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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 30.06.1906
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1906-06-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19060630026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1906063002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1906063002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1906
- Monat1906-06
- Tag1906-06-30
- Monat1906-06
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Dr. von Boetticher verläßt seinen Magdeburger Posten, um sich in das Privatleben zurückzu ziehen. Seine Beamtenlaufbahn hat ihn auch 17 Jahre hin durch an eine der verantwortungsvollsten und höchsten Stellen der Reichsverwaltung geführt. Am 6. Januar 1833 rvurde er zu Stettin geboren, studierte von 1852 bis 1855 in Würzburg und Berlin Jura, trat 1855 als Kammergerichts auskultator in den Staatsdienst und wurde am 9. Juni 1860 zum Gerichtsassessor ernannt. Gleich darauf trat er zur allgemeinen Staatsverwaltung über, war dann als Regie rungsassessor in Gumbinnen. Danzig. Stralsund und Pots dam tätig, wurde 1864 als Hilfsarbeiter in das Handels ministerium berufen, 1865 trat er als Ratsherr der Stadt Stralsund in den Kommunaldienst, kehrte 1869 als Hilfs arbeiter in den Staatsdienst zurück und wurde 1872 zum Ge heimen Regierungsrat und Vortragenden Rat in diesem Ministerium ernannt. 1873 wurde v. Boetticher Landdrost in Hannover, 1876 Regierungspräsident in Schleswig und 1879 Oberpräsident der Provinz Schleswig-Holstein. 2sm 13. September 1880 wurde ihm das Staatssekretariat im Reichsamt des Innern unter Ernennung zum Mitglied des preußischen Staatsministeriums übertragen, dessen Vize- vräsident er 1888 wurde. In dieser hohen Stelle eines Staatssekretärs im Reichsamt des Innern hat Herr ->on Boetticher die allerverschiedensten Wandlungen erlebt und unter ihnen doch auf seinem Posten ausgehalten. Unter sein Staatssekretariat fielen die ersten sozialresormerifchen Ge setzesmaßnahmen im Versicherungswesen und in der sozial politischen Gesetzgebung. Er hat die Sozialresorm Kaiser Wilhelms I. vertreten i nd hat die Kaiser Wilhelms II. mit ihrer Botschaft vom Jahre "890 mitgemacht. Er hat das Sozialistengesetz und die Wirtschaftspolitik des alten Kaisers verteidigt. Er bat nach den Märztagen von 1890 dem neu>n Kurs gedient, die Caprivische Handelsvertragspolitik unter stützt und sich von dem Altreichskanzler abgewandt, mit dem er ein Jahrzehnt hindurch gearbeitet hatte. Als mit dem Amtsantritt Hohenlohes eine leise Wendung zu der Politik des alten Kurses eintrat, hat er sich auch in den Dienst dieser Richtung gestellt. Er ging keine eigenen Wege. Er vertrat keine eigenen Gedanken Er war ein Verwaltungs beamter unter jedem Regime. Das konnte ihn unter allen Stürmen auf dem Posten erhalten. Das brach ihm aber auch im Jghre 1897 den Hals, als er auf eine der schärfsten Oppositionsreden Eugen Richters im Reichstage, bei der dieser auch von der „politischen Wurstigkeit des Herrn von Boetticher" sprach, keine Erwiderung fand. Zwar blieb er noch wahrend der üblichen Anstandsfrist auf s-inem Posten, um nicht unmittelbar als Opfer eines parlamentarischen An griffs von liberaler Seite zu fallen, aber wer jener denk würdigen Reich.iagssitzung beigewohnt hgt, konnte in keinem Zweife, sein, daß Boettichers Tage im Reichsamt des Innern