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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 18.08.1906
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1906-08-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19060818029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1906081802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1906081802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1906
- Monat1906-08
- Tag1906-08-18
- Monat1906-08
- Jahr1906
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Ausl.) * Die Duma-Wahlen sollen im November statt finden. sS. Ausl.). * Der russische Ackerbauminister bereitet eine konservative Agrarreform vor. (S. Ausl.) durch eine Sondergesetzgebung, nach dem sie so laut rufen. Dabei ist es anerkennenswert, daß auf dem jüngst in Pirna abgehaltenen Verbandstage der Rabatt- und Sparverein« in der Debatte ein Redner hervorhob, daß der Kleinkauf mannsstand sich ein größeres Selbstgefühl anschaffen müsse. „Existenzen, die nur mit Hilfe und unter Inanspruchnahme der Barmherzigkeit der Mitbürger bestehen können, würden am besten ausgeschaltet von den Rabatt-Sparvereinen." In ähnlicher Weise machte auch vor kurzem «in Organ der Kleinhändler, der in Hannover erscheinende „Materia- list", auf die Ursachen des Nichtvorwärtskommens vieler Kleinhändler aufmerksam. Solche Auslassungen sind um so wertvoller und anerkennenswerter, als häufig Aeußerun- gen zu diesen Fragen, besonders wenn sie von höheren Re- gierungsbeamten ausgingen, falsch aufaefaßt worden sind und dann zu einer Agitation geführt haben, die jenen nicht berechtigte^ zweifelhaften Existenzen das Rückgrat stärkte, sehr zum Schaden der existenzberechtigten und ehr.nw:rlrn Kreise. Es ist eben hier genau so wie in allen andern Stän den. Kein Stand ist frei von zweifelhaften Existenzen Der Kampf muß darum aber auch von den achtbaren, existenz- berechtigten schonungslos gegen die zweifelhaften geführt werden. Bizerta ein neues Karthago. Eduard Lockroy ist der erste Sachverständige in Marine angelegenheiten, den Frankreich aufzuweisen bat; mehrfach Marineminister, ist er der geistige Vater all der schönen Pläne aus denen trotz ihrer Logik doch nichts Ordentliches geworden ist. Aber Lockroy schmollt nicht, er hat als Privat mann Flottenstudien im Auslande gemacht, auch bei uns im Reiche, und wenn es einmal am Platze ist, dann äußert er seine Meinung, ohne jedes Besserwissen, ruhig und mit Gründen. Er schreibt: Die Äera Pelletan ver ging und die so stupide abgeschabten großen Manöver wurden „wieder erweckt", das Seeofsizierkorps -um selbständigen Handeln und Denken angeleitet. Keine bessere Marine kann ohne dies auskommen, nur so kann Angriff und Abwehr gelernt werden. Ohne Manöver kann man „einen Stein an Stelle der Flotte setzen", der tut denselben Dienst. Die „Grandes Manoeuvres" haben dies Jahr in Tunis stattaefunden, bei Bizerta, und sie haben starke Mängel enthüllt, so die völlige Unzulänglichkeit der dortigen Garnison, verbunden mit dem Mangel jeder Strandbefestigung, die bei dem Meer, das eine furchtbare Angriffsfront gestattet, doppelt nötig wäre. Das Fort Sidi Abdallah befindet sich am Ein gang des „inneren Sees", mehrere Kilometer weit vom Ufer, und ein irgendwo gelandeter Feind könnte dem Fort leicht in den Rücken fallen, unbekümmert um die Haupt- Position: Sandstrecken von musterhafter Landungsfähigkeit laden den Eindringling förmlich