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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 23.07.1906
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1906-07-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19060723021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1906072302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1906072302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1906
- Monat1906-07
- Tag1906-07-23
- Monat1906-07
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LV« für LApttg «ad R. E^^ÜV§P » vr. » M fttr «MmürNI S0 P^. 1VV. Jahrgang. Nr. M. Montag 23. Juli 1906. Die Auflös,»« der Dnma. Der Zar Hot die schon gestern gemeldete Auflösung der russischen Reichsduma in einem an das russische Volk ge richteten Manifest begründet, in dem er erklärt, die Duma habe seine Erwartungen grausam getäuscht", da sie, statt auf dem Gebiete der Gesetzgebung zu schaffen, ihre Zuständigkeit überschritten und ungesetzliche Hand lungen begangen hätte. Der Kaiser erklärt seinen uner schütterlichen Willen, das Los der Bauern zu bessern, ober er werd« keine ungesetzlichen Handlungen -»lassen. Eine zukünftige Duma solle di« Aufgaben, die die jetzt aufgelöste nicht erfüllt habe, verwirklichen. DaS Manifest Hot aach- folgenden Wortlaut: „Wir haben durch unseren Willen di« Vertreter der Nation zum Werke gesetzgeberischen Schaf fens berufen. Indem wir fest auf die göttliche Gnade vertrauten und an die glänzende grobe Zukunft unseres Volkes glaubten, erwarteten wir von ihren Arbeiten Gutes für das Land. Wir haben auf allen Ge bieten des nationalen Lebens große Reformen in Vorschlag gebracht und haben es immer unsere Haupt sorge sein lassen, die Unwissenheit des Volkes durch das Licht der Bildung und die Lasten des Volkes durch Er leichterung der Arbeitsbedingungen und der Bedingungen für den Landbesitz zu beseitigen. Aber unsere Er. Wartungen wurden grausam getäuscht. An» * statt auf dem Gebiete der Gesetzgebung zu schaffen, ent fernten sich die Vertreter des Volkes aus dem Bereiche ihrer Zuständigkeit und beschäftigten sich mit Unter, suchungen über di« Handlungen der auf unsere An weisung hin eingesetzten Lokalbehörden, und über die Un vollkommenheiten der Grundgesetze, die nur durch unseren kaiserlichen Willen abgeändert werden können. Endlich unternahmen die Verirrter des Volkes wahrhaft un» gesetzlich« Handlungen, wie den Aufruf an das Volk seitens der Duma. Die Bauern, die durch derartige Ungesetzlichkeiten beunruhigt wurden und auf die gesetz liche Besserung ihre- Schicksals warteten, gingen in einer Reihe von Bezirken zur offenen Plünderung, zur Zer- va§ Äicdtigrte vom Lage. * Die Leitungen der nationalliberalen und der christlich-sonalen Partei haben die Unterstützung des Freisinnigen Cuno im Hagener Kreise beschlossen. Da» Zentrum verbietet Unterstützung de» Sozialdemokraten, läßt aber Wahlenthaltung frei. (S. Dtschs. R.) * Im bayerschen Landtage findet eine Nachsefsion zur Beratung de» Wassergesetzes statt. (S. DtschS. R.) * Der Kaiser von Rußland hat ei» Manifest er lassen» in welchem er die Auslösung der Duma begründet. In Rußland herrscht Ruhe. Ein großer Teil der Duma- Abgeordneten hat sich nach Finnland begeben, um über die Lage zu berate«. (S. TgSsch. n. Letzte Dep.) * Der Raubmörder Greie, der am 12. Juli auf der Landstraße bei PaunSdorf unweit von Leipzig den Schlosser Herzog nieddrstach und beraubte, wurde am Sonnabend abend in Unterkriegstädt bei Lauchstädt im Reg.