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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.02.1894
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-02-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940227010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894022701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894022701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-02
- Tag1894-02-27
- Monat1894-02
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Tabellarüchrr und Zkfsrrnfap nach höhere« Laris. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit her Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderang SO.-, mit Postbrförderung 7V.—. Anaah«eschluß siir ^azeigea: Abend-Ausgab«: Vormittag« 10 Uhr. Marge n-Ausgab«: Nachmittag« «Uhr. Sona, und Festtag« früh '/«9 Uhr. B«i den Filialen und Aonahmeskrlle» j« «in« halb« Stund« früher. Taz eigen find stet« an di, GrtzeHUta« za richte». Druck und Verlag von E. Pol, t» Leipzig. Dienstag den 27. Febnrar 1894. 88. Jahrgang. Für Ak»i»L kmm das Leipziger Tageblatt durch alle Poftauftalteu des deutschen Reiches und Oesterreich-Ungarns zum Preise von 2 bezogen werden. In Leipzig abonnirt man zum Preise von 1 85 ^f, mit Bringerlohn 2 und nehmen Bestellungen entgegen sä mmtliche Zeitung Sspcditeure, die Hauptexpedition: Johannesgaffe 8, die FUialen: Katharinenstratze 14, Königsplatz V und Univerfitätsstratze 1, Peterskirchhof 5 Herr Aax ^lertb, Buchbinderei, Pfasferrdorfer Strafte 1 Herr .4. O. 0IL88C», Colonialwaarenhandlung, Ranftsche Gasse 8 Herr b'rlvUr. Kl8vl»6r, Colonialwaarenhandlung, Ranstädter Tteinweg 1 Herr 0. Colonialwaarenhandlung, Schützenstrafte 5 Herr 4ul. di;», Cvloniallvaarenhandlung, Westplaü 32 Herr 11. INttrieb, Cigarrenhandlnng, Horkstrafte 32 (Ecke Berliner Straße) Herr 0. .4. keeNau, Colonialwaarenhandlung, in Neustadt Herr XIeiueii8 8ebvit, Eiscnbahnstraßc i, - Plagwitz Herr Ll. Oriit/iuan», Zschochersche Straße 7 a, - Reudnitz Herr >V. Vuxmunu, Marschallstraße 1, - - Herr Kerub. U>ber, Mützengeschäft, Leipziger Straße 6, - Thonberg Herr k. Uiiutseb, Reitzenhainer Straße 58, sowie nachfolgende Ausgabestellen: Arndtstrafte 35 Herr L. 0. Llttel, Colonialwaarenhandlung, Be^chovenstrafte 1 Herr ^keoä. keter, Colonialwaarenhandlung, Brühl 80 (Ecke Goethestraße) Herr llerm. Aesslitz, Colonialwaarenhandlung, Frankfurter Strafte (Thomasiusstraßen-Ecke) Herr Otto Colonialwaarenhandlung, Löhrstrafte LL Herr IlÄuuril ketLer, Colonialwaarenhandlung, Marschnerstrafte S Herr kaul 8ebre1ber, Trogengcschäft, Nürnberger Strafte 45 Herr LI. L. Ubreedt, Colonialwaarenhandlung, „ , Zeitzer Strafte 35 Herr V. LÜ8ter, Cigarrenhandlung, in Anger-Crottendorf Herr Robert Oreiner, Zweinaundorfer Strape 18, - - Connewitz Frau Reeder, Hermannstraße 23, 1. Etage, - Eutritzsch Herr Robert Bitner, Buchhandlung, Delitzscher- u. Blumenstr.-Ecke, - Gohlis Herr Ib. Rr1tL8ebe Lsuebsolxer (L1uttbe8lll8), Mittelstraße 5, - Lindenau Herr R. Outberiet, Cigarrenhandlung, Markt 22, in Bölkmarsdorf Herr 6. Xuumuuu, Conradstr. 55 (Ecke Elisabcthstr.). Amtliche Bekanntmachungen. Lekanntmachnng. Di« Trftehsr d«r Hilzer in den städtischen Forstrevieren werden hierdurch zur un^eiäumten Abfuhr« ausgrsordert, widrig«», fall« nach den Licitationsbedingungen verfahren w«rden müßte. Leipzig, am 22. Februar 1894. De« Rath« Forst-Deputation. Lekauntmachung. verloren gegaugen sind die Arbeitsbücher d«< Stuhlbauer» Franz Ewald Richter, geb. 26./6. 