gezähli leien. Er erhielt gerade vor 9 Jahren, am 1. Juli 1897 seine Entlassung. Sie wurde in gnädigen Worten gewährt mit dem Hinweis daraus, daß der Kaiser beabsichtige, Boettichers „bewährte Kraft" anderweit im Staatsdienst zu verwenden. Das geschcch, indem ihm das Amt eines Oderpräsidentcn der Provinz Sachien übertragen wurde, aus dem er nun geschmückt mit den Brillanten zum Schwarze« Adlerorden scheidet, um seinen Lebensabend in Naumburg a. d. S. zu beschließen. Vorbereitung«« z« neue« MafsatreS i» Rußland. Aus Rußland kommen fortgesetzt alarmierende Mel dungen über bevorstehende Judemnajsacres. Es heißt, daß namentlich in einer Anzahl Städte des westlichen und süd lichen Rußlands eine wahre Panik unter den Juden über die Vorbereitungen herrscht, welche zu den Pogroms anscheinend getroffen werden. Zum Teil mögen dies« Befürchtungen übertrieben sein, aber es liegen doch auch Nachrichten vor, die sie vielleicht rechtfertigen. So hatten zwei Petersburger Journalisten, die Herren S. Zederbaum und I. Iordanski, rin« Unterredung mit dem Vorsteyer des 4. Polizeibezirks von Petersburg Dararsch, die mit folgenden Worten des Po- lizeioffizierS schloß: „WaS will Bialystok sagen! Hier tu Petersburg wird demnächst noch eine ganz andere Judenmetzelei vor sich gehen. Und in meinem Revier werden wir ei» solches Abschlachten arrangieren, daß kein einziger Judenjunge am Leben bleibt!" — Da dl« Namen der bei der Unterredung Beteiligten genannt werden, so dürfte an der Wahrheit dieser geradezu haarsträubenden Mittei ung kaum zu zweifeln sein. Ob di« Drohung des Polizeioffizier» sich verwirklichen wird, ja, ob sie überhaupt ernst gemeint, oder nicht vielmehr nur eine leere Wichtigtuer« war, um die Juden in Angst zu jagen, ist ja möglich, aber wi« die Ver hältnisse im russischen Reiche liAen, ist es ebensogut glaub haft, daß tatsächlich unter Mithilfe d«r Polizei auch in Petersburg ein Judenmassacre vorbereitet wird. In welcher offenen Weife das schamlose Treiben zu einer Aktion gegen die Juden und die Intelligenz betrieben wird, enthält ein Vries, den das „Wiener Tagebl." aus Sebasto- p o l empfangen hat. Insbesondere geht aus ihm hervor, daß man die Armee dazu benutzt, an den bevorstehenden Pogroms «inen intensiven Anteil zu nehmen. Das wird durch nachfolgendes Schreiben erwiesen: „An den Kommandanten des Regiments Bialhstok, Obersten Schulz. (Vertraulich.) Hiermit befehle ich Euer Hochwohlgeboren, die schärfsten Maßregeln zu ergreifen, um die Unteroffiziere und Mann schaften des Ihnen anvertraut«n Regiments in der ge bührenden Weise von den Bewohnern der Stadt zu iso lieren und zu verhindern, daß sich dem Militärlager Per sonen deS Zivilstandes, in Mittelfchul- oder Stlrdcnten- uniformen nähern. Von Zivilpersonen dürfen Sie nur jene durchlassen, di« «ine Erlaubnis des Divisionsstabes besitzen. Die Druckschriften, welche von diesen letzt bezeichneten Personen überbracht werden, bitte ich in weitem Maße unter der Mannschaft zu verbreiten, und für den Fall, daß diese den Inhalt nicht vl'cstehen sollten, sie durch die Herren Off.ziere darüber auf- klären und eingehend instruieren zu lassen. Diese Schriften werden, da sie patriotisch sind, die Grund lagen des Thrones und die Sicherheit des Vaterlandes be schirmen, den Soldaten die Augen öffnen, gegen wen sie kämpfen müssen. Außerdem entspricht die Er- wünschbarkeit ihrer Verbreitung vollständig den Ansichten