ein. Dies „Fort" ist näm- lich keins, es ist das Arsenal mit den Kriegsmaterialien, und dieser könnte sich ein „Jnvaseur" leichtlich, hinter dem Rücken der Hanptarmee, bemächtigen oder doch sie vernichten. Er findet auf dem Marsch rein „Sperrfort , ihm droht nicht ein Geschütz. Nur das Ärsenalpersonal ist vorhanden, das gegen eine kleine Truppe nicht mehr ansrichten würde, als etwa die Lazarettgehilfen. Und durch diese Lässigkeit sind andere Plätte gefallen, wie Santiago de Cuba und Port Arthur. Landtruppen allein haben bis jetzt Seefestungen erobert, das ist die historische Tatsache, auch Sewastopol gehört hierher. Für Bizerta hat Frankreich einhundert Millionen Francs angelegt, und cs ist sie wert; es ist das strategische Zentrum des Mittelmeercs, weit überlegen den britischen Plätten Malta und Gibraltar- deshalb sollte man es mit allen Mitteln schützen von allen Seiten, besonders auch vom Lande her! Das viele Geld ist ins Wasser geworfen, wenn die angefangenen Rüstungen unvollendet, wenn das begonnene Werk halbvollendet, wenn dem einfachsten Handstreich Tür und Tor geöffnet bleibt. Deshalb braucht man nicht das i Niesenprojekt auszuführen, das aus Bizerta ein ,,verschanztes I Lager" macht, und dessen Ausführung auch dem reichen Frank. I reich das Budget .Fersauern" könnte. Der Platz ist auch ssolitircbe Lagerrebsu. Leipzig, 18. August. Zweifelhafte Existenzen. Es ist erforderlich, daß in den Kreisen des Handwerks wie auch des Kleinhandels sich immer mehr die Ueber- zeugung Bahn bricht, daß für die mißliche wirtschaftliche Lage, in der sich einzelne Angehörige dieser Erwerbszweige be'inoen, der Grund vielfach im eigenen Lager zu suchen ist. Eine solche Selbsterkenntnis ist zweifellos der erste Schritt zur Besserung der Verhältnisse. Im Jahresbericht der Freiburger Handwerkskammer B. werden hauptsächlich -Klagen laut über die „Schmutzkonkurrenz, die die Hand werler selbst einander bereiten". Zumeist sind es mnge Leute, so heißt es, denen das Solidaritäisgefühl und die nötige Geschäftserfahrung mangelt. Diesen fehlt es ent weder an dem richtigen Verständnis für eine ordnungsge mäß? Kalkulation oder an dem erforderlichen Betriebskavi- tal. Solche zweifelhafte Existenzen suchen die Arbeit an sich zu reißen und halfen, dadurch ins Geschäft zu kommen. Da durch schaden sie ai^r nicht nur sich selbst, sondern schmälern noch dem soliden Handwerker den Erwerb. Der Bericht endet mit folgendem Schlußwort: „Dem Handwerk wird immer mehr eine schätzens- und lobenswerte Beachtung zuteil. Wir erinnern nur an die tagelangen Verhandlungen in der Zweiten Kammer des basischen Landtags über die Forderung des Gewerbes, wobei alle Parteien bemüht waren, ihr Wohlwollen für das Handwerk an den Tag zu legen. Möge dieser Geist überall nachhaltig wirken, und vor allem auch eine Wieder geburt des Handwerks aus sich selbst heraus herbeiführen." Das ist eine sehr verständige beherzigenswerte Frage. Wie können anders die Schäden im Submissionswesen, an denen vor allem das Handwerk krankt, beseitigt werden, als aus Len eigenen Reihen heraus, aus der Betätigung des Solidaritätsgefühls und vor allem aus Erfahrung, Wissen und Können. Vielleicht noch schlimmer als beim Handwerk liegen die Verhältnisse im Kleinhandel. Manche Kleinhändler, denen cs infolge ihrer Unkenntnis der Sachlage und der Verhält- nisse an dem Grundelement, der genügenden Absatzgelegen heit der Waren, mangelt, oder die mit