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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 07.06.1906
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1906-06-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19060607024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1906060702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1906060702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1906
- Monat1906-06
- Tag1906-06-07
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619 819 Abend-Ausgabe Bezugs. Prei- KWigcr TagMM ku der Hauptexpedüto» oder der« Au-gabs- strllro adgehoU: vierteljährlich L40, bei täglich zweimaliger Zustellung tu» Hau vierteljährlich S.—. Durch unsere auS- wärtigeo Ausgabestellen und durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich vierteljährlich 4^0, für die übrige, Länder laut Leituug-prri-liste. Dies« Nummer lostet auf »ß INL allen Bahnhöfen und bet III NHI den Z«i1uug»-VerkS«feru Nrtzatttvo ««» Er-e»Mou» JohauniSgasfe 8. Telephon Nr. 153, Nr. LL2, Nr. 1173. Berliner Nedaktivn»-Vureau: vrrli» 7, Dorothrenitraß« 83. Del. Nr. 9875. Dresdner NevatttonS-vurraur Münchner Str. K. Handelszeitung. Ämtsvlatt -es Rates und -es Rolizeiamtes -er Lta-t Leipzig. N«ze»gen-Prek- die S gespalten, Petitzril, für Leipzig nutz Umgebung 85 Pf^ für au-wätt» LO Pfg. tzamtlieu. Wohnung-- und Stelleo- Auzetgeu LO Pf. Kinauzielle Anzeigen, Leschäst-anzeigen unter Text oder an besonderer Stell» nach Tarif, Für da» Erscheinen an bestimmte» Tagen u. 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Letzte Tel.) * Neuerdings wird gemeldet, daß der Papst gegen die Unterwerfung der Kirche unter das französische Trennungsgesetz sei und die Bischöfe anweisen werde, es zu ignorieren. (S. Letzte Tel.) pslttirtbe ragrrrcbaii. Leipzig, 7. Juni. Paul Schulze s. Nach langem schweren Leiden ist während Zier letzten Nacht der Landtagsabgeordnete Paul August Schulze in Dresden verschieden. Mit ihm ist einer der charakter- festesten und überzeugunastreuesten liberalen Politiker Sachsens dahingegangen, dessen von reinster Baterlandsliebe getragenem Wirken ein verhängnisschweres Geschick nur allzu früh ein Ziel gesetzt hat. Paul August Schulze war ein Leipziger Kind; am 11. März 1861 als Sohn des Fabrik- besitzers Constantin Schulze in Leipzig geboren, besuchte er hier das Nikolaiaymnasium und studierte sodann in Berlin, Leipzig und Freiburg Jurisprudenz und Nationalökonomie. Er wandte sich früh aus der Schule Roschers der positiven Richtung der Nationalökonomie zu und wurde im Jahre 1887 Assistent und bald darauf erster Sekretär der Dresdner Handelskammer. Drei Jahre lang gehörte er auch dem Dresdner Stadtverordnetenkollegium an. Im Jahre 1903 wurde er in überaus glänzender Wahl mit 126 national liberalen Wahlmännerstimmen gegen 4 konservative und 38 sozialdemokratische Stimmen zum Abgeordneten für Dresden-Altstadt in die Zweite Ständekammer gewählt. Bei seinem Eintritt in die Kammer wurde Schulze, wie noch in frischer Erinnerung ist, von der konservativ-agrarischen Mehrheit mit unverhohlenem Uebelwollen empfangen, allein sehr bald verschafften ihm seine gründliche Kenntnis der Volkswirtschaft Sachsens, seine unerschütterliche Wahrheits liebe und die Gerechtigkeit seines Urteils die Achtung von Freund und Feind. Schulze war ein durch und durch nationaler und ein entschieden liberaler Mann; jahrelang hat er mit einem kleinen Kreise Dresdner Freunde gegen den Schlendrian in der nationalliberalen Partei gekämpft, ja er trug sich sogar eine Zeitlang mit dem Gedanken, die Brücken hinter sich abzubrechen und alle wahrhaft liberalen Elemente Sachsens zu einer kurz