der oberen Regierungsgewalten, von denen diese An ordnung ausqeht. Ich bitte, diesen Befehl im Auge zu behalten und von dessen Durchführung mir in der nächsten Zeit Bericht vorzulegert. Unterschrieben: Generalleutnant Nieplujew. (Unterschrift des Adjutanten unleserlich.! Datiert vom 29. Mai a. St. 1906. Aus diesem Befehl ist zu entnehmen, daß man irgend et was vorbereitet. Was das aber ist, geht aus den in obigem Schreiben erwähnt«« „patriotischen Druckschriften" hervor. In ihnen wird nämlich zur Niedermetzelung der Juden und der Intelligenz aufgefordert. Die Flugblätter tragen Titel wie: „Die Juden und die Duma", „Der Thron in Gefahr", „Der Treueschwur und der Zar", „Nieder mit den Iw! — — — . der Offiziere, welche Pogroms agitieren. Workal, Sofchinski. „Der Treueschwur und der Zar", Mden!" Der Bries nennt die Namen .: als Oraonisatoren und Prediger von Es sind di« Kapitän« Burakow, , ,,Jn diesem Augenblick", so heißt es m dem Schreiben weiter, „veran talten die Offiziere selbst Ver sammlungen und Meetings der Soldaten, lesen ihnen die Flugschriften der „Schwarzen Hundertschaften" vor, sichern ihnen Freiheit ihres Tuns zu und Straflosigkeit für alles, was sich ereignen würde. Da die besten und vor geschrittensten Elemente aus den Truppen entfernt worden ind, nur di« finstere, schwerfällige Masse unserer gewöbn- ichen Liniensoldaten zurückgeblieben ist, so wird die Wahr- cheinlichkcit eines Pogrom» immer größer und größer. Die Matrosen werden dieser Tage auf die See hinausgeschickt, da man fürchtet, daß für den Fall «ines Pogroms die Matrosen zu den Arbeitern und zur Intelligenz übergehen werden. Den Landlruppen werden Abdrücke der Telegramme über di« Vorgänge in B'alystok verteilt. In diesen Deveschen werden die Juden des Schleuderns von Bomben, der Ermordung von Geistlichen, von Pilgern, Frauen und Kindern beschuldigt. Die Atmosphäre wird von Tag zu Tag schwüler. Auf dem Basarplatz, im Narodnij Dom, wo Hunderte von Barfüßlern, Bettlern und Hooligans speisen, aus den Kais und tm Hasen verteilen verdächtige Individuen aufreizende Flugblätter, die zum Pogrom, zu Massacres, zu Raub und Blutvergießen auf rufen." Nach solchen Vorgängen muß man sich allerdings auf neue Greueltarcn gefaßt machen. Es ist dabei nur unbegreiflich, welchen Nutzen sich eigentlich die Arrangeure von ihnen ver spreche». Deutsches Keich. Leipzig, 30. Juni. * Graf Dönhoff f. Wie wir schon kurz gemeldet haben, ist gestern nachmittag der ehemalige preußische Gesandte am sächsischen Hofe, Graf Dönhoff, gestorben. — Geboren am 27. Juli 1833 als Sohn eines Oberhof meisters, ist er 1855 als Referendar in den preußischen Gerichtsdienst getreten. Seit 1858 wurde er als Attachü im Auswärtigen Ministerium beschäftigt, dann ein Jahr in der Pariser Gesandtschaft und 1862 Legationssekretär bei der Gesandtschaft am päpstlichen Stuhl, zwei Jahre später aber am italienischen Hof (zuerst zu Turin, dann zu Florenz). Er war zugegen, als König Viktor Ema nuel II. seinen feierlichen Einzug in das bei Sadolva für das geschlagene Italien mit erkämpfte Venedig hielt. t568 wurde er an der Gesandtschaft in Stuttgart zum Legationsrat befördert und ein Jahr jpäter im persön lichen Dienst drs Grafen Bismarck im Auswärtigen Amte beschäftigt. Bon 1870 an stand er bei der Wiener Bot schaft in hervorragender Stellung. Seit 1879 endlich war er preußischer Gesandter in Dresden und wurde an seinem 25jährigen Jubiläum von König Georg mit dem sächsischen Hausorden der Rautenkrone ausgezeichnet. — Der Verstorbene verband mit ausgeprägtem diploma tischen Takte eine persönliche Liebenswürdigkeit, die sein jüngstes Scheiden aus der langjährigen Wirksamkeit bei allen bedauern ließ, die dem jetzt Entschlafenen näher gestanden hatten. * Neue Nachrichten aus Tcutsch-Ostasrika verbreitet der Berliner „L.