einem zu kleinen apital sich etablieren und einer Krisis nicht gewachsen sind, oder denen jede kaufmännische Vorbildung fehlt, sind t Lage nicht exisienzbercchtigt, haben keinen Anspruch auf <schutz > reich billiger zu verteidigen; es handelt sich lediglich um einige Forts, die den Anmarsch des Gegners aushalten könnten, die w gut placiert wären, daß sie standhielten, bis die Armee von Algier am Platze wäre. Fünf Millionen genügen nach der Kalkulation der Offiziere, die den Plan gemacht haben. Und diese Summe kann man doch wohl für die Sicherheit der Operationsbasis ausgebcn, Kammer und Senat könnten dafür einige der unnützen Ausgaben streichen, die mit der Sicherheit des Landes nichts zu tun haben, Die jetzigen Manöver haben der Notwendigkeit die Isolierung des Arsenals abzustellen, wieder neuen Halt gegeben. Auch ein: genügende Garnison muß hinein. Regierung und Kammern können sich ciu Verdienst erwerben, wenn sie irgendwo Ersparnisse eintreten lassen, um diese Ausgabe so fort vornehmen zu können. Diese Ausführungen sind nicht etwa theoretisch, sie entstammen dem dreiwöchigen Aufenthalt, den Lockroy auf dem Ädmiralschisf Fourniers während der Manöver genommen hat; auf dem „Brennus" ist er mitge- fuhren und hat sich Einblick verschafft, und von neuem ist ihm die Erkenntnis gekommen, daß für Frankreich nichts so kost spielig sei, wie die Niederlage. Eine solche drückt Jahr zehnte auf das Budget. Gewiß wird die Flotte jedes Jahr teurer, Schiffe von 18—19 000 Tonnen muß die Republik bauen, und das kostet Frankreich mehr als allen anderen Mächten, da es deswegen seine Häsen vertiefen und die Trockendocks erweitern muß. — „ . Daß sich die Mittelmeermächte eine böse Suppe eingcbrockt haben, als sie Tunesien mit Bizerta in Frankreichs Hanse fallen ließen, ist längst bekannt. Man kann es den Fran zosen nicht verdenken, wenn sie ihren Besitz nun immer starker und wertvoller machen wollen. veulscves Keich. Leipzig. 18. August. * Eine Asrika-Denkmünzc. Als ein Zeichen dafür, daß die amtliche Erklärung der Beendigung des Kriegszustandes im südwestasrikanischen Schutzgebiet in absehbarer Zeil zu erwarten ist, können die Vorarbeiten für eine Afrika- Denkmünze angesehen werden, mit denen die zuständigen Berliner militärischen Stellen beschäftigt sind. Der Ge danke einer Erinnerungsmedaille für die deutschen Mit kämpfer im Herero- und Hottentottenaufstanüe ist, wie die „Neue mil.-pol. Korrespondenz" erfährt, von dem obersten Kriegsherrn selbst ausgegangen. Einzelheiten über die Form und Prägung der Kriegsdenkmünze und die Farbe des Bandes, an der sie getragen werden soll, stehen noch aus und werden erst nach Genehmigung durch den Kaiser bekannt gegeben werden. * Gegen allerlei Quertreibereien. Unter dieser Spitz marke schreibt die „Nationalliberale Korrespondenz": Die „Rheinisch-Westfälische Zeitung", die selbst als nationalliberales Organ gar ruckst angesprochen werden will, veröffentlicht, angeblich aus der Feder eines „alten nationalliberalen Politikers", den Plan zu einem klerikal- nationälliberalen Wahlkartell im rheinischen Industrie- bezirke zugleich mit der Drohung, daß, wenn das Zentrum sich der von jenem Politiker vorgeschlagenen Austeilung nicht fügen wolle, die Nationaltiberalen in den betreffen den Wahlkreisen mit den Sozialdemokraten gehen müßten! — Der „alte nationalliberale Politiker" der „Rheinisch- Westfälischen Zeitung" zeigt nicht den Mut, mit seinem Namen