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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.08.1904
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-08-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040804018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904080401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904080401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-08
- Tag1904-08-04
- Monat1904-08
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BezugS-PretS in der Hauptexpeditton oder deren Ausgabe stellen abgrholt: vierteljährlich 3.—, bei zweimaliger täglicher Zustellung in« Hau« 3.75. Durch die Post bezogen für Deutsch- land u. Oesterreich viertrliährlich X 4.50. sür die übrigen Länder laut ZeitungSpreiSliste. Einzelne Nummer« zu aus allen Bahnhöfen und bei den Zeitungs-Berkäufern. 1V, Redaktion und Expedition: JohanuiSgaffe 8. Fernsprecher 153 u. 222. Haupt-Filiale Dresden: Marienstraße 34 (Fernsprecher Amt I Nr. 1713). Haupt-Filiale Berlin: CarlDuncker, Herzgl.Bayr.Hofbuchbandlg., Lützowslraße I0(FernsprecherAmtV1 Nr.4603). Morgen-Ausgabe. UtMger TlkgMalt Anzeiger. Ämtsbtatt des Äönrgkichen Land- und des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Aales und des Aolizeiamtes der Ltadt Leipzig. Nr. 393. Donnerstag den 4. August 1904. Anzelgen-PrelS die 6gespaltene Petitzeile 25 Reklamen unter dem RedaktionSstrich (4gespalten) 75 nach den Familiennach richten (6 gespalten) 50 -H. Tabellarischer und Ziffernsay entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Ossertenaunahme 25 /H. Annahmeschlutz für Anzeigen: Abend-Ausgabe: vormittags 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: nachmittag« 4 Uhr. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-AuSgabe, ohne Postbefvrderung 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Anzeigen sind stet« an die Expedition zn richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig (Inh. vr. V., R. L W. Klinkhardt). S8. Jahrgang. Var Wichtigste vom Lage. "JnderbayerischenKammerderReichs- rate kam gestern der Fall v. Asch- Vr. Heim zur Sprache. Der Kriegs Minister verteidigte sein Verhalten, gestand aber zu, daß für Offiziere das Duell nicht immer zu vermeiden sei. Graf Preysing fordert«, ein Vorgehen gegen vr. Heim als Beamten, der sich zum Mitschuldigen der schweren Pflichtverletzung eines Offi ziers gemacht habe. * Pater August Henninghaus vom Missions hause in Stegl ist zum Nachfolger des Bischofs Anzer als apostolischer Vikar von S ch an tu n g ernannt worden. (Siehe Deutsches Reich.) * Wie uns aus Köln gemeldet wird, tritt der dortige Magistrat für sämtliche Bühncnkontrakte Purschians ein. Das Theater soll nicht mehr verpachtet, sondern i n eigene Regie genommen werden. * Nach einem Bericht des Generals Kuroki fielen bei Aangtzulin und Kushulintzu auf japanischer Seite 6 Offiziere, 16 wurden verwundet: ferner ver loren die Japaner 950 Mann an Toten und Verwundeten. * Eine in Rom eingelaufene Privatdepesche aus Aokohama meldet, daß der japanische Panzer kreuzer Kasuga, welcher in Italien erbaut, ist, ge sunken sei. veutrÄlanclr ffsnüel mil Ser Union. Von unserm amerikanischen Mitarbeiter wird uns ge schrieben: Man redet immerzu von einer „amerikanischen In vasion", man hört ständig den bereits zum geflügelten Worte gewordenen Warnruf vor der „amerikanischen Ge fahr", man