-A." auf Grund eines ihm aus Dar-es Salaam am 29. Juni zugegangenen Kabelberichtes. Hauptmann Schönberg meldet, daß nördlich von Liwale die Neigung zur Unterwerfung gering ist. Er errichtete daher dort einen Posten mit europäischer Besatzung. Nach Meldung des Postenführers in Liwale üperfielen zwei Hauplfnhrer bereits unterworfene Jumben in Nan- goscho nordwestlich von Liwale. Das Detachement Schönberg nahm an der konzentrischen Operation gegen Mgcnde teil, außerdem die Detachements der Hauptleute v. Wangenheim, v. Grawert, der Oberleutnants Graf Shyboltstorff und v. d. Marwitz. Die Aufständischen wurden in zwei große Gruppen auseinander gesprengt. Ein Teil wich unter Schabruma nach Westen in die Mharikaberge und die Gegend südlich zurück; ein anderer wurde nach Osten gegen den Msiaragandu abgedrängt. Die weiteren Operationen nach Westen hat Major Jo hannes mit der 13. Kompagnie unter Oberleutnant von der Marwitz ausgenommen, während die 14. Kompagnie unter Hauptmann von Scherenberg gegen den Mhara- gandu vorgeht. Freiherr von Wangenbein! meldet gleich falls, daß die Untenverfung der Aufständischen bei Ma- hengc beginnt, er geht zur Station Mahenge zurück. Im Mahengebezirk scheint die Ruhe gesichert. Nachrichten aus Jraku sind in Dar-es-Salaam noch nicht eingegangen. * Versöhn«»» der beiden Lippert Die „Lippische Landeszeitung" glaubt das Zusammentreffen des Besuches des Fürsten von Schaumburg-Lippe und de» Fürste» von Lippe-Detmold auf der Jusel Norderoey im Sm« einer Annäherung zwischen deu durch de» laustjährigeu Thronfolge streit entfremdeter« Vetter« deute« z» köaueu. Da auch der Reichskanzler aus Norderney weil^ fo sei eure ArmLheruug um so wahrscheinlicher. 7 865 7825 »LOS LSL4 10547 7 774 7 673 6552 1637 K * Altena - Iserlohn. Zwar stimmen jetzt dario alle Zahlenberichte überein, daß eS bei dem traurige« Resultat: Stichwahl zwischen Zentrum uud Sozialdemokratie bleibt, aber die Angaben über die Zahlen gehe« immer »och weit auseinanver. Die „Boss. Ztg." stellt die Ziffer« nebenein- auver, die von dem offiziellen „Wolffscheu Telegraphen-Bur." und von der „Köln. BolkSztg." gemeldet werde». Vs habe« erhalten: nach „W. Haberland (Soz.-Drm.) Klocke (gentr.) . . . Müller (Freis. BolkSp.) Haarmann (Nat.-Lib.). Rüfser (Thristl.-Soz.) . Zersplittert .... Nach „W. T.-B." wäre« abgegeben insgesamt 34 188, nach der „K. Volks,tg." 34 210 Stimmen. Nach der „vor läufigen" Feststellung des offiziösen Bureau« hatte der Kan didat des Zentrums einen Borsprung von 101, »ach der des klerikalen Blattes nur von 40 Stimmen vor dem der Frei ¬ sinnigen VotkSpartei. Dem Vorstand der Freistanige« VoUs- partei sind folgende Zahlen au« dem Wahlkreise übermittelt worden: Haberland 10 552, Klocke 7770, Müller 7691, Haarmann 6553, Rüfser 2012 Stimme«. DaS siud i»S- gesamt 34 578 mit einem Mehr von 79 für de» Kandidaten des Zentrums gegenüber dem freisinnige». Mau wird dem gemäß bis Montag warten müssen; vor der amtlich«« Feststellung wird keine unbedingte