-Bezirk Merseburg au-findig gemacht und beging, ehe eS von den ihn verhaftende« Beamten vrrhiudert w«rden konrtte, Selbstmord, indem er sich Gurgel uud Pulsadern durchschuitt. (S. Leipz. Ang.) politische cagesrchau. Leipzig, 23. Juli. Wann solle« die nächste« Neichstagswahlen stattfindea? Das Mandat des jetzigen Reichstages läuft am 16. Juni 1908 ab. Nur ein einziges Mal hat man Las deutsche Volk drei Rtonote lang ohne Vertretung gelassen: im Jahre 1881, als der damals noch auf drei Jahre gewählte Reichstag vom 30. Juli 1878 erst am 27. Oktober erneuert wurde. Es war jene Zeit schroffen Gegensatzes zwischen dem Reichskanzler Fürsten Bismarck und der Volksvertretung, oer fast an die Schärfe der Konfliktsperiode heranreichte. Bismarck be nutzte jede Gelegenheit, um seine Feindschaft gegen Len Par lamentarismus zur Schau zu tragen: es regnete Verfassungs. Novellen (zweijährige Etats usw.), „Maulkorbgesetz«" und andere Unfreundlichkeiten, die natürlich ausnahmslos in den Papierlorb slogen. Der damalige Versuch eines parlaments losen Zwischenstadiums wird hoffentlich niemals wieder unternommen werden. Soll es nun aber immer so bleiben, daß di« Neichstags wahlen Mitte Juni stattfinden, wie es dreimal hinter einander geschehen ist? Lediglich, weil durch den Zufall, durch eine Auflösung im Anfang Mai nach dem Scheitern der Caprivischen Heeresreform, im Jahre 1893 jener Termin sestgestellt ist? Die Wahlen fanden 1874 und 1877 im Januar, 1881 und 1884 im Oktober, 1887 und 1890 im Februar statt. Man hat also Erfahrungen genug ge sammelt, um die Frage der günstigsten Jfabreszett für den Wahltag mit einiger Sicherheit zu entscheiden. Diese Rücksicht sollte aber doch die ausschlaggebende sein und nicht die auf historische Zufälligkeiten. Drei Gesichtspunkte müssen zur Beurteilung herangezogen werden. Einmal di« Erwägung, wann das Wahlgeschäft den Wählern am besten paßt. Zweitens muß eine Unterbrechung der Tagungen des Reichstages vermieden werden. Drittens aber muß auch dahin gestred' werden, daß das Verhältnis zwischen Wählern und Ge wählten möglichst enge gestaltet wird. Wir leugnen nun entschieden, daß der jetzt übliche Zeit punkt geeignet ist, die pslichtmäßige Ableistung der Wahl pflicht besonders zu befördern. Im Gegenteil: nur die Juli wahl von 1878 war noch unglücklicher festgesetzt, und sie Hal ja auch mit Recht keine Wiederholung gesunden. Aber auch die Zeit der beginnenden Heuernte ist nicht bloß ein kritischer Moment im Leben des Herrn v. Podbiclski, sondern sie wirkt im höchsten Grade hemmend auf das politische Leden der landwirtschaftlichen Bevölkerung ein, die ohnehin durch Be rufsarbeit schon Monate laug vorher start in Anspruch ge nommen wird. Aber auch die Abgeordneten, die sich zur Wiederwahl stellen wolle», si»d nach der schweren Winter arbeit einer Erho4unaS»«lt dringend benötigt. Es ist geradezu eine unerträgliche Zumutung an ihr Nervensystem, wenn sie unmittelbar nach »er Session