und bündig liberalen Partei zu sammeln. Schulze war der Ueberzeugung, daß nur die un umwundene Anerkennung des konstitutionellen Systems in Deutschland dem Umsichgreifen des NepublikaniSmus einen Tamm entgegensetzen könne; allein er war auch ein rück sichtsloser Bekämpfet des sozialdemokratischen Klassenstaates und ein überzeugter Vertreter des Individualismus im öffentlichen Leben. In aller Gedächtnis ist noch seine hin gebende Arbeit bei der Vorberatung der Wahlrechtsreform für die Zweite Kammer; ihm schwebte ein Pluralwahlrccht vor, dessen Merkmale aber in Gestalt von Alter und Selb ständigkeit einem ieden Bürger erreichbar sein sollten. Ter sächsische Nationalliberalismus verdankt diesem Manne viel; er war ein guter Bürger von echtem Schrot und Korn und ein echter alter Leipziger, der an seiner Vaterstadt mit zärt licher Liebe hing. Auch der Verband sächsischer Industrieller, der Evangelische Bund, der Deutsche Schulvcrein, der Kolonialoerein und der Alldeutsche Verband beklagen in Schulzes Heimgang den Verlust eines patriotischen, kennt nisreichen, selbstlosen und rastlos tätigen Mannes. Schulze »var zehn Wochen lang schwer krank, nachdem er kurz vor Schluß des Landtages infolge von Ueberanstrengung, an der die unerhörte Ueberhastung der parlamentarischen Arbeiten ein geschüttelt und gerüttelt Maß der Schuld mit trug, ein i Opfer seiner Pflichttreue, zusammengebrochen war. An > seiner Bahre trauern alle aufrichtig Liberalen Sachsens. Sein Gedächtnis wird bei ihnen in Ehren gehalten werdenl Die Dresdner Handelskammer ehrt den Ent schlafenen in einem besonderen Nachruf, in dem es u. o. heißt: „Mit welchem Erfolge er im Landtag tätig war, ist noch in frischer Erinnerung. Seine reichen Erfahrungen kamen ihm hier in außerordentlichem Maße zustatten. Auch seine politischen Gegner, mit denen er ost scharf zusammen stieß. konnten seinen Ausführungen über wirtschaftliche Fragen die Achtung nicht versagen. Die aufreibende Tätig keit im Landtag hat die Kraft des Unermüdlichen gebrochen. Nach der Aufregung über die Annahme des von ihm so ent schieden bekämpften Bahnbaus Wilsdruff-Gödewitz lder sog. Rübenbahnj brach ein schweres Leiden aus, das ibn zehn Wochen ans Krankenbett fesselte und zu seinem Tode führte. Sein heißersehntes Ideal war Industrie und Handel nicht nur wirtschaftlich zu fördern, sondern ihnen auch die ihren Leistungen entsprechende Machtstellung im Staatsorganis mus zu verschaffen. Daneben lagen ihm alle Verkehrsfragen, namentlich die Schisfahrtsangelegenheiten, besonders am Herzen. Sein Hinscheiden bedeutet einen großen Verlust sür die sächsische Volkswirtschaft." Evangelisch-sozialer Kvngrch. II. Jena, den 6. Juni. Nack der Eröffnungsrede des Präsidenten des Kongresses Prof. Dr. Adolf Harnack, die in ein Hoch auf den Kaffer und den Givßherzog von Sachsen-Weimar ausklang, fanden die üblichen BegrußungSaniprachen der staatlichen, städtischen und der kirchlichen Behörden, sowie der Universität statt. Dann ergriff zum ersten Vortrag bas Wort Psarrer Dr. Rittelmeyer aus Nürnberg über „den Jenseitsglauben und die soziale Arbeit". Der Vortragende ging von den Vorwürfen aus, die gemeinhin gegen den Jenseitsglauben erhoben werden: er isoliere die Menschheit von der übrigen Natur, er atomisiere sie in lauter einzelne Seelen, und er exiliere sie aus ihrer eigentlichen wahren Heimat, der Erde. DaS Jenseits des modernen Arbeiters ist in v-elerHinsicht ein anders geworden als das des Bauersmannes früherer Jahr hunderte, aber es ist doch ein Jenseits geblieben. Es ist nicht gelungen, ein befriedigendes rnnerweltsiches Kulturideal aufzurichtcn. Durch Teleskop und Mitrottop ist allerdings der