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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 13.08.1906
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1906-08-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19060813020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1906081302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1906081302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1906
- Monat1906-08
- Tag1906-08-13
- Monat1906-08
- Jahr1906
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Ausl.) * Ein Neffe des Sultans dementiert in einem Schreiben an Sir Edward Grey das Be stehen einer panislamitischen Bewegung in der Türkei. * Die Kurie zieht die E r k l ä r u n g e n an die fran zösischen Bischöfe über daS Trennungsgesey zurück. sS. Ausl.) * Der Zwischenfall auf den Almuten wird in Japan ruhig aufgesaßt. (S. Ausl.) j'oimrse Lagettchs«. Leipzig, 13. August. Was kau» uaS Cecil Rhodes fein? Unter dem Titel -Britischer Imperialismus und eng lischer Freihandel zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts" hat der Freiburger Natronalökonom G. v. Schulze-Gaever- nitz kürzlich ein Werk von allgemeinem Interesse erscheinen lassen (Leipzig, DunckerLHumblotj. Darin wird als imperia listischer LypuS nach der finanziellen wie nach der politischen Seite eingehend Eecil Rhodes behandelt, v. Schulze-Gaevermtz ist der Meinung, daß Rhodes auch sür uns nicht ohne Nutzen gelebt zu haben brauche, und er begründet diese Ansicht in folgenden bemerkenswerten Ausführungen: „Von allen Dächern herunter wird uns heute das alte bekannte Ricar- doscye Lied gepfiffen: der Kapitalismus erzeuge mit Not wendigkeit jene Grundstimmung des praktischen Materia lismus, die unser ganzes Leben durchdringe, das Streben nach Besitz, die Jagd nach Genuß. Das Persönliche habe die Tendenz, allgemeine Züge anzunehmcn; das Individuum verschwinde in der Maste der Wirtschaftsatome; die Eigen- arten der verschiedenen Nationen träten zurück. Damit ge wönnen die Wirtschaftsinteresten überragende Bedeutung für unser gesamtes Kulturdascin; bewußt oder unbewußt hätten wir alle nach der Pfeife des Kapitalismus zu tanzen. Obgleich diese Lehre als das Ergebnis geschichtlicher Unter suchungen auftritt, bedeutet sie methodologisch doch einen Rückschritt gegenüber der älteren historischen Schule der deutschen Nationalökonomie. Letztere hat wenigstens das Politische als einen selbständigen Kausalstranq sür die wirt- ichaftlichen Geschehnisse anerkannt. Praktisch aber ist jene Lehre um so gefährlicher, als sie nur allzu leicht in eine Ethik und Politik sür unsere Gegenwart umschläot. Glück lich dos Volk, glücklich das Zeitalter, das die Lehre vom kapitalistischen Geist durch die harte Tatsache der Einzel persönlichkeit zerbricht. . . War Rhodes eine solche Persön lichkeit? Hat er Ideen gedient oder hat er sich ihrer be- dient? Ist — um einen Ausdruck Goethes zu gebrauchen — in seinem Werke Gott gewesen oder nicht? Diele Fragen drängen sich aus; aber ich wage sie nicht gegenüber einem Menschen zu beantworten, bei dem unbändigster Wille zur persönlichen Macht und schrankenloser Glaube an die Misson Feuilleton. Der IVechsel cker ääcrcke ist eine 8teuer, welche cker üewerbfleist ckes Keinen cker Eitelkeit ckes Reichen auf- erlegt. evsmkii. Leinshe immer sinck es ckie hässlichen ?rsuenrimmer, welche ckie kttocke sufdringen, ckenen sich unterruorcknen cknnn ckie hübschen ckumm genug sinck. Noutlesu. Vie Dümmsten putren sich am meisten; so sinck ckie ckümmsten Tiere, ckie Insekten, um buntesten. Zern Paul. Mathilde wesendonck alr Dichterin. Von Franz Herwig sZürich). An einem kalten Regentage wandelte mich die Lust an, in den Büchertruhen eines alten Züricher Bürgerhauses herumzukramen. Eingehüllt in eine Wolke modrigen Stau