fordert energisch die Völker Europas auf, sich zu einem allgemeinen europäischen Zollbund gegen die Nimmersatten, angriffslustigen Aankees zusammenzu- schließen, daneben jammert man über das „alters schwache" Europa, das nicht mehr gegen die jugendkräf- tige Union aufkommen könne, — kurz, man könnte fast glauben, Europa sei auf dem besten Wege, von Amerika ruiniert zu werden. Dazu kommt nun noch, daß die vielen Amerikareisendcn, nachdem sie auf dem Dampfroß die großen Industriezentren der Union durchjagt und hie und da ihre Forschernase in die gigantischen Betriebe gesteckt haben, das unbezwingliche Bedürfnis haben, sofort nach ihrer Heimkehr dickleibige Bücher über Amerika zu schreiben. Nun ist es ja leicht erklärlich und eigentlich selbstver ständlich, daß man einem Gaste doch nicht gerade die schmutzigsten Ecken und Winkel seines Hauses zeigt, son dern ihn m die „gute Stube" führt und dort all die schönen Sachen bewundern läßt. So macht es Vetter Jonathan auch, er führt seine Besucher eben dahin, wo es etwas zu bewundern gibt in seinem großen Hause, er paradiert vor ihm mit den immensen Zahlenreihen, die die „Managers" der Riesenbetriebe zusammengestellt haben und in der liebenswürdigsten, zuvorkommendsten Weise dem Besucher zur „freien Benutzung" zur Ver fügung stellen — drüben versteht man eben die Geschäfts reklame aus dem „ff" —, und nachher stehen dann diese Paradezahlen in Reih und Glied aufmarschiert in den schleunigst geschriebenen Amerikabüchern. Das ist billig und wirksam. (Ter Schreiber dieser Zeilen war fast zehn Jahre drüben amtlich tätig und weiß aus eigner Ersah- rung, wie es gemacht wird.) Insonderheit aber ist es Deutschlands Handel und Industrie, von welchen man immer hört, daß sie mit Amerika nickt mehr konkurrieren könnten, daß sie zuletzt von der „amerikanischen Invasion" erdrückt und erstickt würden. Und zwar hat man diese Behauptungen schon so oft gehört, daß man fast glauben müßte, es sei wirklich wahr. Aber Zahlen beweisen! Wenn man jedoch sorg fältig jene oben erwähnten Paradezahlen prüft, die Ver hältnisse in Betracht zieht, und dann mit den Zahlen ver gleicht, die Deutschland uns zur Verfügung stellen kann, dann wird das Ergebnis ein ganz andres sein, und man wird fast mit demselben Rechte, mit dem man in Deutsch land von der amerikanischen Gefahr redet, in Amerika von einer „deutschen Gefahr" reden können. Diesem Gedanken gibt eine amerikanische Zeitung geradenwegs Ausdruck, und zwar ist es gerade ein deutschfeind liches Blatt, welches gewiß nichts übrig hat für ein Lob Deutschlands, nämlich die „Chicago Tribüne". In einem längeren Artikel über die ostasiatischen Handelsverhält- nisse beklagt sie, daß die raffinierten Deutschen in Ost- asien einen Handelssieg nach dem andern davontragen und fährt dann fort: »Nur wenig wird über den deutschen Fortschritt oder die deutsche Gefahr geschrieben oder gesprochen, aber sie ist da und bildet einen gefährlichen Faktor im Handelsleben des Jahrhunderts. Wir haben unsere Flctggc auf 1400 Inseln in der chinesischen See aufgezogen und eine Muffe Reden ge halten und die Lebenskosten und die Löhne in allen Osthäfen erhöht, bi» die Europäer wünschen, daß Amerika nie entdeckt worden wäre, aber inzwischen hat Deutschland ohne Inseln und ohne Redenhalten den Handel erobert und sich in kommer zieller Hinsicht fest «tngepflanzt. Di, «uverdung