Gewißheit darüber zu «rlaugen sein, zwischen welchen Kandidaten die Stichwahl stattfiudet. II Der Deutsche Hanbluiigsgeh»lfe»verbautz uud Per Antisemitismus. Der antisemitische Deulschaaliouale Haad- lungSgehülfenverbaud in Hamburg steht bekauutlich iu scharfem Gegensätze zu dem Deutschen HauvlunaSgcbülfea- verband (Sitz Leipzig). Anläßlich deS 25jahrigeu Bestehens des letzteren schreibt nun die „Deutsche Handelswacht", das Organ des antisemitisckeu Verbandes, der erste Vorsteher des Verbandes Deutsche« Handlungsgehülsirr hoffe, den Aus schluß der Juden aus diesem Verbaad« durchzu setzen. Hierzu wird uns mitgettilt, daß der Verband Deutscher Handlungßgebütfrn in Leipzig überhaupt politische und konsesstonelle Verschiedenheiten innerhalb seiner Mitglieder nicht kenne uud daß diese Unterstellung »«richtig uud er- suudeu sei. * Streikklausel. Um zur Frage der Durchführung der Streikklausel innerhalb der deutschen Textilindustrie Stellung zu nehme«, fand kürzlich in Berlin unter der Leitung der Hauptstelle deutscher Arbeitgeberverbände eine Versammlung der Arbeitgeberverbände und wirtschaftlichen Verein« der ge nannten Industrie statt. Seitens einer hierzu gewählten Kommission war riue Streikklausel ausgearbeitet worden, die die Rechtsverhältnisse im Falle von Streiks, Aussperrungen usw. zwischen den Lieferanten und Abnebmern der beteiligte» Fabrikatiousbranchen festlegt. Diese Fassuug wurde von der Versammlung nach Vornahme einer Aeuderung angenommen und beschlossen, sie den einzelnen Vereinen und Verbanden der Textilindustrie zur Ausnahme in die Verträge zn empfehlen. * Kleine politische Nachrichte«. Drr Reichskanzler ge denkt, wie die „Neue politische Korrespondenz" aus Norderney er fährt, wenn nichts ihn unbedingt Abruiendcs eintritt, bis zum Herbst daselbst zu verbleiben. Nach derielbrn Korrespondenz ist der Prrwnal-Reserent in drr Kolonialabteilung des Auswärtigen Amtes, Geheimer Legationsrat Rose, an einem rheumatischen Leiden er krankt und kann seit etwa acht Tagen seine Wohnung nicht verlassen. * Berichtigung. In dem Artikel „Dreimark- oder Fünf markstück" jNr. 326 des "L. T."j ist zu lesen statt seit 5 Jahren 35 Jahren und dann sind an die folgenden Zahlen je drei Nullen anzuhängen, die durch ein Versehe» sortgevlieben sind. Feuilleton. lllir wissen nicht, warum wir lebencl sincl; Uucl selten nur stirbt einer, weil er will; Ola fremckes Schicks»! macht uns gehn unck kommen; Unci ohne Uilfe sincl wir arm uns blincl Unci halten selber unserm Unglück still; Uucl wie wir nahmen, wercken wlr genommen. N. n. SchrSSor. Lin« Aesthetik tzsr Versöhnung, Zur 25. Wiederkehr von Lohes Tod. Bon Dr. Carl Weichardt (Leipzig). II. So schlägt der Mann, der die Weltstellung der Schön beit in Schellings Idealismus voll erkannt uny anerkannt hat, von dort eine Brücke nicht nur zu Kant und Herbart, sondern selbst zur experimentalen Aesthetik un serer Tage, und Lotze ist es auch gewesen, der, wie Fechnex selbst dankbar anerkennt, den Begrjss drr Assoziation, di« in Fechn«r» „Vorschule der Aesthetik" eiye so große Rollt spielt, in die ästhetisch« Untersuchung eingeführt hat. Er klärte er doch, wi« wir scbon sahen, den Wert und die Wir- kung äußerer formen durch da», woran sie erinnern; ästhetisch wirten sie aus uns „sofern sie Symbole eine» von un» er lebbaren eigentümlichen Wohl» oder Wehe« sind" oder — im höchsten Grad« — sofern sie