für diesen unsinnigen Vorschlag hervorzutrcten. Die leidige Folge davon ist, daß das Zentrum nicht säumt, ihn flugs der nationalliberalen Partei an die Rock'chöße zu hängen. Die nationalliberale Partei hat, wie wir aufs nachdrücklichste betonen, mit dem Vorschläge jenes „alten Politikers" der „Rheinisch-Westfälischen Zeitung" nicht das mindeste zu tun! Das ist gut; aber noch besser wäre es, wenn die Partei- korraspondenz offen erklären wollte, daß nicht nur dieser Plan zu einem klerikal-nationalliberalen Wahlkartell in Westtalen nicht existiere, sondern überhaupt ein solcher ausgeschlossen sei. Tenn was die Korrespondenz.daun an Zitaten aus Bennigsen anführt, läßt den Schluß sehr wohl zu, daß man Kartellgedanken mit dem Zentrum für ver einbar hält mit dem liberalen Charakter der nat onal- l'beralen Partei. So wenig wir einem Kartell mtt der Sozialdemokratie das Wort reden, ein nationalliberal-ultra- montanes Wahlkartell würde denen Recht geben, die in der nationalliberalen Partei nur noch eine Plantage konser vativer Ideen unter falscher Flagge sehen. * Herr von Holstein, der bekannte irühere Geheimrat im Auswärtigen Amt, teilt in einem Brief an Maximilian Harden üoer seine Verabschiedung mit, daß seine Beziehun gen zum Geheimrat Hammann, Sem bekannten Preßdczer- nenten des Auswärtigen Amts, sich schwieriger gestaltet hätten, und daß er deshalb in der Wcihnachtswoche 1905 sein Abschiedsgesuch eingereicht habe. In den ersten Januar tagen sei darauf die Verfügung ergangen, durch die die poli tische Abteilung mit ausdrücklichem Einschlüsse des Preß bureaus dem Herrn von Holstein unterstellt worden sei. In zwischen erfolgte die schwere Erkrankung des damaligen Staatssekretärs, infolge deren Herr von Holstein dem Reichskanzler sagte, er wolle die Ab'chieds'rage in der Schwebe lassen, bis er wisse, wer Staatssekretär werde. Nach der Ernennung des Herrn v. Tschirschky teilte dann Herr von Holstein dem Fürsten Bülow mit, er sei zu der Ueberzeugung gekommen, daß das Auswärtige Amt für Herrn von Tschir'chky und ihn zu eng sei; gleichzeitig über reichte er iein Abschiedsgesuch. Tie Erledigung des Ab schiedsgesuches, das als Duplikat an das Auswärtige Amt gesandt wurde, erfolgte nachher in der Osterwoche durch den Staatssekretär, während der Reichskanzler noch schwer krank lag. * Tas Vertuschungssystcm und die Disziplinargerichte. So betitelt sich der neueste Leitartikel des dem Abg. Erz» I berger nahestehenden „Deutschen Volksblattes" in Stuttgart. ! Es wird Larin behauptet, der Geh. Sekretariatsaisistenr Poeplan habe seinerzeit den Reichskanzler in einer Eingabe auf Mißstände in der Kolonialvcrwaltung aufmerksam ge macht, aber anstatt daß diese Mißstände untersucht und ab gestellt wurden, leitete man gegen Poeplan, als dieser sich Sem Abg. Dr. Müller-Sagan anvertraut hatte, das bekannte Disziplinarver-ahren ein. Damit hätte sich di: Diszipli nargewalt zu der falschen Ansicht bekannt, „bester, daß Ge setz und Ordnung verletzt wevoen und daß Handlungen, wie sie Puttkamers und Bessers verheimlicht würden, als daß t>ic''e bekannt und geahndet werden". Man sieht — die Angriffe Erzbergers zielen immer höher hinauf, um zu be weisen, wie veriahren das Kolonialweien ist. Dem darf nur damit begegnet werden, daß man von leiten der Reichs regierung auch in diesem Fall wieder die volle Wahrheit erforscht. * Dr. Stübel. Ihren Mitteilungen über die Einleitung von gerichtlichen