der Phi lippinen sollte uns den ganzen orientalischen Handel sichern, aber während unsere Redner uns dies noch versprechen, hat Deutschland die Beute eingesteckt." Man hört hier ordentlich den Neid und die Empörung des Jingoblattes heraus, welches am liebsten Deutschland an die Wand gedrückt sähe. Um so eher aber darf mau auch glauben, daß es diesmal die Wahrheit spricht. Dem entsprechen denn auch die statistischen Zahlen. Nach den Aufzeichnunaen und Berichten der amerikanischen Kon suln in Deutschland belief sich der deklarierte Wert der von Deutschland nach den Vereinigten Staaten exportier- ten Waren im Fiskaljahr 1903 auf 119 878 426 Dollars gegen 102 300 755 Dollars im Jahre 1902, also eine Zu nahme von 17 577 671 Dollars (1900 waren es 97 374 700 Dollar). Tie hauptsächlichsten Handelsartikel waren Farben und Chemikalien (ca. 20 Mill. Dollars), feinere Wollen-, Baumwollen- und Seidenstoffe, Hand- schuhe, Wein usw. Ter Erport der Vereinigten Staaten nach Deutsch- land belief sich 1900 auf 187 347 889 Dollars, in 1901 auf 191 780 427 in 1902 auf 173 148 010, in 1903 auf 183 555 010 Dollars. Vergleichen wir nun diese Zahlen miteinander, so finden wir, daß auf Seiten Amerikas die Steigerung des Exports mit der des Imports keinen gleichen Schritt gehalten hat: Im Fiskaljahre 1903 hat Amerika nach Deutschland freilich für ca. IOV2 Millionen Dollars mehr ver kauft als im Vorjahre, dafür aber von ihm mehr g e kauft für ca. 17Vs Millionen, ist also immer hin um eine Bilanz von ca. 7^4 Millionen Dollars zu- rückgeblieben. Tas sieht doch gerade nicht wie eine „amerikanische Gefahr" oder „Invasion" aus. Amerika ist ja allerdings, was Bodenschätze anbetrifft, das „Land der unbegrenzten Möglichkeiten", aber eine Grenze ist ihm dennoch gesetzt, die es nicht überschreiten darf, ohne die größte Gefahr für sich heraufzubeschwören, die Absatzmöglichkeit. Amerika droht eben die Gefahr der Ucberproduktion für seine Industrie. Daher auch das ständige Streben und Treiben nach dem ostasia tischen Markte. Amerikas Industrie ist in schlimmer Lage, wenn sie sich keine neuen Absatzgebiete schaffen kann. Die gigantischen Betriebe mit ihrer maschinellen Massen produktion produzieren ja weit mehr als das Land selbst konsumieren kann. Beweis sind die vielen Arbeitsein stellungen der Fabriken in der letzten Zeit: sie wissen eben nicht mehr, wohin mit dem Ueberfluß? Ueber sieben Millionen Arbeiter werden in den Fabriken beschäftigt, tritt nun infolge der Ueberproduktion eine Stagnation ein, so kann dies von den schwersten Folgen für das ganze Land werden. Und die Arbeiterfrage, welche ebenfalls nicht zu unterschätzen ist, bildet auch eine Grenze für Amerikas Handel und Industrie, die so leicht nicht über schritten werden kann. Die hohen Löhne verursachen hohe Produktionskosten: wenn daher auch die Rohprodukte schier unbegrenzt vorhan-den und daher billigst zu haben sind, der Produktionsfaktor Arbeit verteuert die Fabri kate doch so, hebt die Billigkeit des Produktionsfaktors Natur soweit auf, daß das fertige Produkt dennoch zu- letzt solchen Preis verlangt, daß selbst Deutschland, wohl am kümmerlichsten mit dem Produktionsfaktor Natur be dacht, dennoch erfolgreich mit der amerikanischen In dustrie konkurrieren kann. Ja, wenn Amerikas Industrie nicht durch den exorbitanten Schutzzoll gedeckt wäre, würde sie trotz aller