da» Gute, da« Sittliche, Zuverlässigkeit, Sicherheit, Treue gegen sich selbst oder was sonst, widerspiegel« und irgendwie bindeuten auf den meta physischen Urgrund alle« Sein». So erscheint der psycho. lmsische Begriff der Assoziation in LokeS die Gegensätze überbrückender Aesthetik metaphysisch vertieft, — wo« man- „»t« vsgmstemmg »er Formalist«» für di« „bloß«a For - men" bezeugt, daß auch sie in aller Schönheit mehr als ein bloß tatsächlich gefallendes Verhältnis daß sie in ihr auf irgend eine Weise den Abglanz oer höchsten Werte fühlen, die allein dies« Verehrung und diese Hin gabe des menschlichen Gemüt- rechtfertigen können".") Konnten so kür Lohe schon die bloßen äußeren Formen zu Erregern höchster und feinster ästhetischer Gefühle sich ge stalten, so werden wir nicht andere» erwarten, als daß er auch den wesentlichen Wert de» eigentlichen Kunstwerks in dessen Form erblickte, und doch zugleich denen gerecht wurde, die von der Kunst di« Auslösung sittlicher Energien verlang- ten und im Kunstwerk einen wertvollen ethischen Gehalt zu finden wMschten. Zwar: „Werken -er Kunst di« Empfehlung bestimmter Pflichten »der Anleitungen zur Tugend -uzu- mut«n, überhaupt die ganze kleinliche und eng» herzige Weis«, die relativ« Selbständigkeit de, Schönheit -u verkennen «nd sie zu unmittelbarem Dienste d«r Moral oder der Wissenschaft herabzuwürdsg««: alles dies". verwahrt sich Lotze, „ist weder Folge der von mir vertretenen Ansicht, noch hängt e« irgend mit ihr zusammen"'") die „Moralität der Kunst" kann „nicht in Ermahnung, nicht in Einschärfung stttlichrr Prinzipien" bestehen, sondern „stet» nur in Dar. stell««« der formell« n „Schönhei t", durch die unsere Phantasie zu dem anscha«eud«n G«nuß eines, nicht bloß geforderten, sondern verwirklichten Guten ge. langt.'s) Der alt« Streit über Inhalt »nd Form aber wird, auf die Spitze getrieben, i« Lotzes Auge« zu einem bloßen Streit um Worte; indem di« formelle Behand lung he» Inhalt» Mgl«ich «in« Kritik seine» Werke» liefern kann, fließe« Form und Inhalt, Kunst und Ethik untrenn bar ineinander über. Und auch wo die eigentlich künstlerisch« Freud« an der harmonischen Form de» Ganzen wcchl abzu- grenzen ist. muß man doch zugeben, daß dies« Freude ge mehrt gper gemindert werden kann durch den mehr «er minder erfreulichen Inhalt drr V«rhältni»glieder der Form, und »an wird Lotze», wiederum di, Gegensätze zusammen- Ebenda S. 41S. I „Geschichte der «est-et^S. »4. ") „Gruud-üge der Nefcheti^', 41. fassender Anschauung darin beistimmen, daß „die als abstns- vcir gedachte Schönheit durch ein Produkt aus der Wohlgefälligkeit der Form in den Wert des in ihr niedergelegten Inhalts gemessen werde".") Ein paar Stichproben mögen zeigen, wie Lotzes ästhetische Anschauungen sich in seiner Beurteilung der einzelnen Künste Widerspiegeln. Wenn die Form das unterscheidende Merk- mal aller Kunst ist, auf welche Art und in welcher Bedeu tung äußert sie sich in der M u s i k? Hanslick, der musi kalische Formalist »«»' hat bekanntlich die Musik nur als ein Spiel tönend bewegter Formen gelten lassen wollen, und Lotze gibt ihm darin völlig recht, „daß unmittel bar die Musik nur das Dynamische der geschehenden Ereig- nisse nur die Figuren ihres Geschehens wiedergibt; aber den Wert dieser Figuren halten wir für keinen eigenen; sie erscheinen schön indem sie die Erinnerung der un- zähltgen Güt«r erwecken, die in dem gleichen R Hy thmu S oeS