JenieitSglaube in eine Krisis getreten. Er wu,de dadurch aber auch innerlicher; und g-rade durch die neue Goties- und Welterkenntnis wird man zur Annahme eines organilchen Zusammenhanges zwischen Diesseits und Jenseits erst recht gezwungen. Man muß sich beides naturgesetzlich verbunden denken DaS Wort Goethes, daß alle diejenigen auch sür dieses Leben tot sind, die ke>n anderes erhoffen, sollte noch beute Geltung haben. (Lebhafter Beifall.) Dem Vortrag lagen folgende Thesen zu Grunve: 1) Eine entschlossene soziale Tätigkeit ist nicht nur ohne Jenseits glauben möglich, sondern der große Aulschwung der sozialen Arbeit sollt zeitlich und uriächlich mit dem Zurücklreten des Jenseits» glaubens zusammen. Ter JenieitSglaube enthält in seiner vulgären Form starke kullurbemmende Elemente. 2) Die theoretisch ablehnende Stellung der Sozialdemokratie zum JenieitSglaube» ist mit praktischen Zugeständnissen an ihr ver- bnuden und trägt die Keime weiterer Auslösung in sich. 3) Bis jetzt m es noch keiner Ethik gelungen, ein wirklich be- frledigenves innerweltlichcs Kulturideal aimurichten. Es gibt keine Kulturarbeit ohne Transzendenz, d. h. ohne versteckte Jenseits gedanken. 4) Der christliche Jenseitsglaube geht nicht aus solchen Er wägungen hervor, auch n cht aus dem eooisti'chen Wunsch nach Er haltung der eigenen Peisönlichkeit, sondern aus einem religiösen Erleben der höchsten Werte uns Z>rle, das im engsten Zusammen hang mit dem Gottesglauben stet». ö) Durch die gegenwärtige Krisis, in die er eingetreten ist, wird der Jenseitsglaube allerlei Umbildungen erfahren, unter denen die Einsicht von einem irgendwie besiehenven organischen Zusammenhang zwischen Diesseits unv Jensiits die wichtigste ist. 6) Erst dann wird der Je> seitsglaube die in ihm vorhandenen sozialen Kräfte ungehemmt enlsalten, besonders indem er die sitt liche Kraft des Einzelnen stärkt und seine Achtung vor den andern aufrechihült und hebt, während die soziale Gesinnung ohne JenjeilS- glauben starken Erschütterungen entgegengeht. In der DiSkuffion pflichtete Pastor Dr. von Bröker- Halle a. S. den Ausführungen des Berichterstatters bei. Die Arbeiter haben sich vielfach von der Kirche ab.gekehlt, nicht weil sie vom Gottesglauben abgefallen, sondern der irrigen Ansicht seien: die Kirche stehe aller sozialen Betätigung und sozialen Reformen feindlich gegenüber. Pastor Liebster- Leipzig: Er stehe fest auf dem Boden des evangelisch-sozialen Kongresses und sei selbstveritänvlich für soziale Reformen im weitgehendsten Sinne, er sei aber gegen jede Verquickung der Kirche mit der sozialen Frage. Superintendent Gautig- Oschersleben gab noch einen geschichtlichen Rückblick aus den JenfeitSglauben. Es sprachen noch Geh. Kircheurat Prof. D. Wendt, Gartenvirettor Degen Hardt, Pros.D. TitiuS- Kiel und eine Reihe anderer Redner, die sich im allge meinen mit den Leitsätzen des Referenten einverstanden erklärten. Von einer Abstimmung über die Leitsätze wurde Abstand genommen. vrulsches beiO. Leipzig, 7. Juni. * Ter Depeschenwechsel zwischen Kaiser Wilhelm und Kaiser Franz Josef einerseits und dem König von Italien anderseits, wird bereits von mehreren Wiener Blättern besprochen. Die „Neue Freie Presse" führt aus: „DaS Ergebnis der Wiener Zusammenkunft ist eine so entschiedene Kundgebung für den Fortbestand des Dreibundes, daß die Absicht klar wird, jeden Zweifel an dessen Festigkeit gänzlich zu eisticken. Das Blatt bebt bervor, daß davurch auch den Mißverständnissen zwischen Italien unv Oesterreich-Ungarn einerseits und Italien und Deutschland anderseits ein Ende gesetzt sei. Die Nachricht von dem Depeschenwechscl, schließt das Blatt, wird Wohl zweifellos