bes, der, seit Jahrzehnten unter den Eichcndeckeln gefangen, nun von neugierigen Händen aufgestört in die Luft stieg, griff ich einen Band nach dem anderen heraus, blätterte darin, lächelte und warf ihn zu den übrigen, die neben mir aus dem Fußboden einen Wall zu bilden begannen. In dem grauen Nochmittagslicht, umraunt von dem gleichförmigen Rieseln des Regens in den Gartenbäumen, hatte diese Be- ichästigung mit toten Dingen etwas Grausiges. Tote Dinge! — Bücher, die vor vierzig, fünfzig Jahren geliebt und gepriesen wurden — jetzt? — ein Lächeln hatte man für sie, em nachsichtiges, geringschätziges Lächeln. — Da hielt meine Hand e«n Buch, auf dessen Titel stand: „Gudrun. Schauspiel in fünf Arten" und darunter: „von Mathilde Wesendonck". Und auf dem Jnnentitel: „Ihrer lieben E A zum Gedenken an eine Stunde tieferen Vertrauens, Mathilde, Sevt. 69." Ich mußte es zweimal lesen, ehe ich begriff, daß die» hi« kein tote» Nach war, sondern daß ich seines Volkes ununterscheidbar zusammenflossen. Der Verlauf der Geschichte wird ein endgültiges Urteil fällen. Eines aber steht fest. Rhodes war kein Junker, noch weniger ein „Kleinkapitalist". Als selbstgemachter Archinnllionär stand Rhodes in einer Welt des durchgeführten Kapitalismus. Seine Um gebung bildeten Geldjäger, die nach Erwerb der ersten Million Pfund Sterling, Sklaven der zu erwerben den zweiten und dritten Million wurden. Aber die letzten Ziele eines Rhodes lagen jenseits des Gelderwerbs. Die Ueberschätzung des Reichtums und der durch ihn zu er langenden Genüsse bezeichnen die Stimmung eines Geschlech tes kapitalistischen Parvenüs, so der Engländer Ricardos, so vieler Deutschen von heute. Rhodes wuchs über die Geld säcke hinaus. Nach feiner Pfeise tanzte der Kapitalismus, und Rhodes machte das Kapital politischen Zwecken dienst bar. Der Kapitalismus hatte bei Rhodes die massive Wucht nationaler Selbstbejahung keineswegs gebrochen. Daß er uns hierin noch auf lange Jahre hinaus ein Vorbild sein kann, hierfür sind gerade jene Männer deutschen Ursprungs Beleg, welche als reine Wirtschastsmenschen einem Rhodes und dem britischen Imperialismus Handlangerdienste ver richteten." Die Wiedereinführung des Fahneneides in Frankreich? Der „Courrier EuropSen" veröffentlicht in seiner jüng sten Nummer einen bemerkenswerten Brief des Generals Andrö über den Geist, der in der französischen Armee herrscht. Andre weist auf die Gefahren hin, die aus der politischen Zerrissenheit im französischen Offizierkorps er wachsen, und erklärt, um jeden Preis einer geeinten Armee — „sei sie es selbst unter dem Banner des Heiligen Herzens Jesu" — den Vorzug zu geben. Nach Andres Ansicht sind die Gegensätze im französischen Osfizierkorps heute schärfer denn je; ein rasches Einschreiten scheint ihm unbedingt er forderlich. Von zwei Maßregeln vor allem erwartet der frühere Kriegsminister großes Heil: von der Uebernahme des Kriegsministeriums durch Clemenceau und von der Wiedereinführung des Fahneneides für die französischen Offiziere. Er schlägt vor, ein großes bürgerlich-militärisches Nationalfest zu veranstalten und bei dieser Gelegenheit jeden einzelnen Offizier folgenden Eid schwören zu lasten: „Ich schwöre ohne Vorbehalt Treue und Ergebenheit für die Grundsätze der französischen Revolution und sür unsere republikanischen Einrichtungen. Ich schwöre, die mir vom Lande anvertrauten Soldaten durch Worte, Handlungen und Beispiel in der Liebe für die Republik zu erziehen." Während die reaktionären Blätter diesen Vorschlag Andres mit Spott überschütten, hat die republikanische Presse ihn freudig aufgenommen. Nur die Eidesformel, die Andre gegeben hat, findet Widerspruch. 