75 in Rose», thal (Dresden 1898); de« Looft»rfchen Friedrich Augost Julio» Ungnade, geb. 30./12. 77 in Leipzig (das. 21099 1892); dr« DefsrlfchmiedS Wilhelm Franz Donner, geb. 12./7. 74 in L«utzsch (Leipzig 6848/1892); der Arbeiterin Mioaa Alma Neubauer, geb. 21./12. 75 in Neu- statt (Leipzig 8044 1892); d«S Schlossergehilfen Friedrich Max Fischer, geb. 9 /9. 73 in Pomßen (Leipzig 189/1888); de« ArbeitSborschen Otto Hegewald, geb. 21./8. 77 in Braun- schweig (Leipzig 9892/1892); de« Schlosserqesellen Max Moritz Hanner, geb. 2S./9. 75 in Leipzig (des. 13068/1892); d«» FlrischerlehrlingS Emil Oscar Große, geb. 26./1. 78 in Boll- marsdors (Leipzig 16357/1892); de« Laufburschen Ernst Reinhold Werner» geb. 14./7. 78 in Bohli» (Riesa 1893); de« Srbeil-Ibnrichen Johann Karl Grauer, geb. 29-/4. 78 in Belsen- kirchen (Leipzig 11127 1892); de« Lanfburfchen Richard Reinhold Schmidt, geb. 9/1. 79 in Schönefeld Wockan 1893) und de« Steindrucker» Albert Ferdinand Ernst Reisch, geb. 3./2. 74 in Prag (Leipzig 2921/1892). Wir bitten, diese Arbeitsbücher im BnsfindnngSsalle Naschmarlt 2, Erdgeschoß, abzuliesern. Leipzig, am 23. Februar 1894. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Petzoldt Diebstahls - Bekanntmachung. Gestohlen wurden laut hier erstatteter Anzeige: 1) eine silberne Ankeruhr mit doppeltem Goldrand, Cecund« nnd der Nummer 84 635 am 8. d. M.; 2) etn Zackkt-Anzng von braunem, rauhem Cheviot, ein Zacket von starkem, graugeiireiitem Stoss, mit schwarzem Futter und zwei Reihen Knöpfen, etue Hose, säst aen, von dunkelblauem, geriestem Cheviot, am 18. d. M.; 3) ein Kleid (Rock und Taille) von hellbraunem, weihgestreisttm Stoss, ein grauer Ftlzrock und ein grauer Damen-Gumnnrrgcu- «antel, wadrend der letzten drei Monate; 4) et» WtuterLberzteher von starkem, glattem, dunkelgrünem Stoff, mit einer Reih« verdeckter, schwarzer Hornknöpse und hell- braunem, großcarrirtem Futter, am 25. d. M.; 5) ein Wtalrrkberztrber von braunem, rauhem Stoff, mit braunem Sammetkragen, gelbem, buntgestreiftem Futter, Stoffbeutel und etner Reihe schwarzer, verdeckter Hornknöpse; etn Winter- überzieder von blaugrauem, glattem Sloff, mit Sainmetkragrn, Krttchenhrnkel, einer Reihe verdeckter Hornknöpse und gelbem Futter: etn Jocketonzug von schwarzem gestreiftem Kanrnigarnstoff (im Jackethenkel und Hoseiisntter die Firma ,.8ru,t dlllUer") und »in schwarzblaues Zacket mit einer Reihe Hornknöpse, am 24. d. M, Nachmittag». 6) »»et Lheerdecken, Nr. 1804 und 1667 gr»ichnet, 75 kg schwer, am 10. d. M.; 7) rin »inderwagen.bronzlrt, mit blauen Vorhängen, schwarzem LrderauSschlag nnd Veloetpettädern, vom 21. bi- 2L. d M.; 8) 4 Stück Kodlcnlörbr von Rohrgestecht, wahrend der letzten 2 Wochen; 9) ein kleiner rothdraaner Hnnd (Spitz) mi» Maulkorb und Steuerzeichen 2054/94, am 17. d. M. Etwaige Wahrnehmungen über den Verblieb der gestohlenen Beqenstäntt oder Über den Thäier sind ungesmlmt v«i unserer Lriminal-Abthetlung zur Anzeige zu bringen. Lripztg, d«a 26. Februar 1894. D«« Polizei««» der St«dt Leipzig. vretschnetder. M. Die städtische Sparcasse detotht Werthpopier« unter qünsttge» Bedingungen SckGG. d»> 10. Januar 1894. Di« Sparkoffen-Drpntotiou. Nochmals die Berufung in Strafsachen. u. ?