auch in Deutschland mit der höchsten Befriedigung ausgenommen werden. Damit ist wohl das Gespenst von dec Isolierung des deuffchen Volkes in nichts zerionnen. Nach solchen Kuuvnebungen, nach diesen Ver sicherungen unverbrüchlicher Treue muß der Glaube an den festen Zutammenhalt des Disibundes zurück kehren. Die Zusammenkunft in W en gab der Welt eine neue Bürgschaft des Friedens." — Das „Neue Wiener Tageblatt" sagt: „Die Depeschen, die gewechselt wurden, sind ebenso knapp und kurz als deutlich unv ver ständlich, sind eben'v knapp und kurz als warm und auf richtig. An dielen Depeschen, wabren Kaiserworten, ist nichts zu deuteln. Zwischen vielen wenigen lapidaren und darum dreifach wirksamen Zeilen ist kein Platz geblieben für anvere Kommentare als diefenigen, die sich mit zwingender Gewalt aus dem Telegramm ergeben: Der Dreibund steht un erschütterlich fest. Die Herrscher baden unter Hinweis auf das Bündnis ibrer Siaaten den Gefühlen unverbrüch licher Freundlchast llipp und klar Ausdruck gegeben. Die S gnatur des Kaiserbeluchs in Wien ist gegeben: Keine politilchen Abmachungen und völliges Einvernehmen der Dreibunvstaaten. Auf die geraden, kristallklaren Worte der beiden Monarchen hat der dritte Verbündete in einer Weise geantwortet, die den Dreibund freunden eine glückliche Gewähr gibt für den ungetrübten unv sicheren Fonbestand des FrievenSbündnffses." — Die „Zeit" nennt den Depeschenwechsel eine politische Kunv- gcbung ganz besonderer Art, v,e in höchstem Maße geeignet lei, die Gerüchle von der Eischütterung des Dreibundes von Grund aus zu zerstören, weil sie nicht durch den Mund der Regierungen, sondern durch die verbündeten Herrscher selbst erfolgt sei. — Sämtliche Pester Abendblätter besprechen den Besuch deS deutschen Kaisers, den er dem ungarischen Miniileipräsioenlen abgestaltet hat, in Ausdrücken wärmster Huldigung sür den Monarchen, der in der Person des Haupies der ungarischen Regierung der ungarischen Nation «ine hohe Auszeichnung habe zu Teil werden lassen. * Ter Buna vrulschrr Bcrtchrsverctiie trat am 6. Juni in Harzburg ;u seiner 5. JahreSveriammlung zusammen, die von dem Vorsitzenden des Bundes Direktor Otto Winkler- Leipzig eröffnet wurde. Herr Rechtsanwalt Lebrecht- Leipzig gab den Geschäftsbericht. Nach ihm zählt der Bund 12l Mitgliedschaften und zwar 65 Veikehrsvereine, 12 Ver- schönerungsoereine, 9 gemeinnützige unv Bürgervereine, 5 Schiffahrtsgesellschaften, 9 Magistrate unv Gemeindever waltungen, 11 Vereinöverbände, 8 Badedirektionen unv 3 Einzelmitglieder. Die Tätigkeit des Bundesvorstandes war im verflossenen Jahre vorwiegend auf die Bearbeitung von Eisenbabnverkehrsfragen gerichtet. Das erste Referat hielt Reichstagsabg. Dr. Heinz Potihof über „Die neuen Ver kehresteuern". Entsprechend seinen Ausführungen wurde nach längerer Debatte folgende Resolution einstimmig angenommen: „Der Verkehr ist zu einem der bedeutendsten Faktoren tm wirt- fchaltlichen Leben unseres Volkes geworden. Er führt durch Tausende von Rinnsalen besonder« dem um seine Existenz ringenden mittleren und kleinen Gewerbestande frische Lebenssäfte zu, während eine Bei Minderung des Verkehr» diese Quellen versiegen läßt. Ter Bund Deutscher Verkehrsveliine beklagt daher aus» tiesste die vom Bundesrat und Reichstag in voller Erkenntnis der schädlichen Wirkungen beschlossenen Verkehrsileueru, vor allem de» Stempels auf Personenfahrkarten. So notwendig eine Finanzresorm ist und so wenig die Mehrheit des Volkes sich gegen eine Vermehrung der Reichseinnahmen sträubt, so verkehrt ist diese Steuer, die allen Grunviäven gesunder Steuerpolitik, Vtlkehrspolititz Handelspolitik, Sozialpolitik und