'Der „Gil Blas" zum Bei spiel erklärt sie für zu lang und schlägt dafür folgenden Eid vor: „Ich schwöre der Regierung der französischen Republik Treue und Ergebenheit." Es erscheint höchst zweifelhaft, ob die Wiedereinführung des Fahneneides wirklich die gewünschte praktische Bedeutung hat. Der Treueid war in Frankreich von jeher „pau. cks ebase" — der klassische Beweis dafür sind die Ereignisse von 1814 und 1815, die sich bei allen späteren Staatsumwälzungen wiederholt "haben. Hat doch General Andre selbst als junger Offizier dem Kaiser Napoleon III. die Treue geschworen und ist dann ohne langes Besinnen zur Republik übcrgegangen! Eine belgisch-holländischc Verbindung. Der französische Krieastheoretiker General Lanzlois be- handelt in einer Artikelserie die Frage eines Zusammen schlusses der seit 1830 staasrechtlich getrennten Niederlande. Nachdem er die Unfähigkeit des belgischen Heeres dar gelegt hat, den Einbruch eines deutschen Heeres aufzuhalten, welches die französischen Maasbefestigungen umgehen wolle, heißt cs: Deshalb liegt den Belgieren an der militärischen Allianz mit Holland, weil dies Land eine stehende Armee hat, die vielleicht doch vor den Deutschen an Ort und Stelle in Namur wäre. Das belgische Heer taugt weder für Ver teidigung noch für Abwehr der Invasion, es würde sich in Antwerpen verkriechen, das ja bald fallen muß. Ware aber Holland verbündet, so würde dieses die Schcldemündungen besetzen und die Mcerverbindunz decken können. Wollte aber der Feind das holländische Neberschwemmungssystem an- greifen, dann müßte er seine Truppen teilen und sich sür den Hauptkampf schwächen. Also hat Belgien Interesse an dem Bunde; Holland hätte dasselbe Interesse, weil es durch französische oder deutsche Truppen heimgesucht würde, die durch das belgische Kontingent behindert wären. Im Falle des Sieges des einen ist es ja schließlich auch mit Hollands Selbstherrlichkeit zu Ende s?), es würde wenig darum be fragt werden, was werden soll. Beide Staaten aber könnten mit Hilfe Englands ernstlichen Widerstand leisten, wenn sic sich zu der belgisch-holländischen Allianz zusammenfinden könnten, aber die Sache ist nicht so einfach zu machen, wie cs die Befürworter in Brüssel anzunehmen geneigt zu sein scheinen. Es ist eine Frage des internationalen Rechtes, ob der neutrale Staat ein Defensivbündnis ab schließen kann; wenn auch Holland neutral wäre, dann würde nichts im Wege liegen, aber wenn Hollands Gebiet verletzt würde, hätte da Belgien das Recht, außerhalb seiner Grenzen Truppen zu verwenden? Die Antwort der ersten Staatsrechtslehrer, auch von der Brüsseler Universität, lautet rundweg: Nein! Das Eingreifen in das Gebiet des verbündeten Staates würde eben aus dem Defensiv- einen Offensiv-Vertrag machen, und Belgien darf nur seine eigenen Grenzen schützen. Ein solcher Vertrag würde also nicht auf Gegenseitigkeit beruhen, Holland wäre der „Genasführte". Es blieben zwei Lösungen für die beiden be teiligten Länder, die erste wäre es, die Zustimmung der Signatarmächte der Verträge von 1831 und 1839 zu ge winnen. Frankreich und England haben das denk bar größte Interesse an der Erhaltung Belgiens und der Niederlande, sie würden also kaum den geringsten Wider, spruch gegen den Plan erheben. Rußland und Oesterreich sind bei der Sache uninteressiert, bliebe Preußen, dessen Souveränität an das Reich übergezangeu ist, dem allein die Kriegführung zusteht. Nun aber ist das Reich keine Signatarin der Verträge, und man kann behaupten, daß es kein Recht hat, sich in die Neutralitätssrage Belgiens zu mischen, daß dessen Zustimmung zu dem Bunde Belgiens und Hollands für diese beiden nicht nötig ist. (Es ist geradezu verblüffend, welche schreiende Unwissenheit selbst gebildete Franzosen in deutschen staatsrechtlichen Dingen aufweisca: Preußische Ansprüche sind ausnahmslos auf das Reich über gegangen, der Unterschied ist nur, daß jetzt 62 Millionen hinter diesen