sich in d« auf reibenden Wahlkampf stürzen müssen. Auch die Ne i ch - ta aSarb «i t leidet darunter. Da» Vierteliahr Neujahr bis Oster« ist nun einmal überwiegend für die Etatberatung festgesetzt. Die ganze letzte Tagung wird für di« Gesetzgebung völlia verloren bleiben. Selbst- verständlich wirke« Wahlen im Januar oder Februar noch störender auf die Erledigung der BeratungSaegenstände. ...Wir mochten aber auch auf den dritten Punkt ein er» bohteS Gewicht legen. Wenn di« Wahlen vorüber find und doch immer größere oder geringere Verschiebungen in der Zusammensetzung des Reichstage» gebracht haben, dann will daS Volk auch seine Erkorenen, die ihm nn Wahlkampf per- fönlich uähergetrrten sind, baldmöglichst ««mal an der störanz fremden Eigentums und zum Ungehorsam gegen dos Gesetz unb gegen die rechtmäßigen Behörden über. Ader «ufere Untertanen müsse« sich «rim-ern, daß ein« Besse- ruag des Lose» Le- Volkes nur möglich ist unter der Be dingung voller Ordnung und Ruhe. Wir werden keine willkürlichen oder ungesetzlichen Handlungen zu lasse»; mit all«« Machtmitteln de- Staate- werden wir unseren kaiserlichen Willen -en Ungehorsame« aufzwingen. Wir fordern alle gutgesinnte« Russe« auf, sich zu eisigen, um die gesetz lich« Macht zu unterstütze«, den Frieden unsere- teuren Landes wieder herzustellen. Möge die Ruhe i« russischen Lande wieder hergestellt werden! Möge Gott uns helfen, Li« wichtigste unserer Aufgaben, die Besserung de- Loses der Bauern, zu vrrwirklichen. Unser Wille in diesem Punkte ist unerschütterlich. Der russische Arbeiter wird, ohne fremde- Eigentum anzuta ste«, da, wo die ländlichen Besitzungen zu klein sind, gesetzlich« rechtschaffene Mitt«! erhalte«, um seinen Landbesitz zu erweitern. Di« Vertreter der anderen Klassen werden auf unsere Aufforderung hin alle ihre Be mühungen aufwenden, um die große Aufgabe, die von einer zskünftigen Duma endgültig im Wege der Gesetzgebung gelöst werden muß, zu verwirklichen. Indem wir die Duma auflösen, bestätigen wir unsere unabänderliche Absicht, diese Institution -ll be wahren. In Uebereinstnnmung mit dieser Absicht haben wir durch einen an d«s vollziehenden Senat gerich teten Ukas di« Einberufung einer neuen Reichsduma auf den 5. März 1907 festgesetzt. Treue Söhne Rußland-, euer Kaiser ruft euch, wie ein Vater seine Kinder, euch mit ihm zu vereinigen, um unser heilige- Vaterland wieder gesunden zu lassenI Wir glauben, daß di« Riesen des Gedankens und der Tat er scheinen werden und daß dank ihrem emsigen Schaffen der Ruhm Rußlands erstrahlen wird. gez. Nikolaus." lieber die mit der Dumaauflösung verbundenen Vorgänge sind eine Reih« Meldungen eingelaufen, nach denen bi- jetzt di« Ruhe nicht gestört worden ist. Was die nächste Zukunft bringen wird, muß abgewartet werden. ES kommt vor allem darauf an, wie sich die revolutionären und sozial demokratischen Mitglieder der Duma selbst zur Auflösung stellen. Daß si< irgendwas un Schilde führ««, geht au- der Abreise eine- Teil- gerade dieser Dumamitglieder nach Finnland hervor. Es heißt, daß sie in Wiborg oder H«lsing' for- -usammentreten und da- Manifest des Zaren mit einem revolutionären Aufruf an das Volk beant worten wollen. Der sehr gemäßigte Graf Heyden ist