/. di'ack der Veröffentlichung des Gesetzentwurfes, betreffend Aendrrungen und Ergänzungen des GerichtSver- assungSgesetzeS nnd der Strafprocrßordnung, hat sich selbst verständlich alsbald die Kritik dieses Entwurfes bemächtigt, und wie bei allen Gesetzentwürfen, die bisher daS Licht der Welt erblickt haben, gehen die juristischen Meinungen über den Werth diese« Entwurfes wert auseinander. Zustimmungen wechseln mit Mißtrauensvoten ah, und namenllich die Ein- ührung ver Berufung gegen die Urtbeile der Straf kammern, die seit Jahren als ein Bediirfniß im Bolke empfunden und nachdrücklich gefordert wurde, findet treilbare Gegner. Wsnn diese Gegner nun Männer ind, welche Jahrzehnte mitten im praktischen Justiz dienst gestanden und vorwiegend eine criminalistische Thätig- leit entfaltet haben, wenn es Männer sind, die an den .Kämpfen uni unsre Gesetzgebung seit Jahren hervorragenden Antbeil genommen haben, so muß selbst Derjenige ihre Stimme !)ören, der sich sein eigenes Urthcil über den Entwurf bereit- gebildet hat. Die freie Meinungsäußerung hervorragender Juristen kann in der heiklen Frage nur klarend und ßucht» bringend wirken. Der Entwurf ist ja zu dem Zwecke voll inhaltlich, zugleich mit der Vorlage an den Bundrsratb, in der Presse bekannt gemacht worden, damit er Gegenstand öffentlicher DiScussion unter den juristischen Praktikern und Theoretikern werde. Eine gewichtige Stimme in juridischen Kreisen ist zweifellos diejenige kcS ReichsgerichtSratheS vr. M. Stenglei» iu Leipzig, der in einer anregend geschriebenen, klar deducirenden Schrift eine Lanze „Wider die Berufung* bricht.*) Stenglcin strbt seit 1849 im prakischrn Iustizdicnst und zwar fast ausschließlich als Criminalist. Dieser Zeit raum umfaßt die Periode, in welcher allenthalben in Deutsch land daS mündliche Verfahren zur Einführung gelangte. Er bat bei diesem mitgcwirkt als Vertbeidigcr, als Staatsanwalt in allen Instanzen, und als Richter. Er ist der Bearbeiter eine- Strasproccßentwurfrs für Bayern gewesen und bat die Proceßordnung auch theoretisch behandelt. Man dars ikm also vollste Sachkenntniß und reiche praktische Erfahrung bei messen und daher auch sein Nrtheil in einer der „brennendsten Fragen* unserer Zeit nicht unerwozen lassen. Stenglein führt die Agitation für die Wiedereinführung der Berufung in erster Linie aus die Anwälte zurück. Sie seien die ersten Rufer im Streit gewesen. Er kält das für erklärlich, weil der schwächste Punct der deutschen Straf- proceßordnung der sei, daß dem Verthcidiger zwar einige Scheiurechte eingrränmt seien, aber wenig wirksame. Dem Anwaltstand gesellten sich dann ältere und jüngere, unzufriedene Praktiker bei, dir eine Reform verlangte». „Daß freilich diese Reform nicht in einer Ver besserung de« Gebotenen, sondern nur in der Rückkehr zum Alten, kaum Verlassenen gesucht wurde, giebt der Pro- ductivität der Juristen kein rühmliche« Zeugniß * Stenglein wirft in seiner Schrift folgende Fragen aus: War da« Verlangen nach Wiedereinführung der Berufung überhaupt begründet? Kann aus Grund der bestehenden Procrßordnnng eine Besserung bewirkt werden, welche die Klagen verstummen läßt? Nur kurz erwähnt er, daß der Berusungsrichler der schlechter insormirte Richter sei, und daß die Aussage der Zeugen eine Trübung erfahre. Dann geht er auf den Bor wurf ein, daß der Angeklagte in der Regel vollkommen unklar über dir Anklage und die Erfordernisse der Vertheidigunz sei und deshalb eine zweite Verhandlung