Ansprüchen stehen. Der Franzose Langlois ist :bcn ein General, und es kommt ihm alles darauf an, den Deutschen im Kriegsfälle den Weg durch Belgien zu ver legen, ganz gleich, wie.) Die zweite Lösung wäre die, daß Belgien au» seine Neu tralität verzichtet. Es hat an dem Vertrag von 18A nur eine Fessel übernommen, ohne einen anderen Entgelt, als daß die genannten Mächte die Unverletzlichkeit seines Gebietes garantieren. Viele Leute aus der belgischen Armee und auch aus der holländischen halten diesen Weg für den ehren- werteren, ob aber eine bloße Erklärung genügt, das ist die Frage, und — solange die Klerikalen am Ruder sind, ist an eine Aufkündigung der Neutralität nicht zu denken. Der Augenblick sei günstig, die Germanisicrung beider Staaten abzuwcnden. — Das ist natürlich die Hauptsache für den Franzosen. Der Herr General scheint am liebsten eine politische Wiedervereinigung der beiden Niederlande zu sehen. Es sind aber doch gerade im Jahre 18:30 die südlichen Niederlande mit französischer Waffenhilse und unter englischen Segenswünschen von den nördlichen los gerissen, um sie vor derGermanisation zu retten. In Belgien wird man auch kein Bedürfnis ver spüren, die Erfahrungen der Jahre 1815—1830 wieder durchzukosten, und ebenso wenig wird den Holländern etwa mit der Rückkehr unter eine katholische Dynastie gedient sein, und die glorreichen Erinnerungen der Geusenzeit zu verleugnen werden sie schwerlich sich willens fühlen. Deutsches Keich. Leipzig, 13. Auaust * Der Kamps um die Schule. In derselben Düsseldorfer Zentrumsversammlung, in welcher Herr Erzberger seinen neuesten Hieb gegen die Äolonialverwaltung schlug, sagte der Landtagsabgeordnete Herr Reg.-Rat Dr. Ferners: „Der Kampf um die Schule sei noch keineswegs erledig:, insbe sondere der Kampf um die Vorbildung des Lehrperfonals werde in der Zukunft noch ein akuter sein. Wäre der jetzige Zeitpunkt unbenutzt! geblieben, so hätte sich vielleicht eine konfessionelle Bindung der Volks schule nie mehr erreichen lasten." Und die nationalliberale Fraktion hat diesen Zeitpunkt unbenutzt gelassen, diese konfessionelle Bindung, die sic doch nicht will, endgültig zu vereiteln! * Fahrpreisermäßigung für Handlungsgehilfen. Der Verein der Deutschen Kaufleute Berlin >unabhängige Orza- nisation für Handlungsgehilfen und -Gehilfinnen) hat an den Bundesrat folgende Eingabe gerichtet: Der Bundesrat wolle beschließen, dem Stande der Handlungsgehilfen, soweit dessen Jahreseinkommen den Betrag von 2000 F nicht übersteigt, dieselbe Vergün stigung in bezug aus Besteuerung -ihrer Straßen- und Stadtbahnabvnnementskarten zu gewähren, wie sie am 1. August d. I. den Arbeitern, welche mechanische Lohn- arbcsit verrichten, zugebillizt wurde. Das GHuch wurde mit dem Hinweis darauf begründet, daß, wenn bei diesem Erlaß nur die Höhe des betreffenden Jahreseinkommens maßgebend gewesen sei, dieser Grund beim Stande der Handlungsgehilfen ebenso Berücksichtigung verdient, da seine wirtschaftlich« Lage im Durch- schnitt keinesfalls besser sei als die unserer heutigen Lohn arbeiterklasse. * Die Vereine deutscher Studenten und Pfarrer Nau- mann. Zu diesem Thema wird uns abschließend von be- teiligtcr Seite geschrieben: „Es ist jüngst bereits darauf hin gewiesen worden, daß die von der Presse vielfach kommen- tierte Resolution von Kelbra gegen die Sozialdemokratie weder ein offizieller Beschluß des Kysshäuserverbandes der Vereine' deutscher Studenten ist, noch sich gegen den Alten Herrn des Verbandes Pfarrer Naumann richtet. Es muß vielmehr aufs Nachdrücklichste betont werden, daß der Versuch.durch einen Beschluß der Verband S- tagung das Ausscheiden Naumanns aus dem V- d. St. direkt oder indirekt herbeizuführen, vollständig gescheitert ist. Die offiziellen Ver treter der Vereine haben einmütig