wohl nur deshalb mit nach Finnland gegangen, um kalmierend zu wirken. Nach Petersburger Privatmeldungen ist das fina- ländische Gouvernement angewiesen worden, die Konsti- tuierung eines russischen Rumpfparlament- um jeden Preis zu verhindern. Es würde ein gewagter Schritt sein, wenn die Finnländer in ihrem Lande, dem einzigen, da- von den mit der revolutionären Bewegung verbundenen Auswüchse« dank der Besonnenheit und Ruhe der furnländischen Be hörden und des finnischen Volkes beinah« völlig verschont geblieben ist, der aufgelösten Duma Unterschlupf und Schutz gewähren, sich also direkt gegen die kaiserlich« Negierung auflehnen wollten. Finnland würde in diesem Falle sofort von einer russisch«« Armee besetzt werden und den Fort bestand seiner kaum wiedergewonnenen Autonomie schwer gefährden. Wir bezweifeln darum die Richtigkeit der fol genden unS zugegangenen Nachricht: vä. Hamburg, 28. Juli. (Privattelegrcnnm.) Di« über russische Verhältnisse gut unterrichtete „Reue Hamburger Zeitung" drahtet aus HelsingforS: Der Senat ve- schloß, der aufgelösten ReichSduma da- Stadthaus in HelsingforS zur weiteren Tagung zur Ver fügung zu stell«« und «inen Aufruf an di« finnische Nation zu erlassen. Bi» gestern nacht sind 87 flüchtige Duma-Abgeordnete in HelsingforS eingrtroffen. In Petersburg herrscht vollkommen« Ruhe. Die Residenz wimmelt von Militär, um jeden Versuch zu Unruhen sofort mit Waffengewalt zu unterdrücken. Alle Staatsgebäud^ die Staatsbank, die Peter-Paul-Festunz und die Gefängnisse haben dreifachen Schutz erhalten. Alle fremden Konsulate sowie bas Dumagebäude sind militärisch besetzt. Alle Zugänge zu den Hauptstraßen werden von In fanterie, Kavallerie und Artillerie bewacht. Ein großer Teil der Dumamitglieder, die die Stadt nicht verlassen haben, werden polizeilich bewacht. Diese Maßnahmen haben bi- jetzt genügt, die Ruhe in Petersburg aufrecht zu er halten. Es wird hierüber noch weiter telegraphiert: * Petersburg» 23. Juli. Petersburg, Moskau und die Provinz nahmen den Auflösungsukas, wie aus den bei der Petersburger Telegraphenaaentur eingeaangenen Tele grammen hervorgeht, im allgemeinen ruhig auf. Da normale Leben ist in beiden Hauptstädten nicht grstört worden. * Petersburg, 22. Juli. Die Nachricht von der Auf lösung d«r ReichSduma drang, da sie in den Morgenztitungen nicht mehr enthalten war, nur allmählich in di« Bevölkerung, di« völlig verblüfft war. Di« groß« Ueberraschung und daS starke Truppenaufgebot — sogar Leite der Moskauer Gar nison sollen herbergezogen sein —, sowie die Erkenntnis, daß di« Krone doch noch eine reale Macht ist, scheinen auf di« revolutionären Elemente lähmend ge wirkt zu haben. Daran- darf jedoch nicht der Schluß ae- zoaen werven, daß die Auflösung der Reichsduma vom Volke ruyio hingenommen wirb. ES herrscht die Befürchtung, daß der jüngst in Moskau ang^ündiate Generalaus- stand auSbricht. Zunächst ist die Wrrkuag de- erschienenen Manifestes abzuwarten. * Petersburg, 23. Juls. In der Residenz herrscht voll ¬ kommene Ruhe. In den intelligenten Kresse« ist asgesicht- der Tatsache, daß die Regierung den Kampf aufnimmt, di« Stimmung teilweife gedrückt, teilweise befriedigt, mit Rücksicht darauf, daß di« Duma keine praktischen