nothwendia werte, in welcher der nun erst vorbereitete Angeklagte zum Wort komme. Diese mangelnde Vorbereitung bilde nicht die Regel. „Unklar mag es sein, wenn eine» der .tkunststucke neuerer Jurisprudenz anfgrführl wird. Es ist rir.: Krankheit unserer Zeit, den größten juristischen Scharfsinn auf die künstliche Einzwängunz des Tbatbrstante- unter «ine Straf bestimmung zu verwenden; so z. B. beim Betrug Sicher einem Bcdürfniß der Gegenwart entsprechend, hat da« Reichs gericht gewisse Schwindclgeschäste unter den Begriff de« Be trüge« gebracht. E« Hal von Scheinkaufleutcn, die sich durch großartige Firmenvordrucke auf den Briesen oder durch Ver sprechen von Eontantgeschäslen u. s. w. den Anschein geben, blühende Geschäfte zu betreiben, und daraufhin Waarea aui Eredit entnehmen, um sie alsbald zu verschleudern, an genommen, dieselben hätten Zahlungsfähigkeit vorgespirgrlt, *) Wider di« Berufung Ein Mobawvrt zur Novelle der Strasproeeßordnung. Von vr. M. Stenglein. Berlin, Verlag von Otto Liebmann. sie hätten über ibrc Absicht zu zahlen und reelle Kaufgeschäfte abzuschließen, mithin über innere Tbat- achen getäuscht. DaS fiel auf fruchtbaren Boden. Wie die kühnen Gliederstellungcn Michel Anaelo'S von seinen Nachtretern benutzt wurden, verzerrte Zopffiguren zu schassen, o haben „scharfsinnige* Juristen dir Präjudicien des Reichs gerichts benutzt, um arme Teufel, die von einem Bekannten ein Paar Mark pumpten, wegen Betrug« zu strafen, indem sie mit mehr Kühnheit als mit Gründen seststellten, der Dar leiher habe nie die Absicht gehabt, rurückzuzahlen und habe darüber getäuscht, indem er um ein T>arlehn bat. Eine ver wandte Krankheit der heutigen Jurisprudenz ist, in Fällen, in welchen ein Delict klar vorliegt und das Strafgesetz ausreichende Sühne gestattet, einen ganzen Rattenkönig ideal concnrrircndrr Delikte zu construiren. Solchen und ähnlichen Künsteleien gegenüber ist es allerdings begreiflich, wenn der ungelehrte Angeklagte völlig unklar zur Hauptverhandlung kommt. Aber eS ist auch einleuchtend, daß der Fehler nicht im Proceß, sondern in der juridischen Künstelei liegt." Nach Ansicht dcS Verfasser- ist die Berufung obendrein gar nicht daS rechte Mittel, den gerügten Ucbelstand zu be- seitigcn. „Mit dem heutige» Proceß wäre sehr gut auS- zukommen, wenn er im richtigen Geiste und mit der richtigen Muße gehandhabt würde: aber zugegeben muß werden, daß viele Eautelcn des ProcesseS zu künstlich angelegt, zu wenig verständlich und benutzbar für den juridischen Laien sind und daß selbst gut gemeinte Vorschriften ihren Zweck verfehlen durch die Hast und Oberflächlichkeit, mit welcher sie ge handhabt werden. Und hierin sind wir bei dem Punct an gelangt, in welchem unserer Uederzeugung nach die Quelle deS Verlangens nach Berufung ihren Sitz hat. ES ist die unzulängliche Besetzung nnd die dadurch bedingte Ueber- rilnng in der Judicatur vieler Gerichte. Wir baden ge hört, wie Vorsitzende von Strafkammern sick rühmten, daß sie bi- zu zwanzig und einigen Strafsällen in einer einzigen Sitzung zu erledigen w'ifsen; die Thatsache ist ohne Zweifel richtig. Die Statistik spricht nicht da gegen. Aber man frage nur nicht, wie dir Erledigung erfolgt. Mit einiger Rigorosität bcurtheilt, würden alle Urtbeile der Aushebung verfallen. Oberflächliche Urtbeile, maugelhafi motivirt, von einem Referendar im Voraus nach den Acten entworfen, nach