Mittelslandlpolitik Hohn spricht. Et wird zu den wichtigsten Aufgaben der deutschen Verkehrvcreine gehören, den Reisenden die Last dieser verkekrteu Steuern zu erleichtern, durch vermehrte Tätigkeit ihre verderblichen Wirkungen zu mildern, vor allem aber mit allen Mitteln auf eine baldige Beseitigung des Fahrkarlenstempel» und auf eine gesuuder» Finanzpolitik im Reiche hinzuwirken." Weitere Referate wurden gehalten von Regierungsrat Dr. Stegemann aus Braunschweig über „Nationalwirt- schaftiiche Gesichtspunkte für die Ausgestaltung unseres Personenverkehrs" und von Herrn Leipheimer-Darmstadt über „Kunst und Verkehr". * Wilhelm Stcinhauer s. In Pölitz ist der frühere ReichsiagSabgeordnete Wilhelm Steindauer gestorben. Er war im Jahre 1842 in Obermühle (Kr. Cösliu) geboren, besuchte dort die Volksschule und wandte sich dann der Land wirtschaft zu. Politisch freisinnig gerichtet, begründete er im Jahre 1896 den Bauernverein „Nordosl", der im Gegensatz zum Bund der Landwirte die Interessen der Bauern zu ver treten suchte. Er wurde 1898 zum Vertreter des Reichstags wahlkreises Bütow-Rummelsburg-Schlawe gewählt und schloß sich der Fraktion der freisinnigen Vereinigung an, aber schon bei der Wahl von 1903 unterlag er im ersten Wahlgang seinem konservativen Gegner, dem Rittergutsbesitzer voa Michaelis, der jetzt den Wahlkreis vertritt. * Arbeit-kämpfc. Aus dem Saargebiet wird be ¬ richtet, daß 1500 Metallarbeiter der Burvacher Hütte nach Verweigerung ihrer Forderungen in den Ausstand getreten sind. — In Hamburg ist unter den Bauarbeitern wieder ein erneuter Lohnkampf entbrannt. Sie verlangen eineu Stunvenkobn von 80 Pfennigen und wollen im Falle der Nicktbewilligung gegen die gegnerischen Prinzipale die Sperre verhängen. Nuslancl. Oesterreich-Ungarn. * Der Kaiserbcsuch ruft, wie aus Wien berichtet wird, in politischen Kreisen dauernd große Befriedigung hervor. Nach wie vor wird er als Betonung des herzlichen, persönlichen Verhältnisses und der Unerschütterlichkeit des Bündnisses beider Mächte betrachtet. Unbedingt wird mit der Annahme abgerechnet, daß mit der Kaiserzufammen- kunft eine Demonstration gegen Italien beabsichtigt sei. Die „N. Fr. Pr." bezeichnet den Depeschenwe ch s e l zwischen Kaiser Franz Josef und Kaiser Wilhelm einerseits und dem König von Italien anderseits als ein wichtiges, für die europäische Politik hochbedeutsames Ereignis. Niemand könne daran zweifeln, daß die Wiener Zusammenkunft eine entschiedene Kundgebung für den Fort bestand des Dreibundes sei. Viel bemerkt wird die gestrige Konferenz zwischen Wekerle und den beiden Bot schaftern Wedel und Szöchenyi. Außer den bereits ge meldeten Herren wurde noch der Minister des Aeußern Graf Goluchowski von Kaiser Wilhelm mit einem Geschenk bedacht und ebenso Oberhofmarschall Gras zu Eulenburg seitens Kaiser Franz Josefs. Dieser verlieh ferner das Großkreuz des Leopoldordens dem Generaladjutanten Grasen Hülsen-Haeseler, sowie dem Staatssekretär deS Aus- wärtigen v. Tschirschky, ferner das Großkreuz des Franz Josef-Ordens dem diensttuenden General L 1» srttte Grafen v. Hohenau und das Kommandeurkreuz der Eisernen Krone dem Flügeladjutanten v. Chelius. — Wenn daS Wetter bei der Feuilleton Lias ist nicht Spiel, ck», vir auf Lecken treiben, Unci schien es noch so groß unck tief ru sein! Ml wllcken Lülcknerschsren spiell cker eine, Lin snckier spielt mit tollen Zberglüubischeu, Vielleicht mit Lonnen, 8ternen irgenckwer. Mt Menschenseelen Iplele ich. Lin 5inn lllirck nur von ckem gefuncken, cker ihn sucht. Ls fliesten ineinoncker Orsurn unck Machen, Mahrheit unck Lüge, sicher heil ist airgencks. lllw wisson nichts von snckern, nicht» von uns. lllir