immensen Bodenschätze gegen Deutsch- lands Industrie schwer aufkommen können, Venn das „Made in Germany" hat in der ganzen Welt einen guten Ruf, und die exakte Arbeit, das künstlerische individuelle Ausgestalten der industriellen Erzeugnisse werden Deutschland allezeit einen hervorragenden Platz auf dem Weltmarkt sichern, während Amerika nur in Massen, artikeln florieren kann. Gerade dieser Unterschied zwi- schen beiden Industrien aber bewirkt auch, daß Deutsch lands Handel mit der Union niemals ein einseitiger zu Gunsten der letzteren sein wird. vr. Sd. Der nirrirch-lapanircbe Krieg. Pvrt Arthur. Vorwort Arthur wird täglich mehr oder weniger heftig gekämpft, und die Japaner Haven, wie jetzt auf dem Umwege über Tichifu bekannt wird, vom 26. bi» 28. v. M. bereit« einen Sturm auf die Festung unternommen, der aber abgeschlagen worden ist, allerding- unter großen Ver lusten für die Russen, deren Lazarethe zur Unterbringung der Verwundeten bereit» nicht mehr au»reichen. Ein Tele gramm meldet darüber: * Tschifn, 3. August. Lin dreitägiger Sturm der Japaner der hartnäckig gegen dl« Inneren verteidigung-werte tm Norden und Osten von Port Arthur gerichtet war, blieb erfolglos. Tschunken, die hier au» Port Arthur eingetroffen sind, bericht n darüber: Am 26. Juli vor Tagesanbruch begänne» die Japaner von Kwokau au- den Angriff gegen die Lüstrnfort». Die russischen Vorposten ivurden zurückgetrieben. Admiral Togo beschoß gleichzeitig dir Fort- au« weiter Entfernung; das Feuer der Fort« zwang die Schiffe sich in sicherer Entfernung zu halten und machte so ein Zusammen- wirken der japanischen Schiffe und der Landtruppen unwirksam. Am Morgen de« folgenden Tage» verließ die russische Flotte den Haien unter dem Schutze der Batterien auf dem Goldenen Hügel, »rtzffnete aber kein Feuer auf die Japaner und zog sich bald zum Ankerplatz« zurück Der Augriff im Norde» »0» Port Arthur erfolgte am 27. Juli. Der linke Flügel der Japaner rückte gegen die Russen bei Shiushiling vor, wurde aber zurückgeschlagen. Die Dlchunken blieben, nachdem sie Port Arthur verlassen hatten, noch drei Tage in der Nähe der Stadt, hörten aber kein Feuer mehr. Die russischen Lazarette in Port Arthur sind überfüllt. Tausende von Verwundeten sind in Geschäfts- und Wohnhäusern von Chinesen untergebracht, die ihre Häuser dazu hergeben mußten. Krankenpfleger pflegen die Verwundeten in den Privathäusern, die ärztlich beaufsichtigt werden. Der Angriff auf Tonntscheng. Von der Armee, die den Angriff auf Tonutscbeng unter nahm, wird japanischerseits amtlich berichtet: Der Angriff begann am 30. Juli; der Feind hatte stark ver schanzte Höhen um Tonutscheng eingenommen, 15 Meilen südöstlich von Haitscheng. Am 3l. Juli entspann sich ein heftiger Kampf, der den ganzen Tag anhielt. Der linke Flügel der Japaner vertrieb den vor ihm stehenden Feind aus seiner Stellung und drobte der Haupt macht des Feindes in den Rücken zu fallen, der dadurch ge zwungen wurde, sich nachts auf Haitscheng zu zurückzuziehen. Die feindlichen Truppen standen unter Generalmajor Alexejew und setzten sich aus zwei Divisionen Infanterie und sechs Batterien zusammen. Die Japaner erbeuteten sechs Feld geschütze und nahmen eine Anzahl Russen gefangen. Ihre Verluste betragen 300 Mann, während der Feind 150 Tote auf dem Felde ließ. Lin englischer Urteil über bar rvlabiwostskgefchMaber. Die „Times" unterziehen den Bericht SkrydloffS über die Kreuzfahrt des Wladiwostokgeschwaders einer schneidigen Kritik und sagen, er zeige, daß England noch nicht am Ende seiner Schwierigkeiten mit Rußland hinsicht lich des neutralen Seeverkehrs sei. Seine Handlungs weise, indem er den „Knight Commander" und ven deutschen Dampfer „Thea" versenkte, mag gänz lich im Einklänge sein mit dem russischen Prisenkodex, wie russische Zeitungen behaupten, aber ein solches Vor geben ist weder im Einklänge mit unserem Prisengesetze, wie wir es handhabten, als unsere Herrschaft zur «see unan fechtbar war, noch mit Grundsätzen, denen wir beistimmen könne». De? deutsche Dampfer ist summarisch verurteilt und versenkt worden, weil seine Ladung aus Fischen bestand. Die Deutschen mögen protestieren oder nicht, wie es ihnen be liebt, aber wir wissen aus dem Munde des Premierministers, daß England die russische Regierung darauf aufmerksam ge macht hat, wie cS die französische Regierung im Kriege mit China aufmerksam machte, daß wir Lebensmittel nicht als Kontrebanve anerkennen können. Deutsches üeich. Leipzig, 3. August. * Der neue Mirbach-Fall. Unser Artikel „Herr v. Mir bach vor dem Reichsgericht" macht die Runde durch die Presse und erregt überall begreifliches Aufsehen. Wenn einige Blätter ausdrücklich erklären, daß sie unS die Verantwortung dafür überlasten müssen, so danken wir hiermit ausdrücklich für das uns dadurch bekundete Vertrauen. Von den einzelnen Zeitungen widmet das „B. T." dem Artikel seine Aufmerk samkeit in einem Aufsatz an leitender Stelle, worin es u. a. sagt: Darüber wird schon jetzt kein Zweifel sein können, daß Freiherr v. Mirbach im eigenen Interesse sein bisheriges Wirken vor der Orffentlichkeit klarlegen muß. Er hat soviel erstrebt und seine Hände in so zahlreichen Geschäften gehabt, daß man jetzt endlich seine vollgültige Legitimation in jeder Beziehung von ihm fordern muh. Sonst ist zu besorgen, daß er dir Sache kompromittiert, der er zu dienen glaubt. Die „Nat.-Ztg.", deren Beziehungen zu verschiedenen, den Kreisen um Herrn v. Mirbach nicht fernstehenden Finanz größen bekannt sind, kann natürlich ihren neuesten Schützling nicht fallen lassen und erklärt deshalb stolz wie ein Spanier: Beweisen kann der Prozeßbrricht de« »Leipz. Tgbl." für den „Fall Mirbach" garnichts. Aber das Histörchen macht doch einen pikanten Eindruck — und daS genügt für Sommersensationen. Mit diesem Schlagwort hatte sich die „Nat.-Ztg." schon neulich au« der Situation Hu winden gesucht, und sie wird mit der Aufneuerung desselben jetzt erst recht kein Glück haben. Die „Magd. Ztg." meint vorsichtig . . . Der Bericht (wird) wohl von nächstbeteiligter Seite bald eine Korrektur erhalten und in eine andere Beleuchtung gerückt werden. Stimmt! Die „andere Beleuchtung" ist sogar schon da, und zwar anscheinend von — Herrn v. Mirbach selbst, der sich im Berliner „Lok.