Geschehens und nur in ihm denikmr sind.") — In der Malerei sieht Lotze seine formale „Forderung steter Erinnerung an allgemeine Gesetze" be- sonders durch zwei Momente erfüllt, die ihn beide als ei.ien beredten Verteidiger besonders der modernen Malttrnst erscheinen lassen, mit deren Eigenheiten seine Worte viel leicht manchen versöhnen könnten. ImLichte erkennt Lotze für die Malerei das allgemeine, grundlegende und geistig wertvolle Gesetz da» alle Beschränkungen der Endlichkeit durchleuchtet. „Worin", sagt er schön,") „liegt di« Weihe, di« auf den harten Zügen eines pflügenden Landmanns plötz lich ruht, wenu der volle Schein des Abendrots ibn umfließt, wen» »icht In der Anschauung, daß ein freundlicher, atlwal- tender Naturgeist den Verlassenen fetzt in sein« Lebendigkeit mit einschließt «nd di« Fülle feiner Güt« selbst auf die toten Werkzeuge sein«» menschlichen Verkehre- veredelnd auS- a>«ßt?" Un ein Weltgesetz aber gemcchnt ferner überhaupt di« Möglichkeit der Natarnochahmnng. wie solch« besonder» die Malerei erstrebt denn „jede Naturnachahmung erinnert u»« an die merkwürdig«, obgleich selbstverständlich ,chcinend« 2 «es»"«". S. 28. ") „Heber Bedingungen der KmrstschSa-ett", S. 22S. Tatsache, daß esvon DingenBildergebenkann, daß nicht nur das Gleiche sich durch Gleiches wiederholen, sondern jegliches sich vermöge des Füreinanserpassens aller Dinge und Wirkungen auch durch ganz Verschiedenes ähn lich varstellen läßt". Der Freude hierüber spricht Lotze ein „ganz ästhetisches Recht" zu. ,,^nn sie beruht auf jener über all ausgegossenen wechfelseitigen Commensura- bilität des Weltinhalts, die allerdings Grund aller Schönheit ist".") Mit diesen feinen Randbemerkungen hat Loke den Naturalismus im Prinzip vor einer völligen ästhetischen Verdammnis sicherlich gerettet. Für die Dichtkunst und jm weiteren Sinne für die Kunst überhaupt unterscheidet Lotze mit Schiller zwei oder drei verschiedene Färbungen einer ästhctiichen Empfin dlings- und Ausdrucksweise, einer ästhetischen Weltan schauung: die naiv«, di« > en t i m « n ta l i s ch e und «ine dritte, welche mit dem Bewußtsein der in den erstgenann ten ausgedrückten Gegensätze den „Trost ihrer nicht tensei- tigen. sondern ewig sich vollziehenden Ausgleichung verschmilzt".") Diese dritte ästhetische Empfindungsweis«, für die weder Schiller noch Lohe einen Namen hat. ent springt einer (mit der Natur) harmonierenden, (die Erscheinunoswelt) symbolisierenden sversinnbrld- lichendcn) Phantasie, ) und ihr künstlerischer Ausdruck ist die Symbolik, wie sie Goethe erstrebte, wie sie Schiller ahnte und wie wir sie beute nach dem Wider streit zwischen Naturalismus und Symbolismus sreudiaer und bewußter als je zu schaffen suchen. Lotze» Aesthetik der Versöhnung findet in seiner klare« Voraussicht Vieser sich entwickelnden Verschmelzung naiven und romantischen, heid nischen und christlichen Geistes zu einer dritten Welt, nnd Kunstanschauuag ihren letzten Höhepunkt; al» ein ästhetischer Prophet stebt er damit vor uns, wie er — zu der Zeit da Lotze sein« Prophezeiungen inederschrieb, vor 1880 —'ge wiß eine ganz vereinzelte Erscheinung war. Der Natur- ") „Geschichte der Aesthetik", S. 600. " „Uever den Begriff der Schörcheit*. S. 335. ") ak. Di« Einleitung meiner Schrift „Di* Entwicklung de» Narnrgefühl» tu der nittelengl sichen Dichttr»tz". Kia 1S00.
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