Er gebnisse erzielen konnte und ihre Tätigkeit zu wenig dem Wohle des Landes galt. Tine politischer General streik wird ernstlich befürchtet. Der Kongreß der revolu tionären Parteien, der in Moskau hierüber beriet, hat die Berufung einer konstituierende« Versammlung auf Grynd d«S allgemeinen, gleichen, direkten uud geheime» Wohlrechts ohn« Unterschied der Religio« und Nationalität beschloss«. Die Verwaltung und Leitung d«8 Streik» über« »ml der Rat der Arbeiterdepntterten <n Moskau. - Di« entscheidende Sitzung, in der di« Auflösung der'Daora' beschloss«« wurde und an der der Kass« tessüah«, wird Är nachfolgendem Telegramm skizziert: > * PeterSbnrg, 23. Juli. Die Würfel stab gestern V Peterhvf nach eurer ziemlich stürmisch verlaut«»«» Sitz»»» gefallen, in der der Zar sich lwe»««gen ließ, daß die Durua di« Verfassung verletzt Hao«. Sobald der gor das Riss- lösunzsdekret unterschrieben hatte, demissioaierte» Goremv- ki« und der Ackerbmunmister Snschinskl, nachdem der bis herige Minister des Innern Stolypi» sich bereit erklärt hatte, al- Premier die Kabinett»bUdung zu kberneLamn. Der Zar war sichtlich erregt, als er da- Auflösuag-dekrrt unter- schrieb. Da» Kabinett hatte schon fett längerer Zeit auf Auflösung der Duma bei der ersten Verletzung der Ver fassung bestanden. Obgleich die Verletzuag durch de» zahmen Charaner des Kommuniques verhältnismäßig gering ist, be stimmt« den Zaren di« Versicherung setrrer Minister, daß dem ersten Aufruf an da- Vo»k bald «in zwetter der Arbeits gruppe und der Sozialdemokraten rein revolutionären Charakter- folge» werbe, di« Duma aufzulöse«. Wie von unterrichteter Seite versichert wird, wird vorläufig der ReichSrat die Funktionen der Dmna übernehmen und ein neues Wahlgesetz und neu« Gesetze über dir Freiheiten aus- arbeiten. Die Regierung hofft, daß bis zum Februar eine gewisse Beruhigung eintreten wird und die Wahlen andere Resultate ergebe» werden. Ueber die augenblicklich« Situation außerhalb Peters burgs liegen, wie schon erwähnt, bi- jetzt nur Meldungen vor, die berichten, daß -war hie und da Aufregung herrscht, daß «S aber nirgends zu Ruhestörungen gekommen ist. In Moskau trieb di« Polizei eine Versammlung mit blanker Reichstag schleunigst wieder auf er« bald«- Jahr in nne Schachtel verpackt wirb. AuS allen diesen Gründen halten vir den jetzige« Wahl- termin für höchst ungeeignet vrrd möchten sein« Verlegung in den Oktober oder November dringend befürworten. Da durch wirb die nötige Muß« für eine gründliche Aufklärung der Wähler-mossen gewonnen, gerade den bürgerlichen Par teien gewonnen, während jetzt bi« stramm« Organisation der Sozialdemokrat,« einen entschiedenen Vorsprung besitzt. 1898 blieben d«n bürgerlichen Parteien genau zwei Wochen Zeit zu einer regeren Bewegung! Es ist somit dringend zu wünschen, daß die nächsten Wahlen bereit» im Herbste 1907 stattfinden. Auch 1874 wurde der alt« Reichstag vor der Zeit aufgelöst, um einer neuen Frühjahrswahl zu entgehen. Feuilleton. oo o VS Im ?lachlan6 ckleses liebens einer 6er wenigen Llpfel, 6ie cka sin6: Var öewuptseln, ääaan ru wercken; 6er erste Kausch 6er lüebe; 6ie 6riln6ung 6erkamllie, sich selbst fortrusetzen; allmShlich, wie 6as l^ben fort schreitet, 6er