der Sitzung durch- corrigirt, wie eine Sckülerarbeit, das sind die Resultate jener vuea ta presto - Arbeit! Dasilr soll nun ein Rrmedium sein, daß man der einen überlasteten Instanz eine zweite ebenso überlastete an die Seite stellt, damit sich die erste auf die zweite nnd die zweite aus die erste verläßt, und beite noch schlechtere Arbeit liefern, als die- bis heute schon zu häufig der Fall war." Die Berufung schafft aber auch dem Bertbeidiger nicht mebr Neckte, als er jetzt besitzt, ja der Entwurf nimmt ibni sogar einige der bestehenden Rechte. Zur Remedur der Mißstände schlägt Stenglein Folgendes vor: 1) dem Angeklagten wird da- Gesammtergebniß des Vor verfahrens mitgetheilt, nicht bloS die ihm zur Last gelegte Thal in den Umrissen der gesetzlichen Merkmale. 2) Nach Zustellung der Anklageschrift wird mit dem An geklagten, welchem bis dahin ein Verlbeidiger nicht zur Seite steht, durch den Vorsitzenden oder Referenten ein Schluß verhör vorgenommcn. 3) Tie RevisionSbesckwerde unzulässig beschränkter Ver- tbeidigung kann sick nicht bloS auf die beim erkennenden Ge richte gestellten und von diesem zurückgrwiesenen Beweis» anträgc stützen, sondern auck aus die zurückgewiesenen BeweiSanträqe deS die Hauptverbandlung voroereitcndcn Bcr- sahrcuS, eiuschließlick der nach Zustellung der Anklageschrift gestellten. 4) Die nothwendigc Vertbeidigung wird auf alle Ver- brcchen-sälle ausgedehnt, mit Ausnahme etwa der nur durch Rückfall als Verbrechen erscheinenden Handlungen. Zum Officialvertbeidiger können ältere Referendare und Assessoren bestellt werden. 5) Den Proeeßbetheiligten wird ein crböhter Einfluß aus daS Protokoll eingeräumt, entweder durch Genehmigung des selben, oder durch Zulassung eines Antrag« aus Verbesserung innerhalb einer bestimmten Frist. Stenglein bezeichnet die jetzige Protokollsührung als ein schreiendes UGel. 6) Dem Reichsgericht al« RevisionSgrricht muß die Mög lichkeit gegeben werden, nach tz. 375 der Strasproceßordnung fehlerhafte Procrßdandlungen, deren Folgen dem Angeklagien nachtheilig sind, oder deren Einfluß sick nickt übersehen läßt, einfach auszuhedra, und deren richtige Vornahme anzuordnen, selbstverständlich mit der Folge, daß das ganze Verfahren bis dahin in seiner Wirkung beseitigt würde. 7) Die außerordentliche Revision, wie sie daS österreichische Proecßrechl kennt, und wie sie ähnlich im 8- 317 der Stras- proceßordnung dem Eckwurgcrichtöbosc eingeräumt ist, kommt zur Einführung. 8) Die Wiederaufnahme des Verfahrens ist zu erleichtern. Bei Berücksichtigung dieser Vorschläge glaubt der Verfasser, daß die Einführung der Berufung, gegen welche er zum Schlüsse polemisirt, entbehrlich sei. Sickerlich sind alle diese Vorschläge geeignet, falls sie realisirl würden, daü Vertrauen in die Urtbeile ter Strafkammern zu erhöben, fraglich will es nn« aber erscheinen, ob sie einen Ersatz für die durch greifende Reform der Berufung bilden. Deutsches Reich. 