spielen immer, Mer es weist, ist iciug. Sck>nllel«e. Eduard v-n Hartmann. Von Paul Seliger (Leipzig!. Ganz plötzlich und unerwartet hat un» der Telegraph di« Kunde von Eduard von Hartmann» Tode übermittelt. Mit ihm ist der Philosoph aus dem Leben geschieden, der vermöge eine» s«lt«n«n Zusammentreffen» hoher spekulativer Be fähigung und naturiviffenfchaftlich-induktwer Schulung sowie der umfassendsten positiven Kenntnisse auf dem Gebiete der Naturwissenschaft vielleicht wie kein Mwtter unserer Zeit- genoffen berufen erschien, an ber Ueberdrückung der Kluft mitzuwirken, di« Philosophie und Naturwissenschaft jetzt noch trennt — einer Aufgabe, die angesichts ihrer Wichtigkeit für die Gewinnung einer einheitlichen Weltanschauung gegen- rvLrtig von d« »«rschiedensten Weiten in Angriff -euommen wird, und zu deren Lösung Hartmann selbst in seinem letzten großen, vor einigen Monaten erschienenen Werke „Das Pro blem des Lebens" einen höchst wertvollen Beitrag geliefert hat. Allerdings schwebte dem Sechsundzwanzigjäyrigen, als er 1868 zum ersten Male seine „Philosophie des Unbewuß ten" veröffentlichte, dieses Ziel weit weniger vor Augen, als vielmehr eine Reform der spekulativen Philosophie, die, an die idealistischen Systeme aus der ersten Hälfte des Jahr- Hunderts anknüpfend, bemüht war, die in ihnen allen enthal tenen Grundwahrheiten aus ihrer Verquickung mit den fol genschwersten Irrtümern zu lösen und zugleich durch ihre allseitige Verknüpfung etwas Neues aufzustellen. Mit aller Entschiedenheit wandte er sich gegen die Ergebnisse der modernen Philosophie seit Descartes, der durch sein Ooaito, erao »um gelehrt hatte, daß das Ich als Trager jeder Denk- (und Empfindungs-) Funktion kein blasses Gedankending, sondern zugleich eine reale und substantielle Wesenheit sei und daß, weil im Ich Bewußtsein und Sein, Subjekt und Objekt, Ideelles und Reales identisch sind, biese Identität den eigentlichen Kern, daS metaphvsische Wesen der Dinge ausmache, und vertrat den entgegengesetzten Standpunkt, daß daS Bewußtsein nichts Primäres und Wesenhaftes, sondern ein Sekundäres, lediglich die Er- scheinung eines wesenhaft Realen sei, das selbst über alle Grenzen deS Bewußtseins hinauSliege. Er leugnete die Identität von Bewußtsein und Sein und ebenso, daß daS Reale irgendwie inS Bewußtsein hineinragen und somit von diesem unmittelbar erkannt werden könne. Er betonte, daß alles, was unmittelbar Inhalt d«S Bewußtsein» ist, eben deshalb auch Bewußtsein-Sein, d. h. ein Ideelles und also nicht» Reales ist. Abgesehen davon jedoch, daß Hartmann in und mit diesen letzten Bestimmungen nur di« Grund anschauungen KantS wiederholt, vergißt er ganz, daß «I doch nun einmal unerschütterlich feststeht, daß diese» L izito, «rD> «Uva auch für den „Philosophen de» Unbewußten" die einzig« unmittelbare Grundwahrheit und somit auch der Ausganas- punkt seiner wie überhaupt aller Philosophie ist, di« sich eben dadurch von den Einzelwissenschatten unterscheidet, daß > ff« «» nicht mit den Dingen in der Erscheinung selbst, sondern da» Leid in der Welt die Lust überwiege. Gegen die An erkennung dieser Folgerung sträubt sich vor allem das sitt liche und das religiöse Bewußtsein. Nun beruht aber die Sittlichkeit auf dem Absehen von allen eudämonistischen Erwägungen und dem uneigennützigen, opferwilligen Han deln lm Dienste objektiver, über die Sphäre der eigenen Individualität hinausliegender Zwecke, und ebenso hat das religiöse Bewußtsein die Sehnsucht nacb Erlösung von Schuld und Uebel zum wesentlichen Inhalt und damit die Erlö'ungs- bedürffiakett, d. h. die Existenz von Schuld und Uebel, zur unerläßlichen Voraussetzung. Die