öiick auf 6ie Allgemeinheit, auf 6ie ääenschheit, zurück In 6ie Oeschichte, hinaus in 6ie Zukunft; eocüich ääll6igkel1 von 6er Hrdei», un6 6er Oo6. ümpleän. türkischen Dolch gekauft: er kam in der Rubrik „Waffen" auf die Liste. Die Taschenuhren der ganzen Mannschaft werden gezählt und gebucht. Ist da» geschehen, so wird alles fein säuberlich versiegelt, und jede» Siegel kostet 25 Rubel. Dann wird alles untersucht, da» die Boote deckende und schützende Segeltuch wird abgenommen, in jede Schublade, in reden Winkel dringen neugierige Auge« und Finger. Wehe dem Reeder und der SchrffSfübrrr, wenn eine T<ffcben- uhr oder «in Schießeisen, ein Pfund Tabak oder ein Ende Tauwerk mehr gefunden wird, al» angegeben war. Nick'« nur wird da» Plus konfisziert, sondern das Schiff wird ohne weiter«» wogen Schmuggel zu hohen Geldstrafen ver urteilt. Odessa macht «inen freundlichen, sauberen und schmucken Eindruck. Den Reisenden aber, der Charakter sucht, ent täuscht diese Stadt ungemein. Sie ist nicht russischer als etwa Kassel oder Mannheim oder sonst eine moderne, nicht au» den natürlichen Betnngtlnacn de» Orte» und seiner Bc- wohner, sondern nach dem Machtrat eines Herrsch,ers ent standene Stadt. Oben am Boulevard stehen die Denkmäler der Gründer und Erbauer: Katharina die Große, der Herzog von Richelieu, der in römischer Tracht daroestcllt ist und wie Julius Cäsar auSsieht, und der Fürst Woronjow Vor nicht viel mehr als hundert Jahren, nämlich 1794, be fahl die Kaiserin die Gründung der Stadt, die dann mit regelmäßigen Straßen, die sich ,m rechten Winkel schneiden, erbaut wurde. Russisches sieht man hier also eigentlich nicht, allein die Kutscher in ihren langen Mänteln und zusammengedrückten Zylindern ähnlichen kleinen Hüten, ausgenommen. Zu ihnen gesellt sich der Nein« Wagen mit den niedere« Rädern und da» seltsame Pferdegeschirr mit dem über den Kopf des Tieres weggebenden, die Enden der beiden Deichselstangen verbindenden hohen Holzbogen. Wer da- Fahren mit die,en Karren nicht gewohnt ist, wagt es nicht, sich bequem zu setzen, sondern er bleibt immer zum Sprung« bereit, da die plötzlichen Rucke und Stöße sehr häufig find- Das Pflaster von Odessa mag schon daß beste in Rußland sein, ater ab scheulich holvria ist e» darum doch. Am Nachmittag und Abend spaziert alle- aus dem hübschen Boulevard, von wo man «ne schöne A»-ficht auf Hafen und Meer bat, oder in der Derlbossovskaja, einer wie alle anderen Straßen mit breiten Trottoir» versehenen Promenade. Di« Mensche«, bi« «an hier sie-», habe» nicht fix und fertig an Deck, die Reisetasche in der Hand. Ver schwunden waren die Mützen, die weißen Anzüge, die gelben Schube, alles stand da vn tvous 6v viUs, fertig zum Ab marsch. So standen wir noch um sieben, als un-hie Schell« de» Stewards zum Frühstück rief. Aber zum Essen hatten wir doch selbstverständlich keine Zeit. In größter Eile wurde daS Frühstück abgemacht, dann traten wir wieder marsch bereit an. Gegen acht Uhr kam ein Boot. Darin saß der Sohn einer an Bord befindlichen Dame. DaS Boot hielt sich zwei Längen von der „Pera" entfernt, und au» dieser Distanz konnten sich die beiden berußen: sie durfte noch nirtt an Land, er durfte nicht an Bord, so verlangt «» di« Ordnung