Ermittelungen gegn den früheren Kolonial- direktor Dr. Stübel fügt die „Freis. Ztg." noch folgende An gaben hinzu: Im Verfolg eines Diszivlinarverfahrens, das gegen den Beamten der Kolonialabteilung, Pöplau, einacleitet worden ist, hatte bei diesem eine Haussuchung stattgesunden. Dabei waren unter anderem vier von einem anderen Kolonialbeamten herrührende Privatbriese beschlagnahmt worden. Kolonialdirektor Stübel hat nun von diesen Brie fen, die zu den Allen über das noch schwebende Diszipli narverfahren gehören, Abschrift nehmen lassen und diese — übrigens völlig unaufgefordert — dem Abg. Roercn übergeben, lediglich in der Absicht, den Briesschreiber, stir den sich Abg. Roeren interessierte, bei diesem zu diskrcdi- tieren. * Ausschreitungen bei einem Streik. Gestern nachmittag st Uhr kam eS an der Ecke der oberen Bau und Regens burger Straße in Nürnberg zwischen Arbeitswilligen und Feuilleton. Der kttensch ist entwickelt, nicht geschossen. Üken. Der üäensch ist ctie Lumme von Litern unck Umme, von Ort unct Zeit, von Tust unck Wetter, von Lchsll unck l-icht, kost unck lileickung — sein LIille ist ckie notrvenckige ?olge oller ckleser Ursachen. MoIe5ctioN. Vie kAixtur, kttensch genonnt, ist wohl ckoz tollste kogout, welches je einem himmlischen Kochbuch ent schlüpfte. Venlrel-Lirnmii. Vie üäenschhelt ist gross unck ckie üäenschen slnck klein. 8Srne, Serammette Sckuiklen. ver üäensch Ist ckas einrlge kochencke vier. Sesver. Unheil'ge Muse! Hett'ger Rigorssurr Von Curt Müller (Leipzig). „Und ich sag« Ihnen nochmals, Sie Frauenzimmer, w«nn Sie sich noch einmal so frei in der Oefsentlichkcit benehmen, dann laste ich Sie einsperren! Ziehen Sie das Tuch mehr vor den Busen! Da muß ja unsereins erröten. Und dann von wegen der Obrigkeit, da sprechen Sie mir auch künftiger etwas respektierlicher!" » Dxr gestrenge Herr schaute das zitternde Mädchen mit grimmiger Amtsmiene an. Dann aber veränderte sich plötz lich sein Gesicht und mit liebenswürdigem Lächeln — soweit er liebenswürdig werden und lächeln konnte — sagte er: „Aber wenn Sie mir ein bißchen gut sein wollten, dann könnten Sie sich schon so zeigen, wie Sie es in der Öffent lichkeit getan haben. Hier im Amtsbureau gibt es reine Sünde!" Das Mädchen aber ging entrüstet fort und warf dem gestrengen Herrn die Tür vor der Nase zu. Zornig rief er ihr nach: „Sie Person, Sie! Das sage ich Ihnen, wenn Sie sich noch einmal zu frei in der Oesfentlichkeit benehmen, dann sperre ich Sie ein! Dann gibt «S Haft! Bei uns herrscht Sitte und Ordnung!" . . . Was für eine Szene ich da geschildert habe? O, keine aus der Gegenwart! Bei uns kommt so etwas rnemals vor! Eine Szene aus der Vergangenheit; aus Tagen, die hundert Jahre zurückliegen, ist cs. Ueberhaupt keine Szene, die wirklich passiert ist. Nur symbolisch ist sie zu nehmen. Das Mädchen ist die deutsche Muse und der rigorose Herr der Herr Zensor. Ist! Das ist falsch! „War" muß cs beißen. Mr haben zwar noch eine deutsche Muse, wenigstens behauptet man es' aber Zensoren gibt es, Gott sei Dank, bei uns nicht mehr! Wir können schreiben, reden und spielen, was wir wollen. Mr haben Preßfreiheit und kennen den Herrn Rigorosus nur als ein legendenhaftes Wesen. Aber einst, einst in der sogenannten alten, guten j^eit, da ging es gar trübselig zu! Der Herr Rigorosus folgte der Muse auf Schritt und Tritt. Ueberall witterte er Gesetzwidriges. Das arme Mädel stand tatsächlich unter Kontrolle! Ein