Erlösungenedür'ttgckeit haftet demnach dem Willen an sich an, den Hartmann im Gegensatz zu Schopenhauer in pantbeistr'ck'er Weise als gött- liches Urwesen aufsaßt, das die Welt schaffen mußte, um sich allmählich mit Hilfe der Idee vom Willen zu befreien. „Das reale Dasein ist die Inkarnation der Gottheit, der Weltprozeß die Passionsgeschichte deS fleischgewordenen Gottes und zugleich der Weg zur Erlösung des im Fleische gekreuzigten; die Sittlichkeit aber ist die Mitarbeit an der Abkürzung dieses Leidens- und Erlösungsweges." Dem entspricht e» auch, wenn Hartmann in seiner „Philosophie deS Schönen" die Forderung ausstellt, da» Schicksal de» tragischen Helden solle das gesamte Dasein al» In Nichtsein sich lösend, die allgemeine Willensverneinung al» Endzweck vorbildlich dartun. In der Naturvhilojopl'ie schließlich weist Hartmann dar aus hm, daß die Begriffe Mechanismus und Theologie durch- aus keine Gegensätze sind, sondern, wa» auch Kant schon ausgesprochen hat, lediglich Momente einer höheren Einheit. Diese höhere Einbeit bezeichnet Hartmann als logische Not- wendiakett; < .,a»epen in der Welt ist in jedem Augen blicke du, p.« Idee und folglich logisch bestimmt. „Die logische Rotwendlgkttt ist das einheitliche Prinzip, welches sich von der einen Seit« gesehen als Kausalität der mecha nischen Nctturgesetzlichkeit, von der andern als Theologie darstellt." Mechanismus bedeutet VermittelungSaoparat oder System voa Mitteln und deutet also schon im Namen aus di« Immanenz d«s Awickeß hin. Wär« drr Mechunc»- mit dem Verhältnis des erkennenden Ich zu diesen zu tun bat, mag sich der Urheber eines einzelnen Systems dessen bewußt sein oder nicht. Etwas anderes ist es natürlich, wenn wir nicht den prinzipiellen Ausgangspunkt der Philosophie Hartmanns, sondern die einzelnen Elemente ins Äuge fassen, aus denen er seine Weltanschauung aufgebaut hat. In dieser Hinsicht hat er selbst aus die mannigfachen Berührungspunkte auf merksam gemacht, die feine Philosophie mit den Systemen von Leibniz, Kant, Fichte, Schelling, Hegel, Schopenhauer gemein hat, und Volkelt hat recht, wenn er sagt, Hartmann habe mit seinem Prinzip des Unbewußten nur einen Ge danken ausgesprochen, auf den fast sämtliche Richtungen der Philosophie von den ältesten Zeiten bis auf die Gepenwart hinstreben, der aber freilich erst offen hervortreten und von da an eine immer größere Bedeutung gewinnen konnte, nachdem Descartes mit seinem Oooflto, «riro »van den Gegensatz dazu, das Bewußtsein, ausdrücklich zum Prinzip erhoben patte. Ganz besonder- eng berührt sich Hartmanns Philosophie mit den Gedankengängen Hegels und Schopenhauers. Mit Hegel betrachtet auch er die Idee al» das Wirkliche in den Dingen, daS in ihnen über das sinnlich Wahrnehmbare hinaus vorhanden ist, und der Mensch muß von den ge- aebenrn Tatsachen zu diesen Ideen fortschreiten, wenn er oie Ding« und Vorgänge in der Welt erkennen will. Diese Ideen sind allerdings unbewußt, ganz so wie bei Heael die Ionisch« Idee in der Natur auch nur unbewußt vorpanden ist. um im Geist« al» Bewußtsein wieder auszusteher. vnt dadurch zur absoluten, d. h. sich selbst wissenden Idee zu werden. Von schovenhauer entnahm Hartmann die Lehre von dem blinden Willen, der ja nach der Auffassung des Frankfurter Philosophen daS ..Ding an sich" rst. das «mes Gehirnes bsdars, um sich in diesem da« Licht des Bewußfleink anzuzünden. Der Zdeen- und der Willensgehalt machen demnächst in ihrer Vereinigung für Hartmann die unbewußte Grundlage der Welt auS. Mit Schopenhauer zieht auch er au» dem blinden unstillbaren Drängen des Willens nach Befriedigung d«n Schluß, haß
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