von einer solchen Beschlußfassung abgesehen, und dies mit Zustimmung der offiziellen Vertreter der Altherrenschaft. Der Verband har damit seinen Alten Herren die vollst« Bewegungsfreiheit auf dem Boden nationaler Politik gewahrt — sich dadurch aber selbstverständlich nicht im geringsten auf die politischen Ideen Naumanns sestgelegt: Die Zahl der ausgesprochenen Nationalsozialen ist im Verbände heute sogar geringer als je, auch in dem Leipziger Verein, der sich bekanntlich Nau manns am kräftigsten annahm. Was die in die Presse ge langte Resolution gegen die Sozialdemokratie betrifft, so ist sie eiae unverbindliche Meinungsäuße rung von Verbandsmitgliedern, die gelegentlich der offiziellen Tagung, aber unabhängig von ihr in freier Versammlung über die Aufgaben des Verbandes diskutier ten. Sie erwähnt Naumann mit keinem Worte, richtet sich ausgesprochenermaßen nicht gegen ihn und ist auch von zckhl- reichen Vevbandsmitgliedern gebilligt worden, die auf das entschiedenste für das Verbleiben Naumanns im Verbände eingetreten sind. Wenn trotzdem in der Presse die Nach richt aufgetaucht ist, diese Resolution sei gewissermaßen als c»ru«Iiuni aix'uncki für Naumann gedacht, und wenn einer Anzahl von Blättern die Resolution gar mit der Ueberschrisi „Gegen Pfarrer Naumann" zur Veriüguna gestellt worden ist, io liegt dem die unbefugte und allgemein gemißbilligte Preßtätigreit einzelner zugrunde, die ein ehrenge richtliches Nachspiel haben wird. So bedauer lich eine solche Entgleisung sein muß, die zu einer zeitweili- hier vielleicht die Lebensbeichte einer Frau in Händen hielt, die einem großen Künstler Weg und Ziel zeigen durste. Die ganze sehnsüchtige Glut, welche Wagners Briefe nach dem Abschied aus Zürich atmen, der ganze Schmerz einer hoff- nunaslosen Liebe, die ganze Süße lenes tiefsinnigen Wunder werkes „Tristan und Isolde" wurde mir bewußt und ließ mich jenes vergessene Buch mit ehrfürchtiger Liebe in Händen halten. In einer „Stunde tieferen Vertrauens" hatte wohl die alternde Frau der Freundin ihr Innerstes erschlossen, scheu die Tiefen eines liebenden Herzens entschleiert und endlich die'es Buch in die Hände der Teilnehmenden gelegt. Als ich das Buch gelesen, war es mir klar, daß diese Liebe zwischen Gudrun und Herwig, die über alle Not trium phierende Liebe Meier Edelmcnschen nichts war als ein Hoheslied der Sehnsucht nach dem Freund, mit dem dumpfen Unterton der Reue. Ihr schwärmerisches Königskind Gu drun, daS so gar nichts von der Gudrun der Sage hat, er- kämpft sich, durch Schmach und Haß unerschüttert, den Ge liebten, hätte ihn sich erkämpft, auch wenn Hardtmut, der Normanne, ihr Gemahl gewesen wäre. Die einsame Frau, die langsam hinüberschritt in das Dunkel eines sonnenlosen Alters, mochte in vielen stillen Stunden, zurückblickcnd auf eine kurze Zeit des Glückes, empfinden, daß hoch über aller Vernunft und all den schönen, glänzenden Gefühlen von Pflicht und Entsagen der Mut zur Liebe steht. Sie mochte einem Idealbild nachleben, wie man in tiefer Schmach, in Elend und Not dem Einzigen treu sein kann. Sie lebte in dieser Königstochter. In den unbeholfenen Worten: „Mein .Held! Mein Gatt«! Herwig, mein Gemahl!" bebte ihre Seele mit und lauschte verzückt dem letzten Liede des greisen Horant, jenem leidenschaftlichen Hochzeits- karmen, welches in Jubel endet: „Nur einmal noch leih' deinen reichsten Kiang, Es ist des alten Horants Schwonensong! Noch einmal gilt's, wie in vergangenen Tagen Ein Lied von Minn' und Treu zu singen und zu sagen, Bevor sie betten ihn — auf immer auszuruhn, Singt er das Lied von Herwig und Gudrun Die Verse sind schlecht. Wohl. Es gibt sogar noch schlechtere im Schauspiel. Und man würde nicht zwei Seiten von den 212 des Buches lesen, stände aus dem Titel, daß cs von Lieschen Mayer geschrieben