5g. Berlin, 26. Februar. Ein Hamburger Blatt ver- mutbtTT^aß die WährungS-Eiignete, obwohl sie eigentlich eine Silbercommission fei, sich auch mit dem Golde be schäftigen werde. Diese Vcrmutkung wird sick bestätigen. Indem die „Nordd Allg. Ztg." ein fachmännisches Gutachten über den Goldrcichtbuni SiikasrikaS veröffentlichte, hat sie den großen Werth angedeutet, den die Regierung auf die Frage der Goldproduetiou legt. Diese Frage ist in der Tbat die grundlegeiide. DaS längst veraltete Gutachten des Wiener Professors Sueß sigurirt noch beute als der AuSgangSpunct aller bimetallistischen Argumentation. An den seitdem erschlossenen australischen Goldquellcn liebte man mit geschlossenen Augen vornbcrzugebenj auch Südafrika wurde möglichst ignorirt. Damit ist e« m und nach der Enquete vorbei. Wenn sich die angeblich zu kurze Decke als vollkommen ausreichend sür eine über den heutigen Stand weit biiiauSgewachsrne Weltwirthsckast Herausstellen wird, dann ist dem Satze „Prcisdepression infolge von Gold knappbeil" der Boden entzogen. In diesem Hauplpunet begann die Enqucle unter ungünstigen Auspicieu sür die Doppelwähriiiigssreunde, und der Befund in Afrika und Colorado dürste aus den Entschluß de« Grafen Mirbach, der Enquete fern zu bleiben, stärker cingewirkt haben, al« die Zusammensetzung der Commission. Diese, mit ihren der Mehrzahl nach der ausschließlichen Gold Wahrung nicht zuucigcndcil Mitgliedern kann unmöglich, wie die „Krcuzzcitnng" sagt, „den Eindruck einer nicht gerade würdigen -Lituatiou auf jeden vornehm denkenden Mann Hervorrufen". Denkt der Herr v. Kardorff, der geblieben ist, weniger vornehm als der Herr Gras? Unseres plebejischen Erachten- ist eS vornehmer, eine Lehre, die man bisher agi tatorisch verbreitet bat und Kat verbreiten lassen, im Kreise UrthcilSsäbiger zu vertheidigen, al« sich dieser Pflicht durch außerhalb der Sache liegende, gleichfalls agitatorische Vor wände zu entziehen. Der Ritter, der zum Kampfe herauS- sordert und daS Roß wendet, wenn sich ter Gegner stellt, bietet keinen sonderlich erhebenden Anblick. Gras Mirbach wird eS sich gefallen lassen, in der WäbrungSsrage künftig neben dem Frcihcrrn v. Thüngcn zu rangiren. 8. Berlin, 26. Februar. Wenn der Bund der Land- wirthc trotz der gewichtigen Stimmen aus landwirthschast lichcn Kreisen, die sür den deutsch-russischen Handels vertrag sich erheben, mit allen Mitteln der Agitation gegen die Annahme diese-- Vertrags durch den Reichstag arbeitet, so erklärt sich daS besonder- auS der Erkenntniß der Führer de« Bundes, daß dieser dem Zerfalle entgegrugeht, wenn der Vertrag vom Reichstage angenommen wird unv damit ein Bindemittel Wegfall«, da« wenigstens eine ganz bedeutende Anzahl von Landwirtken vereinigte. Ein zweite« Bindemittel von auch nur annähernd gleicher Kraft besteht nicht, da die nach politischen Führerrollen lüsternen Führer eS verabsäumt haben, dem Bunde den Zweck einzupflanzcn, durch genossea- schaslliche Selbsthilfe den Mitglieder» gemeinsame Vorlhrile zu sichern. Giebt eö doch unter den deutschen Landwirthen ?o gut wie bei anderen Interessentenkreisen große Unterschiede in den Anschauungen über da«, was noth thut, nnd sehr entgcgengrsetzte Wünsche und Bestrebungen, weniger viel leicht zwischen Groß-, Mittel und Kleinbesitzern, ob schon e« ja auch unter diesen nicht an Gegensätzen fehlt, al« hauptsächlich zwischen Nord und Süd, Ost und West. Nun ist aber das Programm sür den Bund der Laudwirthe ohne Rücksicht aus diese Gegensätze entworfen worden; er muß also in seinen Fundamenten erschüttert werden, wenn daS Bindemittel wegsällt, daS den Halt für die Mebrzabl seiner Mitglieder abziebt. Wir brauchen nur daran zu erinnern, daß m Bezug aus die Staffeltarife, den Identitätsnachweis, die Heimstättengesetzgebung, die Er-
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