-Anz." wie folgt vernehmen läßt: Dir Angelegenheit bedarf jedenfalls noch sehr eingehender Kläruage», ehe man zu einem Urteil berechtigt ist. Wa den Vorgang selbst betrifft, so ist eS al« absolut «n- wahr zu bezeichnen, daß Freiherr von Mirbach Irgend eine Zusage für eine StandeSerhöhunq der damaligen Braut de» Prinzen, di« aus bürgerlichem Stande war, gegeben hat, »ad zwar auS dem Anlaß, daß der Prinz aaf die ihm Von der Pflegschaft geschuldete Abrechnung seine» Vermögen» verzichte. Die Verbindung der beiden jungen Lent« ist übrigen« nicht zustande gekommen, und der Prinz ist noch unvermählt. Wenn gesagt wird, die Dame hätte zu einer Prinzessin gemacht werdeu sollen, so ist dies dahin zu versieben, daß sie nach der Vermählung mit dem Prinzen al» dessen ebenbürdige Gattin und in diesem Sinne al» Prinzessin hätte anerkannt werden sollen. Bezüglich der Zusage der StandeSerhöbung stebt ja schließlich die prinzliche Behauptung gegen vie frei herrliche. Mit seinen letzten Worten bestätigt der „Lok.-Aaz." lediglich da», wa» wir gesagt haben. Wir hätten übrigen- nicht gedacht, daß un» gerade von der Seite eine so wertvolle Unterstützung kommen würde. * Die „Dresdner Zeit»»»" kommentiert unser« Artikel vom Sonnabend »den» über »di« St»at«tren« der evangelischen Arbeitervereine" und tut sehr ver wundert, daß wir in dem Artikel von „Staatstreue auf Kündigung" geredet haben. Ein paar Sätze weiter aber heißt e« in der Zeitung: „Man stelle sich nur vor, die Mitglieder eines evangelischen Arbeitervereins hätten sich bei einer Reichstagswahl zwischen Menck und Göhre zu entscheiden: würde die Zumutung Menck zu wählen, nicht eine Zumutung des politischen Harikiri für einen Arbeiter bedeuten, ganz gleich, ob er sonst christlicher oder sozial demokratischer Arbeiter ist?" Leider spricht das Blatt nicht deutlich, vielleicht wegen eines Restes bürgerlicher Scheu. Aber der ganze Absatz kann nur einen Sinn haben, wenn zu ergänzen ist: Ja wir billigen eS, wenn die Mitglieder der evangelischen Arbeitervereine in solchem Falle den Sozialdemo kraten wählen. Und das ist für unS der Punkt, wo die Staatstreue aufhört. Wenn die „DreSd. Ztg." das Wählen eines Sozialdemokraten mit der Staatstreue für vereinbar hält, so kann ihr das nicht verwehrt werden, denn Sünden gegen die Logik werden strafrechtlich nicht ver folgt. Aber das Blatt sollte doch wenigsten» un» nicht deswegen, weil wir noch immer zwischen liberal, sogar zwischen entschieden liberal und sozial demokratisch unterscheiden können, der Inkonsequenz zeihen. Unglück im Denken zu haben, ist schließlich nur ein Mangel an Intellekt, der aber leider nicht immer durch Vorzüge des Gemüts ausgewogen wird. Grundlose Anschwärzungen sind jedenfalls nicht zu solchen Vorzügen zu rechnen. * Der politische Roman „Ter Weltkrieg" von Nie- mann hat in uns schon vor seinem Erscheinen Unbehagen erregt wegen der, sagen wir milde, ungeschickten Art seiner Ankündigung. Unsere Befürchtungen sind durch den Roman selbst völlig gerechtfertigt worden, und um das Maß voll zu machen, versendet der Verlag nun auch noch folgende Neklamenotiz: Die Furcht Englands vor Deutschland. Ueber London kommt die uns nicht weiter beunruhigende Nachricht, daß das englische Unterhaus sich trotz der heißen Sommertage nicht vertagt hat, sondern einen Antrag für die beschleunigte Vorlage zu einer bedeutenden Vermehrung der englischen Landtruppen eingebracht hat. Veranlassung hierzusoll der vor kurzem in Berlin erschienene hochpolitische Riemannsche Roman „Der Weltkrieg" gegeben haben, der die Zertrümmerung der englischen Weltmacht durch die verbündeten deutschen, russischen und fvanzösischen Truppen zum Gegenstand seiner Darstellung macht. Da ausdrücklich darüber steht: „Nachstehende Notiz bitten beliebig zu verwenden", so sei dem gewillfahrt: Rührigkeit ist unzlveifelhaft eine geschäftliche