im heiligen Rußland. Endlich kam etwas: vier Gendarmen, geführt von einem Feldwebel. Alle fünf trugen Schleppjäbel und Sporenstiefel, was an Bord eines Schiffes etwas komisch auSsieht. Sie sammelten die Pässe der Passagiere ein, und einer von ihnen fuhr mit dieser Ernte an Land. Zwei Stunden später wurden un» die Pässe wieder auSgehandigt, und ich muß an- erkennend bemerken, daß daS keinen Pfennig kostete. Aber an Land durften wir immer noch nicht. Zuerst mußten die Zöllner unsere Siebenfachen beäugt und betastet haben. End lich kamen auch sie, und wiederum bescheinige ic.> lobend, daß sic höflich waren und nicht wie ihre amerikanischen Kollegen den aanzen Kram auf den Fußboden warfen, alle sorgfältig gepackten Bündel aufmachten und e» schließlich dem Reisen den überließen, seine Habseligkeiten Huckepack wieder in die Koffer zu zwängen. Nein, sie ließen sich zwar alle» öffnen, schauten aber nur flüchtig hmein und brachten nicht» in Un ordnung. Nun endlich durften wir an Land, zu welchem Zweck« «in kleiner Dafendampfer lanaseit gekommen war. Alle gingen, nur mir gewährte die Liebenswürdigkeit de» Kapitän» noch ein« Galgenfrist, und e» wurde zwei llhr, ehe ich endlich den russischen Boden betrat. Vorher hatte ich noch den Frei übungen der Zöllner beia«wohnt. Wenn nicht alle Seeleute, die, je einen russischen Hafen berührt haben, bereit wären, me,ne Aussage ,u beschworen, würde ich nicht wagen, Ihnen zu erzählen, wa» die russischen Zöllner alle« verlangen. In vielen langen Listen wird verzeichnet, wa» immer sich an Bord befindet, wieviel« Tonnen Kohlen, wieviele Pfund Tee, Kaffee, Zucker, wieviele Stück Zloorren. wieviele Boote, Tauwerk, und wa» immer nur cm Bord «ine- Schiffe» sein kann. Der Schiff-arzt hatte sich in Smyrna eiuen alten Odessa. Von Karl Engen Schmidt (Paris). In Odessa hörte die Freude aus, und das Leid begann. Aber wie alles auf der Welt nur von dem lsrtiuoa aom- Mi-Lttonis abhänat, so auch hier: von Leid darf ich nur deS- i-alb sprechen, weil di« Seereise von Genua nach Odessa eitel Freude war. Nicht nur weil wir dabei Genua, Neavel, Athen, Smyrna und die herrlichste aller schönen Städte, da» in wunderbarer Märchenpracht am Bosporus hinacbettete Konstantinopel bejuchten, sondern weil von allen Schissen, d,e ich je kennen gelernt, di« „Pera" mir am besten gefallen hat. Daran ist natürlich nicht das Schiff schuld, da» schließ lich doch nur eine tote Maschine ist, sondern die Leute, die diese Maschinen regieren und beleben. Und ehe ich Abschied nehme von ihnen, muß ich es auch hier noch sagen, daß ich nie einen liebenswürdigeren und gemütlicheren Gesell schafter als Kapitän Hinrich», nie einen unterrichteteren und freundlicheren Cicerone als den ersten Ingenieur Kreutzfeldt und nie einen netteren Berliner als den SchissS- arzt Dr. Hammer getroffen habe. Dieser letzte hat mich fast in dem bösen Vorurteil schwankend gemacht, da» mir in Berlin selbst wie auch anderSwo di« Bewohner der ReichS- hauptstadt beigebracht haben, und wäre ich noch vierzehn Tage länger an Bord geblieben, so hätte ich ihm wahrschein lich beigevflichtet, daß Berlin die schönste Stadt der Welt — nur Konstantinopel ausgenommen — und die Berliner di« liebenswürdigsten