sei. Und weil eS die Irau ist, welche uns interessiert, die Persönlichkeit, welche hinter der Dichterin steht, braucht auch nicht über den Sunstwert I dieser vergessenen Dichtung geurteilt zu werden. Noch we- niger als in der „Dido" von Charlotte von Stein ist in dieser „Gudrun" e>n auch nur schwaches Stilgefühl. Keine Cha- rakteristik in tieferem Sinne findet sich, keine Spur einer dramatischen Gliederung. Dafür aber treffen wir auf Schritt und Tritt Worte, welche von dem Einfluß künden, den Richard Wagner aus die liebende Frau ausgeübt hat. Mtt der Naivetät restlos liebender Seelen redet sie unbawußt die Sprache des Geliebten: Tristan, Tannhäuser, die Ni belungen, alle singen und sagen sic aus dem Munde dieser Frau, und alles ist ein rückhaltloses Bekenntnis der Lieb« zu dem Einzigen, dem sie verbunden ist, wie Gudrun dem Könige: küßte auch, doch kannt ich nicht den Kuß, Seel' an Seele unauflöslich kettet." Im zweiten Akt gerät sie ganz in den Bann von Wag- ners „Tristan". Wie der erste Akt des Liebesdramas spielt er auf dem Verdeck eines Schisses während der Überfahrt der geraubten Gudrun auf Hardtmuts Schiss nach der Nor mandie. Wie Isolde fährt Gudrun aus träumendem Grübeln auf: „Wo sind wir:?" Und wie Bromyäne spricht Hiltburg: „Auf offener See Treibt uns der Wind des Normanns Küste zu." Wie Isolde in jener prachtvollen Apostrophe- „Entartet Gefchlecht" di« Element« aufruft, das Schiff zu zertrümmern und den Atem, der auf ihm lebt, in den Winden zu verwehen so ruft Gudrun: „Verräterische Welle, schling mich hinab!" Und: „Wehe dem Schoß, der mich gebar." Auch der singende Matrose fehlt nicht. Bei Mathilde singt er: „Ferne von dir Trauert mein Herz. Wär' ich ein Vogel, Auf Schwingen der Möwe Flög' ich dir ;u." Ein Fisch wünscht er zu sein und ein Schiss. -Doch hin ich nicht Vogel noch Fisch Bin ich nicht Segel noch Wind. xAch Der Auf Sehnsuchtsschwingen Eil ich zu dir Mein Kind!" Einige andere Stellen könnte Wagner geschrieben haben: „Wahn näbrst barte du! Redlich nicht redet dein Mund. Wenn Herwig lebte, der Held, Wie dann triebe Gudrun Auf ossener See zur Stund Dem Strande Les Normann zu?" Oder: „So spricht zu Hardtmut meine Fra> : So ihren Schmerz er achtet, So ihren Gram er ehrt. So ihm die Herrin wert, Vor Augen nicht ihr zu treten." Ich führe weitere Proben nicht au. Auch soll über das Schauspiel selbst nichts mehr gesagt werden. Aber eine Frage taucht aus: „Wäre dieses Buch vielleicht doch kein Be kenntnis sondern nur ein lächerlicher, kindlicher Versuch, einem Großen es in seinem Maße nachzutun? Glaubte sie das gleiche zu können wie der Freund, der — jetzt vielleicht — gehaßte? Der Siegreiche, der Thronende — an dessen Seite zu sitze« sie verschmäht?" Das Frauen herz hat solche Untiefen. Nur zu oft und zu leicht ahnen die Frauen nichts von dem eigenen Wert ihrer selbst, dem süßen Zauber edler und tiefer Weib- lichkeit, der Manner weiht und Männer bildet; nur zu ost fühlen sie nicht den süßen Reiz, der aus ihrer Seele sseiai und vom ewig Weiblichen kündet. Nur zu ost lassen sie ein Königreich, um Kiesel zu finden, und ein Buch schreiben kann ihnen eine höhere Tat zu sein dünken, als in eine kalte sagende Welt den ttefen, holden Zauber der Gewutsmacku streuen; und Li^>e zu säen, mit innerstem Herzen fühle« zu lehren, kann chnen mächtiger scheinen als iibcr Liebe zuschreiben. Auch Mathilde Wesendonck kann «me solche Frau gewesen sein. Aber aus dem Vorsatzblatt des Gudrun-Buchcs steht ein geheimnisvolles Wort. Ein Wort Lessings: „Der Mens» muß "'Li müssen." Das heißt: es gibt Höheres als Pflicht Gudrun muß nicht, w,e so viele ihrer Schwestern im Leben, resignieren, sich „akklimatisieren", wie Ellidc Wangel S»e muß nicht unter der Wucht der Leiden zu-
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