Tugend. Nur ist es mit ihr allein nicht getan. Es muß sich ihr ein wenig Geschick und ein wenig Geschmack gesellen, sonst erreicht sie das Gegenteil ihres Zweckes. Was wir hier vor uns sehen, ist eine Blüte der Geschmacklosigkeit. Das möchte bei der allseits garantierten Berechtigung eines jeden, sich so gut zu blamieren, wie er kann, schließlich noch hin gehen. Aber hier werden auch öffentliche Interessen wegen offenbarer Reklamezwecke verletzt. Wenn wir auch keinen Augenblick daran zweifeln, daß das englische Par- lament sich um den Riemannschen Roman herzlich wenig kümmert, so sollte doch aus einfachsten patriotischen Rück- sichten vermieden werden, auch noch überflüssigen Kon- fliktsstoff böswilligen Leuten in die Hand zu geben. Unser Verhältnis zu England ist schon infolge der Tatsachen, der Konkurrenz auf politischem, industriellem und kommer ziellem Gebiete notgedrungen so wenig erfreulich, daß nicht auch noch durch Phantasiegebilde und zu irgend welcher Reklame Neibungsflächen konstruiert zu werden brauchen. In dieser Äera der Jnterpretationskunst wollen wir noch ausdrücklich bemerken, daß wir unter Um ständen nicht gegen offene, selbst scharfe Worte gegen den nur allzu häufigen englischen Uebermut sind — aber gegen absolut überflüssige Vermehrung der Friktionen und gegen so gefährliche Ausnützung -er tatsächlich bestehenden nationalen Gegensätze müssen wir uns wenden. Wenn manchem Zeitgenossen das Derantwortlichkeitsgefühl nur in geringen Dosen zugemessen wurde, so ist die Presse ver- pflichtet, um so mehr davon zu haben — auch wenn es sich um antienglische Tendenzen handelt. Berlin, 3. August. * Die Nordlandsfahrt pe» Kaisers. Der Kaiser unter nahm Dienstag vormittag einen Spaziergang in das herr liche Loental und besuchte nachmittag» Olden. Leider ist da» Wetter trübe geworden, so daß die für beute in Aussicht genommene Partie fraglich ist. An Bord alle« wohl. * Geheime RrgicrungSpläne will der „Vorwärts", wie bereits gemeldet, erlauscht haben. Er behauptet sogar, seine Ausführungen noch durch folgende» vervollständigen zu können: Der Plan, der unter den Parteiführern zur Erörterung gelangt ist, geht dahin, daß das Reichstag-Wahlrecht sehr bedeutend verschlechtert und anderseits das preußische Landtag-wahlrecht ein wenig verbessert werden soll, sodaß für beide Parlamente ein und dasselbe Wahlrecht besteht. Man hofft, durch Ver besserungen am preußischen Landtag-Wahlrecht die Opposition gegen die sehr erhebliche Verschlechterung beziehungsweise Be seitigung de- bisherigen Reich-tag-wablrecht- abzuschwächen. Die preußische Regierung steht diesen Verhandlungen nicht nur freundlich gegenüber, sie sind sogar unter ihrer Mitwirkung ge- führt worden. Eine weitere Idee der Wahlrecht-seinde gebt dahin, daß, wenn eS gelänge, für Reich-tag und preußischen Landtag da« gleichartige Wahlrecht einzuführrn, dann allmählich auch in den übrigen deutschen Landtagen dasselbe Wahlrecht zur Geltung gebracht werden soll. Würde daS geschehen, so konnte der alte Wunsch er füllt werde», daß besondere Reich-tag-abgeordneten überhaupt in Wegfall kommen und der Reichstag au- Drlegattonrn der einzelnen Lanvtage zusammengesetzt wird. Die ablehnende Haltung der nationalliberalea Partei gegenüber solchen etwa bestehenden Pläne» habe» wir bs» rett» hervorgehobes.
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