Erdensöhne seien. Da- Leid begann in Odessa mit den Scherereien der Polizei und der Zöllner. Ganz leise unter uns gesagt: im Grunde hätte ich beinahe unten tief im Herzensgründe ver steckt den leisen Wunsch gehegt, die Leute wären noch viel strenger und ließen mich überhaupt nicht an Land. So gut gefiel es mir an Bord, und so fürchterlich erschien mir Ruß- land, von dessen Sprach« ich trotz dreimonatigen Kopfzer brechens und Hirnmarterns nur die schwächst« aller Ahnungen habe. Aber ganz so streng und grausam waren die Leute doch nicht. Sie wollten un» im Grunde nur zeigen, daß sie Zeit hab n, daß Zeit nicht Geld ist. und daß man am besten mit Weile eilt. Der Spanier hat immer da» Wörtchen ru»«««« lmorgen) im Munde, und wa» immer morgen geschehen kann, wird er niemals heute tun. Diese» löbliche Prinzip befolgen auch die Russen, und wenigsten» in diesem Falle zürne ich ihnen nicht, sintemalen sie dadurch meinen Aufent halt an Bord verlängerten und die Ausschiffung verzögerten. Wir kamen schon um fünf Uhr morgen» imHasen an und schauten nach der Stadt, die auf einem vom Meere steil aufsteigenden Plateau errichtet ist, und deren grüne Boule vard» und Parkanlagen sehr lustig und schön aussehen. Im Hafen lagen mindesten» vierzig bi» fünfzig Dampfer, und schon wollte ich Odessa zu einem der bedeutendsten Häfen der Welt erklären, al» mir berichtet wurde, daß mindesten» dreißig davon durch den Streik der Seeleute und Hasen- arbeiter festgchalten wurden und schon . wochenlang hier laaen. Die Anwesenheit so vieler Dampfer war übrigen», das lei gleich vorau»g«schickt, daS einzige, wa» un» in Odessa an die Ereignisse erinnert«, die seit nunmehr fast zwei Jahren Rußland und die ^anze Welt beschäftigen. Davon abgesehen, ging e» in Odessa am 4. Juli fo ruhig, still und friedlich zu, wie eS nur irgendwo auf der Welt -»gehe« kann. Und da» Gebaren der hoben Obrigkeit deutete auch keineswegs auf Wirrwarr um Durcheinander. Wie schon gesagt, kamen wir bereit- um fünf Uhr an, und so gab e», wie immer in solchen Fällen, ein emsige» Getue auf dem Dampfer. Um halb sechs standen die sämtlichen Passagiere Abend-Ausgabe. Anzeige« und Extrabeilage« anr in der Schluß d«r Annahme nachmittag» 4 Uhr. Text oder em d««i«aAr EtM »ach de- s»«d««n Lartf. Für da» Erscheine» « bffttimattlt Tage« «. Plätzen wird keine Garantie übernommen. KiMM TüHkblM Haudelszeitrmg. ÄmlsöüE des Nates «ich -es Nolrzeiamtes -er Lta-t Leipzig. «AMOtt-Plgtz 8» «e HempA-wale verMr Earttb» » cke r^tze^t-BayrHofimchha nbl g. (TetHhm, VI, «r. 4M31 NkttÜ-OrPedttta« Dre»»e«,vrar4e*sir 34. Bez«---Preis in der Hanptexpeditton oder deren Ausgabe stellen abgehott: vierteljährlich ^4 2.4H bei täglich zweimaliger Zustrllmrg in» Hans vierteljährlich 3.—. Durch unsere aus wärtigen Ausgabestellen und durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich vierteljährlich für die übrige» Länder laut ZritungSpreislist«. Diese Nummer kostet auf 4 4d M? allen Bahnhöfen und bei I» den AeilnngS» Verkäufern L" ^1 Redaktion und Expedition: JohanniSgasse 8. Telephon Nr. IL3, Nr. 222, Nr. 1173. Berliner Redakttans-Vnxean: Berlin UVV. 7, Dorotheenstraßr 83. Telephon I, Nr. S27S.
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