göttliches Wesen unter Polizeiaussicht! Man könnt« darüber lachen, wenn einem das Weinen nicht gar zu nahe käme! Einst! Ich meine jene klassische Zeit der unbeschränkten Zensur, als ein armer Schrrftstcller angerüffelt wurde, weil er schrieb: „Heute haben Seine Majestät um halb zwölf Uhr Audienz zu erteilen geruht." „Die Audienz ist Schlag zwölf Uhr erteilt worden, hieß es barsch. „Maiestät tut nichts halb." Einst! Ich meine jene Zeit, als man des Helvetius äe I'Tsprit und Voltaires Dueollo in der Schweiz auszurotten befahl. Und nach einigen Wochen schon wnnte die eifrige Polizei melden: „Dans touts la 8uisss U n'v a ni Lsprit, oi vueslls." — „In der ganzen Schweiz gibt's jetzt weder einen Geist, noch eine Jungsrau." Dieses Einst meine ich. Dieses Einst liegt weit über 100 Jahr« zurück und dehnt sich aus — nein, nicht bis jetzt! wir kennen ja nicht mehr diese Geisteskontrolle — es dehnt sich auS vis weit ins 19. Jahrhundert, wo der Herr Staatsanwalt — Pardon, Zensor mein« ich! — wo der Herr Zensor der Mus« die Flügel nach allen Regeln der Kunstwidrigkeit beschnitt. Und wie peinlich, wie sittlich ging man bei dieser Be schneidung zu W«ge! Di« heiligen 10 Gebot« mußten vor allem respektiert werden; wenigsten» in Wien. Ein Sohn durfte da nicht den Vater mißhandeln. DaS war gegen daö vierte Gebot. Deshalb mußte Franz Moor, di« Kanaille, der Neffe des alten Moor sein. Dasselbe Verwandtschaft-- Verhältnis ward natürlich auch in „Kabale und Liebe^ ein geführt. Ferdinand hatte »iasach eurpört auszurufen: „Es war als Direktor des .... -um ängstlichen Hofmann geworden. Er fand „WalleniteinS Lager für staatsgefährlich! Staats gefährlich? Wahrhaftig das gäbe Stoff zu einer Preisfrage oder Doktorarbeit! „Inwiefern mußte Jffland „Wallen steins Lager" als staatszefäbrlich erscheinen?" Gemach, niemand wird den Preis verdienen und sein Doktorexamen nur balbwegs gut bestehen! Jffland selbst mag di« große Frage lösen. Er schreibt in einem Briefe an Schiller unter dem 10. Februar 1799 u. a.: „Es scheint mir und schien mehreren bedeutenden Männern ebenfalls bedenklich, in einem militärischen Staate ein Stück zu geben, wo über die Art und Folgen «ines großen stehend«» Heeres so treffend« Dinge in so hinreißender Sprache gesagt werden." Und dann werter: „WaS der wackere Äaclstmeistcr so charak teristisch über das Köniaszepter sagt, ist, wi« di« ganze mili tärisch« Dekali«, bedenklich, wenn «in militärischer König gibt eine Gegend in meinem Herzen, worin das Wort Onkel noch nie gehört worden ist." Poetisch! Was? Aber Wien war ja immer reaktionär gewesen! Doch im liberalen Südl-eutschland war's auch nicht bester. Noch in den sieb ziger Jahren des vorigen Jahrhunderts führte man im Stuttgarter Hoftheater nur ganz ungern Goethes „Jph'.geni«" auf, weil es nun einmal nicht anders ging, als die Griechenjünglinge mit nackten Beinen auftreten zu lassen. Und nackte Beine? Ti ckovcrl Was aber noch alles der Staatsanwalt —Pardon, immer komm« ich wieder auf unsere Zeit! — den Zensor meine ich! — was der noch alles beanstandete' Ter liebe Gott ward ganz aus dem Schauspiele verbannt, wie heutzutage aus einem Gedichte unier jozialsemokratischcr Zensur. In der „Jungfrau von Orleans" mußte in Wien der Schlachtruf „Gott und die Jungfrau!" umgewandelt werden in: „Der Himmel und das Recht!" Und wie Gott wurde auf der Bühne auch sein niedrigster Knecht geehrt. Aus dem Kapuziner in „Wallenstein? Lager" wurde — recht schmeichelhaft für die Behörde! — eine Magistrats person! Aber w«rfe man dieses geistige Kastrateutum ja nicht allein Oesterreich und Süddeutschland vor! Was dort die Pfaffheit tat, das tat z. B. in Preußen das Schranzen- tum. Der Titel „Prinz von Homburg" durfte nicht auf dem Theaterzettel stehen. Man bedenke, der Name eines souveränen Fürsten! „Di« Schlacht bei Fehrbellin" genügte. Da ich jetzt gerade von Preußen spreche, fällt mir eine Stelle auS dem O ' ' " und Goethe ein. und werden erst in Preußen spreche, fällt mir eine Briefivechsel zwischen Jffland und Schiller Diese Briese ind noch völlig unbekannt 'u nächster Zeit durch die Reclamiche Uni- vcrsalbibliothek dem Publikum zugänglich gemacht werden. Jffland, der doch den wilden „Räubern" so mutig Bahn ge- broch«n hatte, war a>ls Direktor des König!. Schauspiel hauses in Berlin fand „Wallenstein der erste Zuschauer ist " Und in diesem Ton gebt es noch über 100 Zeilen iveiter. Schiller muh natürlich nachgeben. Das „Lager" fällt bei der „Wallenstein"-Aunührung weg. Der Dichter aber läßt in seinem Antwortschreiben einen Sah entschlüpfen, der seinen Mißmut unverkennbar aus drückt: „Tas Skandal wird genommen und nicht gegeben." Eine ähnliche Auseinandersetzung hatte ein Vierteljahr- hundert später Goethe mit dem Grafen Brühl, dem Inten danten desselben Theaters. Es soll Teinhardsteins „Hans Sachs" auigesührt werben. Goethe w rd gebeten, einen Prolog zu schreiben. Er tnt's. In dem schlichten, ganp der Dicht- und Tenkart des alten Meisters angcpaßten Gedichie läßt Goethe folgenden Vers Vorkommen: „Ohne mit Schleppe und Steiß zu schwänzen." Darüber schreibt Graf Brühl enttetzt, natürlich in aller höfischen Form an den Altmeister: „Sie verzeihen m.r wohl vier noch eine halb scheriba'te Anfrage: Sollte bei unserem heutigen überzierlicben Publikum nicht vielleicht d'e Llelie bedenklich seyn?" Und Goethe ändert sie mit oivmpischem Lächeln um in „Ohne mit langer Schleppe zu schwänccn". Aber noch etwas viel Schlimmeres! In demselben Prolog hatte Goethe geschrieben: „Draus seht ihr mit weiten Ermcln und Falten Gott Vater Kinderlehre halten." Graf Brübl will cs mit dem lieben Gott und vor allem mit dem König, der „wegen des scherzhaften Tones Anstoß nehmen könnte" — der König, n'cktt der lieb: Gottl — nicht verderben. Er macht einen AenderungSvorschlaz. Goethen aber ist die gräfliche Poesie nicht sonderlich angenehm. Er nimmt selbst die Aenderung vor. Er schreibt: „Da seht ihr allerley Thiergestalten Auf Gottes frischer Erde walten . . ." Und nun lobe mir einer noch die gute alte Zeit! Solche närrische Dinge kommen bei uns nicht mehr vor. Da hing z. B. einst einmal in dem Kunstladen einer süddeutschen Stadt ein ganz sonderbares Bild aus. Ein Schutzmann nahm Anstoß daran und befahl dem Kunsthändler: „Sie, hängen Sie mal das nack'ge Frauenzimmer da vom Fenster weg!" Die anstößige Tamc war die berühmt: „Leda mit dem Schwan". Doch nein, da führ« ich ein falsches Beispiel an! Das Einst liegt ia erst zwei Jahre ;urück. Ta wurde einst einem süddeutschen Verlage vom Zensor die Ueber- setzung von Tiderots „Ta Usligienso" konfisziert. Un sittlich sollte das ^moderne" Buch des „modernen" Schrift- siellers sein. Doch nein! Auch das Beispiel ist dumm ge wählt! Tas Einst liegt kaum drei Jahre zurück, und der Herr Zensor war Staatsanwalt, der in «inrm de.iisch n
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