringt mein Stand mit sich", sprach der junge Geistliche, ohne die Blicke zu heben. „O nein, es gibt auch heitere, liebenswürdige Priester, wie's Herr Pfarrer Petrov einer ist. Und ich kenne noch andere, die es in manchen Dingen mit einein Wcltkinde aufnehmen können," meinte der Offizier lachend. „War ich vielleicht unhöflich oder unliebcnswürdig?" fragte der Kaplan, und wieder trat eine leise Röte in sein Gesicht. „Mit Worten nicht. Sie ziehen sich nur auf eine auf fällige Weise von mir zurück. Sie sind, wie Sie Ihre Schwester geschildert hat: Scheu, verschlossen, schwer im Denken und Empfinden." Jetzt schoß eine dunkle Röte in Andreas' Züge, um dann noch nm so blasser zu werden. (Fortsetzung folgt.)
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